Protocol of the Session on March 15, 2000

(Siegfried Friese, SPD: In den Ausschüssen ist kein Ausbruch erfolgt.)

Mit dem, was Sie dort geboten haben, setzen Sie aus unserer Sicht nur die doch nicht ganz ungefährlichen Liberalisierungsbestrebungen in einigen SPD-regierten Ländern, sprich laxer Strafvollzug, um. Und deswegen gehört es dazu.

(Siegfried Friese, SPD: Aha, da sind wir jetzt. – Annegrit Koburger, PDS: Was wollen Sie nun? Alle anketten, oder was? À la USA.)

An erster Stelle ist in dem Zusammenhang auch NRW zu nennen mit der Skandalanstalt Düren. Und dieser laxe Vollzug dort hat im Übrigen einigen jungen Frauen das Leben gekostet. Deswegen müssen wir es ansprechen. Übrigens war Franz Müntefering als früherer Sozialminister für diese Klinik zuständig.

(Heiterkeit bei Siegfried Friese, SPD)

Auch das darf man doch mal erwähnen.

(Siegfried Friese, SPD: Ach, Herr Thomas, das ist alles sehr heiter, was Sie hier vortragen.)

Vor diesem Hintergrund ist es aber, das muss man ja sagen, ein gewaltiger Fortschritt, dass im Berichtsauftrag vom „Spannungsfeld zwischen Resozialisierung der Straftäter und Schutz der Bevölkerung“ gesprochen wird. Spannungsfeld – nicht die Priorität, die der Herr Justizminister hier mündlich vorgetragen hat. Ich rede vom Bericht. Dieses so genannte Spannungsfeld kann es doch aber nur bei jenen geben, bei denen der Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Straftätern eben nicht nur an erster Stelle steht. Und das ist der Punkt. Weder der Berichtshintergrund noch die Auslegung bundesgesetzlicher Rahmenbedingungen lassen eine mögliche Abkehr von einem doch zum Teil etwas laxen Vollzug erkennen. Und den haben wir eben auch bei der Maßregelvollzugsgeschichte erkannt und gesehen. Wer den Freigang eines zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilen Mörders „zur Aufrechterhaltung sozialer Bindung zu seinen Eltern“, den dieser zur Flucht nutzte, so wie im Bericht verteidigt, für

den ist der Strafvollzug doch offenbar auch ein Experimentierfeld. Nicht die begleitenden Vollzugsbeamten sind das Problem, die dann natürlich wie immer alle Verantwortung auf sich nehmen mussten, sondern die politische Grundeinstellung zum Strafvollzug. Das ist das Entscheidende. Und ich rede von dem Bericht, davon, wie es dort drinsteht.

(Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

Wir müssen uns doch fragen, wie weit der Justizminister die Aufrechterhaltung so genannter sozialer Bezüge eigentlich auslegen will. Die Frage ist doch wohl erlaubt. Denn gerade dieser Ausbrecher soll ja sogar regelmäßig seinem Hobby als Angler beim Freigang nachgegangen sein. Ich glaube, darüber muss man schon reden. Und es gab ja auch Zeitungsberichte – ich will das nicht weiter kommentieren – über Sex im Strafvollzug und im Maßregelvollzug. Vielleicht sollten wir da doch mal richtig nachfragen?!

Nicht das Versagen von Begleitpersonal ist aus unserer Sicht das Problem bei Entweichungen, sondern die Risikobereitschaft, die offenbar in einigen Bereichen noch vorhanden ist. Und der Besuch von verurteilten Mördern bei den Eltern billigt aus unserer Sicht nicht diese Risikobereitschaft, denn das hat etwas damit zu tun, dass Leib und Leben unschuldiger Bürger eindeutig gefährdet werden.

Wenn ich mir den ersten Antrag durchlese, dann erkenne ich eine Tendenz, die eben nicht nur auf den Schutz der Bürger vor gefährlichen Verbrechern durch den Strafvollzug ausgerichtet ist. Und in dem Zwischenbericht, insbesondere bei der Auslegung des Strafvollzugsgesetzes, zeigt sich ein Trend hin zur weiteren Liberalisierung des Strafvollzuges. Wenn Sie tendenziös nur auf Liberalisierung setzen, dann müssen wir Ihnen sagen, das allein ist nicht der Sinn und Zweck des Strafvollzuges. Ich hätte mir gewünscht, dass das, was der Justizminister hier gesagt hat – an erster Stelle steht der Schutz der Bürger –, auch in diesem Zwischenbericht steht. Dann brauchten wir es nämlich nicht zu kritisieren, denn das steht so dort nicht drin.

