Protocol of the Session on April 13, 2000

Wenn ich Ihren Antrag auf den Punkt bringen sollte, dann lautet er doch: Eltern mit minderjährigen Kindern, die einen Asylantrag gestellt haben, dürfen so lange nicht abgeschoben werden,

(Reinhardt Thomas, CDU: Wie es der PDS passt.)

wie ihre Kinder minderjährig sind.

(Heike Lorenz, PDS: Sechs Monate. Sechs Monate.)

Entscheidendes Kriterium soll nicht etwa die Prüfung der politischen Verfolgung im Heimatland sein, sondern das Alter des Kindes. Dabei ist es dann auch noch gleichgültig, ob das Kind in Deutschland geboren ist oder nicht. Herr Schädel, wie wollen Sie dann den wirklich Asylbedürftigen in dieser Welt Argumente in die Hand geben?

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und CDU)

Beziehungsweise besteht nicht die Gefahr, dass Sie mit einer solchen Passage den wirklich Asylbedürftigen aller Herren Länder einen Bärendienst erweisen? So geht es nicht!

Sie sprechen in dem Antrag an, dass die Landesregierung sich bemühen möge, hierzu eine bundeseinheitliche Regelung herbeizuführen. Glauben Sie ernsthaft, meine Damen und Herren, dass dies unter den beschriebenen Prämissen möglich sein würde? Ich halte es für ausgeschlossen, dass sich die anderen Bundesländer auf eine solche Regelung einlassen.

(Zuruf von Peter Ritter, PDS)

Und deshalb sollten wir unsere Landesregierung nicht in ein gänzlich aussichtsloses Unterfangen schicken, bei dem sie nichts für Asylanten erreichen kann, aber bundesweit Kopfschütteln erntet.

(Heike Lorenz, PDS: Das wäre neues Denken, anderes Denken, ja.)

Und was, meine Damen und Herren von der PDS-Fraktion, wäre aus Ihrer Sicht die Konsequenz, wenn es der

Landesregierung nicht gelänge, eine entsprechende bundeseinheitliche Regelung herbeizuführen? Soll dann die Landesregierung als einziges Bundesland einen derartigen Abschiebestopp erlassen? Sie wissen offensichtlich nicht, dass dafür die Zustimmung von insgesamt mindestens zehn Bundesländern notwendig ist.

(Heike Lorenz, PDS: Das trifft bei der 6-Monatsfrist nicht zu. Lassen Sie uns das auch exakt machen!)

Herr Schädel nannte nur die Zustimmung des Innenministers. Beide, zehn Länder und der Bundesinnenminister, müssen zustimmen. Wo soll unsere Landesregierung diese Zustimmung herbekommen?

Wie ist es letztlich zu diesem Antrag gekommen? Ich will da nicht weiter hinterfragen, nur auf einen Umstand hinweisen. Das „Neue Deutschland“ hat in seiner Ausgabe vom 06.04.2000 die Beweggründe der PDS wie folgt dargestellt, ich zitiere: „Nächste Woche legt der PDSAbgeordnete Monty Schädel ohne die Unterschrift der SPD einen Antrag vor, mit dem von Abschiebung bedrohten minderjährigen Flüchtlingen ein Aufenthaltsrecht gewährt werden soll. Der Alleingang sei eine Folge des Streites mit der SPD um die Neuorganisation der Schulen.“ Ich weiß nicht, ob dieses stimmt. Ich kenne das „Neue Deutschland“ sehr lange und habe meine Zweifel an dem Wahrheitsgehalt, was in diesem Blatt steht.

(Beifall Heike Lorenz, PDS: Das ist sicherlich angebracht, Herr Friese.)

Ich bin der festen Meinung, der festen Ansicht, dass es anerkennenswert ist, mit welchem Einsatz Sie, Herr Schädel, sich für das konkrete Schicksal dieses betreffenden Jungen und seiner Mutter einsetzen. Dieser Einsatz findet aber, nein, er muss seine Grenzen an den Gesetzen des Bundes und unseres Landes finden.

(Angelika Gramkow, PDS: Und da sind wir eben grundsätzlich anderer Auffassung, dass die Geset- ze es möglich machen, sie auszulegen. In diesem Land! Auszulegen! – Reinhardt Thomas, CDU: Oh, das haben Sie aber schön geübt mit der Auslegung von Gesetzen. – Heike Lorenz, PDS: Das machen die Juristen jeden Tag.)

