Protocol of the Session on April 12, 2000

Alles befindet sich gerade in den ersten Anfängen.

Jaja, einen Slogan, dem man folgen kann, Herr Born, muss man auch auf die Welt bringen. Ich meine schon, wir sollten uns über solche Dinge verständigen. Dann kann man auch ein bisschen nach Bayern gucken, aber Lederhosen sind uns zu eng. Deswegen meine ich, wir sollten uns auf das Segelboot besinnen.

(Heidemarie Beyer, SPD: Aber nicht zuviel, sonst sieht man nicht mehr, was hier läuft. – Eckhardt Rehberg, CDU: Aber es gibt auch weite Lederhosen. – Dr. Ulrich Born, CDU: Ich hab’ welche.)

Natürlich gibt es auch weite Lederhosen.

Wir müssen uns fragen, ob wir auf diese Entwicklung wirklich eingestellt sind, ob wir in den Unternehmen, in der Schule, in der Politik oder jeder einzelne von uns darauf vorbereitet ist, und da möchte ich meine Diskussion beginnen. Was passiert denn? Es passiert eine Dematerialisierung ökonomischer Prozesse und damit werden Qualifikation und Wissen zum entscheidenden Standortfaktor. Das betrifft die Schule, die Berufsausbildung, die universitäre Ausbildung sowie die berufliche Weiterbildung. Neue Unternehmen können und werden entstehen, darüber haben wir im Bündnis für Arbeit gesprochen, was im Zusammenhang mit e-Commerce beispielsweise leistbar ist. Auch diese Unternehmen werden in MecklenburgVorpommern entstehen. Wer heute nicht am Ball bleibt, wer sich heute nicht ständig weiterbildet, der hat weniger Chancen am Markt generell beziehungsweise konkret am Arbeitsmarkt. Wir stehen vor Herausforderungen, weil in den letzten zehn Jahren der Anschluss an diese Entwicklung verschlafen wurde. Was ist zu tun?

Erstens. Da stimme ich Herrn Rehberg und Herrn Eggert zu. Wir müssen uns Klarheit darüber verschaffen, welche Bedarfe und Notwendigkeiten bestehen. Es muss definiert werden.

(Harry Glawe, CDU: Richtig.)

Und hier gibt es eine Vielzahl von Definitionen. Ich gehe noch darauf ein, aber Computerspezialist ist eben nicht gleich Computerspezialist. Ich nehme an, Herr Born, Sie sind mehr Anwender als Softwareentwickler,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Leider. Leider. – Zuruf von Sylvia Bretschneider, SPD)

wenn Sie den Laptop vor sich haben. Da verstehen Sie sich sicherlich auch als Nutzer von Computertechnik. Aber bei den Leuten, die hier gefragt sind, geht es um IT

Manager und Softwareentwickler. Ich glaube, dazwischen liegen Welten, das kann sicherlich jeder nachvollziehen.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Unterschätzen Sie mal nicht Herrn Born! – Heiterkeit bei Annegrit Koburger, PDS)

Nein, Herr Schoenenburg, das weiß ich. Herr Born ist in der Lage, mit Exel Grafiken und Tabellen zu erstellen. Er ist da schon ein fortgeschrittener Nutzer von Computern. Aber was wir brauchen – und dazu können wir hier in Mecklenburg-Vorpommern sowie aus diesem Landtag heraus einen Beitrag leisten –, ist eine zukunftsorientierte Grundstimmung.

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD)

Also eine Grundstimmung muss geschaffen werden, bei der wir einen Beitrag leisten können, nicht bei der Ermittlung des Streitwertes, wer für was verantwortlich ist, sondern konkret etwas im Lande zu tun.

(Reinhard Dankert, SPD: Frei nach dem Motto der CDU „Nach vorne schauen“.)

Drittens müssen wir Maßnahmen mit Zeithorizonten bestimmen.

Viertens braucht es die Festlegung von Verantwortlichkeiten.

Fünftens. Einfach, aber klar – wir müssen jetzt anfangen zu handeln, sonst ist es einfach zu spät.

Dieser Sektor, das ist meine Überzeugung, ist für unser Land wichtig. Wenn über Fachkräftemangel gesprochen wird in diesem Bereich, dann bezieht er sich wohl kaum in unserem Land auf den Bereich der IT-Forschung, sondern vielmehr geht es um den operativen marktnahen Bereich. Dies lässt einen Qualifikationsbedarf erkennen, der Informatikkompetenz mit einer entscheidenden Fähigkeit verbindet, nämlich kundengerechte Problemlösungen zu finden. Projekt- und Teamfähigkeit, Service- und Beratungskompetenz sowie solide Fachkompetenzen werden benötigt.