Der großzügigen Auslegung rechtlicher Rahmenbedingungen des Strafvollzugsgesetzes im Interesse der Straftäter unter dem Deckmantel der Resozialisierung können wir so nicht folgen. Natürlich dient der Strafvollzug vor allem der Wiedereingliederung der Täter in die Gesellschaft, die ein unmittelbares Interesse daran haben muss, dass Straftäter nicht wieder rückfällig werden. Bei den Zielen des Strafvollzuges, insbesondere aber bei den problematischen Vollzugslockerungen ignorieren Sie doch offenbar, dass es auch Strafgefangene gibt, die für Resozialisierungsmaßnahmen, um es nett und freundlich zu sagen, sehr schwer zugänglich sind und die eine Gefahr bleiben. Und um diesen Bereich geht es uns. Darüber müssen wir reden. Und weil das so ist, haben wir zum Beispiel die Sicherungsverwahrung für gefährliche Sexualstraftäter durchgesetzt. Ich glaube, das war richtig so. Und weil das so ist, können wir den Schlussfolgerungen der Landesregierung im Zwischenbericht „Gesetzgeberischer Initiativen der Landesregierung bedarf es daher nicht“ so eben nicht folgen.

Wer den Schutz der Bürgerinnen und Bürger wirklich ernst nimmt, der muss auch die Grenzen der Resozialisierung erkennen und akzeptieren. Der Zwischenbericht der Landesregierung zur weiteren Gestaltung des Strafvollzu

ges hinterlässt gerade deswegen bei mir den Eindruck, dass Sie den Schutz der Bürger doch etwas in den Hintergrund stellen.

Der Bericht zeigt, dass wir als Opposition darüber nachdenken müssen, ob wir eine Initiative zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes in Angriff nehmen werden. Der Spielraum für Vollzugserleichterungen erscheint in einigen Bereichen immer noch zu groß. Auch wenn die Fehlschlagquote – sie ist genannt worden – vergleichsweise sehr gering ist, müssen offener Vollzug, Hafturlaub und Freigang aus unserer Sicht auf den Prüfstand. Die vielen Opfer von zweifelhaften Vollzugserleichterungen sind doch, denke ich, Grund genug, zumindest über höhere Hürden bei diesen Straftätern nachzudenken. Es geht um diese wirklich gefährlichen Straftäter.

(Zuruf von Götz Kreuzer, PDS)

Der Strafvollzug darf eben nicht nur eine sozialtherapeutische Anstalt werden mit Schwimmhalle, Fitnesscenter, Massageabteilung und teurer Bücherei. Die präventive Wirkung der Strafandrohung geht damit verloren. Und die präventive Strafandrohung ist ganz wichtig.

Ich meine, wir sollten im Strafvollzug nicht nur auf Psychologen und Anstaltsleiter setzen,

(Heike Lorenz, PDS: Sondern?)

sondern viel eher auf die Erfahrungen der Vollzugsbeamten, die Sozialarbeiter, Psychologen und Beamte gleichermaßen sind. Diese Erfahrung muss aus unserer Sicht viel mehr in die Entscheidungen einbezogen werden. Die Vollzugsbeamten sind es auch, die sich mit sehr anspruchsvollen Straftätern auseinander setzen müssen, denen nämlich nur ihre Rechte klargemacht werden, denen aber offenbar nicht mehr erzählt wird, warum sie in diesen Strafvollzug eingewiesen worden sind.

In Norwegen – ich darf das mal als Beispiel bringen – werden diese Psychologen von anderen Psychologen regelmäßig untersucht. Und ich glaube, das ist ganz richtig so, denn wir haben ja gelesen, dass es da gerade auch von cleveren Straftätern einige Beeinflussungen gab, die auch zu Fluchten mit Folgen, mit Morden im Anschluss geführt haben. Deswegen bin ich schon der Meinung, dass wir aufgrund dieses Zwischenberichtes darüber reden sollten. Ich finde, das sollten wir auch für die Anstaltspsychologen bei uns einführen und, wenn es notwendig ist, auch für die, die das in Auftrag geben. Ich glaube nicht, dass wir den Strafvollzug zu einer reinen sozialtherapeutischen Einrichtung machen können.

