Protocol of the Session on September 5, 2018

Sabine Boeddinghaus DIE LINKE 6236,

Jens Meyer FDP 6236,

Dirk Kienscherf SPD 6236,

Heike Sudmann DIE LINKE 6237,

Philipp Heißner CDU 6237,

Farid Müller GRÜNE 6237,

André Trepoll CDU 6238,

Beschlüsse 6238,

Antrag der CDU-Fraktion:

Hochschulstandort Hamburg stärken – Hamburg Innovation Summit als starke Präsenzmesse ausbauen – Drs 21/14144 – 6238,

Beschlüsse 6239,

Beginn: 13.37 Uhr

Meine Damen und Herren! Ich darf Sie begrüßen und eröffne unsere heutige Plenarsitzung.

Bevor wir gleich zur Aktuellen Stunde kommen, teile ich Ihnen mit, dass die Fraktionen abweichend von der Empfehlung des Ältestenrats übereingekommen sind, unseren Tagesordnungspunkt 23, das ist ein Bericht des Haushaltsausschusses nebst entsprechendem Zusatzantrag, sowie Tagesordnungspunkt 39, einen Antrag der AfD-Fraktion, zu vertagen.

Da klingelt ein Telefon. Das könnten wir vielleicht draußen annehmen. – So, meine Damen und Herren, alle haben ihre Mobiltelefone noch einmal überprüft. Das ist gut. Dann können wir jetzt zur

Aktuellen Stunde

kommen.

Dazu sind wie immer vier Themen angemeldet worden, und zwar von der GRÜNEN Fraktion:

Rechtsextremismus beim Namen nennen: Bei neuer Mittwochs-Demo sind Rechtsstaat und Zivilgesellschaft gefordert

Die Fraktion DIE LINKE hat angemeldet:

Ohne Fernwärmenetz kein Klimaschutz – den Volksentscheid vollständig umsetzen!

Die Anmeldung der FDP-Fraktion lautet:

Gymnasial-Leiter schlagen Alarm: Abitur und Allgemeinbildung in Gefahr – Handlungsbedarf dringend

Und schließlich die Anmeldung der AfD-Fraktion:

Rückkauf des Fernwärmenetzes: Teures Netz gleich teure Wärme

Das Wort bekommt zunächst Frau Möller für die GRÜNE Fraktion. Sie startet mit dem ersten Thema. Als Redezeit stehen wie immer in der ersten Runde fünf Minuten, in der zweiten und allen weiteren Runden drei Minuten zur Verfügung. – Frau Möller.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In Chemnitz waren es nicht nur besorgte Bürgerinnen und Bürger, die in dem Mob auf der Straße waren, und es werden heute in Hamburg auch eher wenig besorgte Bürgerinnen und Bürger auf der Straße sein – die Anmeldung ist nach den Erkenntnissen der Polizei ganz eindeutig dem rechten Spektrum zuzuordnen. Die besorgt-bürgerliche Tarnung scheint nicht mehr nötig. Das kann ich sogar nachvollziehen. Ich zitiere Ihnen einmal, damit Sie es vielleicht auch nachvoll

ziehen können, aus dem Aufruf vom 22. August. Durch – ich zitiere –

"massive unkontrollierte Zuwanderung von völlig kulturfremden, nicht zu integrierenden Menschen wird unsere Gesellschaft und unsere Kultur zerstört."

Das fällt zwar unter die Meinungsfreiheit – das darf man sagen –, aber das ist nicht die Stimme besorgter Bürgerinnen und Bürger, sondern rechtspopulistisch und rassistisch.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der CDU, der LINKEN und der FDP)

Und genau so müssen wir demokratische Parteien das auch immer wieder mit klaren Worten benennen.

Ich mache mir Sorgen über die Diskursverschiebung nach rechts. Wenn der Bundesinnenminister Seehofer, der mit seinen eigenen, oft die flüchtlingspolitische Debatte vergiftenden Äußerungen schon Maßstäbe verschoben hat, nun die Äußerungen von den Herren Gauland und Frohnmaier zu einem – in Anführungsstrichen – Recht auf Selbstverteidigung als unpassend bezeichnet, dann trägt das zur Tendenz der allgemeinen Verharmlosung bei und verkennt den gezielten Angriff auf die Grundelemente des Rechtsstaats.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der LIN- KEN, der FDP und bei Nebahat Güçlü frakti- onslos)

