Ein Volksentscheid ist ein wichtiges Instrument der direkten Demokratie. Ein Ergebnis ist ein Ergebnis. Und so lange abzustimmen, bis es passt, ist gar keine Option, auch noch einmal sehr klar. Das Volk ist der Souverän, und wenn auch ein Wahlergebnis nicht immer erfreulich ist und ein Volksentscheid gelegentlich anders ausgeht als von der Politik erwünscht, ist er selbstverständlich bindend, und hier in Hamburg erst recht.
Trotzdem wird kaum ein Bürger erwarten, dass ein Volksentscheid in der Komplexität des Netzrückkaufs innerhalb weniger Jahre vollständig umgesetzt wird. So mussten Sie zwar den Volksentscheid umsetzen, und das haben Sie auch schon sehr gut angefangen, Herr Bürgermeister. Sie und der Senat haben ein ziemlich marodes Stromnetz gekauft und ein sehr solides Gasnetz. Beides hat viel Geld gekostet. Für das Stromnetz wurden 625 Millionen Euro gezahlt, für das Gasnetz 270 Millionen Euro, und Sie haben eben auch verkündet, dass Sie jetzt das Fernwärmenetz vollständig bis zum Jahresende erwerben wollen. Die Hamburger Bürger hätten es Ihnen sicher größtenteils verziehen, wenn Sie nicht sofort die restlichen 74,9 Prozent des Fernwärmenetzes übernommen hätten, sondern stattdessen eine Lösung gemeinsam mit Vattenfall gesucht hätten. Letztendlich verzichten wir auf die Kompetenzen eines Marktführers, um zu schauen, ob wir es nicht besser machen können. Ich glaube, das hat bei der HSH Nordbank auch so begonnen. Das können wir auch, war die Devise. Wo uns das hingeführt hat, brauche ich in diesem Haus gar nicht zu erklären. Es hat Milliarden gekostet, und ich hoffe, dass Hamburg nicht wegen ein paar grüner Träume wieder auf dem Weg in solch ein Debakel ist.
Ihre Partei ist es gewesen, Herr Bürgermeister, namentlich Herr Dr. Dressel, die klar gegen den Rückkauf der Netze Stellung bezogen hat. Ich zitiere einmal aus dem Jahr 2013 Herrn Dr. Dressel:
"Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich die allein kommunal verwalteten Netzgesellschaften nicht sehr von den rein privatwirtschaftlich betriebenen unterscheiden. Weder ist zum Beispiel die Versorgungsqualität und -sicherheit durch kommunale Betreiber besser, noch sind die Energiepreise niedriger. Warum sollen wir also 2 Milliarden Euro für etwas ausgeben, was wir am Ende kein Stück besser machen würden als in unserer heutigen öffentlich-privaten Netzgesellschaft? Selbst Kommunen, die die Netze komplett zurückerworben haben, warnen aktuell, dass es angesichts der Risiken ein Zuschussgeschäft werden kann."
Besser lässt sich das Risiko eigentlich kaum ausdrücken. Das war 2013. In diesem Haus sind wir uns aber natürlich alle einig, dass das Kraftwerk Wedel dringend vom Netz genommen werden muss. Es ist, da es in die Jahre gekommen ist, technisch veraltet. Vattenfall bot Lösungen an, die Umweltbehörde ebenfalls, denn seit Beginn dieser Legislaturperiode sind wir im Umweltausschuss dabei, Szenarien zu erforschen. Ich möchte hier gar nicht schildern, dass wir über die Vor- und Nachteile von Stromheizkraftwerken informiert worden sind oder dass wir über Nord- und Südvarianten philosophiert haben. Der Prozess war interessant, aber eben ziemlich langwierig.
