Protocol of the Session on July 12, 2000

regelung diskutiert. Hierzu möchte ich Folgendes sagen und das sage ich auch denen, die diesem Gesetz kritisch gegenüberstehen: Diese Benehmensregelung gewährleistet eine einheitliche Gestaltung der Ausnahmepraxis, indem das Verfahren bei einer Landesbehörde, nämlich der obersten Rechtsaufsichtsbehörde im Innenministerium, konzentriert wird. Dies führt zu einer Erleichterung für die kommunalen Aufgabenträger, die die Anträge nur bei einer Behörde zu stellen brauchen. Durch die Beteiligung der Fachressorts, meine Damen und Herren, und das ist der entscheidende Punkt bei der Benehmensregelung, wird sichergestellt, dass der Antrag auch materiell dahin gehend geprüft wird, ob eine ordnungsgemäße Aufgabenerledigung gewährleistet bleibt. Meine Damen und Herren, Herr Klostermann, Frau Lorenz! Das ist der entscheidende Punkt. Sie wiegen den Kopf, ich sage es noch einmal: Es wird immer geprüft, ob die Aufgabenerledigung gewährleistet bleibt, und nur dann wird im Einzelfall eine Ausnahme erteilt. Deswegen, sage ich Ihnen, kann aus meiner Sicht

(Caterina Muth, PDS: Darum geht es doch gar nicht.)

auch derjenige, der bislang behauptet hat, hier gehen Aufgaben den Bach herunter, diesem Gesetz zustimmen. Das ist jedenfalls meine Empfehlung.

Meine Damen und Herren! Das Standardöffnungsgesetz ist ein Experimentiergesetz. Ich habe schon gesagt, es beschreitet nicht ausgetretene Pfade. Im Einzelfall wird ein Antrag mit befristeter Dauer genehmigt werden. Die regelmäßig vom Innenministerium an den Landtag abzuliefernden Berichte werden zeigen, wie die Standardbefreiung von den Kommunen angenommen wird. Am Ende dieses Gesetzes – es hat ja eine befristete Geltungsd a u e r – wird auszuwerten sein, ob in einigen Fällen eine allgemeine gesetzliche Regelung erfolgen soll oder aber ob das Gesetz selber fortgelten soll. Das ist noch zu entscheiden.

Meine Damen und Herren! Ich als Kommunalminister empfehle dieses Gesetz im Landtag zur Annahme und würde mich freuen, wenn die Kommunen mit diesem Gesetz solide und in diesem Sinne modernisierend ihre eigene Kommunalpolitik gestalten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und einzelnen Abgeordneten der CDU und PDS)

Vielen Dank, Herr Innenminister.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Müller von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Frau Lorenz, ich möchte zunächst die Aussage, ich hätte hier einzelne Abgeordnete, die diesem Gesetz kritisch gegenüberstehen,

(Zurufe von Dr. Henning Klostermann, SPD, und Annegrit Koburger, PDS)

diffamiert, eindeutig zurückweisen. Ich denke, ich habe dieses nicht getan. Im Gegenteil, ich habe zum Ausdruck gebracht – und ich möchte dieses wiederholen –, dass ich großen Respekt vor denjenigen habe, die dem nicht einfach so zustimmen, sondern die sich diese Zustimmung sehr schwer machen und die vielleicht sogar für sich zu

dem Ergebnis kommen, dass sie diesem Gesetz nicht zustimmen können, insbesondere deshalb, weil sie ganz bestimmte fachpolitisch ausgerichtete Interessen, sei es als Umweltpolitiker, sei es als Jugendpolitikerin, sei es aufgrund anderer politischer Gebiete, vertreten und vertreten müssen. Aber ich denke, es ist keine Diffamierung, wenn man sich mit Argumenten und Gegenargumenten auseinander setzt und wenn man nicht gleich einknickt, nur weil ein Ausschuss eine bestimmte Position vertreten hat. Ich denke, es ist das Recht, ja es ist die Pflicht des federführenden Ausschusses, sich dann mit diesen Argumenten auseinander zu setzen, sie zu bewerten und sie aber gegebenenfalls auch zurückzuweisen.

