und Herr Seidel hat eben auch noch wesentliche Teile meines Konzeptes vorweggenommen, unter anderem auch den Verweis auf das Grundgesetz, den ich für unheimlich wichtig halte.
Mecklenburg-Vorpommern im Schnittpunkt europäischer Verkehrsströme – so haben wir es uns viele Jahre immer wieder gegenseitig klargemacht. Keine Rede, kein Konzept, keine Studie ohne diese europäische Dimension der Verkehrspolitik, der Wirtschaftspolitik, der Entwicklungschancen. Der Wirtschaftsminister hatte das in seiner Rede auch drin. Ich habe dazu auch konkrete Daten hier. Ich möchte davon aber nur zwei nennen, zum Beispiel: Entwicklung des Außenhandels der Bundesrepublik Deutschland mit den Ostseeländern, von 1992 bis 1998 ein Zuwachs von 30 Prozent mit den marktwirtschaftlichen Ländern und ein Zuwachs von 150 Prozent im Handel mit den Transformationsländern. Vieles andere ergibt sich daraus: die Zuwächse im Hafenumschlag, der Anteil des Ostseeverkehrs überhaupt am Weltseeverkehr und dergleichen.
Aber wenn wir uns das alles klarmachen, dann haben wir damit im Grunde noch gar nichts gewonnen, denn allein die günstige verkehrsgeographische Lage macht es eben nicht. Wir werden nicht zur Verkehrsdrehscheibe, wenn wir uns mit unserer bisherigen Infrastruktur in den Wettbewerb begeben. Unsere Nachbarn schlafen nicht, das hat Herr Seidel auch schon hier begründet. Deswegen kommen wir im Grunde nur voran und können uns auf Dauer behaupten, wenn wir unsere Verkehrsinfrastruktur ausbauen, wenn wir sie wirklich für die Zukunft fit machen.
Und ich habe mir noch mal alle Verkehrskonzepte unseres jungen Landes seit 1990 vorgekramt, sie durchgelesen und miteinander verglichen. Es steht im Grunde in
jedem das Gleiche drin. Egal, welche der vier jeweils an der Regierung beteiligten Parteien das Sagen hatte, es steht immer das Gleiche drin. Und bezogen auf die Transitverkehre nach Skandinavien stehen immer wieder die Forderungen drin: Ausbau der Eisenbahnstrecken BerlinNeustrelitz-Rostock und Berlin-Pasewalk-Stralsund-Saßnitz für 160 Kilometer pro Stunde. Das haben wir heute wieder gehört, das fordern wir jetzt. Aber das fordern wir seit zehn Jahren und wir sind nicht ein Pünktchen weiter gekommen in dieser Frage. Ganz im Gegenteil, wir fahren länger auf diesen Strecken als zu den guten DDR-Zeiten mit den Städteverbindungen und dergleichen. Also, dass das alles sein muss, das ist klar, das müssen wir uns hier nicht länger vorräubern. Aber wir müssen wirklich etwas davon durchsetzen.
Und da reicht es eben nicht, wenn ich hier jetzt mal zitieren kann, was die Koalitionsregierung sich konzeptionell dazu vorgenommen hat in Punkt 42 des Koalitionsvertrages, Ablehnung des Transrapid, ist gegessen: „Die dafür vom Bund vorgesehenen Mittel sollen statt dessen für den beschleunigten Bau der Eisenbahnstrecke Lüb e ck–R o s t o ck–Stralsund, der A 20, der Rügenanbindung, der A 241 und von Ortsumgehungen eingesetzt werden.“ Gut und schön gedacht, bloß der Bund spielt nicht mit.
Es reicht eben nicht, wenn der Bund jetzt von diesen Mitteln 1 Milliarde DM für den Ausbau einer ICE-Strecke Hamburg-Berlin zur Verfügung stellt. Da könnte ich beinahe sagen, je schneller diese Strecke wird in der Zukunft – jetzt soll sie auf 230 Kilometer pro Stunde ausgebaut werden –,
desto schneller fahren die Züge an Mecklenburg-Vorpommern vorbei und desto geringer sind die Chancen,
Trotzdem kämpfen wir natürlich um den Haltepunkt Ludwigslust. Nur – das ist hier auch schon gesagt worden –, wenn man mal vergleicht, was für Schwerin als Alternative dabei rauskommt, nämlich aus einer Direktanbindung an diese Trasse die Möglichkeit, in der Umgebung zuzusteigen, umzusteigen, das ist natürlich nicht vergleichbar.