Am Ende gab es tatsächlich nur ein Szenario, das zur Bewertung herangezogen werden konnte, das von Vattenfall. Alles andere waren Ideen. Und so konnte eine Unternehmensbewertung von BDO auch nur mit diesem einen Szenario durchgeführt werden. Die Umweltbehörde hatte keine belastbaren Pläne. Die Bewertung kam auf einen Gesamtwert des Fernwärmenetzes von 645 Millionen Euro. Die Darstellung klang plausibel, denn ein Unternehmenswert setzt sich fast immer aus einem Substanzwert, hier vielen Kilometern Leitung und einem maroden Kraftwerk in Wedel, und einem Ertragswert, der die künftigen Gewinne kapitalisiert, zusammen. Genauere Einblicke waren leider nicht zu erhalten, denn diese hätten Betriebsgeheimnisse verletzt. Da wir in einer Kaufmannsstadt leben, gibt es viele Hamburger, die errechnen können, je höher der Substanzwert, je höher die künftigen Gewinne, desto größer ist der Wert des Unternehmens. Erwarte ich keinen Gewinn, dann ist der Wert nur die Substanz. Das sage ich noch einmal in Richtung des Umweltsenators.
Fast über Nacht legte allerdings die BUE dann ein bewertbares Modell vor, ein Modell über ein Gaskraftwerk, das noch gebaut werden muss, den Anschluss einer Müllverbrennungsanlage und eines Aquiferspeichers. Zusätzlich zum Kaufpreis will die Stadt also eine weitere Milliarde Euro investieren, so viel sollen neue Kraftwerke, der Umbau des Kohlekraftwerks Tiefstack auf Gas sowie eine Leitung unter der Elbe kosten.
Sicher bin ich nicht, Herr Kerstan, ob die Menschen, die den Volksentscheid positiv beschieden, Müllverbrennung und Gas unter erneuerbaren Energien verstanden haben. Müllvermeidung wäre tatsächlich aus meiner Sicht und aus der Sicht meiner Fraktion der Müllverbrennung immer vorzuziehen. Aber selbstverständlich, wenn es schon verbrannt werden muss, dann sollte man auch die Abwärme nutzen, da sind wir uns einmal einig.
Allerdings ließ es sich schon im Umweltausschuss erahnen, dass es derzeit mit wirklich erneuerbaren Energien noch nicht möglich ist, eine Millionenstadt zu beheizen. Insofern bin ich dankbar, dass wenigstens die Realitäten von der grünen Umweltbehörde akzeptiert werden. Nun soll es also ein teurer Kohleausstieg werden.
Das Klima, über das hier gerade so viel gesprochen wurde, auch wenn ich den Eindruck hatte, dass es doch sehr mit dem Wetter verwechselt worden ist, werden wir in Hamburg nicht retten können. Wir können uns Mühe geben, Kleinigkeiten zu machen, aber retten können wir es nicht. Das muss man auch einmal sehr klar sagen.
Die Preise für Fernwärmekunden sollen trotz der Milliardeninvestitionen stabil bleiben. Darin wiederum sind sich SPD und GRÜNE einig. Allerdings ist das wenig wahrscheinlich. Das sage ich nicht aus den Erfahrungen mit unserer guten alten HEW heraus, sondern, Frau Dr. Schaal, weil ich zu Hause Fernwärme habe, und ich zahle für die Kilowattstunde
8,733 Cent. Vattenfall bietet aus dem Kohlekraftwerk Wedel die Kilowattstunde für 6,007 Cent an. Meine Wärme wird durch ein Gasblockheizkraftwerk erzeugt. Und kommen Sie nicht mit einem Anbieterwechsel, das geht leider bei Fernwärme nicht. Ein Fernwärmenetz ist eben kein freier Markt wie Strom oder Gas. Auch aus diesem Grund finde ich das Versprechen des Herrn Bürgermeister ausgesprochen unsolide. Heute zur Beruhigung von vielen Bürgern dieser Stadt ein Versprechen abzugeben, das im Jahr 2025 nicht eingelöst werden kann, in der großen Hoffnung, dass sich dann keiner mehr daran erinnert, das ist nicht redlich. Es ist auch alles andere als sozial gerecht. Und falls es eingelöst wird, zu welchen Lasten geht es denn dann? Zulasten aller Bürger dieser Stadt. Dann wird es nämlich aus dem Haushalt bezahlt, und das wäre eigentlich noch unredlicher.