Ich halte es auch nicht für richtig, wenn wir auf das, was die Gewerkschaft ÖTV hier inszeniert, mit gleicher Keule zurückschlagen. Aber ich muss dennoch sagen, wenn eine Gewerkschaft hier vorgibt, die Interessen der Beschäftigten in unseren Kommunalverwaltungen zu vertreten, und uns in einem Schreiben von Ende Juni 2000 mitteilt, dass sie seit dreieinhalb Wochen wissen, dass über das Thema „Normen und Standards in diesem Land“ diskutiert wird, dann frage ich mich: Wo sind die eigentlich in den letzten vier Jahren mit ihrer Interessenvertretung gewesen?

(Beifall Erhard Bräunig, SPD – Reinhardt Thomas, CDU: Wieso? Ihr habt doch Gewerkschaftsfunktionäre. Arbeitet Ihr nicht zusammen?)

Wenn mein Kollege Friese in seiner Eigenschaft als Abgeordneter die ÖTV auffordert, dann doch jetzt, da sie endlich wach geworden ist, eine Stellungnahme abzugeben, und die Gewerkschaft erklärt, man müsse dieses Gesetz erst gründlich in den eigenen Reihen diskutieren, dann vermag ich das nachzuvollziehen. Nur wenn dann zugleich gesagt wird, aber wir gehen in jedem Fall vor das Bundesverfassungsgericht, dann frage ich mich: Wie findet in dieser Organisation demokratische Beschlussfassung statt, wenn man vor einer ausführlichen internen Diskussion bereits jetzt weiß,

(Wolfgang Riemann, CDU: Nichts gegen die ÖTV, Herr Müller!)

dass man vor das Bundesverfassungsgericht ziehen wird? Das sind Fragen, die muss sich auch eine Gewerkschaft stellen lassen, ohne dass man dies als Diffamierung bezeichnen muss.

Aber nun zu den Argumenten, die hier gebracht worden sind.

Lieber Henning Klostermann, liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Umweltbereich!

(Wolfgang Riemann, CDU: Ist das eine Liebe!)

Herr Riemann, es wäre ganz nett, Sie würden mal Ihren Mund halten. Ihre Zwischenrufe tragen nicht gerade zur Qualität dieser Debatte bei.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Aber wir wissen ja, dass Sie die Sache hier nicht besonders ernst nehmen, auch Anträge, die von Ihren eigenen Kolleginnen und Kollegen mit unterstützt werden. Aber gut, es blamiert sich jeder, so gut er kann.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Qualität ist ja nicht unbedingt notwendige Voraussetzung für eine lebhafte Debatte. Lebhaft sind Sie ja immer sehr.

So, nun zu dem Thema Umweltausschuss. Wenn ich die Aussagen vom Kollegen Klostermann hier auf einen kurzen Satz zusammenziehen darf, dann ist das doch wohl der Satz, dass der Umweltbereich nicht betroffen ist, weil hier bundesrechtliche Regelungen in einem solchen Ausmaß greifen, dass wir Standardöffnung gar nicht machen können, und dann kommt von Ihnen, Frau Lorenz, der Begriff „Mogelpackung“.

(Heike Lorenz, PDS: Nee, der kam von Herrn Klostermann.)

Er kam von Herrn Klostermann, okay, mag sein.

Meine Damen und Herren, ich habe hier die Ausschuss

drucksache 3/27 des Umweltausschusses mitgebracht. Es handelt sich um die Stellungnahme des Umweltministers – Professor Methling hat persönlich unterzeichnet – zu dem damals in der Diskussion befindlichen Gesetzentwurf von SPD und PDS. Dazu sollte der Umweltausschuss mitberatend Stellung nehmen. Der Umweltminister schreibt: „So geht der Gesetzentwurf, ausweislich seiner Begründung (...), von einer Anwendbarkeit auf landesrechtliche Standards bei der Erfüllung kommunaler Aufgaben ,im eigenen und im ü b e r t r a g e n e n W i r k u n g skreis‘ aus. Insoweit könnten im Umweltbereich insbesondere das Naturschutz- und das Wasserrecht betroffen sein, weil dem Bund diesbezüglich nur eine Rahmengesetzgebung zusteht und deshalb überwiegend landesrechtliche Regelungen erlassen werden müssen, die zwar teilweise bundesrechtliche Rahmen ausfüllen, aber nicht im Einzelnen vorgegeben sind. Beispielhaft nenne ich hier nur die Verpflichtung zur Erhaltung oder Herstellung eines naturnahen Gewässerzustandes bei der Gewässerunterhaltung (§ 61 Abs. 2 und 3 LWaG) und die Verpflichtung zur Durchführung von Ersatzmaßnahmen bei schwerwiegenden und daher nicht ausgleichfähigen, aber vorrangigen Eingriffen in Natur und Landschaft (§ 15 Abs. 5 LNatG).“

