Protocol of the Session on March 15, 2000

muss ich ihm auch das Geld geben, damit er Material und Arbeitskräfte bezahlen kann. Aber auf der staatlichen Ebene scheint diese plumpe, einfache Selbstverständlichkeit für viele ein äußerst dickes Brett, an dem sie nicht vorbei kommen.

In der Presse habe ich das Wort vom Verursacherprinzip gelesen. Ich halte das für eine – das Wort ist aus einem anderen Politikbereich entnommen – zulässige Umschreibung dessen, was wir hier wollen: Wer auf einer anderen Ebene der öffentlichen Hand Arbeit verursacht, der muss dafür sorgen, dass sie auch bezahlt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Leider, meine Damen und Herren, ist es in der Vergangenheit in unserem Bundesland und anderswo – ich will hier nicht Mecklenburg-Vorpommern schlimmer machen, als es ist – in der Praxis eben anders gewesen. Wir haben leider immer wieder erleben müssen, dass Aufgaben übertragen werden auf die kommunale Ebene und dann sehr schön in der Gesetzesbegründung stand: „Die entstehenden Kosten sind durch die allgemeinen Finanzzuweisungen abgegolten.“ oder, schlimmer noch, dass das Land sich über die auf der kommunalen Ebene entstehenden Kosten überhaupt keine Gedanken gemacht hat, sondern hat etwas, was es sachlich für sinnvoll hält, übertragen und wirklich nicht einen Gedanken daran verschwendet, wie denn diese Aufgabe zu erfüllen ist. Deshalb, meine Damen und Herren, habe ich großes Verständnis für die kommunalen Verbände, wenn sie genau diese Forderung, Einführung des strikten Konnexitätsprinzips, zu einer ihrer zentralen Forderungen gemacht haben, denn diese Forderung ist so berechtigt, dass es kaum eine Steigerung an Berechtigung gibt, wie sie es bei der Einführung des strikten Konnexitätsprinzips ist.

Ich glaube, wenn wir als Land uns dazu verständigen, dieser Forderung zu folgen, dann ist das nicht simple Lobbypolitik und dann ist das nicht Liebesdienerei bei den Gemeinden, sondern dann ist das auch etwas, was einem vernünftigen Staatsverständnis entspricht. Denn mit der Einführung des Konnexitätsprinzips regeln wir das Miteinander von Landesebene und kommunaler Ebene vernünftig. Wir nehmen den einen – die kommunale Ebene – aus der reinen Objektsituation, der hilflos einer Aufgabenübertragung gegenübersteht, heraus und kommen zu einem vernünftigen Miteinander der Ebenen. Das schafft Vertrauen und das erfüllt eine Schutzfunktion für unsere kommunale Ebene. Das brauchen wir und das wollen wir.

Von meinen Vorrednern ist zu Recht darauf verwiesen worden, dass andere Bundesländer diesen Weg ebenfalls gegangen sind. Ich möchte hier beispielhaft Baden-Württemberg, Brandenburg und Schleswig-Holstein nennen. Insbesondere an Schleswig-Holstein haben wir uns in der Debatte orientiert und auch so manche kluge Verfahrensweise von den Schleswig-Holsteinern abgeguckt.

Aber, meine Damen und Herren, wenn Sie sich diese Länder anschauen – ich sage noch einmal: BadenWürttemberg, Brandenburg, Schleswig-Holstein –, dann stellen Sie fest, dass dieses Länder sind mit sehr unterschiedlichen politischen Mehrheiten und mit sehr unterschiedlich gefärbten Regierungen. Und ich hatte eigentlich die Hoffnung, als ich heute morgen diesen Plenarsaal betreten habe, dass wir ein solches Thema, wo es um das Verhältnis des Landes als Ebene unseres Staatswesens zu einer anderen Ebene, nämlich der kommunalen Ebene, geht, dass eine solche Debatte um einen solchen Punkt

ohne kleinkariertes parteipolitisches Gemetzel und Scharmützel abgehen könnte und dass man hier an der Sache orientiert diskutieren könnte. Leider muss ich sagen, dass meine beiden Vorredner – ich sage das ausdrücklich so –, beide Vorredner meine Hoffnungen da nicht ganz erfüllt haben...

(Heiterkeit bei Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Na, dann bleibt doch Ihnen wenigstens was.)