Wenn ich schon vom Jahr 2025 rede, dann möchte ich noch auf ein weiteres Risiko hinweisen. Ab Juli 2021 muss in Deutschland eine neue EU-Richtlinie umgesetzt werden, die für Kraftwerke deutlich niedrigere Stickoxidgrenzwerte vorgibt. Dies wird das Heizkraftwerk Wedel nicht einhalten. Es müsste deswegen aufwendig nachgerüstet werden, obwohl es bald ersetzt wird. Ob es dann eine Aus
nahmegenehmigung von der EU gibt, ist auch noch fraglich. Wird sich zeigen. Für den Ersatz muss also ein neues Gaskraftwerk gebaut und eine Fernwärmeleitung unter der Elbe verlegt werden. Bis zum Jahr 2022 ist diese Elbtunnelung nicht fertiggestellt. Selbst die Drucksache, die uns gestern erreicht hat, spricht nun vom Jahr 2024.
Es bleibt nur zu hoffen, dass sich kein geschützter Wurm – ich hatte zwar nicht so eine schöne Begründung wie Herr Gamm oder so einen schönen Namen dafür, aber daran habe ich auch gleich gedacht – in dem Bereich eingenistet hat, sodass sich nicht doch noch eine Umweltinitiative findet, die dann eine Klage anstrebt.
Das Know-how von Vattenfall jedenfalls fällt weg. Und so bleibt zu wünschen, dass es im Jahr 2025 realistisch ist, dass das überhaupt eingehalten werden kann. Es ist schließlich Jahrzehnte her, dass Hamburg Kraftwerke gebaut hat.
"Wir müssten Kredite aufnehmen, Hamburg würde sich also noch weiter verschulden. Wir tragen als Stadt dann das volle unternehmerische Risiko und niemand weiß, ob die Erträge aus dem Netzbetrieb für Zinsen und Tilgung, für Instandsetzung und die immer größeren Investitionen auf lange Sicht reichen werden. Außerdem ist es sehr wahrscheinlich, dass die Zinsen irgendwann steigen und dann müssen wir auch mehr für den Kredit bezahlen. Und das bedenkt die Volksinitiative nicht. Der Netzrückkauf ist also ein höchst spekulatives Geschäft auf Pump."
Ich finde das Zitat sehr schön, und man kann es eigentlich nicht oft genug sagen: Der Netzrückkauf ist ein Geschäft auf Pump und dazu höchst spekulativ.
PricewaterhouseCoopers hat einen Unternehmenswert von 615 Millionen Euro für das Gesamtfernwärmenetz ermittelt. Ich gestehe, dass ich auf den Ausschuss sehr gespannt bin. Die Hinzurechnung eines Steuervorteils zu einem Unternehmenswert lasse ich mir bei einer Bewertung unter Umständen noch gefallen, aber ob dann tatsächlich Synergieeffekte hinzugerechnet werden können, werden wir im Ausschuss sicher noch einmal diskutieren. Aber die GroKo in Berlin, von der man gelegentlich den Eindruck hat, dass sie nur noch Wochen hält, als Werterhöhung für eine Unternehmenskaufentscheidung zu bemühen, wird die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sicher noch belegen müssen.
Herr Bürgermeister, ich weiß, Sie haben einen guten Draht zum Berliner Finanzminister, dennoch ist die Einbeziehung der KWK-Förderung mit einem Wertbeitrag von 155 Millionen Euro zumindest
grenzwertig. Die Landeshaushaltsordnung würde allerdings die Umsetzung des Volksentscheids verbieten, wenn es Geschäfte zulasten der Stadt sind. Ein Fernwärmenetz darf also nicht zu einem überhöhten Preis gekauft werden. Grüne Zukunftsvisionen sind also von der Landeshaushaltsordnung nicht gedeckt. Der Rückkauf eines Wärmenetzes zu einem überhöhten Preis wäre außerdem eine Dummheit.
