Zudem ist vor allem die Auswahl an Berufsbildern für Mädchen eingeschränkt. Hier sehe ich gerade auch im Zusammenhang mit Jugendlichen, die von einer Hörschädigung betroffen sind, noch großen Handlungsbedarf. Obwohl bekannt ist, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behinderungen besonders motiviert, leistungsstark und nur selten krank sind, und obgleich sowohl von Bundes- als auch von Landesseite eine Förderung bei Einstellung Behinderter erfolgt, sind in Zeiten schwieriger konjunktureller Lage die Chancen für Behinderte, einen Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt zu erhalten, geringer als in Jahren des wirtschaftlichen Aufschwungs. Aufgrund fehlender Daten sind allerdings genaue Aussagen bezüglich der konkreten Beschäftigungssituation von Hörgeschädigten in Mecklenburg-Vorpommern nicht möglich. Dies sollte, nebenbei bemerkt, bei der Umsetzung des Antrages bezüglich der Sozialdaten auch mit berücksichtigt werden.
Hörgeschädigte sind im Arbeits- und Berufsleben häufig auf Gebärdendolmetscher angewiesen. Seit 1988 besteht die Forderung des Europäischen Parlaments nach Anerkennung der Gebärdensprache als eigenständige und vollwertige Sprache. Der Deutsche Bundestag hat sich im Juni ’98 mit dieser Thematik befasst. Auf der Grundlage einer Entscheidung der Ministerpräsidentenkonferenz vom 18.03.1998 wurde einstimmig beschlossen, dass sich der Deutsche Bundestag für eine umfassende Förderung von gehörlosen und hörgeschädigten Menschen einsetzt, dass der Deutsche Bundestag davon ausgeht, dass es sich bei der Schriftsprache, der Lautsprache, den lautsprachbegleitenden Gebärden und der Gebärdensprache um gleichberechtigte Kommunikationsformen handelt, dass der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auffordert zu prüfen, wie die tatsächliche Gleichbehandlung der Kommunikationsform Gebärdensprache unter Zugrundelegung des Beschlusses der Ministerpräsidentenkonferenz vom 18.03.1998 erreicht werden kann.
Nach wie vor sind jedoch in den einzelnen Bundesländern der Stand der Förderung und der Anerkennung der Gebärdensprache sowohl in fachlicher und politischer als auch in juristischer Hinsicht sehr unterschiedlich. In vielen Bundesländern wie zum Beispiel Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Berlin und Hessen sind in den letzten Jahren entsprechende Aktivitäten erfolgt. Um dem berechtigten Anliegen nach besseren Kommunikationsmöglichkeiten von hörbehinderten und gehörlosen Menschen gerecht zu werden, sollte meines Erachtens auf bundeseinheitliche Regelungen Wert gelegt werden. Also auch hier besteht erheblicher Handlungsbedarf.
Die Hauptfürsorgestelle in Mecklenburg-Vorpommern verfügt nicht über einen speziellen Fachdienst für Hörbehinderte, Ertaubte und Gehörlose. Allerdings gibt es seit 1994 unter der Trägerschaft des Gehörlosen Landesverbandes ein Modellprojekt „Dolmetscherdienst für Gehörlose“, von dem flächendeckend die Dolmetschereinsätze organisiert und koordiniert werden. Das Land stellt hierfür zwar jährlich 70.000 DM zur Verfügung, dennoch ist eine zusätzliche Förderung seitens der Kommunen notwendig und die erfolgt auf unterschiedlich hohem Niveau.