Verehrte Frau Fraktionsvorsitzende, Asylrecht ist bundeseinheitliche Regelung. Es macht keinen Sinn, wenn ein Bundesland alleine es macht, ich nannte es,

(Heike Lorenz, PDS: Nein, aber das Bundesrecht ermöglicht es.)

für sechs Monate und dann mit Zustimmung anderer,

(Heike Lorenz, PDS: Es ermöglicht es! Man muss es nur …)

ansonsten ist das gesamte Asylrecht eine bundeseinheitliche Regelung.

(Angelika Gramkow, PDS: Das steht doch im Antrag, dass wir nur wollen, dass der Innen- minister mal fragt. Im Antrag steht das.)

Ja, natürlich, er kann fragen und kann damit Kopfschütteln ernten

(Angelika Gramkow, PDS: Nee, Sie sagen, er soll gar nicht erst fragen.)

und damit der Landesregierung einen Dienst erweisen.

(Heike Lorenz, PDS: Verstecken Sie sich nicht hinter Paragraphen, die es nicht gibt! Sie geben ihm nicht genug Rückendeckung.)

Wenn alle bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten ausgeschöpft sind und auch die vom Landtag geforderte und von der Landesregierung eingesetzte Härtefallkommission nein sagt – die Härtefallkommission, die auf Betreiben der PDS eingerichtet worden ist –

(Reinhardt Thomas, CDU: Oh!)

dass sie genau in den Fragen …

(Peter Ritter, PDS: Betreiben ist aber ein schlechtes Wort, Herr Friese.)

Ich nehme es zurück, nicht auf das Betreiben, sondern nach dem Antrag und dem Bemühen der PDS-Fraktion.

Diese Kommission, die nach Ihrem Willen eingerichtet worden ist, um genau die schwierigen Fragestellungen zu entscheiden, auch diese Härtefallkommission sagt, sie kann hier nichts tun.

(Heike Lorenz, PDS: Sie hält sich eben ängstlich an das Auslegungsverfahren.)

Sie bleiben dabei, man könne etwas tun. Ich verstehe das nicht. Und an dieser Stelle frage ich nach dem Politikverständnis der PDS-Fraktion.

Herr Friese, gestatten Sie eine Anfrage des Abgeordneten Schädel?

Im Anschluss, am Schluss meiner Rede, Herr Schädel.

Kann man in einem Rechtsstaat, meine Damen und Herren, als Politiker alles tun, was man subjektiv für richtig hält nach dem Motto: „Wir wollen das, koste es, was es wolle.“? Sollte man dieses?

(Heike Lorenz, PDS: Das sagt überhaupt keiner. Herr Friese, lesen Sie den Antrag und die Rechtsgrundlage! Dann verstehen Sie das.)

Meine Damen und Herren, gestatten Sie einige Sätze beiseite gesprochen: Natürlich macht es Sinn, Grenzen zu überschreiten. Das Leben und auch die Politik verlangen danach und beide leben davon. Wir alle wissen, dass wir nicht mehr kreativ sind, wenn wir den Versuch und auch den Vollzug aufgeben, Grenzen in Frage zu stellen.

(Heike Lorenz, PDS: Richtig.)

Nur, dieses anerkennend muss auch gelten: Grenzen geben Halt. Und gerade ein Staat ist darauf angewiesen, dass er über ein notwendiges Maß an Stabilität verfügt. Die Bürger müssen sich darauf verlassen können, dass Grundsätze ihres Staatsverständnisses und der Parteien und ihre Vereinbarungen, die sie mit diesem Staat geschlossen haben, nicht beständig geändert werden.

(Beifall Rainer Prachtl, CDU)

Politikverlässlichkeit und Rechtssicherheit sind hohe Güter, die geschützt werden müssen.

(Heike Lorenz, PDS: Und all das wird über- haupt nicht angegriffen mit diesem Antrag.)

Warum war denn das vergangene Jahrhundert, meine Damen und Herren, ein so gewaltsames? Doch vor allem deshalb, weil Politiker ihr subjektives Wollen und Handeln über Recht und Gesetz gestellt haben. Die DDR ist daran zugrunde gegangen,

(Angelika Gramkow, PDS: Ja, das habe ich gewusst.)

dass ihre Repräsentanten ihren subjektiven politischen Willen keiner Kontrolle einer anderen Gewalt und einer Maßstabsetzung aus einer anderen Sicht unterworfen haben. Der politische Wille von uns Politikern darf nicht das Maß aller Dinge sein.

(Heike Lorenz, PDS: Wozu haben wir eigentlich einen Gesetzgeber?)