Unser Problem ist doch einmal die Vernetzung dieser Maßnahmen und zum Zweiten die Veränderung des gesellschaftlichen Klimas. Und darauf kann ein Aktionsplan wirklich nur sehr bedingt Einfluss nehmen. Deshalb lehnen wir diese Änderung hin zu einem Landesaktionsplan ab. Dieser ist viel zu kurz gegriffen. Ich meine, wir sollten das gesamtgesellschaftliche Präventionskonzept einfordern und nicht einen Aktionismus. Es geht uns um die Bearbeitung des sozialen und des sozialökonomischen Bedingungsgefüges insgesamt, es geht um die Gestaltung von Alltagskultur, es geht um Bildung und Erziehung. All das kann man nicht in einem Aktionsplan erfassen. Der bekannte Slogan der Initiative „Keine Macht den Drogen“, der da lautet „Kinder stark machen – zu stark für Drogen“, weist in diese Richtung. Ein spannendes Projekt ist das Modellprojekt „ColumBus“, ein Ge
Zur Primärprävention gehören natürlich auch sachliche Informationen. Auch dafür wird bei uns viel getan. Behindert wird sachliche Argumentation aber zum Beispiel durch die ständige Neuauflage des Märchens, weiche Drogen wären Einstiegsdrogen und machten körperlich abhängig. Das ist inzwischen widerlegt und wird nur deshalb kultiviert, um das Verbot aufrechtzuerhalten.
Ich komme zur Sekundärprävention. Auch hier muss man schon sagen, Verbote, die verhindern, dass man auf die Betroffenen zugehen kann, sind völlig nutzlos und zeigen eigentlich nur unsere Hilflosigkeit im Umgang mit der Erscheinung. Ziel der Sekundärprävention muss es sein, unmittelbar Betroffene möglichst frühzeitig zu erreichen. Nur dann gibt es noch eine Chance, die Menschen aus dem besagten Kreislauf aus Drogenkonsum, sozialem Abseits und Krankheit herauszureißen. Hierher gehört zuallererst der Grundsatz: Sucht ist eine Krankheit und kein Straftatbestand. Wer die Konsumenten von Drogen erreichen will, muss sich konsequent gegen deren Illegalisierung engagieren. Wer Abhängigen helfen will, der muss alle bekannten Möglichkeiten zulassen, das zu tun. Der Ansatz, den öffentlichen Raum möglichst sauber zu halten, muss damit natürlich kollidieren. Ja, hier muss man sich entscheiden. Und ich erwarte, dass sich die rotrote Landesregierung zum Recht auch der Schwerabhängigen auf ein Leben in Menschenwürde bekennt.
Das Land Mecklenburg-Vorpommern hält ein flächendeckendes Netz von Suchtberatungsstellen vor. Auch das ist eine Chance zur Erreichung Betroffener und zur Unterstützung auf dem Weg heraus aus der Sucht. Schwerpunktpraxen Sucht, qualifizierter stationärer Entzug und Langzeittherapie für nasse Alkoholiker sind neue Wege, die hier bei uns gegangen werden.
Ich wies eingangs darauf hin, dass das Gesamtkonzept wie auch die auf Früherkennung und Frühintervention gerichteten Konzepte auf wissenschaftlicher Grundlage entwickelt werden müssen. Mit den vorhandenen Kapazitäten in Greifswald und Rostock hat unser Land dafür auch gute Voraussetzungen. Sie könnten optimiert werden durch die Schaffung eines Forschungsverbundes, der dann auch besseren Zugriff auf Bundes- und Europaforschungsprojekte hätte und zweierlei für die Politik leisten kann, nämlich valide Daten kurzfristig zur Verfügung zu stellen und neue Methoden zu entwickeln. Und beides brauchen wir dringend.
Lassen Sie mich mit einem Bild enden. Wenn eine ältere gebrechliche Dame auf der Straße zusammenbricht, dann springt sicher jeder eilig herzu, um sich nach dem Befinden zu erkundigen, um Hilfe zu leisten oder Hilfe zu holen. Stürzt ein Volltrunkener am Bordstein, dann schlagen die meisten einen großen Bogen um ihn. Ein menschliches Verhältnis zur Krankheit Sucht haben wir wohl erst gefunden, wenn wir zumindest den Krankenwagen rufen.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Bretschneider von der SPD-Fraktion. Bitte sehr, Frau Bretschneider.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dem Leitsatz „Sucht ist Krankheit“ muss endlich Geltung verschafft werden.
