Protocol of the Session on January 30, 2019

Ich bin überzeugt davon, dass die Umsetzung dieser Empfehlungen für Hamburgs Kinder einen echten Mehrwert darstellen würde, und deshalb würde ich an dieser Stelle die Regierungsfraktionen wirklich darum bitten: Wenn Sie auch nur einmal einen Antrag der Oppositionsfraktionen annehmen, dann wäre das heute eine gute Gelegenheit. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Oetzel. – Das Wort erhält jetzt der Abgeordnete Feineis für die AfD-Fraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr angetan davon, dass wir diese Empfehlung fraktionsübergreifend verabschiedet haben. Für mich war das eine echt neue Erfahrung. Leider bin ich erst im Januar 2018 dazugestoßen, war also nicht zu Beginn dabei. So habe ich die ganze Sichtungsphase nicht mitbekommen, musste mich einarbeiten. Aber ich muss sagen, es war auch für mich eine Lehrstunde und ich finde es auf der einen Seite großartig, dass diese zwei Jahre jetzt vorbei sind, weil es schon sehr intensiv war, wenn ich das einmal sagen darf: 24 Monate, 26 Sitzungstage, 132 Sitzungsstunden, insgesamt 70 Empfehlungen für 1,9 Millionen Euro. Hin und wieder frage ich mich dann schon: 1,9 Millionen Euro für 640 Seiten? Und, wie schon gesagt wurde, es ist nichts wirklich Neues herausgekommen. Wie heißt es so schön: Es gibt nichts Neues unter der Sonne.

(Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Dann haben Sie nichts verstanden, Herr Feineis! Das war nichts mit der Einarbeitung!)

Gut, ich habe immer noch eine Chance, weil wir gesagt haben, das hat noch kein Ende, denn es geht weiter. Diese Empfehlungen sind kein Abschluss, sondern ein Beginn der Arbeit für Kindeswohl und Kinderschutz.

Was mir in dieser ganzen Diskussion aufgefallen ist, war die Situation im ASD und ich hatte mich diesbezüglich mit einem Sozialpädagogen unterhalten, der in Winsen arbeitet und gesagt hat, die Dokumentation in Hamburg sei furchterregend, viele wollten in Hamburg nicht arbeiten, weil die Dokumentation das eigentliche Arbeiten am Fall, an der Familie, am Kind mehr oder weniger behindere. Ich denke, das ist die große Herausforderung – unabhängig davon, dass auch Familienrichter eine Ausbildung haben sollten –, dass hier, was ich auch schon gesagt habe, als der Bericht der Frau

Präsidentin Veit übergeben wurde, ein Paradigmenwechsel stattfinden muss, dass es nicht nur darum geht zu dokumentieren, sondern darum, die Fachleute, die Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen freizusetzen, um wirklich an die Arbeit zu kommen. Das sehe ich als einen Knackpunkt. Wenn das erkannt und umgesetzt wird, können die Kinder und die Familien Hoffnung haben, dass sich in Hamburg etwas Neues anbahnt.

Ich denke, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir – apropos Lerneffekt – nie zu Ende kommen. Wir haben vieles von den Fachleuten gehört und ich bedanke mich auch hier bei ihnen für ihren Einsatz. Das Engagement des Arbeitsstabs hat mich sehr begeistert und ich will mich bei ihm und auch bei den Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen bedanken. Ich fand es sehr kollegial. Ich fand es wirklich gut. Aber, wie gesagt, das kann nicht alles sein. Es muss weitergehen. Es muss jetzt wirklich in die Tat umgesetzt werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Feineis. – Als Nächste erhält für den Senat das Wort Senatorin Leonhard.

