Protocol of the Session on January 19, 2022

Herr Nockemann, Sie haben gesagt, dass sich die AfD mit den Ungeimpften solidarisieren würde. Tatsache ist doch, dass Sie sich auch mit den Testgegnern solidarisieren, und da endet nun wirklich mein Verständnis in jeglicher Form. Denn zu behaupten, ein Test sei jetzt ebenso ein schwerwiegender Eingriff in die Freiheitsrechte, das ist nicht nachvollziehbar, das ist einfach nur unsolidarisch.

(Beifall)

Punkt 2: die gefährliche Aussage, Omikron sei doch nicht so gefährlich, es gebe viel häufiger nur milde Verläufe. Das stimmt, aber eines ist klar: Omikron bietet auch die komplette Bandbreite von symptomhaftem Auftreten. Das heißt, ich habe entweder gar keine Symptome, ich habe milde Verläufe, mittlere, schwere, und ich kann auch an Omikron sterben. Wenn jetzt aber die Anzahl der Infektionen mit Omikron, die ja viel, viel höher ist, so angesprungen ist, negiert das praktisch die vielleicht insgesamt günstigere symptomatische Entwicklung. Aber das heißt eben bei Weitem nicht, dass Omikron ungefährlich ist. Das, glaube ich, muss man hier ganz eindeutig feststellen.

(Beifall – Glocke)

Herr Gamm, verzeihen Sie die Unterbrechung. Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein.

Und mein dritter Punkt: Ich möchte noch kurz auf Frau Senatorin Leonhard eingehen mit ihrer Kritik an der CDU, dass es hier offenbar keine klare Linie gibt. Man muss einmal sehr klar sagen, Bundeskanzler Scholz und Herr Lauterbach fordern doch seit Wochen die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht, aber bis heute gibt es keinen Gesetzentwurf, es gibt auch keinen Vorschlag. Stattdessen wird etwas gefordert, was ich vorher in meiner politischen Erfahrung noch nie gehört habe, näm

(Marc Schemmel)

lich Herr Mützenich – ich glaube, er war es – möchte eine Orientierungsdebatte haben. Was bitte ist denn eine Orientierungsdebatte? Also ich habe das Verständnis von politischer Führung, wenn ich eine Idee habe, wenn ich die Notwendigkeit erkannt habe, ein bestimmtes Thema anzugehen und eine Lösung zu präsentieren, dann entwickele ich auch eine Lösung in Form eines Gesetzesvorschlags. Und der wird natürlich im Deutschen Bundestag debattiert, und dort ist so etwas wie eine Orientierungsdebatte überhaupt nicht erforderlich. Ich frage mich also schon: Was ist denn der Grund dafür, dass jetzt erst Ende dieses Monats ein wie auch immer gearteter Vorschlag vorgelegt werden soll, obwohl doch die Idee für eine Impfpflicht schon viel, viel länger in den Köpfen ist? Das, meine Damen und Herren, ist kein Ausdruck von klarer, stringenter politischer Führung, und das ist genau das Gegenteil von dem, was wir eigentlich brauchen. – Vielen Dank.

(Beifall)

Ist das noch zu diesem Thema, Herr Nockemann? – Ja. Gibt es weitere Wortmeldungen zu diesem Thema? – Sehe ich im Augenblick nicht. Dann, Herr Nockemann, haben Sie das Wort. – Doch, auch noch? Dann hat jetzt dennoch zunächst Herr Nockemann das Wort, bitte schön.

Ich jetzt, oder?

Bitte. Ja.

Danke schön. – Sehr geehrter Herr Gamm! Das stimmt natürlich so nicht, wie Sie es gerade formuliert haben. Ich glaube, es war Ihre Fraktion jüngst im Verfassungsausschuss, die darauf hingewiesen hat, dass hier in Hamburg viel zu wenige Testmöglichkeiten bereitstehen. Und ich frage Sie: Wie soll denn jemand, der etwas außerhalb der Stadt oder am Rande der Stadt wohnt, noch mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren können, wenn er keine Testmöglichkeiten hat? Und auch mit diesen Leuten erklären wir uns solidarisch. Wenn Sie schon zitieren, dann bitte richtig.

Es kommt der Eindruck zum Tragen, als wäre es nur die AfD, die diese Coronamaßnahmen als falsch, als überzogen kritisiert. Es gibt leider nur sehr wenige große Medien, die diese Entwicklung kritisch begleiten. Dazu gehört, Gott sei Dank, auch "Die Welt". So titelte "Die Welt" jüngst in einem Gastbeitrag sehr zutreffend:

"Die Ausgrenzung der Ungeimpften muss enden"

Und im Artikel darunter heißt es:

"Deutschland setzt in der Pandemie auf systematische Ausgrenzung. Zu 2G und

2G plus kommt offene Verachtung der Ungeimpften durch Politik und Medien."