Ab morgen werden wir im Ausschuss versuchen zu klären, inwieweit die neuen Gutachten tauglich oder schöngerechnet sind. In der knappen Zeit wird das schwierig genug sein. Eines allerdings ist für meine Fraktion klar: Eine Verletzung der Landeshaushaltsordnung tragen wir nicht mit. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Oelschläger. – Es hat sich noch Senator Dr. Dressel gemeldet und erhält selbstverständlich das Wort.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Oelschläger, weil Sie jetzt so viel über mich geredet, mich aus dem Jahr 2013 zitiert haben, nehme ich darauf gern noch einmal Bezug. Das Problem ist, wir haben eben nicht mehr 2013, sondern wir haben einen Volksentscheid gehabt im September 2013. Jeder weiß, dass wir damals mit CDU und FDP – die AfD gab es da irgendwie noch nicht, und ich glaube, die wäre auch nicht Teil des Bündnisses damals geworden – für ein Nein geworben und knapp verloren haben. Und es gehört sich für gute Demokraten, dass man eine Entscheidung auch akzeptiert.
Deshalb haben wir eben sofort danach mit der Umsetzung begonnen, mit dem Zuerwerb der 74,9 Prozent, erst bei Strom und dann bei Gas. Da fing natürlich beim Strom schon gleich der Zusammenhang an, weil Vattenfall nur ein Paket schnüren wollte mit Strom und Fernwärme, mit einer Kaufoption für die Fernwärme, mit den besagten Preisen. Ich glaube deshalb, wenn heute gesagt wird, alles sei stümperhaft vorbereitet und so weiter, dann schauen Sie in genau die Verträge von 2014, wo in allen Absätzen seitenlang genau diese Kaufoption vorbereitet ist. Das ist ein sehr gut vorbereiteter Deal.
Ja, genau das steht in dem Vertrag, dass wir eine bestimmte Wertfeststellung haben, aber einen Mindestpreis. Und das muss man jetzt zusammenbekommen. Das ist genau entlang …
Nein, es ist genau entlang der Maßgaben des Vertrags durchgeführt worden. Und da haben wir dann in der Tat dieses Delta …
Nein, der Rest ist eben offenbar, was wir vorhin in der Rede gehört haben, nicht bekannt. Denn natürlich ist das, was vor der Sommerpause Maßstab war für die Unternehmensbewertung, ein Konzept, was gar nicht mehr Stand der Dinge ist.
Deswegen, auf jeden, der hier sagt, man vergleiche Äpfel mit Birnen, der diesen Vorhalt bildet, fällt dies zurück.
Wir haben uns sehr genau an den Volksentscheid gehalten, und der Volksentscheid enthält ein entscheidendes Wort. Deswegen weiß ich auch nicht, warum Sie sich so lustig machen darüber, dass wir das alles sauber geprüft haben.
Dort steht nämlich, wir sollen zulässige Schritte unternehmen. Deshalb ist es unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit – es geht um so viel Geld, es geht um eine schwierige technische, rechtliche Fragestellung –, dass es sauber auf Herz und Nieren geprüft wird. Das ist der Maßstab, den dieser Senat daran gelegt hat, und ebenso die Behörde, die ich anführe.
Haushaltsrechtlich: Sie werden es in den Gutachten alles nachlesen können. Sie werden morgen früh, habe ich von der Präsidentin gehört, angeliefert, das heißt, ab morgen können Sie dann auch in die Gutachten schauen.
Die haushaltsrechtlichen Fragen, die beihilferechtlichen Fragen, sehr klar, eine sehr, sehr wichtige Frage, die wichtigsten Ergebnisse finden Sie auch in der Drucksache.
Ja, das ist sehr schön, weil auch diejenigen, die kritisch herangegangen sind, trotzdem am Schluss zu einem Ergebnis darüber gekommen sind, was uns zu dieser Entscheidung geführt hat. Deshalb sind wir doch so sorgfältig genau an dieser Stelle damit umgegangen, weil wir eine valide Grundlage haben. Ich sage auch, wenn nicht irgendwo steht, ihr dürft das nicht, dann haben wir eine Verpflich
tung, dem Volksentscheid an dieser Stelle Geltung zu verschaffen. Das war der Maßstab, den wir bei der Entscheidung angelegt haben, und deshalb haben wir auch in dieser Hinsicht eine gute Entscheidung getroffen.