Die Ursachen für das Entstehen einer Suchtproblematik sind vielfältig. Frühe seelische Verletzungen in der Kindheit und Jugend, persönliche Krisen und soziale Verwerfungen, ein ungünstiges Umfeld und besondere negative Erlebnisse können zur Sucht führen. Ziel der Präventionsbemühungen im Drogen- und Suchtbereich ist es, ohne erhobenen Zeigefinger durch eine intensive Aufklärung Problembewusstsein für die Risiken zu entwickeln.
Dabei ist mir als jugendpolitische Sprecherin der Kinder- und Jugendschutz besonders wichtig. Hier unterstütze ich die Gesundheitsministerkonferenz, die sich über die Werbebeschränkungen im Bereich der legalen Drogen und über verstärkte Warnhinweise verständigt.
Alkoholmissbrauch verursacht sowohl in der Wirtschaft als auch im Gesundheits-, Sozial-, Rechts- und Verkehrswesen erhebliche Kosten, darauf ist schon hingewiesen worden. Alkoholeinfluss spielt bei Straftaten wie Gewaltkriminalität oder Körperverletzung eine erhebliche Rolle. Alkoholmissbrauch ist auch eine der Hauptursachen der Zerrüttung von Familien, Gewalttätigkeit gegen Familienmitglieder und Kindesmissbrauch und belastet in hohem Maße soziale Systeme und deren Dienste. Kinder und Jugendliche sind im besonderen Maße gefährdet.
In einem ersten Schritt müssen Werbeeinschränkungen erreicht werden. Zusätzlich müssen verstärkt Sportstätten und Sportvereine in die Präventionsmaßnahmen einbezogen werden. Jugendliche greifen immer häufiger und früher zur Flasche, weil sie auf diese Weise ihre Probleme betäuben wollen oder weil es in der Clique einfach in ist. Für Jugendliche gehört der Alkoholkonsum beziehungsweise -missbrauch zum großen Teil schon zum festen Bestandteil ihres Verhaltensrepertoires. Die Hälfte trinkt gelegentlich oder regelmäßig. Zwei Prozent der Jugendlichen nehmen Alkohol sogar in erheblichen Mengen zu sich. Die einmal erworbenen Trinkmuster der Heranwachsenden lassen sich aber später kaum noch verändern.
Der gesellschaftliche Diskurs hat sich zunehmend verengt auf die Auswirkungen von Suchtabhängigkeit, wie Gewalt, Kriminalität im Allgemeinen oder Verkehrssicherheit. Die Beschäftigung mit den Ursachen, Anfängen und Verläufen von Abhängigkeitsentwicklung kommt dagegen völlig zu kurz. An erster Stelle müssen aber Konzepte für eine frühe Intervention stehen, die an der Schnittstelle von Jugend- und Suchthilfe greifen. Mit gesetzlichen Verboten und Reglementierungen ist ein Maßhalten nicht durchsetzbar.
Solche Maßnahmen werden bei jungen Menschen schnell als Bevormundung gesehen und rufen eher die gegenteilige Reaktion als die gewünschte hervor.
Es gibt aber auch eine Reihe von Glaubwürdigkeitsgründen. Wir können den Jugendlichen nicht sagen, sie sollen keinen Alkohol trinken, und dabei selbst als schlechtes Beispiel vorangehen.
Dies gilt insbesondere auch für das Rauchen. Wenn wir etwas erreichen wollen, müssen wir alle glaubwürdig sein und bei der Prävention von Suchtverhalten generell ansetzen. Das fällt sehr schwer, weil wir ja selbst Konsumenten sind. Dazu kommen natürlich auch wirtschaftliche Interessen. In Deutschland werden beispielsweise 32 Milliarden DM pro Jahr für Alkohol ausgegeben. Das ist mehr als das Doppelte unseres Landeshaushaltes. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es landesweit circa 80.000 bis 90.000 Alkoholiker, das heißt, jeder 18. Einwohner ist betroffen. Bei weiteren 300.000 bis 400.000 Menschen kann ihr Alkoholkonsum zu einer Abhängigkeit führen. Nach Schätzung von Experten werden in den nächsten 10 bis 15 Jahren die Auswirkungen des Alkoholmissbrauchs in unvorstellbarer Höhe sichtbar werden. Deshalb brauchen wir neben einer Politik gegen die sozialen Ursachen von Sucht eine langfristig orientierte Arbeit in den Bereichen Kindergärten, Schulen, Freizeit, Familie und Beruf zur Stärkung der Prävention.