Diese Diskriminierung ist nicht nur schädlich, sondern sie verstößt auch eindeutig gegen die Verfassung. Und diesen Verfassungsverstoß hat ausdrücklich der Verfassungsjurist Kai Möller thematisiert. Aber was bedeutet schon ein Verfassungsverstoß, wenn man hier die absolute Mehrheit hat?

Ich möchte noch einmal auf diese großen Freiheitsdemonstrationen an den letzten Samstagen zurückkommen. Wir sind da als Beobachter mitgegangen, haben uns von vorn nach hinten zurückfallen lassen und wieder nach vorn vorgearbeitet, sind mit sehr vielen dieser Menschen ins Gespräch gekommen. Ich bin nun 63 und habe in Deutschland an sehr vielen Freiheitsdemonstrationen schon vor meiner AfD-Zeit teilgenommen. Und ich muss sagen, genau das erinnerte mich an diese alten großen Freiheitsdebatten hier in Deutschland, diese Freiheitsdebatten, die Sie nur aus den Schulbüchern kennen.

(Beifall bei der AfD)

Es geht den Leuten dort nicht nur um Ihre übergriffige COVID-Politik, sondern es geht generell und grundsätzlich darum, dass man befürchtet, hinter dieses Maß der Einschränkungen, um die es im Augenblick geht, auch bei anderen Themen nie wieder zurückzukommen. Es geht generell um die Übergriffigkeit von Politikern, die Gefallen gefunden haben am autoritären Durchregieren. Darum geht es den Leuten, und das sollten Sie bitte einmal berücksichtigen.

Und, Frau Dr. Schittek, jetzt einmal wieder zurück zu den Detailfragen. Bremen hat die allerhöchste Inzidenzquote mit 1 300 im Bereich der 7-Tage-Inzidenz; das sind Ihre Genossen. Die haben die höchste Impfquote, und sie haben die höchste Boosterquote mit 50 Prozent und trotzdem die höchste Inzidenz. Da stimmt doch etwas nicht. Bedeutet das viele Boostern vielleicht, dass das Immunsystem versagt? Darauf erwarte ich einmal eine Antwort. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Für die GRÜNE Fraktion hat jetzt Frau Demirhan das Wort.

Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss sagen, ich bin fassungslos. Das ist unsere erste Sitzung im neuen Jahr, die Feiertage liegen hinter uns. Feiertage, die für viele Menschen in dieser Stadt wirklich schmerzlich waren, weil sie Angehörige verloren haben, die besonders an diesen Tagen gefehlt haben. Liebe AfD, ich weiß, Fakten interessieren hier häufig nicht, aber wenn wir uns einmal die Sterberate ansehen, hatten wir 7,5 Prozent mehr Sterbefälle von März 2020 bis Febru

(Stephan Gamm)

ar 2021. So viele Menschen sind gestorben, mehr Sterbefälle als in jeder Grippewelle, und Sie stellen sich hierhin. Was sagen Sie diesen Angehörigen? Was sagen Sie diesen Angehörigen? Ich bin fassungslos.

(Beifall)

Seit Beginn der Pandemie gibt es eine Gruppe von Menschen, die Unbehagen und Ängste haben mit den Maßnahmen, die die Politik zur Eindämmung der Pandemie ergreift, und die damit nicht einverstanden sind. Rechtsextreme nutzen aber diese Angst der Menschen für ihre eigenen Ziele. Aktuell versuchen sie, die Diskussion und Sorge um eine mögliche Impfpflicht anzufachen und zu instrumentalisieren. Ein Teil der jetzt aktiven Personen war schon vor den Protesten gegen die Coronamaßnahmen radikal und findet jetzt hier eine neue Möglichkeit oder einen neuen Anlass, die eigene Radikalität besser zu begründen.

(Beifall)

Sie versuchen die Kundgebungen für ihre Zwecke zu missbrauchen und wollen, dass die Demonstrationen nicht wie lokale Proteste gegen die Maßnahmen, sondern wie eine große nationale Widerstandsbewegung gegen den Staat, dem man nicht vertrauen kann, wirken. Und sie tun das, um ihr eigenes Ziel voranzutreiben, den demokratischen Staat mit seinen Errungenschaften wie Pressefreiheit, dem Rechtsstaatssystem, Minderheitenschutz anzugreifen und das Vertrauen in ihn aufzuweichen.

