Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Beginn meiner Rede möchte ich einige Sätze aus dem Vorwort der Broschüre zur Beteiligungskampagne des Landesjugendringes zitieren: „Beteiligungsverfahren sind eine Chance für Kinder und Jugendliche, durch soziales, ökologisches oder politisches Engagement an der Veränderung ihrer Lebenswelt mitzuwirken, Demokratie erlebbar zu machen; es ist eine Chance der Erwachsenen, die Interessen des Gemeinwohls der Jugend nahe zu bringen. Das Wagnis der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an allen sie betreffenden kommunalen Problemen und Belangen besteht in dem Vertrauen in diese Generation. Wenn Erwachsene und politisch Verantwortliche Kindern und Jugendlichen nicht zutrauen, Mitverantwortung zu übernehmen, unter
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in diesen Worten drückt sich, so finde ich zumindest, die ganze Bandbreite der Chancen, aber selbstverständlich auch der Bedenken aus, die sich aus dem Thema Beteiligungsmöglichkeiten für Jugendliche ergeben. Ich möchte dies im Folgenden etwas detaillierter erläutern:
Beteiligungsverfahren sind eine Chance für Kinder und Jugendliche, durch soziales, ökologisches oder politisches Engagement an den Veränderungen ihrer Lebenswelt mitzuwirken, Demokratie erlebbar zu machen. Es ist inzwischen fast ein Allgemeinplatz in der täglichen politischen Debatte über das Verhältnis von Jugend zu Staat und Politik geworden: die Klage über das Nichtinteresse, gar die Ablehnung politischen Engagements, aber in Teilen auch sozialen oder gesellschaftlichen Einmischens der Jugendlichen. Oft wird diese Klage mit erhobenem Zeigefinger vorgebracht. Und genau diese Attitüde der selbsternannten erwachsenen Experten ist es, die unsere Kinder und Jugendlichen noch mehr abschreckt.
Was das Verhältnis von Jugend und Politik angeht, trifft wohl die vor knapp zwei Monaten erschienene ShellStudie den Nagel auf den Kopf, wenn sie feststellt, dass das Interesse auf Seiten der Jugendlichen immer weiter sinkt. Deutsche und regionale Studien zeigen, dass die Distanz der Jugendlichen nicht nur gegenüber den Parteien, sondern auch den Gewerkschaften und Verbänden erheblich zugenommen hat. Das Ergebnis einer repräsentativen Befragung der 14- bis 18-Jährigen in Mecklenburg-Vorpommern im Jahre 1998 ergab, dass nur 7,7 Prozent der befragten Altersgruppe sehr stark oder stark an der Politik interessiert sind, jedoch über 65 Prozent aller Befragten äußerten deutliches Desinteresse an Politik.
Meine Damen und Herren, nicht allein die theoretische Vermittlung demokratischer Inhalte in Schule und politischer Bildung reichen hier aus. Vielmehr muss den Jugendlichen selbst die konkret erfahrbare Möglichkeit geboten werden, sich aus ihrer Selbstsicht mit eigenen Ideen und Vorstellungen einzubringen. Es gibt beispielsweise genügend Beispiele dafür, dass Kinder in moderierten Gesprächen mit Städteplanern ihre Gefahrenpunkte in der Stadt benannt haben oder mit Planern durch die Straßen ihrer Stadt gegangen sind oder auf Spielplätze, um auf Unzulänglichkeiten aufmerksam zu machen.
In genau diesem Sinne ist wiederum das eingangs zitierte Vorwort zu verstehen, wenn es sagt, Beteiligungsverfahren sind eben auch eine Chance für die Erwachsenen. Sie bieten den Erwachsenen die Chance, sich aus der Rolle der Vermittler und Vorbeter demokratischer Ideale zu lösen. Beteiligungsverfahren bieten uns Erwachsenen die Chance, durch konkret erfahrbare Strukturen und Verfahren der Jugend die Ideale und Interessen des Gemeinwohls zu vermitteln. Man könnte das Ganze ungefähr so zusammenfassen: „Learning by Doing“ statt „Learning by Talking“.
Zugleich bietet sich den Erwachsenen allerdings auch die Notwendigkeit, als Berater und Moderator in den Verfahren wirksam zu werden. Denn natürlich darf man die Chance zur Beteiligung nicht ins Euphorische abgleiten lassen. Es gibt politische, finanzielle und soziale Zwänge, die natürlich auch in diesen Verfahren mit berücksichtigt werden müssen. Hier haben die Erwachsenen die Verantwortung, die Jugendlichen behutsam und mit Augenmaß
in den neuen Beteiligungsverfahren zu begleiten. Der Beginn dieses Lernens auf der kommunalen, auf der den Jugendlichen nächsten Ebene ist deshalb ein sinnvoller Gedanke.