Herr Schoenenburg, da bleibt mir was. Mir wäre auch sonst noch etwas geblieben. Vielen Dank für die Fürsorge. Ich glaube, ich bedarf ihrer nicht, schon gar nicht auf kommunalpolitischem Gebiet.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Na, na, na!)

Ich hätte es besser gefunden, wir hätten es hier hingekriegt – und das richtet sich an Sie, aber das richtet sich genauso an Herrn Jäger –, wir hätten es hingekriegt, eine solche Debatte hier ohne kleinkarierte parteipolitische Attacken über die Bühne zu bekommen, und hätten von der Sache her diskutiert.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Verkleistern Sie mal nicht die Widersprüche!)

Vielleicht sollten wir auch einmal sehen, welche Wirkungen eine derartig kleinkarierte – ich darf jetzt Herbert Wehner zitieren – Korinthenkackerei in der Öffentlichkeit eigentlich hat

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD)

und ob das wirklich das Staatswesen auszeichnet, dass es in ständigem Hickhack in der Öffentlichkeit erscheint,

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

statt als handlungsfähig und als problemlösend und gelegentlich auch mal als einig.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Na seien Sie bloß froh, dass ich nicht über die Rolle der SPD geredet habe! Also da kann ich Ihnen noch ein bisschen was erzählen. – Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU: Tun Sie das doch mal!)

Herr Schoenenburg, darauf bin ich sehr gespannt,

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Versuchen Sie sich mal nicht so zu profilieren!)

aber beim Rausgehen dürfen Sie dann gerne mal meine Hand fühlen, wie kühl mich das lässt.

So, zur nächsten Frage, die meines Erachtens hier einer Betrachtung bedarf. Wir haben sehr wohl ernst zu nehmend das Argument gehabt, warum müsst ihr die Landesverfassung anfassen, würde es nicht reichen, das Konnexitätsprinzip einzelgesetzlich in der Kommunalverfassung zu verankern. Ich sehe auch in diesem Hause, ich sehe auch in meiner Fraktion sehr geschätzte Kollegen, die so argumentiert haben und mit dieser Frage sehr ernsthaft an mich herangetreten sind. In der Beantwortung ist mir ein Satz des Dalai-Lama eingefallen,

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

für die Kenner der buddhistischen Mythologie, Herr Dr. Jäger, des derzeitigen Dalai-Lama. Dalai-Lama hat

einmal gesagt, und der Spruch ist mir wirklich hier eingefallen: „Wer einmal von einer Schlange gebissen worden ist, fasst selbst ein Seil nur noch vorsichtig an.“

(Dr. Ulrich Born, CDU: Aha!)

Ganz offenkundig haben die Kommunen, die Städte, die Gemeinden und die Kreise in unserem Land, aber nicht nur in unserem Land, eine ganze Fülle von Schlangenbissen in der Vergangenheit bekommen, die sie dazu führt, dass sie jetzt selbst einem Seil mit großer Skepsis gegenüberstehen. Und ich denke auf der anderen Seite: Warum denn nicht?! Wenn wir uns zu diesem Prinzip bekennen und wenn wir dieses Prinzip wollen, und zwar nicht als politische Eintagsfliege, sondern als grundsätzliches Verhältnis zwischen Land und Gemeinden, dann ist der Platz einer solchen Regelung in der Landesverfassung. Und ich freue mich, dass ich meine Kollegen, die in dieser Hinsicht skeptische Fragen an mich gerichtet haben, überzeugen konnte, dass wir hier den richtigen Weg gehen.

Diese Einführung des Konnexitätsprinzips in der Landesverfassung, die Verankerung in der Landesverfassung darf nach meiner Überzeugung aber nicht allein stehen, und sie steht nicht allein, sondern sie ist Teil und muss Teil sein von einer Politik, die die Sorgen, die die Nöte, die die Probleme der kommunalen Ebene sehr ernst nimmt und die versucht, hier Lösungen anzubieten. Ich denke, wir werden in nicht allzu ferner Zukunft das nächste Problem hier auf dem Tisch haben, das ich jetzt nur mal als Schlagwort in den Raum werfe. Ich meine das Thema eines Standardöffnungsgesetzes, das sicherlich für die Gemeinden ebenfalls von hoher Bedeutung ist. Wir müssen unsere Städte, unsere Kreise, unsere Gemeinden in die Lage versetzen, besser als sie es bisher können, Dienstleister für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes zu sein. Dazu müssen wir darüber nachdenken, wie die Aufgabenverteilung sinnvoll verändert werden kann, welche Aufgaben von der Landesebene herunter verlagert werden können auf die kommunale Ebene.

