Protocol of the Session on May 24, 2000

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Volker Schlotmann, SPD)

Vielen Dank, Frau Müller.

Das Wort für die SPD-Fraktion hat jetzt die Abgeordnete Frau Dr. Seemann. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Nachdem durch den Landtag das Integrationsförderratsgesetz in seiner 31. Sitzung am 15. Dezember 1999 zur federführenden Beratung an den Sozialausschuss überwiesen worden war und dieser seine Anhörung im Mai des Jahres durchführte, waren gerade aus dem Munde der CDUOpposition kommend Vorwürfe zu hören, dieses Gremium hätte Alibifunktion, um ein Integrationsfördergesetz zu unterlaufen.

Nach unserer Auffassung soll der Integrationsförderrat ein Angebot an die betroffenen Vereine und Verbände darstellen, sich kontinuierlich und verbindlich in die Arbeit der Landesregierung einzubringen, um den Interessen

von Menschen mit Behinderungen und chronisch Kranken Geltung zu verschaffen. Dadurch sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, um eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen und Benachteiligungen abzubauen. Er ist eben kein Alibigremium, wie Sie, Herr Dr. König, nicht müde werden, in den Medien und bei den Verbänden zu behaupten. Heute haben Sie es ja mal wieder vorgeführt.

Und ich frage mich auch angesichts des heutigen Redebeitrages von Herrn Dr. König: Wo bleibt eigentlich der mutige Einsatz der CDU-Fraktion für die Änderung der Landesbauordnung unter Bauministerin Kleedehn? Speziell an Ihre Adresse, Frau Kleedehn:

(Bärbel Kleedehn, CDU: Ja.)

Sie können sich noch solche Mühe geben mit dem Gebrauch von falschen Zahlen, dem Vergleich von Äpfeln und Birnen, mit haltlosen Unterstellungen oder auch Gedächtnisschwund, Sie werden bei mir nicht erreichen, dass ich mich auf Ihr Niveau herablasse.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Sylvia Bretschneider, SPD: Richtig. – Bärbel Kleedehn, CDU: Das glaube ich.)

Allerdings, Frau Kleedehn, möchte ich Sie an dieser Stelle noch mal darauf aufmerksam machen, welche grandiosen Heldenleistungen Sie zu Ihrer Zeit als Bauministerin zur Förderung von Menschen mit Behinderungen vollbracht haben. Sie haben Ihre Kraft vehement dafür genutzt, wirkliche Barrierefreiheit in der Landesbauordnung zu verhindern. Vielleicht haben Sie es in der Zwischenzeit gemerkt,

(Bärbel Kleedehn, CDU: Lesen Sie sie richtig!)

dass allein durch die Änderung einer Überschrift, wie Sie es getan haben, die Barrierefreiheit nicht hergestellt wird. Ich zitiere mal aus einem Bericht von Ihnen: „Bei der Erstellung dieses Berichtes, der als Anlage beigefügt ist, hat die Überprüfung der Landesbauordnung und ihr Vergleich mit den Bauordnungen anderer Bundesländer zu dem Ergebnis geführt, dass diese dem Vergleich mit dem Inhalt der Bauordnung anderer Länder nicht nur standhält, sondern sie teilweise weit übertrifft“

(Bärbel Kleedehn, CDU: Ganz genau.)

„und dass noch weitergehende Regelungen über barrierefreies Bauen im Paragraphen 52 der Landesbauordnung nicht vorzuschlagen sind.“

(Sylvia Bretschneider, SPD: Das ist ja interessant.)

Das sehen die betroffenen Vereine und Verbände ganz anders und auch in dem Bereich muss die SPD gemeinsam mit der PDS wohl ihre Hausaufgaben noch im Nachgang erledigen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Bärbel Kleedehn, CDU: Dann vergleichen Sie sie mit anderen Ländern!)

Wo sind die Aktivitäten der CDU gewesen, um den ehemaligen Sozialminister Kuessner mit Vorschlägen in der Behindertenpolitik konstruktiv kritisch zu begleiten?

