Protocol of the Session on March 16, 2000

Und das sind die strukturellen Veränderungen, von denen wir meinen, dass sie notwendig sind, und die wir realisieren werden. Wir müssen dafür sorgen, dass das Gymnasium nicht schlechter und die Real- und Hauptschulen besser und anerkannter werden –

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Jörg Vierkant, CDU: Das ist ein Wider- spruch. – Heidemarie Beyer, SPD: Das ist kein Widerspruch.)

das ist das Hauptziel – und dass diese Schulen ein Profil bekommen, das sie enger in die Regionen einbindet, in denen diejenigen, die Haupt- und Realschulen abschließen, auch vor allem ihre beruflichen Chancen sehen werden.

Und dabei erfordert die Orientierungsstufe unsere besondere Aufmerksamkeit, also die Jahrgangsstufen 5 und 6. Sie werden sich wahrscheinlich mit Fortgang der Debatte – Herr Rehberg hat damit schon angefangen – besonders auf die Orientierungsstufe als Struktur fokussieren und auf die Diskussionen, die die Koalitionspartner zu diesem Gegenstand führen. Ich würde mir auch wünschen, dass diese Diskussionen bald beendet werden.

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD)

Aber es muss erlaubt sein, dass Koalitionspartner unterschiedlicher Meinung zu der Ausgestaltung sind, und es muss erlaubt sein zu prüfen, inwieweit Ziele realistisch sind. Da ist es besser zu diskutieren, als Entscheidungen zu treffen, die wir später eventuell zu bereuen hätten.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Ich erwähnte, dass wir zu viele, zu kleine Klassen haben. Die Demographie wird dieses Problem verschärfen und den Prozess, der uns zu schulorganisatorischen und schulstrukturellen Handlungen zwingt, forcieren. Hier muss nicht besonders erwähnt werden, dass es uns auch darum gehen muss, Ressourcen für die Qualitätsentwicklung zu erschließen. Und schulorganisatorische Maßnahmen müssen dazu beitragen, Ressourcen aus dem System zu erschließen.

Damit wären wir bei einem weiteren, ganz wesentlichen Punkt, das sind die Ressourcen. Qualitätsverbesserung und Qualitätssicherung sind nicht möglich ohne den Einsatz von Ressourcen. Sie verursachen auch Kosten. Die Unterrichtungsversorgung und ihre Verbesserung verursachen Kosten. Deutsch und Mathe im Primarbereich verursachen Kosten. Dazu habe ich mich schon geäußert. Förderunterricht verursacht Kosten, die Verbesserung der Fremdsprachenkompetenz ebenfalls. Die Orientierungsstufe verursacht Kosten, auch die Verbesserung der Schulorganisation durch Stärkung der Schulleitung, die Beratung und Profilierung von Schulen, die Weiterbildung der Lehrer.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind alles Positionen, die ohne Ressourcen, die aus dem System stammen oder hinzugeführt werden, nicht oder nur schrittweise in Angriff genommen werden können. Von dem Wünschenswerten und konzeptionell Richtigen werden wir nur das umsetzen können, wozu die Ressourcen verfügbar sind. Dabei muss auf Effizienz geachtet werden und müssen Prioritäten gesetzt werden. Auch das müssen wir berücksichtigen, wenn wir uns um die Ausgestaltung der Orientierungsstufe kümmern. Die Landesregierung wird zu dem, was sie an programmatisch Machbarem für möglich hält, und zu dem diesbezüglichen Ressourcenbedarf ihre Vorschläge machen und Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden dazu Entscheidungen treffen. So viel zunächst mal von mir. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Vielen Dank, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Bluhm von der PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich anfänglich zum handwerklichen Teil des Antrages der CDU-Fraktion beginnen. Das Konzept der Landesregierung heißt richtig „Konzept zur Qualitätsentwicklung und -sicherung“ und nicht wie in Ihrem Antrag umgekehrt „Qualitätssicherung und -entwicklung“. Der hoffentlich versehentliche Austausch der Begriffe hat aber durchaus seinen Sinn. Dazu später.

