Protocol of the Session on March 16, 2000

Danke, Herr Rehberg.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur Herr Professor Kauffold.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über Bildung wird heftig gestritten. Über Bildung lässt sich ja auch heftig streiten. Das ist gut so.

(Volker Schlotmann, SPD: Das war schon immer so.)

Das ist dann gut so, wenn es uns nach vorn führt. Es gibt sehr selten Zufriedenheiten, das ist richtig. Unzufriedenheit kann sehr produktiv sein, sehr vorwärtsweisend, vor allem, wenn man unzufrieden ist mit den eigenen Leistungen.

Im politischen Raum äußert vor allem die Opposition, was ja auch ihre Rolle ist, ihre Unzufriedenheit in Form von Schuldzuweisungen an die Regierung. Aber dabei wissen wir alle, das ist ja zu einem erheblichen Teil Larifari, denn in der Bildung wird heute geerntet, was vorgestern gesät wurde. Dabei beschränkt sich der Führer der Opposition darauf zu verweisen, dass in einer konservativen, konservativ dominierten Regierung oder mehrheitlich konservativen Regierung Frau Marquardt gesät hätte, weil sie das SPD-Ressort geführt hat. Aber es ist doch schon früher gesät worden.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

In der konservativ dominierten Regierung ist das dreigliedrige Schulsystem gesät worden.

(Beifall Johann Scheringer, PDS)

Und lassen wir doch diesen Unsinn der Schuldzuweisungen in diesen Prozessen, die ja außerordentlich langfristig sind. Bemühen wir uns doch, uns auch an die eigene Nase zu fassen, jeder zu seinem Teil, und dazu beizutragen, dass unser Bildungssystem besser wird.

(Georg Nolte, CDU: Haben Sie was gegen das dreigliedrige Schulsystem? – Zurufe von der PDS: Ja. – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Dagegen haben wir was. – Peter Ritter, PDS: Endlich mal die richtige Fragestellung.)

Dazu kommen wir noch.

Dagegen habe ich was, ja. Ich habe nichts gegen Eliten. Es hat zu allen Zeiten Eliten gegeben, aber wir brauchen verschiedene Eliten. Wir brauchen zum Beispiel Führungseliten, wir brauchen auch handwerkliche Eliten. Wir brauchen aber auch Menschen, die sich außerhalb von Leistungsanforderungen als Glieder der demokratischen Gesellschaft verstehen und hier ein sinnerfülltes Leben führen. Auch das brauchen wir.

Wenn ich zum Beispiel erinnere an die Diskussion, die wir gestern um den Rechtsradikalismus hatten, dazu soll auch Bildung beitragen, unsere Gesellschaft zu demokratisieren und Menschen auf diese Weise an ihr teilhaben zu lassen, um sie zu stabilisieren und demokratisch mit auszugestalten.

Bei allen, die sich dem Bildungssystem widmen, sind Träume erwünscht, sind Wünsche gestattet, sind Ziele notwendig. Diese Koalition hat Ziele und sie hat gute Ziele. Auch die Konzeption zur Qualitätsentwicklung weist Ziele aus, und zwar umfängliche und gute Ziele. Und ich wundere mich eigentlich, weshalb Herr Rehberg nicht zu dem Antrag gesprochen hat,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – Volker Schlotmann, SPD: Das wundert mich nicht. – Heiterkeit bei Heidemarie Beyer, SPD)

den die CDU hier vorgelegt hat. Ich würde es vorziehen, dass wir uns darauf konzentrieren, damit Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, entscheiden, ob Sie diesem Antrag zustimmen oder nicht zustimmen.

Für mich gilt bei Zielen, dass sie nach prioritären gesellschaftlichen Erfordernissen gewichtet werden. Dazu gehören zum Beispiel auch solche Gesichtspunkte, die der Oppositionsführer eben genannt hatte, nämlich Anforderungen an eine hochgradig leistungsorientierte Berufswelt, aber auch Anforderungen, die auf anderen Gebieten liegen und die ich eben genannt habe.