(Volker Schlotmann, SPD: Ja, nur Gestänker.)

Es ist doch wohl wirklich zu billig, meine Damen und Herren von der CDU,

(Bärbel Kleedehn, CDU: Mein Gott! – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

wenn Sie als Seniorpartner sich jetzt so hinstellen, als hätten Sie überhaupt keinen Einfluss. Da muss man sich doch wohl wirklich fragen, was Sie eigentlich während der Großen Koalition gemacht haben.

(Harry Glawe, CDU: Es ist ein Eckpunktepapier vorgelegt worden.)

Und wo waren die konkreten Vorschläge der CDU im Sozialausschuss, um die Dinge, die Sie laut Presseerklärung vom 30. März 2000 beim Integrationsförderratsgesetz stören, positiv zu verändern? Während die Koalitionsfraktionen in Auswertung der Anhörung etliche Anträge einbrachten, kam von Ihrer Fraktion schlicht und ergreifend nichts.

Und wie ich aus der Pressemitteilung von Herrn Dr. König heute vernehmen konnte, haben Sie auch heute keine Meinung, denn Sie wollen sich ohne ein Angebot an Alternativen einfach enthalten. Aber, wie ich heute gehört habe – ich zitiere Herrn Dr. König –, „ein wie auch immer geartetes Integrationsfördergesetz“ möchte die CDU gerne verabschieden. Da kann ich Ihnen nur sagen: Da sei Gott vor, ein wie auch immer geartetes Integrationsfördergesetz zu verabschieden, das hilft in diesem Land keinem Menschen, und vor allen Dingen nicht den Behinderten.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Zuruf von Heike Lorenz, PDS)

Sie haben sich mit diesen Ausführungen wirklich eine gute Empfehlung als Opposition gegeben. Ich kann Ihre CDU-Oppositionspolitik in drei Schlagworten zusammenfassen: wortgewaltig auf den Busch schlagen, dann Schweigen im Walde und vielleicht zum Schluss noch hoffen auf den Merkel-Effekt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben ein anderes Verständnis von Politik. Mit Hilfe des Integrationsförderrates sollen Nachteilsausgleiche in allen gesellschaftlichen Bereichen erreicht werden. Neben materiellen Voraussetzungen geht es aber vor allem auch darum, ein gesellschaftliches Klima zu erzeugen, das es den Menschen mit Behinderungen ermöglicht, ihr Leben gleichberechtigt, eigenverantwortlich und selbstbestimmt zu führen. Wir stehen in der Pflicht, die Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Menschen mit Behinderungen Chancengleichheit im täglichen Leben ermöglichen. Ein Integrationsförderrat ist hierzu ein erster Schritt. Darauf hat auch Frau Müller hingewiesen.

Ich bin der Meinung, dass die einzelgesetzliche Überprüfung durch den Integrationsförderrat gewährleistet sein wird, wenn wir die Rahmenbedingungen für die Arbeitsfähigkeit des Gremiums schaffen. Ich hatte bereits in der ersten Debatte zu diesem Thema erhebliche Zweifel angemeldet, ob ein separates Integrationsförderungsgesetz der richtige Weg ist, denn ein Artikelgesetz, meine Damen und Herren, ist meines Erachtens zu schwerfällig, um auf die Bedürfnisse von und Notwendigkeiten für Menschen mit Behinderungen in einem angemessenen Zeitrahmen reagieren zu können. Es muss meines Erachtens unser Ziel sein, dass die Belange Behinderter bei jeder Einzelgesetzgebung Selbstverständlichkeit werden. Und hier setze ich große Hoffnungen in den Integrationsförderrat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Während der Anhörung zum Gesetzentwurf wurden zahlreiche Forde

rungen von den Verbänden vorgetragen, die dem Ziel dienen, dem Gremium, das vor allem empfehlenden und beratenden Charakter hat, mehr Gestaltungsspielraum zu eröffnen. Ich hatte in meinem Bericht aus dem Sozialausschuss schon die einzelnen Punkte benannt, so dass ich das hier jetzt nicht noch einmal zu tun brauche.