In Ziffer I Ihres Antrages wird der Eindruck erweckt, es gebe keine solche Konzeption. Doch, meine Damen und Herren, es gibt sie. Wir haben hier im Landtag darüber diskutiert, da allerdings war Frau Schnoor noch da. Auf der Grundlage dieser Konzeption fand nun auch das Symposium in Güstrow statt.

(Heinz Müller, SPD: Das waren noch Zeiten.)

Sie sehen, die Landesregierung arbeitet, wenn Sie es denn sehen wollen, an der Umsetzung der Konzeption in ein Landesprogramm.

(Zuruf von Eckhardt Rehberg, CDU)

Dazu bedarf es Ihrer Aufforderung nicht.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Nun, meine Damen und Herren der CDU, zurück zu Ihrem Austausch der Begriffe: Das Konzept der Landesregierung beschäftigt sich natürlich zuerst mit Qualitätsentwicklung und dann erst mit Qualitätssicherung. Es muss zuerst um die einer den neuen, Herr Rehberg, den neuen Anforderungen von Zielen der Bildung und den Aufgaben der Schulen entsprechende Entwicklung von Qualität gehen.

(Beifall Dr. Margret Seemann, SPD, und Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Wenn die dafür erforderlichen Maßnahmen getroffen sind, dann ist gleichzeitig weiterzuentwickeln und zu sichern. Eine Programmumsetzung gestaltet sich daher also als dynamischer, nicht als ein statischer Prozess. Sie haben die Sicherung an den Anfang gestellt und ich weiß nicht, welche Qualität Sie bei dieser Sicherung eigentlich im Auge haben. Sie können doch nicht allen Ernstes ein Interesse daran haben, die jetzt sichtbaren Ergebnisse der durch die CDU/F.D.P. in diesem Land etablierten und über viele Jahre dominierten Bildungspolitik sichern zu wollen!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Bildungsreform ist in aller Munde und es wird wohl noch sehr lange dauern, die von Ihnen eingeleiteten und damit verursachten Schäden schrittweise zu beseitigen.

Ich bin seit 1990 wie Sie im Landtag und habe die Entwicklung der Bildungspolitik in diesem Lande aktiv begleitet. Darum habe ich auch nicht vergessen, dass es die CDU/F.D.P.-Koalition war, die die Stundentafeln reduziert hat um 840 Stunden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Sie haben die Wochenstunden in der Grundschule um zwölf Stunden gekürzt und damit dafür gesorgt, dass 300 Stunden Deutsch weniger unterrichtet werden in der ersten bis vierten Klasse.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Zuruf von Heidemarie Beyer, SPD)

Sie haben den Pflichtstundenanteil der Lehrerinnen und Lehrer um durchschnittlich drei bis vier Stunden erhöht. Sie haben den Erziehungs- und Bildungsauftrag des Kindergartens abgeschafft

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Angelika Gramkow, PDS: Ja! Sehr richtig.)

und damit den Grundschulen eine Last aufgebürdet, ohne die nötigen Voraussetzungen zu schaffen.

(Beifall Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Ich habe auch nicht vergessen, dass die Stundentafelkürzungen die Voraussetzung dafür waren, 5.000 Lehrerinnen und Lehrer in diesem Land zu entlassen, in Teilzeit oder in den Vorruhestand zu bringen, und die verhinderten, dass 1.200 Lehrerabsolventen der Universitäten in den Schuldienst dieses Landes kommen konnten.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Sie haben den Erziehungsauftrag von Schule abgelehnt und abgeschafft und Sie haben durch die Einführung des gegliederten Schulsystems à la Bayern dafür gesorgt, dass entgegen aller Erfahrungen hier in diesem Land durch die frühe Ausdifferenzierung von Schülerlaufbahnen nach Leistung Niveauverluste sowohl an den Hauptund Realschulen als auch an den Gymnasien zu verzeichnen sind, weil nämlich teilweise Schüler in falschen Bildungsgängen lernen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Nun könnten Sie ja einwenden, alles Schnee von gestern, aber da genau liegt das Problem. Dieser Schnee von gestern ist die Ursache für das stetig steigende Hochwasser von heute.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Wir haben davor gewarnt, dass die Folgen dieser Bildungspolitik der ersten Legislaturperiode erst sehr viel später sichtbar werden. Wir haben davor gewarnt, dass die Stundenkürzungen und der Personalabbau einen Qualitätsverlust zur Folge haben werden, der Schulabschlüsse in unserem Land im nationalen und internationalen Vergleich zunehmend in Frage stellt, und dass das dazu führen wird, dass die Kollegen überaltern. Das alles haben wir Ihnen gesagt. Sie haben darauf nicht gehört.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Sie haben Ihre Konzeption damals so umgesetzt.