(Annegrit Koburger, PDS: Ist er doch auch nicht.)

Das wird bei vielen Straftätern, bei vielen unbelehrbaren, denke ich, nicht zum Erfolg führen.

Ich würde mir schon wünschen, dass der mündliche Vortrag, der da ja hieß, für uns hat der Schutz der Bürger oberste Priorität, auch wirklich durchgesetzt wird. Nur, in Ihrem Zwischenbericht ist das so nicht zu lesen, und deshalb unsere Kritik. Wir meinen schon, offener Vollzug, Hafturlaub, Freigang dürfen nur solchen Häftlingen gewährt werden, die zweifelsfrei die Gewähr dafür bieten – zweifelsfrei! –, keine neuen Straftaten zu begehen.

(Reinhard Dankert, SPD: Das entscheiden doch im Zweifel die Psychologen.)

Das heißt dann aber auch nach dem Grundsatz, den hier der Justizminister vorgetragen hat, im Zweifel für den Schutz der Bürger und nicht für den Freigang. Und das ist der Punkt! Da gab es zu viele Fehler trotz niedriger Quote.

(Reinhard Dankert, SPD: Das hat jedes Mal der Psychologe entschieden.)

Der hohe Stellenwert der Resozialisierung wird von uns überhaupt nicht bestritten.

(Annegrit Koburger, PDS: Augenscheinlich doch.)

War das die erste rote Lampe? Ich komme dann zum Schluss.

Was wir noch bemängeln, ist, dass Sie in Ihrem Bericht die Vollzugsbeamten nicht erwähnt haben.

(Siegfried Friese, SPD: Die sind erwähnt im Bericht. Dann haben Sie ihn nicht richtig gelesen. Sie sind erwähnt im Bericht.)

Die haben es nämlich mit den Straftätern zu tun, die rechtlich hochmotiviert sind, die Ansprüche stellen. Im Übrigen schieben sie über 10.000 Überstunden vor sich her.

Wir haben andere Prioritäten. Wir meinen, dass wir die Novellierung des Strafvollzugsgesetzes vorantreiben müssen. Wir brauchen eine strengere Prüfung von Hafterleichterungen –

(Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

ich hatte es schon genannt – und natürlich auch die Einbeziehung des Votums von Staatsanwaltschaften, Polizei und des Justizvollzugspersonals bei Entscheidungen für Hafterleichterungen. Wir wollen die getrennte Unterbringung von Strafgefangenen nach der Schwere der Tat im Vollzug und in der U-Haft. Wir wollen geschlossene Heimunterbringung für jugendliche Wiederholungstäter mit sozialtherapeutischer Betreuung. Wir wollen Maßnahmen zur Durchsetzung...

Herr Thomas, Ihre Redezeit ist beendet.

... drogenfreier Justizvollzugsanstalten. – Ich bedanke mich schon.

Der Schutz der Bürger muss in den Vordergrund gestellt werden und wir werden den Justizminister beim Wort nehmen, dass das, was er hier gesagt hat, auch beim Abschlussbericht als Endkonsequenz drinsteht.

Wir danken...

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

... Ihnen jetzt auch, dass Sie zum Ende kommen.

(Heiterkeit bei Annegrit Koburger, PDS)

Und ich danke Ihnen für die Minute Nachredezeit. – Danke.

Danke, Herr Thomas.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Kreuzer von der PDS-Fraktion. Bitte sehr, Herr Kreuzer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist tatsächlich ungewöhnlich, dass der Landtag einen Zwischenbericht zu einer Unterrichtung berät, die zum Jahresende ohnehin kommen wird. Der Landtagsbeschluss lautet: Das Konzept zur weiteren Gestaltung des Strafvollzuges hat die Regierung zum Jahresende vorzulegen.

Zu dem Zwischenbericht ist schon daher aus unserer Sicht nicht allzu viel zu sagen. Aber wir waren auch ganz Ohr und ganz gespannt, welches Haar in der Suppe die Opposition finden würde. Und es war erstaunlich, wie viele Haare Herr Thomas gefunden hat. Ich komme noch mal darauf zurück.