Es muss in der Prävention altersmäßig vor Beginn des Alkoholmissbrauchs angesetzt werden. Die reine Wissensvermittlung ist zu kurzfristig angelegt. Ziel muss es sein, ein angemessenes Gesundheitsverhalten, die Stärkung der Eigenverantwortung, Konfliktfähigkeit und soziale Kompetenz unserer Kinder zu fördern sowie deren allgemeine Lebensbedingungen angemessen zu gestalten. Dabei sind alle gesellschaftlichen Kräfte gefragt.
Suchtprävention muss zudem altersmäßig vor Suchtkonsum ansetzen. Wir wollen eine kontinuierliche Präventionskette in den Bereichen Kindergärten, Schule, Freizeit, Familie und Beruf aufbauen sowie Information, Aufklärung und Beratung. Als sinnvoll erachte ich dabei die Diskussion über eine Nullpromillegrenze im Straßenverkehr, die Einschränkung der Werbung für Alkohol, die Begrenzung der Verfügbarkeit von Alkohol, Verbot des Verkaufs von Schnaps an Tankstellen,
das unserem ehemaligen Sozialminister Hinrich Kuessner ja sehr am Herzen lag, und eine Vereinheitlichung der Alkoholsteuer.
Die Einnahmen daraus sollen in der weiteren Präventionsarbeit Verwendung finden. Zudem – Herr Glawe, jetzt komme ich dazu – müssen verstärkt Kontrollen zur Einhaltung der Bestimmungen des Jugendschutzes durchgeführt und die Angebote und Sicherung der Beratungsstellen sowie der Therapieplätze gefördert werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in allen Einrichtungen der Erziehung sind frühzeitig intensiv und kontinuierlich die Chancen einer ursachenorientierten, ganzheitlichen gesamtgesellschaftlichen und positiven Vorbeugung und Gesundheitsförderung zu nutzen, damit Kinder und Jugendliche fit und stark gemacht werden für das Leben und die Zukunft. Wichtig ist dabei, ihr Selbstwertgefühl zu stärken. Es geht um Vorbeugung gegen Gewalt, Kriminalität, Suizid, Sucht und Drogen, da die Bedingungsfaktoren für diese Erscheinungen weitgehend identisch sind.
Bei Erziehern, Lehrern und Ausbildern, aber auch bei Eltern ist diese wichtige Erziehungsaufgabe stärker ins Bewusstsein zu rücken. Sie müssen besser als bisher für diese Aufgabe fit gemacht werden. Auch Polizeibeamte sind entsprechend aus- und fortzubilden. Vor Ort können
diese am besten und am wirksamsten vorbeugen. Deshalb ist es notwendig, eine ausreichende personelle und finanzielle Ausstattung gerade auch in den Sucht- und Drogenberatungsstellen zu gewährleisten.
Die Gesundheitserziehung in den Schulen ist ein Schwerpunkt für die Sucht- und Drogenprävention. Auf Initiative der SPD wurde im Erlass des Bildungsministeriums zur Festsetzung der Unterrichtsverpflichtungen der Lehrkräfte in Mecklenburg-Vorpommern festgelegt, dass für die Tätigkeiten als Beauftragter für gewalt- und kriminalpräventive Maßnahmen in den Landkreisen und kreisfreien Städten Abminderungsstunden zu gewähren sind. Ich denke, das ist ein wichtiger Punkt.
Ebenfalls auf Initiative der SPD wurde eine Koordinierungsstelle „Sucht“ an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität angeregt, die sich derzeit im Aufbau befindet. Über eine Erweiterung der Kooperationspartner im Rahmen der Koordinierungsstelle „Sucht“ um Fachvertreter der Fachhochschule Neubrandenburg wird nachgedacht. Und ich hoffe, dass diese Kooperation schnell zustande kommt, da der Fachbereich „Soziale Arbeit und Gesundheit“ mit Sicherheit eine Bereicherung hinsichtlich seiner Kompetenz für die Koordinierung sein wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir fangen nicht bei Null an. Es liegen im Land gute Konzepte und Strukturen vor, die effektiv genutzt werden können, um ein gesamtpräventives Konzept für Mecklenburg-Vorpommern zu erstellen. Dabei muss gewährleistet sein, dass nicht jede oder jeder sein eigenes Süppchen kocht, sondern die Kompetenz der Fachleute gebündelt und vernetzt wird. Dazu gehört meines Erachtens aber auch, dass endlich die Mittel für Sucht- und Drogenprävention ressortübergreifend bereitgestellt werden, wie dies die SPD und übrigens auch die CDU in der letzten Wahlperiode gefordert haben, denn Ressortegoismus hilft uns hier nicht weiter.