Für mich gilt auch, dass die Ziele abgeglichen werden nach konkreten gesellschaftlichen Situationen, nach real existierenden Rahmenbedingungen. Und dazu gehören zum Beispiel in unserem Lande demographische Entwicklungen und deren Konsequenzen unter den Bedingungen des Flächenlandes und auch Art und Umfang der vorhandenen personellen und materiellen Ressourcen, von denen wir nicht mehr verlangen können, als sie hergeben.

Alle politischen Kräfte in diesem Parlament bekennen sich zur Qualitätsentwicklung und zur Qualitätssicherung an den allgemeinbildenden Schulen als vordringliche Aufgaben. Dabei gilt für mich auch, an Inhalten ständig zu arbeiten, organisatorische Veränderungen schrittweise zu gestalten und Strukturen sehr behutsam zu verändern, und das, wenn es geht, mit low Ton und nicht mit wortgewaltigen Tiraden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn wir Qualität an Schulen wollen, brauchen wir auch Instrumente, um diese zu messen. Und jetzt komme ich zu einem Punkt, der den CDU-Antrag betrifft. Zu diesen Instrumenten gehören die Vergleichsarbeiten, die das Bildungsministerium im Schuljahr 1998/99 für die Jahrgangsstufe 5 im Haupt- und Realschulbildungsgang veranlasst hat. Über deren Ergebnisse gibt es einen Zwischenbericht mit dem Stand September 1999, der recht konkrete Ergebnisse ausweist und als Handlungsgrundlage geeignet ist.

Dieser Zwischenbericht ist allen Schulen zugegangen und ich habe ihn auch an die Abgeordneten verteilen lassen. Er müsste sich in Ihren Postfächern befinden. Dieser Zwischenbericht erlaubt grundsätzliche Aussagen, die für die Politik von Bedeutung sind. Er erlaubt auch sehr differenzierte und detaillierte Aussagen, die für die in die Bildung eingeschlossenen Strukturen von Bedeutung sind, die dem L.I.S.A. dienlich sind für die Weiterbildung, den Schulämtern für die Beratungen und Kontrollen, und der den einzelnen Schulen und Lehrern an die Hand gibt, wie sie konkret auf die Verbesserung der Schulqualität Einfluss nehmen können.

Dieser Zwischenbericht weist aus, dass der Landesdurchschnitt in Mathematik bei einem Erfüllungsstand von

58,27 Prozent möglicher Punkte liegt und in Deutsch bei einem Mittel von 3,75 Prozent über einem Bereich der Noten von 1 bis 6 in den fünften Klassen der Haupt- und Realschulen.

Das zeigt nicht nur im Bereich der Orientierungsstufe bei diesen Schulen, dass noch viel zu tun ist, wie die CDU in ihrem Antrag ja richtig bekundet, sondern es zeigt auch, dass schon in der Grundschule bei einem nicht geringen Anteil der Schüler im Verlaufe der ersten vier Jahre ihrer Schullaufbahn Defizite entstanden waren, Defizite in einem Zeitraum, der vier Jahre vor dem jetzigen Datum liegt, also auch hier mehr Qualität.

Der Zwischenbericht macht ferner deutlich, dass erheblich geringere Unterschiede zwischen den Landkreisen einschließlich der kreisfreien Städte bestehen als zwischen einzelnen Schulen und vor allem zwischen einzelnen Klassen. Daraus ergeben sich also sehr konkrete Handlungsgrundlagen.

Auch andere Bundesländer nutzen das Instrument der Vergleichsarbeit. Auswertungsergebnisse sind uns bisher nicht bekannt geworden. Wir in Mecklenburg-Vorpommern machen Ergebnisse von Schulen zum Gegenstand öffentlicher Diskussionen.

Wir werden noch mehr Ergebnisse aus einem bundesweiten Vergleich im Rahmen der sogenannten PISA-Studie bekommen, an der wir uns beteiligen und aus der bis zum Ende des Jahres Ergebnisse vorliegen werden. Dann werden wir auch zwischen den Bundesländern vergleichen können und uns über den Stand, der in unserem Land erreicht wurde, mehr solide Informationen beschaffen können, als sie uns jetzt zugänglich sind.