Gut vorangekommen sind wir bei der Hafeninfrastruktur, das heißt beim Hafenausbau, einschließlich Vertiefung der seeseitigen Zufahrten, Vertiefung der Fahrrinnen – ganz klar, da wird viel getan, das ist auch wichtig. Unsere Häfen haben uns das auch gedankt mit enormen Zuwachsraten im Umschlag. Bloß, die müssen wir halten. Im Verhältnis zu den anderen und natürlich von der Masse
müssen wir sie ausbauen. Das halten wir im Grunde nur, wenn wir ständig daran arbeiten, die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Und da kennen wir auch unsere Schwachpunkte, die Infrastruktur habe ich bereits genannt, zumindest schienenseitig. Ein weiterer Schwachpunkt – und da müssen wir uns mächtig bös machen – ist die unzureichende Kooperationsbereitschaft der Deutschen Bahn AG mit unseren Häfen im Lande: die enormen Benachteiligungen bei der Tarifgestaltung, das fehlende Engagement beim GVZ in Rostock und das Fehlen einer jeglichen Angebotsoffensive des DB-Cargo-Bereiches, tatsächlich auch mal wieder mehr Güter auf die Schiene zu bekommen. Und wenn man das nicht bei den Häfen will, wo will man dann überhaupt anfangen?
Ein weiterer Stichpunkt: Was kommt nach dem Transrapid? Ich bin hierauf schon in meiner Rede am 3. Februar diesen Jahres eingegangen, wo der Transrapid noch nicht offiziell gestorben war, und ich habe damals gesagt, wir brauchen Alternativen für diesen Worst Case, den wir jetzt haben. Ich möchte das im Grunde nicht wiederholen. Was ich heute gehört habe, bringt mich richtig in Begeisterung, vorgetragen von der Finanzministerin, nämlich Ausbau der Trasse Kiel–L ü b e ck–S c h w e r in–L u d w i g slust–Berlin für 460 Kilometer pro Stunde, Befahren dieser Trasse im Einstundentakt – eine großartige Vision, bloß völlig neben der Realität. Das muss ich wirklich so sagen. Es ist so. Wann und mit welchen Mitteln wollen wir diese Trasse ausbauen? Wenn es die Hochgeschwindigkeitsstrecke Hamburg-Berlin gibt, dann gibt es eben auch Alternativen, diese Trasse noch besser zu nutzen, auch aus Richtung Skandinavien. Die Eisenbahn fährt ja schon über den Großen Belt–Kiel–Hamburg–Berlin. Ich glaube nicht, dass man die Trasse Kiel–Schwerin–Berlin parallel dazu derartig ausbaut und dann auf keinen Fall im Stundentakt bedient. Das ist zu viel des Guten. So gut, wie sich das anhört, aber wir müssen es einfach sein lassen, uns in die eigenen Taschen zu flunkern.
Tja, außerdem noch ein Gedanke zu dieser Trasse: Wenn sie denn wirklich käme, dann käme zwangsläufig auch die feste Fehmarnbelt-Querung.
Im Zusammenhang und nur dann. Das heißt, dass Schleswig-Holstein das will, und es hat sich mit uns darüber verständigt, ist doch völlig klar. Aber was kommt für uns dabei raus? Wenn wir diesen Kapazitätsausbau der Trasse intensivieren,
dann ist das die Rennpiste für den Güterverkehr von Skandinavien über die Fehmarnbelt-Querung nach Mitteleuropa. Den Aspekt sollten wir prüfen, ob wir bei dieser Konzeption wirklich im Boot mit Schleswig-Holstein bleiben, ob das nicht im Gegenteil im Folgenden viel mehr Nachteile für unser Land ergibt.
Noch mal zur Position der Deutschen Bahn AG: Inwieweit ist die DB AG wirklich der Partner für MecklenburgVorpommern im Schienenverkehr? Ich erinnere nur kurz an die Horrormeldungen der letzten zwei Jahre über den großen Leistungsabbau im Reisefernverkehr, den die
Bahn konzeptionell untersucht hat. Natürlich sollte nicht alles davon umgesetzt werden, aber ein Großteil und von diesem Großteil leider das meiste in unserem Land. Wir sind eben kein Eisenbahnland, wenn man es unternehmerisch betrachtet, denn uns fehlen die Leute, uns fehlen die Fahrgäste. Also weniger interessante Strecken wird man zuerst in unserem Land abbauen.