Und damit bin ich auch bei meinem letzten Punkt angelangt, den ich aus dem Vorwort der Broschüre entnehmen möchte: Gut gemeint ist nicht gleich gut geeignet, meine Damen und Herren. Wie oft hört man Klagen der Erwachsenen, dass bestimmte Projekte, die von ihnen geplant und ausgeführt worden sind, von den Jugendlichen nicht angenommen werden. Und aus Bequemlichkeit sind dann wieder die Kinder schuld.
Meine Damen und Herren, das ist zu kurz gegriffen. Auch die Shell-Studie hat gezeigt, es geht nicht darum, dass wir den Jugendlichen sagen sollen, was sie zu wollen haben. Sie müssen vielmehr die Möglichkeit bekommen, ihre eigenen Ideen und Vorstellungen zu artikulieren und einzubringen.
In unserer Koalitionsvereinbarung haben wir uns die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen zu eigen gemacht. So sollen Projekte zur Schaffung von Kinderund Jugendparlamenten als Möglichkeit der frühzeitigen Einbindung in politische Entscheidungsprozesse auf kommunaler Ebene aus dem Landesjugendplan gefördert werden. Kindern und Jugendlichen soll ein Anspruch auf die Mitwirkung in denjenigen kommunalen Angelegenheiten eröffnet werden, die sie selbst betreffen.
Wir haben also zum einen ein Förderinstrument zur Mitbeteiligung von Kindern und Jugendlichen vorgesehen und zum anderen eine Änderung der Kommunalverfassung im Blick. Somit sind die Weichen zu Kinder- und Jugendbeteiligungen auf kommunaler Ebene gestellt. Und wenn ich mich recht erinnere, war es die CDU, die genau dieses Ziel in der letzten Legislaturperiode behindert hat. Also wo es wirklich ums Handeln ging, da war die CDU nicht dabei. Das muss man hier mal so konstatieren.
Ein weiteres deutliches politisches Zeichen in unserem Land ist die Absenkung des Wahlalters bei den Kommunalwahlen von 18 auf 16 Jahre. Und ich sage das ganz bewusst, auch gerade weil mein Kollege Caffier hier andere Schlüsse gezogen hat: Auch hier sind Zeichen gesetzt, junge Menschen mehr für das Gemeinwohl zu interessieren. Dieser Prozess wird jedoch nur gelingen, wenn er zugleich mit breit angelegter politischer Bildungsarbeit einhergeht. Wenn nämlich junge Erwachsene nicht zur Wahl gehen, ist dies auch ein Zeichen dafür, dass Interesse am Gemeinwohl nur durch ernsthafte Beteiligungsprozesse gelingt. Und das, denke ich, ist nicht nur Aufgabe der Schule, der Lehrer, sondern das ist in erster Linie auch Aufgabe der Eltern, bei den Kindern dieses Bewusstsein zu schaffen. Will man zudem, dass bestimmte Jugendprojekte nicht ungenutzt bleiben, so ist aber darüber hinaus das Hören auf die Belange Jugendlicher ein unabdingbares Element.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in diesem Sinne fordert uns der Antrag auf, einerseits die Beteiligungskampagne des Landesjugendringes zu unterstützen. Ich denke, dass wir im Ausschuss dann noch genügend Raum haben werden, darüber zu diskutieren, wie gemeinsam mit den Jugendlichen Beteiligungsmöglichkeiten realisiert werden können. Es gilt: Entscheidungen nicht über Jugendliche, sondern mit ihnen und für uns alle.
Und der Antrag fordert uns auf, über die Ergebnisse einer speziellen Art der Beteiligung, nämlich der Aktion „Jugend im Landtag“ zu beraten. Für die SPD-Fraktion jedenfalls ist schon einmal klar, dass wir uns mit dem Landesjugendring im Herbst zusammensetzen werden, um diese Ergebnisse gemeinsam auszuwerten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich abschließen mit Willy Brandt: „Wir brauchen die Herausforderung der jungen Generation, sonst würden uns die Füße einschlafen.“ Er hat dies, denke ich mal, sehr richtig konstatiert.
Im Namen der SPD-Fraktion bitte ich um Überweisung des Antrages und danke Ihnen sehr herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Kollegin Frau Lorenz hat in der Begründung des Antrages das Anliegen der heutigen Debatte klargemacht. Und ich denke, Frau Bretschneider hat es eben noch mal ganz deutlich untersetzt.