Hier eine kurze Anmerkung zu der Greencard-Initiative: Auch ich habe hier meine Überlegungen und meine Bedenken. Das kann ein kurzfristiges Strohfeuer sein, welches über den Import von Fachkräften dazu beiträgt, Fehlbedarfe zu decken oder auch eilige Qualifizierungsmaßnahmen, die durchgeführt werden. Aber es ist ein Aspekt in einer Strategie, die hier verfolgt werden muss, und so möchte ich diese Greencard-Initiative eigentlich auch verstanden wissen.

(Heidemarie Beyer, SPD: Richtig. Das verstehen wir ja alles.)

Wer so tut, als wenn damit alle Probleme gelöst werden, glaube ich, der irrt.

(Heidemarie Beyer, SPD: Ich kann nicht sagen „entweder – oder“.)

Deswegen kann das nur eine zeitweilige, kurzfristige Hilfe sein und ich verstehe sie auch so.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Ja, aber der Herr Rehberg hat ja den Antrag nicht gelesen. – Heidemarie Beyer, SPD: Oder er hat nicht zugehört dummerweise.)

Das ist ja sein Problem.

(Heidemarie Beyer, SPD: Er hatte seine Rede etwas anders aufgebaut.)

Meine Damen und Herren, wir tun als Landesregierung, Herr Eggert ist schon darauf eingegangen, etwas, um diese Bedarfe abzudecken. Der Trend in der Anspruchnahme des „AQMV 2000“ insbesondere zur Qualifizierung ist ungebrochen. Er liegt jährlich bei 1.000 Teilnehmern. Die Palette der Themen ist so breit wie der Informations- und Kommunikationssektor im Lande selbst. Damit setzen wir unseren Beitrag fort.

Gegenwärtig ist es in Mecklenburg-Vorpommern so, dass wir 530 Unternehmen in diesem Bereich tätig haben. Davon betreiben circa 180 Forschung und Entwicklung, 5.000 Menschen sind im Dienstleistungsbereich beschäftigt, also alles das, was man bei Siemens oder auch bei der Telekom finden kann. Und mit zunehmender Dynamik entwickeln sich Call-Center, nicht nur der ersten Generation, also die reinen Auskunftscenter, sondern auch in der dritten Generation. Zur Zeit gibt es 28 Call-Center mit fast 5.000 Beschäftigten in Mecklenburg-Vorpommern.

Ich habe vor der Debatte gerade mit Vertretern aus München von Telegate gesprochen, die weiter in Mecklenburg-Vorpommern investieren und weitere Arbeitsplätze schaffen wollen, so dass summa summarum in Mecklenburg-Vorpommern 15.000 Personen in diesem Bereich tätig sind. Es sind sicherlich viel mehr als die, die in diesen von mir genannten Bereichen erfasst sind, denn in vielen Unternehmen, in den Universitäten und anderswo findet man ja diese Berufe.

Wir haben im Ausbildungsbereich elf neu eingeführte IT- und Medienberufe. Hier wird sehr deutlich, dass die berufliche Erstausbildung eine neue Dynamik erfährt. Im Ausbildungspakt „2000 Plus“ ist verabredet worden, dass weitere Berufsausbildungsmaßnahmen hier praktiziert und durchgesetzt werden, um insgesamt den längerfristigen Bedarf der Wirtschaft abzudecken. Es geht also darum, zehn Prozent des Gesamtangebotes daraufhin auszuweiten, im Multimediabereich auszubilden. Aber, meine Damen und Herren, es geht nicht nur um die jungen Leute, es geht auch um die, die etwas älter sind. Das macht mich schon etwas betroffen. Hier geht es auf einmal nicht mehr um die über 50-Jährigen, sondern hier geht es mit einem Mal um die über 35-Jährigen.

(Heidemarie Beyer, SPD: Ja.)

Alle diejenigen, die älter als 35 sind, werden inzwischen als zu alt für diesen Bereich betrachtet. Meiner Meinung nach handelt es sich hier um eine gefährliche Verschiebung von Normen in der Wirtschaft. Auch da muss Aufklärungsarbeit geleistet werden, denn nur die individuellen Fähigkeiten und Qualifikationen sollen zählen. Ich frage mich, wo wir denn da hinkommen wollen, wenn die Altersbarriere auf dieses Niveau 35 oder 38 tatsächlich abgesenkt wird.