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass wir uns auch einmal Gedanken darüber machen müssen, ob es
bei der geringen Fallzahl nicht doch möglich ist, Fahrschülern mit Hörschädigungen einen Gebärdendolmetscher so zu finanzieren, dass die Betroffenen von der Möglichkeit auch wirklich Gebrauch machen können. Hierdurch wird ihre Mobilität wesentlich erhöht. Ähnliche Gedanken müssten sich auch über die Anerkennung des Berufes des Gebärdendolmetschers und die erforderliche Ausbildung gemacht werden. Als positiv empfinde ich, dass seit November 1998 bis Ende diesen Jahres eine berufsbegleitende Gebärdendolmetscherfortbildung in der Ländlichen Erwachsenenbildung, Bildungszentrum Parchim e. V., stattfindet, die vom Sozialministerium über den Europäischen Sozialfonds gefördert wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch Hörgeschädigte sind Konsumenten. Darüber ist heute noch gar nicht gesprochen worden. Welcher Hörgeschädigte, ob klein oder groß, hat keine hörenden Verwandten und Freunde, die sich gern mit ihm gemeinsam ein Fernsehprogramm anschauen wollen. Die Filme „Jenseits der Stille“ und „Dornenvögel“ wurden erfolgreich von den Öffentlichen untertitelt. Umfragen nach hatte dies eine gewaltige Resonanz zur Folge. Die meisten HörbehindertenMedien wiesen auf diese Sendungen hin. Hörbehinderten-Internetseiten machten vehement unübersehbare Einträge sowie die millionenfachen Faxrundschreiben unter den Hörbehinderten, die sich ähnlich dem Schneeballsystem gegenseitig auf die jeweilige Sendung mit Untertitel aufmerksam machten. Dies ergab eine Steigerung der Zuschauerakzeptanz von einem Prozent. Also müsste die Untertitelung schon allein aus marktwirtschaftlicher Sicht auch für die Privaten interessant sein. Handlungsbedarf sehe ich auch in der Anerkennung und Förderung der Gebärdensprache im Fernsehen. Generell sollte die Gebärdensprache in allen Fernsehprogrammen, ich denke, zumindest in den Nachrichtensendungen zur Normalität gehören.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, notwendig finde ich auch, dass bei Neubauten daran gedacht wird, Hörschleifen zu ziehen, Alternativen zur Wechselsprechanlage bei Bedarf zu installieren, in Kinos, Theatern und sonstigen Kulturanlagen Induktionsschleifen zu legen und in Ämtern et cetera optische Signale anzuwenden. Für den Körperbehinderten und den Sehbehinderten wurden erfreulicherweise schon abgesenkte Bordsteinkanten, akustische Hörsignale an Ampeln und so weiter geschaffen. Auch hier besteht jedoch noch enormer Handlungsbedarf. Ich meine, die gleiche Aufmerksamkeit wie den Körperund Sehbehinderten gebührt auch den Hörbehinderten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hörbehinderungen bedeuten nicht nur schlechter oder gar nicht hören, sondern einen Verlust der sozialen Kontakte, soziale Isolation bis hin zur Vereinsamung. Der 10-Prozent-Anteil Suizid allein unter den Schwerhörigen ist dafür ein trauriger Beleg. Mit dem Antrag der Koalitionsfraktionen soll die Situation der Menschen mit Hörschädigungen in Mecklenburg-Vorpommern genauer analysiert werden, um einerseits zielgenauer und rechtzeitiger Ursachen von Hörschädigungen bekämpfen und andererseits Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Betroffenen ergreifen zu können. Und, meine Damen und Herren von der CDU, ich begrüße es, dass auch Sie Handlungsbedarf sehen.
Wir sollten gerade bei Berichten, bei denen Analysen vorausgesetzt werden, jedoch auch Zeit geben, das solide Untersuchungen vorgenommen werden. Zudem, darauf hat Frau Bretschneider hingewiesen, beschäftigen sich die Arbeits- und Sozialministerkonferenz, die Finanzministerkonferenz sowie auch die Kultusministerkonferenz mit diesen Problemen. Die Ergebnisse dieser Beratung, denke ich, sollten wir auch in unsere Überlegungen mit einbeziehen. Insofern lehnen wir den Antrag der CDUFraktion auf Verkürzung der Berichtspflicht ab.
Sie regen sich hier auf, dass im Bereich der Integration von Behinderten nun nicht schnell genug etwas passiert ist. Was haben Sie eigentlich acht Jahre lang gemacht?
(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU und Angelika Gramkow, PDS – Dr. Ulrich Born, CDU: So schlecht ist der Sozialminister nicht gewesen. – Glocke des Präsidenten)
(Angelika Gramkow, PDS: Nein, der Sozialminister konnte sich ja nie durch- setzen bei der Frage in der Koalition. – Zuruf von Dr. Arthur König, CDU – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)
Sie kennen sicherlich das Sprichwort „Getroffene Hunde bellen“. Jetzt wird jedenfalls gehandelt, wenn, das gebe ich zu,
denn zu Ihren Hinterlassenschaften, dass Sie sich offensichtlich nicht genug um die Integration von Behinderten gekümmert haben, gehört natürlich auch, das wissen wir, eine erhebliche Finanzlast, die wir jetzt hier zu schultern haben.
wenn auch in kleinen Schritten. Das Integrationsförderratsgesetz ist ein Beleg dafür, man kann sich über den Inhalt unterhalten, Herr Dr. König, und Sie wissen,
dass wir noch eine Anhörung machen, Sie wissen, dass wir mit den Betroffenen noch sprechen. Wir haben dann Möglichkeiten, im Ausschuss ja wohl auch noch einiges zu regeln.
Und ich möchte noch ein Stichwort geben: Auch im Bereich der Landesbauordnung wird endlich gehandelt.
Wenn ich alleine an das Drama des Paragraphen 52, wenn ich das noch richtig im Kopf habe, denke, das Ihre Bauministerin Frau Kleedehn wohl wesentlich mit zu verantworten hat,
und ich gehe davon aus, dass wir dann auch die Belange von Menschen mit Hörschädigungen berücksichtigen werden. – Danke.
Ich lasse zunächst über den von der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/1180 vorgelegten Änderungsantrag abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/1180 mit den Stimmen der SPD- und PDS-Fraktion gegen die Stimmen der CDU-Fraktion abgelehnt.