Ich denke, die heutige Beratung schließt sich konsequent und folgerichtig an die Debatte in unserer letzten Aktuellen Stunde in der Landtagssitzung im April, die Debatte „Jugend und Zukunft“, entsprechend an. Wie so viele Themen in unserer Gesellschaft ist auch Kinder- und Jugendfreundlichkeit in unserer Politik zwar immer wieder Gegenstand von bestimmten Aktivitäten und Aktionen, aber ich denke, wir müssen hier auch klar zum Ausdruck bringen, dass es noch lange nicht tägliche Lebenswirklichkeit ist.
Sehr häufig wird über Symptome und negative Erscheinungen aus dem Bereich des Verhaltens von Kindern und Jugendlichen diskutiert. Das war auch in dieser Landtagssitzung aus ganz unterschiedlichen Sichten deutlich. Ich denke an die Debatte zu rechtsextremen Tendenzen und Ausländerfeindlichkeit, zu Fragen von Gewalt, die von Kindern und Jugendlichen ausgeht, ich denke auch an die Fragen, die wir heute debattiert haben im Hinblick auf Sucht und Drogen, des Missbrauchs also von Drogen, Alkohol und Nikotin.
Manches wäre noch zu nennen, aber, meine Damen und Herren, nicht die immer wieder gestellte Frage: Was ist mit unseren Kindern und Jugendlichen nur los? hilft uns, mit Realitäten umzugehen und fertig zu werden, nötig ist vor allem, gründlicher über Ursachen und Zusammenhänge nachzudenken. Neben zweifellos im Einzelfall vorhandenen negativen persönlichen und familiären Bedingungen für die Bewältigung der Herausforderungen in Schule, Ausbildung, in Arbeit und Freizeit führt kein Weg daran vorbei, uns als Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten. Frau Bretschneider hat in ihren Ausführungen auf einige Ergebnisse der Shell-Studie auch nochmals hingewiesen.
Aber ich denke, unser Anliegen sollte gerade sein, und da möchte ich auch Herrn Caffier deutlich widersprechen,
nicht die Frage an die jungen Leute zu stellen, warum sie nicht zur Wahl gehen, sondern die Frage doch auch selbst an uns zu stellen,
warum wir eine so anwachsende Abkehr junger Menschen von Politik in den letzten Jahren zu verzeichnen haben, und die Frage gemeinsam zu beantworten, wie helfen wir jungen Leuten, damit wieder anders umzugehen. Ich denke, wir schaffen die Rahmenbedingungen dafür.
Als kommunalpolitische Sprecherin meiner Fraktion bewegt mich vor allem, was wir in den Kommunen für und mit den Kindern und Jugendlichen tun können. Ich persönlich unterscheide dabei zunächst zwischen Aufgaben und Spielräumen, die nicht nur an Geld gebunden sind. Natürlich haben wir auch stets zu überlegen, wie wir die zweifellos knappen finanziellen Mittel einer Kommune vernünftig einsetzen, wohlwissend dass es neben den jugendspezifischen Belangen viele weitere Interessen und Forderungen aller Einwohnerinnen und Einwohner gibt.
Aber bleiben wir bei den Dingen, die nicht in erster Linie mit Geld zusammenhängen. Da steht für mich ganz oben – wie das Thema des Antrages eben auch lautet – die Haltung dazu, wie wir Kinder und Jugendliche in den Kommunen beteiligen, also ihnen konkret die Möglichkeit geben, sich zu den Belangen, die sie betreffen, deutlich zu artikulieren und ernst genommen zu werden. Klar ist, dass bereits Regelungen dazu in der jetzt geltenden Kommunalverfassung und im Kommunalwahlgesetz verankert sind. Realität ist aber auch, dass die in der Kommunalverfassung festgeschriebenen Rechte von Kindern und Jugendlichen von manchen noch gar nicht so recht wahrgenommen werden.
Ich nenne ein Beispiel: In Gemeinden haben alle Einwohner, also auch jene unterhalb des Wahlalters, das Recht, sich schriftlich oder persönlich mit Anregungen und Beschwerden an die Gemeindevertretung zu wenden. Oder: In der Gemeindevertretung haben bei öffentlichen Sitzungen Einwohner ab dem 14. Lebensjahr die Möglichkeit, sich zu Angelegenheiten zu äußern, Fragen zu stellen sowie Vorschläge und Anregungen zu unterbreiten. Aber stellen wir doch jetzt mal ernsthaft die Frage in diesem Anschluss: Wo und wie werden täglich Kinder und Jugendliche animiert, diese Rechte auch entsprechend in der Kommunalvertretung auszugestalten? Oder die Möglichkeit, dass als gleichberechtigte Mitglieder in Ausschüssen der Vertretungen sachkundige Einwohner nicht nur wahlberechtigte Bürger sein können, sondern auch Jugendliche gewonnen werden. Ich muss allerdings sagen, dass das wohl die seltenste Ausnahme ist und mir kein derartiges Beispiel bekannt ist.