Ich bin überzeugt, nicht bei jeder Aufgabe, aber bei einer ganzen Fülle von Aufgaben werden wir erleben, dass eine Aufgabenerledigung unmittelbar an den Bürger besser, qualitativ besser für die Bürger ist, dass sie aber auch kostengünstiger erledigt werden kann von den Behörden, die durch Ortskenntnis, die durch unmittelbare Nähe die Aufgaben ganz anders beurteilen können und ganz anders reagieren können. Das gilt nicht für alle Aufgaben. Personendosimetrie möchte ich bitte nicht auf die Ämter delegieren, sondern dafür werden wir auch zukünftig ein Landesamt brauchen, wenn Sie mir dieses spitze Beispiel gestatten, aber eine ganze Fülle anderer Aufgaben können und werden wir nach unten verlagern. Dieses geht nur gut, wenn wir das Konnexitätsprinzip verankert haben und wenn wir es anwenden. Damit ist diese Verfassungsänderung, vor der wir heute stehen, ein wichtiger Schritt hin zu einer Modernisierung unseres Staatswesens, die wir, so denke ich, dringend brauchen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich am Ende meiner Ausführungen, so, wie das auch Vorredner getan haben, danken. Ich möchte danken für eine Diskussion im Innenausschuss, die an Sachlichkeit und an Problembezogenheit der Debatte hier und heute um Längen überlegen war. Ich möchte mich vor allen Dingen bedanken bei den kommunalen Verbänden, die sich als kluge Vermittler bei Streitigkeiten, die sich als kluge Ideengeber, als über

legte und vernünftige Helfer in unserem zugegeben schwierigen Prozess erwiesen haben. Ich möchte dem Innenminister für seine Hilfe und für seine Arbeit danken und möchte Sie abschließend um Zustimmung zu diesem Gesetz bitten. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Danke schön, Herr Müller.

Ich schließe die Aussprache.

Die CDU-Fraktion hat um eine Auszeit von fünf Minuten gebeten. Ich unterbreche die Sitzung für fünf Minuten.

Unterbrechung: 12.23 Uhr __________

Wiederbeginn: 12.28 Uhr

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder.

Da es sich bei dem vorgelegten Gesetzentwurf um die erste Änderung unserer Landesverfassung handelt, gestatten Sie mir noch folgenden Hinweis: Nach Artikel 56 unserer Landesverfassung bedürfen verfassungsändernde Gesetze einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtages. Dies gilt nach allgemeiner Auffassung in der parlamentsrechtlichen Praxis jedoch nicht für die Einzelabstimmung, hier genügt die einfache Mehrheit, sondern nur für die Schlussabstimmung.

Wir kommen nun zur Einzelberatung über den von der Fraktion der CDU eingebrachten Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern auf Drucksache 3/293. Der Rechtsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung, den Gesetzentwurf der Fraktion der CDU entsprechend seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 3/1156 anzunehmen.

Wir kommen jetzt zur Einzelabstimmung.

Ich rufe auf die Artikel 1 und 2 sowie die Überschrift entsprechend der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit sind die Artikel 1 und 2 sowie die Überschrift entsprechend der Beschlussempfehlung einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Schlussabstimmung.

Wer dem Gesetzentwurf im Ganzen entsprechend der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses auf Drucksache 3/1156 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Landes MecklenburgVorpommern entsprechend der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses auf Drucksache 3/1156 mit der nach Artikel 56 Absatz 2 Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern hierzu erforderlichen Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtages angenommen.

(Beifall bei den Abgeordneten)

Meine Damen und Herren Abgeordnete! Wir treten jetzt in eine Mittagspause von 30 Minuten ein. In dieser Mittagspause wird die Ausstellung „Stiftungen bauen

Brücken“ eröffnet. Die Tagung wird fortgesetzt um 13.00 Uhr.

Unterbrechung: 12.31 Uhr __________

Wiederbeginn: 13.06 Uhr

Meine Damen und Herren Abgeordnete, ich eröffne die unterbrochene Sitzung.