In Auswertung der Anhörung im Sozialausschuss wurden auf Initiative der SPD und PDS zahlreiche Änderungen am Gesetzentwurf verabschiedet, um diesem Gremium stärkeres Gewicht zu verleihen. So wird unter anderem die Herstellung der Öffentlichkeit neu geregelt. Hier besagte der Gesetzentwurf, dass die Sitzungen nicht öffentlich sind. Durch unsere Initiative wird es dem Integrationsförderrat jedoch ermöglicht, durch Beschluss die Öffentlichkeit von Sitzungen herzustellen. Es soll ja schließlich kein Gremium im stillen Kämmerlein werden.

Notwendig empfanden wir auch, die Repräsentation der Frauen im Integrationsförderrat durch ein Rotationsprinzip zu stärken und der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten des Landes sowie dem Wirtschaftsministerium, die unverständlicherweise im Gesetzentwurf nicht berücksichtigt waren, die Mitgliedschaft zu ermöglichen. Weiterhin war es uns wichtig, dass die Landesregierung dem Parlament zeitnah den Bericht zuleitet, wie sie die Beschlüsse des Integrationsförderrates umgesetzt hat beziehungsweise welche Maßnahmen ergriffen wurden. Nach dem Gesetzentwurf sollte das Parlament hier nicht beteiligt werden. Nach meiner Meinung ist es jedoch sinnvoll, dass der Landtag parlamentarisch tätig werden kann, falls es notwendig erscheint. Zudem müssen dem Integrationsförderrat unverzüglich die Gründe für das Nichtrealisieren von Empfehlungen und Vorschlägen des Integrationsförderrates mitgeteilt werden.

Meine Damen und Herren! Ich bin der Auffassung, dass mit den auf Anträgen der Koalitionsfraktionen vom Sozialausschuss beschlossenen Änderungen bessere Voraussetzungen für den Integrationsförderrat geschaffen werden, um den Belangen von Menschen mit Behinderungen gerecht zu werden, und das insbesondere hinsichtlich der Vertretung ihrer Interessen gegenüber der Landesregierung im Bereich der Gesetzgebung sowie des Verwaltungshandelns.

Ein Bereich, der mir jedoch besonders wichtig erscheint, ist die im Paragraphen 7 des Entwurfs geregelte Beschlussfähigkeit des Gremiums. Verbal schien das übrigens auch Herrn Dr. König in seiner Pressemitteilung vom 30. März 2000 bedeutsam zu sein, aber offensichtlich nicht so bedeutsam, um sich Gedanken über Veränderungen überhaupt erst zu machen.

(Harry Glawe, CDU: Es ist doch besser, wenn Sie den Vorschlag bringen, dann wird er angenommen, als wenn wir ihn bringen, dann wird er abgelehnt.)

Jeder, der sich von uns in Vereinen und Verbänden engagiert, weiß, dass das in Paragraph 7 des Gesetzentwurfes festgelegte Zweidrittelquorum zur Beschlussfassung nicht praktikabel ist, denn es müssen nach dem derzeitigen Entwurf mindestens zwei Drittel der Mitglieder des Integrationsförderrates anwesend sein. Das heißt, von 18 Mitgliedern müssen mindestens 12 anwesend sein, und diese 12 müssen dann auch noch einstimmig einem Antrag zustimmen, um einen Beschluss herbeizuführen. Dass dies einem Quorum gleichkommt, wie wir es ansonsten nur bei der Änderung der Verfassung haben,

wurde auch von einigen Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen kritisiert.