Das ist aber weniger eine Frage des Nichtwollens junger Menschen, sondern eher eine der Denkstrukturen von Verwaltungen und Kommunalvertretungen. Beteiligung ist eben nicht zu verordnen, sie muss von innen wachsen und wir sind für entsprechende Rahmenbedingungen und Unterstützung dabei verantwortlich.
Ein Schritt in diese Richtung ist der Beschluss des Landtages zur Herabsetzung des kommunalen Wahlalters. Das sehe ich eben anders, als Herr Caffier es hier artikuliert hat und besonders auch gestern Herr Thomas
noch mal in der Debatte, der ja behauptete, wir hätten als Koalition den Jugendlichen diese Frage aufs Auge gedrückt. Natürlich ist das Wahlalter 16 keine Garantie für mehr Beteiligung, sondern zunächst erst ein Angebot. Aber für die Umsetzung und Ausgestaltung sind wir alle gemeinsam verantwortlich.
Ich vertrete die Auffassung, dass nicht gelegentliche Aktivitäten mit dem Blick auf die Interessen von Kindern und Jugendlichen angesagt sind, sondern eine kontinuierliche Berücksichtigung ihrer Belange.
Meine Fraktion ist dafür, bei der anstehenden Novellierung – so, wie es auch schon von meiner Vorrednerin gesagt worden ist – der Kommunalverfassung bezogen auf die Interessen von Kindern und Jugendlichen weitere Forderungen an Vertretungen und Verwaltungen unbedingt als Handlungsgebot zu verankern. Der Vorschlag des Landesjugendringes, den Frau Lorenz hier schon zitiert hat, wird uns dabei, denke ich, besonders helfen.
Die Teilnahme an politischen Entscheidungsprozessen in den Kommunen sollte zum Beispiel auch darauf gerichtet sein, die Situation und die Lebensverhältnisse der Kinder und Jugendlichen in den Kommunen zu verbessern. Ein zweiter Aspekt betrifft die Mitwirkung an der Gestaltung des eigenen Umfelds von Kindern und Jugendlichen, die Fragen der konkreten Orts- beziehungsweise Stadtteilplanungen und -gestaltungen mit dem Ziel der Schaffung einer kinder- und jugendfreundlichen Stadt beziehungsweise Gemeinde. Und ich denke, auch an unsere eigene Adresse gerichtet, wir sollten den Wettbewerb „Kinder- und jugendfreundliche Stadt“, der läuft, auch stärker unter dem Aspekt weiterführen, dass wir Kriterien festlegen, die letztendlich auch bewerten, wie in der jeweiligen Gemeinde Kinder und Jugendliche konkret an der Mitwirkung auf dem Weg in eine kinder- und jugendfreundliche Stadt beteiligt sind.
Oder ein dritter Aspekt, der auch schon genannt worden ist – die Initiierung eigener Projekte für Kinder und Jugendliche. Das betrifft besonders solche Aufgaben wie die Planung, Gestaltung und Ausstattung von Freizeiteinrichtungen, Aktiv- und Abenteuerspielplätzen, Neu- und Umgestaltung von Spiel- und Bolzplätzen sowie den Spielbereich überhaupt. Nach unserer Auffassung ist auch zu prüfen, ob solche Gremien wie Jugendparlamente, Jugendbeiräte, Jugendräte, oder wie immer sie auch heißen, die Erwartungen, Vorschläge und Interessen junger Menschen in den Gemeinden bündeln und diese deutlich artikulieren können. Außerhalb der Kommunen ist auf Landesebene ja in der Diskussion, einen Ombudsmann oder eine Ombudsfrau für Kinder und Jugendliche zu schaffen.
Insgesamt sind wir uns sicher darüber einig, dass eine bestimmte Institutionalisierung für sich allein noch kein durchgängiges Mehr an Beteiligung für Kinder und Jugendliche ist.
Es gibt aber nicht wenig Möglichkeiten, wenn das Herz der Kommunalpolitiker für die Belange junger Menschen schlägt. Bei jedem konkreten Vorhaben ist immer die konkrete Frage zu stellen, Kinder und Jugendliche an der Erörterung, an den Entscheidungsprozessen und an der Durchführung zu beteiligen.