Zum Auftrag, den Herr Mehdorn als Vorstandsvorsitzender dieses privatisierten Unternehmens hat – da bin ich genau der gleichen Meinung. Ich hatte mir das ja auch mit dem Grundgesetz angekreuzt, das hatte ich bereits gesagt. Der kann nicht anders handeln, bloß, wir müssen das zur Kenntnis nehmen und wir müssen uns dann wirklich an den Herrn Mehdorn wenden.
Ein kurzes Zitat von Mehdorn habe ich hier noch mal: „Niemand kann uns zwingen, unwirtschaftliche Verkehre zu betreiben, wenn wir sie wirtschaftlicher machen können.“ Und wie will er das machen? – Er dünnt aus. Übrigens noch mal: Die Strecke Kiel–Schwerin–Berlin wird ja zum Fahrplanwechsel im Mai ausgedünnt auf den 4-Stunden-Rhythmus, durch Herrn Mehdorn, durch die Bahn AG. Ausgedünnt wird das bisherige Angebot auf dieser Trasse, zumindest von Kiel bis Lübeck.
Wie dünnt Herr Mehdorn aus? – Indem er im Grunde Fernverkehre reduziert, das Land erpresst, das Land müsste diese Fernverkehre ersetzen mit Schienenpersonennahverkehr, vorwiegend auch selbst bezahlen. Dann kommt im Ergebnis dabei heraus – das ist ja Realität –, dass das Land die SPNV-Mittel an die DB AG gibt sozusagen als, na ja, Lustmacher, und die DB AG fährt dann den Fernverkehr weiter, das heißt, wir finanzieren über Regionalisierungsmittel im Grunde schon Fernverkehr in unserem Land. Das ist die Konzeption von Herrn Mehdorn. Wir können uns das vielleicht einmal leisten, aber länger nicht, denn dann haben wir keine Mittel mehr für den SPNV.
Der nächste Schritt ist dann SPNV, also Schienenersatzverkehr, durch Busse. Und da bietet Herr Mehdorn die Busse der DB AG an, den Reisebusbereich, den er hat. Das ist Strategie Mehdorn. Und das kann nicht unser Konzept sein. Also, Verantwortung des Bundes deutlicher klarmachen als Landesregierung!
Ein Wort noch zum SPNV. Da ist tatsächlich schon sehr viel erreicht worden. 25 Prozent Zuwachs an Fahrgästen, das kommt nicht von allein. Das kommt nur, wenn man die Attraktivität deutlich verbessert, durch neue Fahrzeuge, durch mehr Service, durch Dienstleistungen, durch Reisezeitverkürzungen und dergleichen. Diesen Schritt sollten wir weitergehen und wir sollten diesen Schritt auch im verkehrspolitischen Sinne des Regionalisierungsgesetzes machen, das davon ausgeht, dass wir mit dem verfügbaren Geld so viel Verkehr wie möglich auf die Schiene bringen wollen.
Das heißt umgekehrt gesagt, wir können es uns nicht leisten, Geld auszugeben, wo leere Züge fahren. Wir müssen dieses Geld dort konzentrieren, wo wir auch Fahrgäste in die Züge bekommen, dort die Angebote ausbauen, mehr Verkehr machen. Das heißt aber nicht zwangsläufig, dass ich jetzt diese für die DB AG nicht lukrativen oder nicht interessanten Nahverkehrsstrecken dichtmachen möchte. Erstens steht nun mal fest, der teuerste Anbieter im SPNV ist die DB AG, und zum Glück gibt es günstigere, preiswertere Anbieter im Land, die qualitativ nicht schlechter sind. Die nutzen wir zum Teil. Das müssen wir
zumindest konsequent mehr tun, wenn die DB AG bestimmte Trassen zu ihren Konditionen weiter betreiben will, also dort nicht günstiger anbietet, oder wenn eine Strecke unter diesen Bedingungen sogar nicht mehr bezahlbar ist und sie droht der Stilllegung anheim zu fallen.
Ich habe schon mal in diesem Hohen Hause vorgetragen, dass das Teuerste an der Finanzierung des SPNV eigentlich die Trassenpreise sind. Die Trassenpreise machen weit mehr als 50 Prozent der Gesamtkosten dafür aus, dass wir Züge bewegen lassen wollen. Diese Trassenpreise kassiert die DB AG ein, egal ob wir dort private Betreiber haben, also andere Unternehmen, oder die DB AG. Und die DB AG reinvestiert nicht, sondern fährt diese Trassen auf Verschleiß, kassiert aber diese enorm hohen Trassenpreise.