Der Arbeitsminister der ersten Clinton-Administration Robert B. Reich schrieb über die Jobs der Zukunft und die notwendigen Qualifikationen. Er hat vier Fähigkeiten ausgemacht:

1. Abstraktionsfähigkeit

2. Systemdenken

3. Experimentieren

4. Teamfähigkeit

Von einer Altersbegrenzung ist überhaupt keine Rede. Wie gesagt, ich kann nur vor einer solchen Tendenz warnen.

Zu dem geforderten Sofortprogramm: Ich schließe mich dem Programm an und bin den Koalitionsfraktionen dankbar, dass wir hier in dieser Frage in der Breite diskutieren können. Ich habe angesichts der verschiedenen Problemlagen, also auch der Bedarfe und Zahlen, die genannt wurden, die Kammern, Sozialpartner und Direktoren der Arbeitsämter des Landes und das DVZ zu einem Meinungsaustausch am 27. März zusammengeholt und wir haben über diese Frage diskutiert.

Dass die Greencard-Lösung ein Aspekt ist, hatte ich bereits gesagt. Aber es ist auch die Frage, sind es nun 4.000 im Lande oder sind es die 65, die die Arbeitsämter benennen. Also die 75.000, die der Bundeskanzler nannte, jetzt einfach auf das Land runterzurechnen, so Pi mal Fensterkreuz, das wird nicht funktionieren. Die 65 freien Stellen, die bei den Arbeitsämtern gemeldet sind, werden auch nicht der reale Bedarf sein. Das sind die gemeldeten Stellen bei den Arbeitsämtern. Diese könnten tatsächlich abgedeckt werden über die gemeldeten Spezialisten bei den Arbeitsämtern.

Die Bundesanstalt für Arbeit hat eine Hotline eingerichtet. Auf dieser Hotline hatten sich bis Ende März – also bis zu diesem Termin am 27. März, wo wir zusammengesessen haben – 3.000 Firmen gemeldet und Bedarfe artikuliert. Aus Mecklenburg-Vorpommern wurden 30 Anmeldungen getätigt über die Hotline der Arbeitsämter. Hier gehen die Zahlen augenscheinlich auseinander. Ich meine, das muss man insgesamt zusammenführen, damit wir zu einem realen Bedarf kommen, und zwar nicht nur von der Zahl her, sondern auch von den Spezialisten her, die tatsächlich gefordert werden. Deswegen, meine ich, gilt es nicht nur den Bedarf zu erfassen, sondern alle Fragen, die dieses Sonderprogramm beinhaltet, synchron zu beantworten und abzuarbeiten.

Deshalb möchte ich vorschlagen, dass wir das Fachwissen in meinem Ressort zusammenführen, da sind wir ja dabei mit den Belangen der anderen Ressorts. Wir werden mit der Fachverantwortung und der Kompetenz unserer Partner, insbesondere der Wirtschaft, zusammenarbeiten. Wir sind uns darüber einig. Ich habe dazu eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe in meinem Ministerium gegründet, um uns auf diesem Wege ganz konstruktiv zu beteiligen.

Ich bleibe, Herr Born, bei meiner Politik. Ich werde immer ganz offen und sachlich darüber informieren, welchen Stand wir erreicht haben. Ich glaube, das ist der beste Beitrag, den man auch dazu leisten kann, ein positives Klima in Mecklenburg-Vorpommern zu schaffen, sozusagen eine Aufbruchstimmung, damit wir tatsächlich online gehen können, als Ausdruck unseres Landes. Wichtig ist, dass wir uns gemeinsam verantwortlich fühlen für diese Aufgabe und gemeinsam Politik-, Wirtschaftsund Sozialpartner ihren Beitrag leisten, damit Mecklenburg-Vorpommern einen Schritt vorankommt und seinen Beitrag leisten kann in der industriell-technischen Revolution, die vor uns steht. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Danke schön, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Staszak von der Fraktion der SPD.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Besser als so ein schreiender Fraktionsvorsitzender. – Dr. Ulrich Born, CDU: Selbst Sie müssen ihm zustimmen, Herr Schoenenburg. Selbst Sie müssen ihm zustimmen. – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Da stimme ich Ihnen voll zu.)

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich war etwas erstaunt über den Beitrag von Herrn Rehberg. Leider ist er nicht mehr da.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Wir nehmen das entgegen.)