Es ist Ihnen wohl allen bekannt, dass Maßnahmen zur Begegnung und Verhinderung in einem abgestimmten Gesamtkonzept wirksamer sind als einzelne wohlgemeinte, jedoch unabgestimmte Projekte. Der Erfolg in diesem Bereich ist von einer guten Koordination und Kooperation aller Institutionen und Verantwortlichen abhängig. Zudem erwarte ich auch Informationen im Rahmen des Berichtes darüber, inwieweit die Einrichtung von Regionalstellen für Suchtprävention in den Kreisen und kreisfreien Städten vorangetrieben wurde.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, deshalb müssen die Kräfte in unserem Land gebündelt werden. Dabei muss man nicht immer alles neu erfinden, sondern wir können uns auch gute Strukturen und Konzepte von anderen Bundesländern abschauen, wie zum Beispiel in Niedersachsen. Ich sehe dem Bericht der Landesregierung mit großem Interesse entgegen.
Und nun zu Ihrem Änderungsantrag, meine Damen und Herren von der CDU: Wir können nicht erkennen, dass dieser Antrag den vorliegenden Antrag von SPD und PDS qualifiziert.
(Harry Glawe, CDU: Das wollen Sie nicht, Sie wollen es nicht erkennen. Sie machen die Augen vor den Realitäten zu.)
Das sind rein redaktionelle Dinge, die, wie gesagt, keine inhaltliche Verbesserung bringen. Aus diesem Grund schlagen wir auch vor, diesen Änderungsantrag hier abzulehnen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/1322 abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/1322 mit den Stimmen der SPD- und PDS-Fraktion gegen die Stimmen der CDU-Fraktion abgelehnt.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 3/1298. Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 3/1298 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 3/1298 mit den Stimmen der SPD- und PDS-Fraktion bei Stimmenthaltung der CDU-Fraktion angenommen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 15: Beratung des Antrages der Fraktion der CDU – Sofortmaßnahmen für ein Nationales Sicherheitskonzept Ostsee, Drucksache 3/1293.
Antrag der Fraktion der CDU: Sofortmaßnahmen für ein Nationales Sicherheitskonzept Ostsee – Drucksache 3/1293 –
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Brauer von der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr Brauer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Der vorliegende Antrag meiner Fraktion ist der Verantwortung gegenüber der Flora und Fauna, ein besonders sensibles ökologisches System wie das der Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns, und der in, mit und von diesem Ökosystem lebenden Menschen geschuldet.
Dass Handlungsbedarf besteht, daran zweifelt in diesem Hause heute wohl keiner. Erinnert sei an einen Antrag meiner Fraktion mit gleichen Intentionen, der im Februar dieses Jahres zugunsten eines Antrages der Koalitionäre abgelehnt wurde. Der Antrag der Koalition blieb gegenüber den Forderungen, Vorschlägen und Anregungen meiner Fraktion leider weit zurück, so dass es aufgrund der aktuellen Entwicklung der zurückliegenden Wochen und auch im Ergebnis des von meiner Fraktion durchgeführten Symposiums notwendig ist, sich dieses wichtigen Themas erneut anzunehmen.
Um die Notwendigkeit des vorliegenden Antrages noch einmal zu verdeutlichen, möchte ich einige Zitate anführen. Da ist zum einen das Schreiben des Umweltministers Professor Methling an den Bundesverkehrsminister, in dem sinngemäß festgestellt wird: Doch die jüngsten Erfahrungen mit dem Tanker „Erika“ zeigen leider eine fast völlige Hilflosigkeit, wenn Tankerhavarien eingetreten sind. Trotz der eingeleiteten Maßnahmen sind daher zukünftig weitere Anstrengungen, aber auch neue Strategien erforderlich, um die Sicherheit der Schifffahrt zu erhöhen und die von der Schifffahrt ausgehenden Gefahren zu minimieren. – Richtig erkannt, meine ich, Herr Professor, denn gegenüber Tankern mit 1.000 Tonnen Rohöl an Bord auf östlichen Routen der Ostsee unterwegs, also