Sehr geehrter Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Das ist heute schon eine besondere Debatte, muss man sagen. Nach fast zwei Jahren, zahllosen Sitzungen unter Einbeziehung vieler Expertinnen und Experten, die zum Teil als ständige Mitglieder der Enquete angehört haben, zum Teil themenspezifisch noch einmal als Auskunftspersonen dazu geladen waren, hat die Kommission vor zwei Wochen ihr Ergebnis und damit nicht weniger als 70 überparteilich und zwischen Expertinnen und Experten konsentierten Empfehlungen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen der Jugendhilfe in Hamburg im Allgemeinen, aber vor allen Dingen auch des Kinderschutzes im engeren Sinne vorgelegt. Ich darf an dieser Stelle vielleicht einmal persönlich bemerken, dass das ein Wert an sich ist.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Sabine Boeddinghaus DIE LINKE)

Denn wenn wir – und das darf ich vielleicht tun, weil ich damals noch als Abgeordnete involviert war, ich war damals noch in anderer Rolle – zurückdenken, wie wir uns auf den Weg gemacht haben, diese Enquete anzuschieben, auf den Weg zu bringen, Einverständnis untereinander zu suchen für Fragestellungen, wie weit sollen sie denn sein und mit welchen Themen wollen wir uns befassen,

(Vizepräsidentin Antje Möller übernimmt den Vorsitz.)

war nicht absehbar, dass wir oder Sie als Parlament diesen Erfolg in diesem großen Einverneh

(Daniel Oetzel)

men würden begehen können. Das ist wirklich großartig für den Kinderschutz in Hamburg, ein wirklicher Meilenstein,

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Sabine Boeddinghaus DIE LINKE)

so groß übrigens, dass er auch schon über Hamburg hinaus Beachtung gefunden hat. In der vergangenen Woche feierte der Kinderschutzbund sein 65-jähriges Bestehen hier in Hamburg. Denen ist natürlich nicht entgangen, dass hier eine Kommission, die zwei Jahre lang überparteilich unter Einbeziehung von Expertinnen und Experten getagt hat, glasklar empfohlen hat, das Thema Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen – eine Forderung, die der Kinderschutzbund schon lange erhebt –, sich mit der Qualifizierung und der Verbesserung von familiengerichtlichen Verfahren auseinandergesetzt hat, aber auch und vor allen Dingen mit der Frage, wie man konkret in Hilfeverläufen Kinder und Jugendliche zu mehr Partizipation und deswegen zu ihren Rechten verhelfen kann und was das übrigens auch für die Gesetzgebung in Deutschland bedeutet. Da nehme ich uns als Senat gar nicht aus, aber die Wirkungen sind durchaus weitreichender. Ich kann mir vorstellen, dass dieser Bericht noch bundesweit die Runde machen kann.

Insofern möchte ich auch einmal meinen Dank, und zwar in diesem Fall an alle Fraktionen, an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Arbeitsstabs, die mit viel Arbeitsaufwand nicht weniger als die Klammer zu uns als Verwaltung gebildet haben, und an alle Expertinnen und Experten richten, die mitgeholfen haben, sich weit über Kinderschutz im engeren Sinne, nämlich mit Fragen von Sozialraumorientierung, von Justizpolitik, von Ordnungspolitik, wie Schule organisiert ist, wie es in Hamburg um die Frage früher Bildung und Betreuung steht und welche Rolle diese im System leistet, wenn wir Eltern und Kinder unterstützen wollen, über zwei Jahre auseinandergesetzt haben. Das ist eine großartige Leistung und ein wahrer Dienst an den Kindern und Familien in dieser Stadt. Also auch von meiner Seite ganz persönlich herzlichen Dank dafür.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN und der FDP)

Die Enquete-Kommission – das ist schon mehrfach angeklungen – hat 70 verschiedene Empfehlungen von sehr unterschiedlicher Tragweite einvernehmlich beschlossen. Dazu zählen Dinge, die an die Bundesebene adressiert sind. Da darf ich sagen, auch an die CDU gerichtet: Sie sind herzlich eingeladen, uns in der Debatte zu unterstützen, wo die Kinderrechte im Grundgesetz denn jetzt fixiert werden sollen. Da hat man sich nämlich inzwischen im Dickicht verfangen bei der Frage, ob man Umweltschutz als Staatsziel oder als eigenständiges Kindergrundrecht … Da bin ich ganz an Ihrer Seite,

das wollen wir lieber gestern als heute umsetzen, aber dafür werden wir auch Ihre Hilfe brauchen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Es geht gleichsam um Fragen unserer inneren Arbeitsorganisation. Das Thema Dokumentation ist schon angeklungen. Da werden wir gemeinschaftlich uns auch politisch über die Frage auseinandersetzen, die die Enquete-Kommission mit einer Empfehlung aufwirft. Dokumentation ist wichtig. Sie ist die Grundlage guten Fallverstehens. Nur über eine gute Dokumentation kann auch über Schnittstellen hinweg das Kind nicht aus dem Blick geraten. Aber gleichwohl werden wir einen Weg finden müssen, wie wir die Fachkräfte von bestimmten Arbeiten entlasten und da werden wir dann auch gemeinschaftlich Schwerpunkte setzen müssen. Da ist dann die Aufgabe, vielleicht auch da nicht auseinanderzufasern, sondern parteipolitisch eng beieinander zu bleiben.