Es muss uns herausfordern, was sich in Chemnitz abgespielt hat. Den Versuch, hier die Macht auf der Straße zu übernehmen, die Jagd auf Menschen mit Migrationshintergrund, die Behinderung von Journalistinnen und Journalisten – wir müssen die Zivilgesellschaft stärken.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der LIN- KEN, der FDP, vereinzelt bei der CDU und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Wir nehmen Anteil an der Trauer der Familie des Mordopfers und seinen Freunden und Freundinnen. Und dann graust es einen schier, wenn man die Instrumentalisierung dieses Mordes durch die Rechten in Bildern oder Worten sieht, die darin gezieltes Ausbrechen aus demokratischen Regeln ableiten und erproben, den Hitlergruß zeigen, Jagd auf Menschen machen und Andersdenkende unverhohlen bedrohen. Die Bilder, auf denen Herr Höcke und andere AfDler mit Herrn Bachmann und anderen Rechtsextremisten, die die weiße Rose, das Symbol des antifaschistischen Widerstands gegen die Nationalsozialisten, für diesen Zweck okkupiert haben, gemeinsam marschieren, zeigen so deutlich den Schulterschluss zwischen AfD und der außerparlamentarischen Rechten, dass da niemand mehr weggucken kann.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der LIN- KEN, vereinzelt bei der CDU und bei Neba- hat Güçlü fraktionslos)

Wir werden sehen, wie sich das hier in Hamburg darstellt. Wird die AfD auch hier die – in Anführungsstrichen – Selbstverteidigung oder die ebenfalls von Herrn Gauland geplante – in Anführungsstrichen – friedliche Revolution, bei der – Zitat – Menschen aus dem System Merkel aus der Verantwortung vertrieben werden sollen, einfordern?

Die Tarnung ist weg. Das ist vielleicht das Gute. Niemand kann mehr sagen, das sei doch alles nicht so gemeint. Die Zielsetzung, Grundsätze des Rechtsstaats zu zerstören, die pluralistische Demokratie, in der die Grundrechte für alle gelten, auszuhebeln, ist mehr als eindeutig.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der LIN- KEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos und Carl-Edgar Jarchow FDP – Glocke)

Frau Möller, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Flocken?

Nein. – Ich habe viel Kritik an einzelnen Äußerungen der FDP. Auch die Kritik der CDU an dem Bundespräsidenten geht meiner Meinung nach fehl. Aber klar ist, dass wir als demokratische Parteien gemeinsam die Verantwortung haben, denjenigen Antworten zu geben, die sich schutzlos fühlen, die sich benachteiligt, ökonomisch abgehängt fühlen. Denen müssen wir politisch gerecht werden.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der LIN- KEN, vereinzelt bei der FDP und der CDU und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Wie das gelingen soll, darüber streiten wir in unserem demokratischen System zu Recht heftig und zwischendurch äußerst laut. Lösungen lassen sich nur mit einem gemeinsamen Grundkonsens gleicher Rechte für alle, der freien Entfaltung der Persönlichkeit, der Religionsfreiheit und des Gewaltmonopols, das durch den Staat ausgeübt wird … Unabhängigkeit der Presse und der Justiz ist unverzichtbar.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der LIN- KEN, vereinzelt bei der CDU und der FDP und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Und vor allem braucht es viele Menschen, die sich mutig und laut gegen Nazis einsetzen und für unsere bunte, vielfältige, demokratische, offene Gesellschaft einstehen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der LIN- KEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Das Wort bekommt Herr Schumacher für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Was sind die grundlegenden Elemente unserer Demokratie? Da fällt einem ganz schnell ein: freie und gleiche Wahlen, Gewaltenteilung, Rechtsstaatlichkeit, Unabhängigkeit der Gerichte, Mehrparteienprinzip und die Pressefreiheit. Aber nicht einmal in diesen weitreichend-komplexen Prinzipien erschöpft sich die Demokratie. Sie erschöpft sich eben nicht in Spielregeln. Nach den Erfahrungen der Weimarer Republik, in der es möglich war, mit demokratischen Mitteln die Demokratie selbst abzuschaffen, wurde in Deutschland nach 1945 eine Demokratie aufgebaut, die für bestimmte oberste Werte eintritt, an deren erster Stelle die Würde des Menschen steht. Wir verstehen unsere Demokratie daher als wehrhafte Demokratie, eine Demokratie, die sich erfolgreich gegen ihre Feinde zur Wehr setzen kann und muss.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN, der FDP und bei Nebahat Güçlü frakti- onslos)