Die CDU verlangt den Abschlussbericht zu unseren Vergleichsarbeiten bis zum 5. Juli dieses Jahres. Das ist nicht zu leisten, meine sehr verehrten Damen und Herren, weil über 27.000 Arbeiten auszuwerten sind, einer wissenschaftlichen Analyse zugänglich zu machen sind. Das ist also bis zu diesem Termin nicht seriös zu schaffen. Deswegen kann ich Ihnen nicht empfehlen, diesem Punkt des Antrages der CDU zuzustimmen.

(Volker Schlotmann, SPD: Nicht nur diesem.)

Qualitätsentwicklung und Qualitätskontrolle im umfassenden Sinne sind also die Hauptaufgabe, zu der wir uns bekennen. Damit stehen wir in dieser Legislaturperiode nicht bei Null, soweit es die Konzeptionen betrifft, soweit es die programmatische Arbeit betrifft und soweit es auch praktische Aktivitäten betrifft.

Das entsprechende Konzept, das Ihnen als Unterrichtung vorliegt, hat ein positives Echo auch über unsere Landesgrenzen hinaus gefunden. Es war die Grundlage für ein zweitägiges Symposium in Güstrow Anfang dieses Monats mit 500 Teilnehmern, vor allem Lehrern aus Berufsbildung und aus allgemeinbildenden Schulen, mit Vertretern von Behörden und Politik. Auch die Vertreter der CDU haben teilgenommen, wenn sie auch vielleicht nicht dieselben Lehren gezogen haben wie ich zum Beispiel. Ich bedanke mich aber trotzdem sehr herzlich für ihre Teilnahme.

Für mich war ein Eindruck sehr interessant, den ich in diesem Symposium hatte. Das war nämlich die zunächst ungläubige Überraschung der Lehrer, dass die Politik sie bittet, an dem Haus der zukünftigen Schule mitzuwirken. Nach Informationen, die ich habe, nach den Aussagen

vieler, die mich angesprochen haben, war dies anscheinend das erste Mal,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

dass sie von der Politik in diesem Lande eingeladen wurden, konkret mitzuarbeiten und ihre Ideen und Vorstellungen einzubringen.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zuruf von Volker Schlotmann, SPD – Jörg Vierkant, CDU: Sind schon seit Jahren eingebracht.)

Dieses positive Echo war da, obwohl ihnen – den Lehrern vor allem – keine goldenen Berge versprochen wurden.

Mit dem Symposium haben wir zugleich die Programmdiskussion eröffnet, die in Ihrem Antrag gefordert wird. Diese Programmdiskussion läuft im Übrigen schon in Vorbereitung in Arbeitsgruppen, die 75 Mitglieder haben und die in 16 thematischen Gruppierungen alle inhaltlichen Bereiche berühren, die Schule überhaupt betreffen können.

Die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppen werden in einem Landesprogramm verdichtet, das uns in der Mitte des Jahres vorliegen wird, zu dem auch die Aktivitäten gehören, die unser Land unternehmen wird, um im Bereich der Medienkompetenz schneller voranzukommen, als das bisher angedacht war.

Das Programm wird die Konzeption konkretisieren und das Machbare bestimmen. Und was sich konkret im Lande vollzieht, das möchte ich zum Beispiel auf dem Gebiet der Unterrichtsversorgung erwähnen.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Eckhardt Rehberg, CDU: Oh, jetzt kommt’s.)

So ist es, Herr Rehberg. So ist es.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Die Erfahrungen vor Ort sind andere.)

Wir haben in dieser Legislaturperiode erhebliche Anstrengungen unternommen, die strukturellen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sich die Unterrichtsversorgung verbessert.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Zuruf von Eckhardt Rehberg, CDU)

Hier sind durchaus Vergleiche zugänglich. Bis zum 31. Dezember dieses Jahres betrug der absolute Unterrichtsausfall – das sind also Unterrichtsstunden, die nicht vertreten werden können – in unserem Bundesland 2,5 Prozent. Ein vergleichbarer Wert in Nordrhein-Westfalen: Dieser liegt zwischen 5,8 Prozent in der Grundschule und 7,9 Prozent in der Realschule. In Bayern bewegt sich der Unterrichtsausfall nach den Daten, die mir zur Verfügung stehen, in einer Stichprobe an den Gymnasien bei 4 Prozent, bei Baden-Württemberg kam es im Schuljahr 1998/99 zu einem absoluten Unterrichtsausfall von 3,3 Prozent.