Protocol of the Session on March 16, 2000

(Heiterkeit bei Georg Nolte, CDU: Ohne Abgaben.)

Ein auf internationaler Ebene praktikables Steuersystem – und auf die Europatauglichkeit komme ich nachher noch einmal zurück – muss so gestaltet sein, dass sich seine einzelnen Elemente mit anderen Steuersystemen ergänzen. Mit der neuen Körperschaftssteuer und dem Halbeinkünfteverfahren bei ausgeschütteten Gewinnen ist auch verbunden, dass Gewinne steuerlich privilegiert sind, solange sie im Unternehmen verbleiben. Genau das

ist Absicht, denn ein wichtiges Ziel der Unternehmenssteuerreform ist, die Investitionstätigkeit der Unternehmen zu unterstützen.

Jetzt komme ich an dieser Stelle mal zu einer Bewertung des Bundesverbandes der Deutschen Banken, sicherlich nicht im Auftrage der SPD. Der Bundesverband der Deutschen Banken hat in einem Pressegespräch zu den Steuerreformplänen am 12. Januar 2000 bestätigt, dass die für die Kapitalgesellschaften vorgesehene definitive Steuerbelastung von 25 Prozent in Verbindung mit einem Halbeinkünfteverfahren weit weniger gestaltungsanfällig sei als das heutige Vollanrechnungsverfahren. Und dieses Modell habe zudem größere Chancen, als Harmonisierungsmodell auf internationaler Ebene zu dienen. Das heißt, Herr Nolte, im Gegensatz zu Ihnen kommt der Bundesverband der Deutschen Banken zu einer ganz anderen Einschätzung

(Dr. Armin Jäger, CDU: Na klar!)

des jetzt gewählten Halbeinkünfteverfahrens.

(Wolfgang Riemann, CDU: Die sind doch begünstigt in den Personengesellschaften. Die sind doch begünstigt. – Dr. Armin Jäger, CDU: Die sind doch die Begünstigten.)

Das ist doch in Ordnung.

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von Dr. Armin Jäger, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU)

Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich bitte um Mäßigung.

Es kommt doch hier auf die Frage an, inwieweit das alte Vollanrechnungsverfahren noch europatauglich ist. Das ist doch der entscheidende Punkt. Bisher dachte ich auch immer, Sie wären eine Partei für Europa, aber wahrscheinlich gibt es da momentan bei Ihnen andere Gesichtspunkte.

(Wolfgang Riemann, CDU: Die Europawahl haben wir gewonnen, weil wir eine Partei für Europa sind.)

Ich weiß.

(Heiterkeit bei Andreas Bluhm, PDS: Herr Riemann, kommen Sie wieder runter!)

Wir müssen doch das Steuersystem europatauglich machen.

(Heinz Müller, SPD: Ich glaube, er mutiert zum Glühwürmchen.)

Dann noch einmal zu Ihren Beispielen. Herr Nolte, Sie haben ja Ihre Quellen nicht angegeben. Wir müssten da noch mal die Quellen abgleichen. Nach meinen Informationen ist das Vollanrechnungsverfahren so, wie es in Deutschland zur Zeit praktiziert wird, nur noch in Italien üblich, in keinem anderen europäischen Staat. Ich würde meinen, da sollte man vorsichtig sein mit solchen Äußerungen in der Frage der Europatauglichkeit. Da müssen wir uns die Fakten wirklich noch einmal ansehen.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Es gibt noch einen weiteren zu wenig beachteten Aspekt, der für die steuerliche Begünstigung der Eigenkapitalbildung spricht. In den 90er Jahren hat sich die Zahl der Insolvenzen in Deutschland verdoppelt. Das ist eine

ganz schlimme Entwicklung, auch wenn im letzten Jahr diese Entwicklung erfreulicherweise zum Stillstand gekommen ist. Ein Grundübel aber, das dafür verantwortlich ist, bleibt bestehen. Die deutschen Unternehmen, besonders im Osten, verfügen oft über wenig Eigenkapital.

(Wolfgang Riemann, CDU: Deswegen muss man ja Holzmann retten.)

