Der Chef der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen Bernd Fritze äußert sich zufrieden über den Gesprächsverlauf. Ich glaube, die vermeintlichen SPDWähler lassen grüßen. Die Kirchen, die sich zur bislang bestehenden Bäderregelung kompromissbereit gezeigt haben, werden in der Presse im Agieren um die Sonntagsruhe als scheinheilig dargestellt. Selbstverständlich ist es hoch zu achten,
wenn die Kirche in dem nun neu aufgebrochenen Diskussionsherd um die Arbeit am Sonntag ihre hohen religiösen Wertvorstellungen einbringt und behüten will, denn wir alle befinden uns doch in einer gesellschaftlichen Wertedebatte, wie Frau Kassner auch schon ausführte. Und ob die Sonntagsruhe grundsätzlich beachtet wird, ist in unserer säkularisierten Gesellschaft nicht mehr nur eine Nur-Frage der Feiertagsheiligung, sondern eine Frage der Gesellschafts- und Arbeitskultur, eben: Wie sozial geht die soziale Marktwirtschaft mit sich selbst um? Sind wir Menschen in der Lage, soziale Beziehungsgefüge schöpferisch und frei zu gestalten ohne einen Paragraphendschungel, um souverän diese rasanten wirtschaftlichen Prozesse zu gestalten?
Die Kompromissbereitschaft der Kirchen weicht dem politisch inszenierten Bild der Scheinheiligkeit in der Presse, und das kann so nicht stehen bleiben.
Die Kirche ist nicht der Buhmann der Bäderregelung und die Gewerkschaften der Freund der Arbeitnehmer. Kirchen und Gewerkschaften werden in ein politisches Meinungsbild gezerrt. Niemand schreibt über das Kommunikationsmissmanagement der rot-roten Koalition,
(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Frau Skrzepski, weil Sie es gerade erst entdeckt haben. Dann kann doch vorher auch keiner drüber streiten.)
dass eine fortschrittliche Bäderregelung geopfert wird. Nein, wir hören im Live-Interview im Radio, da können sie sich bei den Kirchen bedanken.
Sie geben mir doch völlig Recht in meinen Ausführungen, wenn Sie wieder die Kirchen als Bestreiter der Bäderregelung hier vorziehen.
(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Eckhardt Rehberg, CDU: Völlig daneben! Nehmen Sie sich bloß ein bisschen zusammen, Herr Böttger! – Gerd Bötter, PDS: Ach, hören Sie doch auf!)
Meine Damen und Herren, was erwarten wir? Ein Wirtschaftsminister, der bei der Abstimmung zum Transrapid weder dafür noch dagegen stimmt, noch sich enthält, hat für mich weder das politische Kreuz, was ich als Frau auch liebe,
noch eine wirtschaftspolitische Stimme. Man koaliert, anstatt wirtschaftlich zu kreieren. Man orientiert sich schulisch stundenlang, man koaliert, man kollabiert, anstatt Wirtschaftsentwicklung voranzutreiben. Darum bleibt mein politisches Misstrauen.
Der Staatssekretär Burke – obwohl Sie, Herr Eggert, heute noch Gesprächsbereitschaft melden – verkündigt eiligst die Kompromissbereitschaft aller und die eingeschränkte Bäderregelung bereits zwischen März und Oktober. Was sollte diese Verkündigung, wenn Sie sich noch im Mühen befinden?
Sehr geehrte Abgeordnete! Es werden keine Jubelschreie in der Tourismuswirtschaft ausbrechen. Auf der ITB informierte der Geschäftsführer des Tourismusverbandes mich und die Ausschussmitglieder über einen einstimmigen Vorstandsbeschluss und Appell zur Erhaltung der bisherigen Bäderregelung. Gleiches Votum hat sich bei den regionalen Tourismusverbänden und Kurdirektoren bestätigt. Wie wird es aussehen? Auf der Insel Usedom werden die Polen die Kaufkraft der Urlauber abschöpfen. Zur Erinnerung: Ein Brief des Landtagsabgeordneten Herrn Riemann liegt noch bei Herrn Eggert unbeantwortet auf dem Tisch.