Und da wundert mich der Sinneswandel der Opposition von heute schon sehr, wenn Frau Schnoor in der Aussprache zum Konzept im September im Landtag erklärt: „Sie fordern zwar eine konstruktive Opposition ein, wollen sie aber einfach nicht, weil Sie auf gar keinen Fall bereit sind, konstruktive Vorschläge zu akzeptieren... und sachliche Argumente zur Kenntnis zu nehmen.“ Doch, meine Damen und Herren von der CDU! Aber in der Rede von Herrn Rehberg habe ich davon heute nicht sehr viel gehört.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Überhaupt nichts.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn wir über Bildung reden, dann reden wir natürlich zuerst auch immer über Qualität. In den letzten Landtagssitzungen haben wir immer wieder neu über Qualität, den Qualitätsbegriff, die Bedeutung und ihre inhaltliche Bestimmung diskutiert. Das ist sicher notwendig, aber wenn wir so weitermachen, dann zerreden wir das, was wir eigentlich mit dem Konzept realisieren wollen.

Auf dem Symposium des Bildungsministeriums war es breiter Konsens, dass kein Weg an der Qualitätsentwicklung und -verbesserung von Schule in Mecklenburg-Vorpommern vorbeiführt. Es war auch Konsens, dass das Ziel eine leistungs- und zukunftsfähige sowie anforderungsgerechte Schule sein muss. Die Auffassungen allerdings, mit welchen Mitteln und Methoden dieses Ziel erreicht werden kann, waren dann schon erheblich differenzierter. Das halte ich auch für normal, weil die Anforderungen, die Schüler, Lehrer und Eltern und auch die Politik an die Schule stellen, eben sehr unterschiedlich sind.

Und bezüglich des gegliederten Schulwesens, Herr Rehberg, möchte ich Ihnen etwas zitieren aus dem Referat oder dem Statement von Herrn Professor Prüß, was die Grundlage für eine sehr umfängliche Diskussion war: „Untersuchungen zeigen, dass sich die unterschiedlichen Bildungsansprüche und Images der Schulformen auf die Beteiligten so auswirken, dass ihnen nach Erfolg der Kanalisierung in einen Bildungsgang der Sekundarstufe nur noch das Bildungsniveau erreichbar scheint, mit dem dieser Bildungsgang abschließt. Die Beobachtungen zur Abschottung der Bildungsgänge bestätigen dieses. Damit wird eine Bildungsbereitschaft derart gehemmt oder sogar abgebaut, dass eine für das lebenslange Lernen notwendige Motivation nicht entsteht, nicht erhalten werden kann beziehungsweise nicht befördert wird.“

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Genau, meine Damen und Herren von der CDU, darum geht es eben auch in entsprechenden Strukturveränderungen im Bildungswesen in diesem Land. Notwendig sind daher schlüssige und akzeptable Lösungen, die gemeinsam mit den Experten vor Ort diskutiert und dann entschieden werden müssen.

Es gibt schon bei der Gestaltung der Qualitätsentwicklung Aufgaben mit unterschiedlicher Rangfolge, mit unterschiedlichen Wirkungen und unterschiedlichen Effekten. Ich will im Folgenden einige Schwerpunkte benennen, von denen ich meine, dass sie für den Gesamterfolg besonders wichtig sind:

1. Die Verbesserung der Rahmenbedingungen