Das liegt nicht unbedingt daran, dass sie zu wenig Gewinne erwirtschaften. Das liegt auch daran, und das ist ganz entscheidend,

(Zuruf von Georg Nolte, CDU)

dass das bisherige Steuerrecht, das bisherige Steuersystem die Fremdfinanzierung begünstigt. Genau deshalb ist ihr Systemwechsel auch so notwendig.Wenn wir also mit der Unternehmenssteuerreform dazu beitragen, dass mehr Eigenkapital in den Unternehmen verbleibt und deren Krisenfestigkeit erhöht, dann kann das nur nützlich sein. Das gilt insbesondere für Ostdeutschland. Und ich kann nicht verstehen, warum Sie nicht bereit sind, diesen konstruktiven Ansatz nicht bloß zu erkennen, sondern möglicherweise auch mitzutragen.

(Beifall Heinz Müller, SPD – Wolfgang Riemann, CDU: Na ja, an euren Taten werdet ihr gemessen, nicht an euren Worten. – Heiterkeit bei Dr. Arnold Schoenenburg, PDS – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Haben Sie noch ein paar solcher Sprüche drauf heute?)

Meine Damen und Herren! Nun hören wir schon seit Wochen von der CDU die Arie – und die haben wir heute auch wieder gehört zu unserem Überdruss –, die rotgrüne Unternehmenssteuerreform sei eine für die ganz Großen, während die Mittleren und die Kleinen belastet werden.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, das ist so.)

Mal abgesehen davon, dass die Rolle der CDU als Hüter der kleinen Unternehmer und des Mittelstandes genauso komisch ist, als wenn der Fuchs der Hüter der Hühner wäre,

(Heiterkeit bei Heinz Müller, SPD – Beifall Dr. Gerhard Bartels, PDS)

so ist diese von Ihnen hier seit Wochen praktizierte Propaganda ganz einfach vollständiger parteitaktischer Unsinn.

(Zuruf von Georg Nolte, CDU)

Sie wollen hier nur desinformieren und Angst machen.

Zu den Tatsachen gehört vielmehr, dass durch die drastische Senkung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommenssteuer – von der CDU/CSU und FDP seit Jahren immer wieder gefordert – die Kleinunternehmen wohl überhaupt nichts haben. Wie wollen Sie das in Ihrer Argumentation irgendwie schlüssig in einen Zusammenhang bringen?

Meine Damen und Herren! Die Unternehmensstrukturen in Deutschland weisen eine wesentliche Besonderheit auf zu der übrigen europäischen. Ich möchte das hier noch einmal an Fakten deutlich machen. Der Anteil der Einzelunternehmen und Personengesellschaften macht bekanntlich über 80 Prozent aus. Das ist keine neue Zahl. Aber wichtig ist noch einmal, dass es auch innerhalb der Gruppe der Personengesellschaften außerordentlich

große Niveauunterschiede gibt, denn mehr als zwei Drittel dieser Unternehmen in Gesamtdeutschland und über 50 Prozent in Ostdeutschland liegen mit ihrem Jahresgewinn unterhalb der Schwelle von 50.000 DM. Etwa 20 Prozent liegen in der Jahresgewinnspanne zwischen 50.000 und 150.000 DM und weniger als 10 Prozent liegen oberhalb von 150.000 DM. Deshalb, und das ist das Entscheidende, muss eine zielorientierte Unternehmenssteuerreform dieser besonderen Struktur gerecht werden. Deswegen kann man da nicht so oberflächlich und so unkonkret herumdiskutieren, sondern man muss sich dann schon die Mühe machen, zielgerichtet die Frage zu diskutieren: Wie können diese einzelnen Gruppen der Unternehmen letztendlich auch zielgerichtet entlastet werden?

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Bei der rot-grünen Steuerreform passiert das.

(Zurufe von einzelnen Abgeordneten der CDU: Ja.)

Ich möchte Ihnen noch einmal die drei entscheidenden Entlastungsalternativen nennen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Das haben die Bau- ern gerade vergangenes Wochenende bestätigt.)

Erstens. Die Standardvariante zur Entlastung ist die Gewerbesteueranrechnung, denn zusätzlich zum bisher schon möglichen Abzug der Gewerbesteuer von der Bemessungsgrundlage der Einkommenssteuer kann künftig zusätzlich ein Betrag in Höhe des Zweifachen des Gewerbesteuermessbetrages von der Einkommenssteuerschuld abgezogen werden. Im Ergebnis führt dies für ein Unternehmen bei einem Grenzsteuersatz von rund 50 Prozent an einem Standort mit durchschnittlichem Hebesatz zu einer vollständigen Entlastung von der Gewerbesteuer. Das ist die Grundvariante.