Rügens lukrative Geschäftszeilen in den Badeorten Binz, Sellin, Baabe und Göhren werden dann von November bis April verwaisen. Die Ladeninhaber in den exponierten Lagen unserer Ostseebäder, wie auch in Boltenhagen und Kühlungsborn, werden die finanziellen Belastungen durch Investitionen und hohe Pachtzahlungen an die Grenze der Wirtschaftlichkeit treiben. Kompensiert werden kann dann nur – und dann kommt wieder der Aufschrei der Gewerkschaften – durch Arbeitsplatzabbau, denn auch die 630-DM-Jobs sind ja ohnehin eine steuerliche Wirtschaftskrücke geworden.
Und unsere Nachbarn, die Dänen, werden ihre ohnehin hohen Übernachtungen aus Deutschland von über 20 Millionen – 20 Millionen Übernachtungen ziehen die Dänen aus dem deutschen Urlaubsmarkt, doppelt soviel wie in Mecklenburg-Vorpommern – noch steigern. Sarkastisch könnte man sagen: Das Küstenland wird zum Kostenland und das Binnenland zum Hinterland.
(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Schönes Drama. – Reinhard Dankert, SPD: Ihre Rede ist genauso konfus wie Ihr Antrag.)
Sehr geehrte Abgeordnete! Der Deutsche Bundestag hat am 30. Dezember 1999 die Unterrichtung zum tourismuspolitischen Bericht der Bundesregierung vorgelegt. Auf Seite 3 finden wir unter Punkt 1a): „So trägt die Tourismusbranche als nach dem Handel größter Dienstleistungssektor mit acht Prozent zum Bruttoinlandprodukt der Bundesrepublik Deutschland bei.“ Angemerkt sei hier: Im weltweiten Vergleich mit 21 weiteren Tourismusnatio
nen liegt Deutschland lediglich an 19. Stelle, weit zurück hinter Spanien, Österreich, Griechenland, nachzulesen im Exposé der Banken, Februar 2000.
Weiter heißt es im Punkt c auf Seite 3: „Die Tourismuspolitik der Bundesregierung orientiert sich am Grundsatz der unternehmerischen Verantwortung.“ Ich zitiere hier die SPD, meine Damen und Herren. „Aufgabe der Bundesregierung ist es, die notwendige Infrastruktur sowie geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen.“ Es folgen Aufzählungen und im Schlusssatz heißt es dann „... sowie den Abbau bürokratischer Hemmnisse“.
Sehr geehrte Abgeordnete der SPD und PDS! Werten Sie unsere tourismuspolitischen Erfolge im Tourismus selbst und geben Sie Ihre Stimme diesem Antrag! Es reicht nicht, sich im Kabinett mit einer Vorlage zu beschäftigen, die keiner kennt. Bringen Sie endlich richtigen Ostwind in dieses antiquierte Ladenschlussgesetz, denn wir brauchen diese Änderung. Sie ist von existentieller Bedeutung für unsere Tourismuswirtschaft. – Herzlichen Dank.
Ich habe mich hier noch einmal an das Mikrophon gestellt, Frau Abgeordnete, da Sie zwar viel geredet haben,
und es mag an mir liegen, ich aber nicht genau weiß, was Sie eigentlich wollen. Ich will das vielleicht an einer Frage festmachen: Wollen Sie das Ladenschlussgesetz abschaffen oder wollen Sie es novellieren? Was wollen Sie denn nun konkret?
In erster Instanz im Antrag novellieren. Ich würde es persönlich sehr gern abschaffen, das ist richtig. Und wenn Sie es nicht verstanden haben, dann ist es um so trauriger für die Tourismuswirtschaft unseres Landes. Danke, Herr Eggert.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das war jetzt eine sehr lehrreiche Stunde. Ich hätte nie gedacht, wofür ein Ladenschlussgesetz so alles herhalten kann,
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Heiterkeit bei Dr. Rolf Eggert, SPD – Reinhard Dankert, SPD: Dann scheinen Sie es ja wenigstens verstanden zu haben. Ich habe es nicht verstanden.)