In einem Schreiben an den Sozialausschuss und die Fraktionsvorsitzenden aller drei Fraktionen betonte der Vorsitzende des Allgemeinen Behindertenverbandes in Mecklenburg-Vorpommern e. V. vor einigen Tagen noch einmal: „Die Regelungen im § 7 Beschlüsse müssen so gestaltet werden, dass auch wirklich Beschlüsse zustande kommen können. Das vorgesehene Votum, welches eine Zweidrittelmehrheit vorsieht, ist diesem Anliegen sicherlich nicht dienlich … Die in den Diskussionen häufig geäußerten Befürchtungen, dass mit einem niedrigeren Votum die eine Seite, die Regierungsadministration, von der anderen Seite, der Behindertenverbände, ausgespielt werden könnte, oder auch umgekehrt, tragen wir nicht mit. Denn wer Veränderungen möchte und dies wollen doch hoffentlich alle, muss auch Strukturen zulassen, die dies ermöglichen. Wir plädieren für eine Regelung, die entsprechend der demokratischen Praxis in vielen Gremien des Landes Anwendung findet.“

Meine Damen und Herren! Wenn man zudem bedenkt, dass das Gremium empfehlenden und beratenden Charakter hat, ist mit einen Zweidrittelquorum unter Berücksichtigung der Tatsache, dass von den 18 Vertretern 9 aus den Ministerien sowie kommunalen Spitzenverbänden und 9 aus den Behindertenverbänden kommen, eine Beschlussfassung erheblich erschwert. Um dies zu verhindern, habe ich mich in allen Gesprächen intensiv dafür eingesetzt, dass eine Regelung aufgenommen wird, die eine Beschlussfassung erleichtert.

Meine Damen und Herren! Natürlich muss dabei auch abgewogen werden, ob nicht ein höheres Quorum die Akzeptanz von Beschlüssen des Integrationsförderrates größer werden lässt. Auch darauf wurden wir von nicht wenigen Verbänden hingewiesen. Dieses Argument muss aber meines Erachtens in ein richtiges Verhältnis zum Erreichen der Beschlussfähigkeit gesetzt werden, was auch unter den Sozialpolitikerinnen und -politikern zu Diskussionen geführt hat. Ich gehe aber davon aus, dass der Ihnen vorliegende Änderungsantrag von SPD und PDS zum Paragraphen 7 auch beide eben von mir vorgetragenen Argumente entsprechend berücksichtigt.

Meine Damen und Herren! Der Integrationsförderrat kann ein wichtiges Gremium werden, wenn er seine Erfahrungen einbringen kann und wenn die in dem Rat vertretenen Mitglieder von Behindertenverbänden sowie der Ressorts und der kommunalen Spitzenverbände zielorientiert und kooperativ zusammenarbeiten. Dafür möchte ich hier nachdrücklich noch einmal werben. Ich erhoffe mir von diesem Gremium zudem auch eine sachkundige Unterstützung unserer Arbeit hier im Parlament. Ich bitte aus den genannten Gründen um die Zustimmung zu dem vorliegenden Änderungsantrag sowie zur Beschlussempfehlung des Sozialausschusses. – Danke.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Seemann.

Ich schließe hiermit die Aussprache.

Wir kommen zur Einzelberatung über den von der Landesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einrichtung eines Rates für Integrationsförderung von Menschen mit Behinderungen und chronisch Kranken des Landes Mecklenburg-Vorpommern. In Ziffer 1 der Be

schlussempfehlung empfiehlt der Sozialausschuss, den Gesetzentwurf der Landesregierung in der Fassung seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 3/1313 anzunehmen.

Wir kommen zur Einzelabstimmung.

Ich rufe auf den Paragraphen 1 in der Fassung der Beschlussempfehlung des Sozialausschusses. Wer diesem Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Danke. Damit ist der Paragraph 1 in der Fassung der Beschlussempfehlung auf Drucksache 3/1313 mit den Stimmen der SPD- und PDS-Fraktion bei Enthaltung der CDU-Fraktion angenommen.

Ich rufe auf die Paragraphen 2 bis 4 in der Fassung der Beschlussempfehlung des Sozialausschusses. Wer diesen seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke. Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Damit sind die Paragraphen 2 bis 4 mit dem gleichen Stimmverhalten wie bei Paragraph 1 in der Fassung der Beschlussempfehlung angenommen.