Denn tatsächlich, und deswegen ist es so schade, dass nicht auch die CDU mit der Enquete-Kommission insofern ihren Frieden gemacht hat, der größte Wert und die größte Akzeptanz für neue Regeln oder die Abschaffung derselben, für eine neue Software oder die Verbesserung derjenigen, die wir haben, für die Einbeziehung bestimmter Gruppen ins Hilfeplanverfahren oder nicht, funktioniert immer dann gut, wenn es einen großen politischen Konsens darüber gibt und wir uns nicht parteipolitisch darüber auseinandersetzen. Auch das, finde ich, hat die Enquete-Kommission sehr gut zu Papier gebracht.

Ich freue mich auf die Debatten und die Arbeit im Familienausschuss. Einiges ist auf den Weg gebracht, vieles werden wir noch auf den Weg bringen. Die Enquete-Kommission ist an vielen Stellen sehr konkret geworden. Das ist ein großer Meilenstein für den Kinderschutz in unserer Stadt.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Sabine Boeddinghaus DIE LINKE)

Vielen Dank. – Wir gehen in eine zweite Runde bei dieser Debatte. Frau Jürgens für die SPD-Fraktion, Sie bekommen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Alle Arbeitsfelder rund um Kinderschutz und Kinderrechte werden von den beschlossenen Prüfaufträgen und von den konkreten Empfehlungen der Enquete-Kommission profitieren. Deutlich wird dies in zahlreichen Punkten, die sich um die Arbeitsbedingungen und die Ressourcen der Beschäftigten drehen. Verbesserungen zum Beispiel im ASD, sei es in der Kommunikation, Technik oder im Personalbemessungssystem, werden im Zusammenhang ganz unterschiedlicher Hilfearten positiv wirken.

(Senatorin Dr. Melanie Leonhard)

Auch eine Stärkung und Ausweitung der Ombudsstelle bezieht sich in der Praxis auf den Kinderschutz und die Kinderrechte. Dennoch möchte ich jetzt gern ein Arbeitsfeld ansprechen, das schon im Einsetzungsantrag zur Enquete-Kommission eine große Bedeutung hat und für das die EnqueteKommission etliche konkrete Empfehlungen beschlossen hat: die Pflegekinderhilfe.

Die Kommission hat in mehreren Sitzungen und mit der Unterstützung des Pflegeelternrates von PFIFF, den Sachverständigen und der BASFI die Pflegekinderhilfe auf Verbesserungsmöglichkeiten hin abgeklopft. Die konkreten Empfehlungen beginnen mit der Ermittlung der Datenlage über Werbekampagnen zur Gewinnung von immer mehr Pflegeeltern, Eignungseinschätzung und Passung von Pflegekindern und Pflegeeltern, Transparenz und Stärkung von Unterstützungsangeboten, möglichst frühe Perspektivenklärung, insbesondere für ganz kleine Kinder, Arbeitsbedingungen im Pflegekinderdienst, verbindliche Kommunikation und Vereinbarungen auch mit den Herkunftseltern bis hin zu Weiterentwicklung der Fachanweisungen auch im Hinblick auf Pflegekinder mit Behinderung, und es geht um eine wertschätzende öffentliche Anerkennung.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Kurzum, hier wird an vielen Stellschrauben zu drehen sein. Die Umsetzung der Empfehlungen, insbesondere durch Senat und Bezirke, werden wir eng im Familienausschuss begleiten. Der Umsetzung der Enquete-Empfehlungen und Prüfaufträge dient auch der entsprechende Zusatzantrag von vier Fraktionen, die wir heute in der Bürgerschaft beschließen werden.