Darum finde ich wieder interessant – und das ist aus dem gleichen Papier, übrigens ein Druckerzeugnis der DB AG selbst, „DB-Mobil“ – das Zitat von Herrn Mehdorn, und das finde ich wirklich wichtig und interessant, vielleicht hilft es uns, eine Alternative für die eine oder andere Trasse aufzubauen, die jetzt von Stilllegung betroffen ist: „In Einzelfällen“, sagt Mehdorn, „kann ich natürlich nicht ausschließen, dass die DB AG einzelne Strecken ganz aufgibt.“ Sollte er doch, dann wird in solchen Fällen zunächst ihre Mittelstandsinitiative einspringen. „Hier werden wir fallweise Eisenbahnern helfen, sich selbständig zu machen und in solchen Marktnischen Schienenverkehr auf Kurz- und Zubringerstrecken zu betreiben. Man kann zum Beispiel an Strecken für Ausflüge am Wochenende, für Feriengäste im Sommer denken. Für solche Shortlines und Feederlines stellen wir die Fahrzeuge.“
Also, die DB AG geht jetzt im Grunde konstruktiv in diese Konzepte mit rein. Sie hebt, so verstehe ich ihn, die Trasse zum Nulltarif ab, stellt Fahrzeuge zur Verfügung – natürlich nicht die neuesten, die braucht man aber auch nicht, um interessante touristische Angebote zu entwickeln –, macht also ein Stückchen Mittelstandsinitiative mit, hilft jungen Existenzgründern, vielleicht ehemaligen Eisenbahnern, ein kleines Unternehmen für den Schienenpersonennahverkehr aufzubauen. Das wäre vielleicht eine Sache auf der einen oder anderen Trasse, die wir uns unter den bisherigen Bedingungen nicht mehr leisten können, wenn diese 8,30-DM-Trassen-Preise nicht zu zahlen sind. Wir kämen dann vielleicht mit 35 bis 40 Prozent der bisherigen Kosten aus. Das wäre doch mal gründlich zu untersuchen.
Ein vierter Gedanke jetzt noch und dann wär’s das für heute, die Forderung der Opposition nach einem langfristigen Konzept für den Schienenverkehr. Ich versuchte schon klarzumachen, wir haben Konzepte von 1990 an, die langfristig angelegt worden sind, die sich kaum unterscheiden. Die müssen wir nicht neu bestellen und neu bezahlen, dafür ist eine Menge Geld ausgegeben worden. Ich nenne hier nur von Oktober 1990 die „Anregungen zur Verkehrspolitik für das Land Mecklenburg-Vorpommern“, das im Juni 1994 vom Wirtschaftsminister Lehment herausgegebene Konzept „Verkehr in Mecklenburg-Vorpommern, Grundlagen und Perspektiven“, ich nenne das Landesraumordnungsprogramm Mecklenburg-Vorpommern, den ÖPNV-Landesplan und von Juli 1998 das Papier von Herrn Seidel „Leistungsfähige Verkehrswege in Mecklenburg-Vorpommern“. Inhaltlich unterscheiden sie sich kaum, wenn man sie etwas aktualisiert, den einen oder anderen Gedanken jetzt mit reinbringt, dann hat man an
und für sich ein Verkehrskonzept, das so schlecht nicht sein kann, weil über alle politischen Wechsel hinaus diese Konzepte im Grunde inhaltlich immer einigermaßen Bestand behalten haben. Ich möchte also davon abraten, wir brauchen kein neues Konzept, wir brauchen hier nicht irgendwelche Planungsbüros mit Millionen Landesmitteln zu beschäftigen, wir sollten die Papiere aktualisieren.
Einen guten Rat möchte ich dem jetzigen Verkehrs- und Wirtschaftsminister Herrn Eggert noch mit auf den Weg geben, das fiel mir auch auf, als ich mir diese Papiere angesehen habe. Denken Sie mal an diese Daten: Herr Lehment hat sein Papier im Juni 1994 herausgegeben, vier Monate später war er weg vom Fenster.
Herr Seidel hat sein Papier im Juli 1998 rausgegeben, drei Monate später war er weg vom Fenster. Ich rate also unserem jetzigen Wirtschaftsminister, kein Papier neu zu erarbeiten und herauszugeben, damit er uns noch lange erhalten bleibt.