Zweitens. Es besteht die Option, insbesondere für ertragsstarke Personengesellschaften mit hohen kontinuierlichen Investitionen – in der Regel Jahresgewinn über 150.000 DM –, sich unabhängig von der Rechtsform genauso wie Kapitalgesellschaft zu besteuern zu lassen. Für diese Unternehmen kann die Senkung des Steuersatzes auf einbehaltene Gewinne auf nur 25 Prozent eine größere Entlastung bieten als die Gewerbesteueranrechnung, und das als Optionsmodell.

Drittens. Jetzt komme ich zu dem von Ihnen so viel beschriebenen kleinen Unternehmen. Für diejenigen Unternehmen, deren zu versteuernde Gewinne unterhalb der 48.000-DM-Grenze liegen, kann logischerweise die Standardvariante der Gewerbesteuerentlastung nicht greifen, denn sie zahlen schon jetzt keine Gewerbesteuer. Wie Arbeitnehmer mit entsprechenden Einkommen können solche Unternehmen beziehungsweise deren Inhaber nun aber bei der Einkommensteuer entlastet werden. Das ist der entscheidende Ansatz.

Das Vorziehen der dritten Stufe des Steuerentlastungsgesetzes im Rahmen der Steuerreform 2000 macht auch für diese Gruppe von Unternehmen den 1. Januar 2001 zu einem wirklichen Entlastungsstichtag – durch die Anhebung des Grundfreibetrages auf 14.000 DM und die Senkung des Eingangssteuersatzes auf 19,9 Prozent. Weitere Entlastungsschritte, in denen der Grundfreibetrag in Schritten weiter auf 15.000 DM angehoben und der Eingangssteuersatz auf 15 Prozent gesenkt wird, folgen in den Jahren 2003 und 2005.

Und an dieser Stelle mal ein konkretes Entlastungsbeispiel für ein kleines Unternehmen, typisch vielleicht auch für unser Land im Jahr 2001 nach Inkrafttreten der Steuerreform: Ein selbständiger Gas- oder Wasserinstallateur – ich könnte auch ein anderes Gewerk nennen, wichtig ist aber, dass er verheiratet ist, damit die Rechnung aufgeht, in diesem Falle meine ich das Steuerrechnungsmodell – arbeitet allein in seinem Unternehmen und sein Gewinn vor Steuern beträgt in etwa 50.000 DM in einem Jahr. In diesem Jahr zahlt er noch 6.212 DM Einkommenssteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer. Und jetzt kommt’s: Im nächsten Jahr zahlt er nur noch 5.464 DM Steuern. Seine Steuerersparnis beträgt also 748 DM.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Er darf dann aber nicht Auto fahren. – Wolfgang Riemann, CDU: Ja, er darf dann aber nicht Auto fahren.)

Dies entspricht zwölf Prozent der Steuern von diesem Jahr in 2001, also einer Steuerentlastung von zwölf Prozent. Dieses Beispiel könnte man faktisch für die Kleinunternehmen auch durchgängig in verschiedenen Modellen immer wieder belegen.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Es heißt, wir werden durch die Einkommenssteuergesetzgebung in diesen Einkommensgruppen zu einer durchschnittlichen Steuerentlastung von circa zwölf Prozent kommen. Wir können also feststellen, dass durch ein gezieltes und differenziertes Entlastungsangebot für alle Gruppen von Unternehmen, also auch für den Mittelstand, der Mittelstand zu einem großen Gewinner der Steuerreform wird. Noch mal die Gesamtzahlen:...

(Wolfgang Riemann, CDU: Daran hält nur die SPD fest. Die Banken sind doch auf ihrer Seite.)

Herr Riemann, lassen wir Fakten sprechen. Ich meine, Zahlen sind unbestechlich, Herr Riemann. Das sind seriöse Zahlen von entsprechenden Forschungsinstituten und so weiter, die letztendlich auch nie in Abrede gestellt worden sind.