(Beifall)

Diese Strategie ist auch nicht neu, das hatten wir schon oft, dass Themen emotional aufgeladen werden, dass polarisiert wird, dass Unbehagen und Angst geschürt werden, dass unser Land angeblich geschwächt wird. Das wurde auch schon mit Themen wie der Eurokrise gemacht, das wurde mit der Anzahl der Geflüchteten gemacht, ein Türöffnerthema sozusagen, an das man dann die eigenen Themen sehr gut anknüpfen kann. Das ist unfassbar.

(Beifall)

Und eine Sache noch: Es ist legitim, eine andere Meinung zu haben oder gegen eine allgemeine Impfpflicht zu sein, aber wer bei sogenannten Spaziergängen neben menschenfeindlichen, die Gleichwertigkeit aller Menschen ablehnenden Rechtsextremisten und antisemitischen Verschwörungsideolog:innen mitläuft und gemeinsam mit ihnen Parolen ruft und Schilder hochhält, der ist für die Verbreitung von antidemokratischen Botschaften mitverantwortlich, und dafür habe ich keinerlei Verständnis. – Vielen Dank.

(Beifall)

Herr Walczak bekommt das Wort für die AfD-Fraktion.

Vielen Dank. – Also für die gerade eben getätigte Behauptung, dass bei den Spaziergängen Antisemiten oder Rechtsextremisten mitlaufen, hätte ich gern einen Beleg. Denn wissen Sie, ich habe bereits zum Jahreswechsel eine Kleine Anfrage an den Senat gestellt und den Senat gefragt, ob Erkenntnisse darüber vorliegen, dass diese Spaziergänge sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten. Die Antwort des Senates darauf war:

"Diese Spaziergänge sind kein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes."

Also hören Sie doch auf, hier solche Unwahrheiten zu verbreiten. Hören Sie auf, Ihre Fake News zu verbreiten.

(Beifall)

Sie sind doch diejenigen, die ständig mit Emotionen argumentieren. Das ist ja das Infame an Ihrer gesamten Argumentation. Wenn Sie hier eingangs der Rede wieder die Coronatoten, denen selbstverständlich auch wir unser Mitleid und unser Mitgefühl geben, nutzen, um jegliche Debatte im Keim zu ersticken, dann agieren Sie schlicht und ergreifend antidemokratisch, und dem werden wir uns immer entgegenstellen.

(Beifall – Zuruf: Bravo!)

Doch noch eine Wortmeldung seitens der SPD-Fraktion, Frau Bekeris bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Einen Satz noch zur CDU. Sie reden hier über die Impfpflicht, und ich glaube, viele hier im Plenum haben sich auch dazu geäußert, wie wir dazu stehen. Ich persönlich unterstütze eine Impfpflicht, die Impfpflicht, die es jetzt in einigen Berufsgruppen schon gibt, aber tatsächlich auch eine allgemeine Impfpflicht. Aber wir waren uns bisher auch darin einig, dass es einer breiten gesellschaftlichen Debatte bedarf. Deshalb ist es richtig, dass diese Debatte im Bundestag geführt wird und dass dort auch aus den Reihen der Abgeordneten Vorschläge eingebracht werden. Deshalb, finde ich, wird die Einlassung, die Sie hier getätigt haben, diesem Ganzen nicht gerecht, und es ist richtig, dass im Bundestag ausführlich darüber debattiert wird.

(Beifall)

Aber, Frau Demirhan hat es eben auch schon einmal gesagt, was müssen wir hier heute eigentlich alles ertragen? Einmal ein Punkt, den Sie, Herr Nockemann, gesagt haben: die Ausgrenzung der Ungeimpften. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, mein

(Sina Aylin Demirhan)

Geduldsfaden ist inzwischen relativ dünn. Die Ungeimpften könnten sich relativ schnell an allem und auch an allen 2G-Möglichkeiten wieder beteiligen, wenn sie sich denn impfen lassen würden. Und dann sind wir wieder an dem Punkt, den wir vorher genannt haben. Das bedeutet nämlich, Solidarität mit denjenigen zu zeigen, die sich nicht impfen lassen können. Es geht nicht darum, dass diejenigen es verpasst haben, es verschwurbeln oder Ähnliches, sondern es geht darum, diejenigen zu schützen, die sich nicht impfen lassen können. Und deshalb der Appell an alle, die es können: Lassen Sie sich impfen.