(Zuruf von Dr. Henning Klostermann, SPD)

Meine Damen und Herren! So weit die Aussage des Umweltministers. Das heißt, der Umweltminister ist hier diametral anderer Auffassung und sieht hier sehr wohl landesrechtliche Bestimmungen tangiert und deswegen halte ich es auch für...

(Zuruf von Annegrit Koburger, PDS)

Keine Sorge, Frau Koburger, es kommt noch mehr von Herrn Professor Methling,

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

er hat nämlich sehr viel Kluges geschrieben.

Jedenfalls ist das Argument, dass hier landesrechtliche Bestimmungen nicht berührt seien, offenbar kein Argument, das auch der Umweltminister teilt.

Er möchte „betonen“ – und jetzt zitiere ich wieder –, „dass die mit dem Entwurf verfolgte Zielrichtung auch aus Sicht des Umweltministeriums unterstützt wird. So ist nichts dagegen einzuwenden, dass auf kostenintensive Standards im Einzelfall verzichtet werden kann, wenn das mit der Vorschrift verfolgte Regelungsziel im konkreten Zusammenhang grundsätzlich gewahrt bleibt. Der Experimentiercharakter des Gesetzes führt auch zu einer Evaluierung der betreffenden Standards, auf die je nach den mit der Befreiung gemachten Erfahrungen ggf. zukünftig verzichtet werden kann.“

Und das, meine Damen und Herren, ist genau das, was wir mit diesem Gesetz wollen, und dieses, so betont Professor Methling, hält er für richtig und hält er für verfolgenswert. Dem ist eigentlich wenig hinzuzufügen.

(Dr. Henning Klostermann, SPD: Das ist ein Zehntel der Stellungnahme.)

In dieser Stellungnahme sagt Herr Professor Methling – das unterschlage ich selbstverständlich nicht –, dass er mit der Benehmensregelung nicht einverstanden ist, sondern dass er die Einvernehmensregelung haben möchte. Aber zu diesem Problemkomplex hat der Innenminister ja schon einiges ausgeführt, das will ich hier nicht wiederholen.

Herr Müller, gestatten Sie eine Anfrage der Abgeordneten Frau Muth?

Nein, ich möchte mich jetzt der Kollegin Lorenz widmen.

(Heiterkeit bei Wolfgang Riemann, CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Wie kann man eine Dame stehen lassen?!)

Frau Lorenz, in Ihrem Beitrag war ich unsicher, wohin Sie nun eigentlich wollen. Denn einerseits sagen Sie: „Das ist eine Mogelpackung.“ oder „Das bringt gar nicht so viel.“ und „Die Schneise schlagen wir ja gar nicht.“ und „Wir tun nur so als ob.“ und „Das bringt ja gar nicht so viel.“

(Angelika Gramkow, PDS: Das hat sie nicht gesagt.)

Sie haben wörtlich gesagt, dieses Gesetz ist nicht weitreichend genug.

(Angelika Gramkow, PDS: Also bezüglich Kitas stimmt Ihre Argumentation nicht.)

Und das war noch eine sehr vorsichtige Formulierung.

Auf der anderen Seite haben Sie dann aber sehr deutlich gesagt, dass Ihnen dieses Gesetz viel zu weit geht und dass dieses Gesetz Tor und Türen öffnet und dass Sie große Befürchtungen haben, dass durch diese Tore und Türen Schaden entsteht. Ich denke, da müssten wir uns einfach auch mal klar äußern, ob Ihnen dieses Gesetz nun zu weit geht oder ob es Ihnen nicht weit genug geht. Diese Frage müssen Sie sich, denke ich, gefallen lassen.