Auch die Pflegekinderhilfe wird eine Daueraufgabe sein. Einige der genannten Aspekte kann man schnell umsetzen, einige reichen über die Legislaturperiode hinaus, müssten aber jetzt auf den Weg gebracht werden. So oder so, wir bleiben dran. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Für die CDU-Fraktion bekommt nun Herr Heißner das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich bin jetzt in der zweiten Runde, das ist ja auch immer die Reaktion auf die Beiträge, die vorher kamen, ein bisschen irritiert von diesem starken Fokus, den die SPD in Hamburg jetzt auf das Thema Kinderrechte im Grundgesetz legt. Wir haben ganz viele andere Themen in diesem Bericht. Ich hoffe, dass diese nicht aus dem Blick geraten

(Uwe Lohmann SPD: Hast du eben nicht zu- gehört?)

und die ganze Fokussierung, wie sie jetzt in den Reden hier erfolgt ist, auf dieses eine Bundesthema – Kinderrechte im Grundgesetz – seitens des Senats erfolgt. Denn erstens steht das im Koalitionsvertrag auf Bundesebene.

(Zuruf von Dr. Monika Schaal SPD)

Ich glaube, Sie, Frau Senatorin, haben sogar in der entsprechenden Arbeitsgruppe im Koalitionsvertrag mitverhandelt. Wenn Sie es dann nicht so hineingeschrieben haben, wie Sie es haben wollen, frage ich mich, wo jetzt das Problem ist. Ich gebe aber gern – Sie haben darum gebeten – nach Berlin weiter, dass die SPD Hamburg das SPD-geführte Familienministerium, das dort jetzt am Zug ist, einen Entwurf vorzulegen, besonders unter Druck setzt. Das geben wir natürlich gern weiter.

(Beifall bei der CDU)

Ansonsten kann ich den Vorrednern weitestgehend zustimmen. Ich fand auch den Verweis auf das Thema Regeln, Standards und Dokumentation ganz wichtig. Das ist etwas, was wir in der Tat sehr viel diskutiert haben. Aber ich möchte da noch einmal einen Aspekt hinzufügen, damit das nicht aus dem Blick gerät. Wir haben immer wieder erlebt, dass Dokumentation nicht Selbstzweck ist, keine Schikane für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern essenziell, um den Blick auf das Kind zu behalten, vor allem, wenn Zuständigkeitswechsel stattfinden. Denn wenn ich nicht dokumentiert habe, was in dem Fall vorher war, kann bei einem Zuständigkeitswechsel der nächste zuständige Mitarbeiter nicht nachvollziehen, was wichtig in dem Fall ist, was er tun muss, um das Kind im Blick zu behalten. Deswegen ist es von so essenzieller Bedeutung, dass wir uns endlich mit konkreten Konzepten darüber Gedanken machen, wie wir Mitarbeiter von dem wirklich zum Teil nicht vernünftig anwendbaren IT-System, das wir in diesem Bereich haben, befreien können, wie wir das erleichtern können. Wir hatten eigentlich gewollt, dass man dort eine Neufassung anstrebt oder zumindest prüft. Jetzt ist – ich sagte es vorhin, Minimalkonsens – gesagt worden, man müsse erst einmal prüfen, wie man das laufende System verbessern kann. Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Die Überprüfung von Regeln ist eine Sache. Wie sinnvoll und wie praktisch anwendbar diese sind, ist eine Sache, die wir auch mehrfach im Familienausschuss diskutiert haben. Auch hier ist der Senat am Zug.

Und noch einmal: Natürlich ist es eine Daueraufgabe. Aber wir müssen doch jetzt, wo wir einen Konsens haben, wo wir Themen besprochen haben, die seit Jahren in der Stadt bekannt sind, einmal in die Pötte kommen und sagen: Wir als Senat haben schon die letzten Monate daran gearbeitet und zumindest erfüllen wir jetzt einmal alle Prüfaufträge, die drinstehen. Daueraufgaben kann man dann im

(Hildegard Jürgens)

mer noch fortsetzen. Aber jetzt zu sagen, wir machen den ersten Bericht zu diesem Thema erst nach der Sommerpause, erst im September, das kann ich leider wirklich nicht nachvollziehen. Ich würde mir wünschen, dass der Senat hier freiwillig bereits vorher zeigt, dass er tätig geworden ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die GRÜNE Fraktion bekommt nun Frau Gallina das Wort.