Protocol of the Session on May 30, 2018

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Flüchtlingsunterkünfte des Senats mit der Perspektive Wohnen sind ein Etikettenschwindel. Was dieser Senat gebaut hat, sind keine Flüchtlingsunterkünfte mit der Perspektive Wohnen, sondern Flüchtlingsunterkünfte mit der Perspektive sozialer Brennpunkt und es schmerzt, das zu sehen. Denn es wäre eigentlich eine gute Möglichkeit gewesen für diese Stadt zu sagen, man erleichtere die Integration der Flüchtlinge durch die baulichen Bedingungen, die man schafft, soweit es geht und wo immer man kann. Stattdessen hat der Senat ein Verfahren gewählt, das von Anfang an dieses Ziel vereitelt hat. Er hat per Drucksache hier in der Bürgerschaft den Bezirken aufgetragen, jeder Bezirk möge eine Fläche für eine Großunterkunft benennen. Die Bezirke waren natürlich – auch mit anderen Wohnungsbauzielen schon zur Genüge bedient – massiv unter Druck gesetzt und kannten zum Teil gar nichts mehr. Das Ergebnis war eine Verteilung über die Stadtteile, die sich überhaupt nicht zur Priorität gemacht hat, eine sozial ausgeglichene Verteilung der Flüchtlinge in dieser Stadt zu erreichen. Man hat einige wenige Flüchtlinge in Harvestehude, in Rissen und ansonsten nahezu ausschließlich in Gegenden, die sozial eher zu den schwächeren Teilen der jeweiligen Bezirke gehören.

(Christiane Blömeke GRÜNE: Das stimmt doch gar nicht!)

Nahezu, nahezu. Es gibt die Ausnahmen; ich habe es doch gerade gesagt. Regen Sie sich nicht so auf, Sie müssen sich das schon anhören.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie, gerade die GRÜNEN, dazu komme ich noch, so eine Politik zu verantworten haben, dann müssen Sie sich das zumindest auch anhören.

(Martina Koeppen)

Das Zweite, was schmerzte, ist, dass Sie das Baurecht bis zum Missbrauch hingebogen haben. Ich nenne ein Beispiel aus Eidelstedt.

(Zurufe von der SPD)

Sie haben eine Ausnahmevorschrift genutzt, die vorgesehen war, um in Ausnahmefällen Flüchtlingsunterkünfte in Gewerbegebieten bauen zu können. Das war eigentlich für Flächenstaaten gedacht.

(Dr. Monika Schaal SPD: Was ist denn ge- baut worden?)

Dann haben Sie in den Bürgervertrag geschrieben, dass von Anfang an die Unterkünfte, die Sie dort mit der Ausnahmeregelung gebaut haben, nicht als Flüchtlingsunterkünfte, sondern als normale Wohnungen gedacht gewesen seien. Dafür haben Sie die Ausnahmevorschrift genutzt. Das mag formell rechtmäßig gewesen sein, klagen konnte da keiner, aber es war zumindest sehr hingebogenes Recht.

(Farid Müller GRÜNE: Wer hat denn ge- klagt?)

Sie haben die Zusagen an die Bürgerinitiativen nicht eingehalten. Sie haben beispielsweise, anders als sie geschrieben haben, in Eidelstedt zugesagte Emissionsgutachten nicht vorgelegt. Sie haben – und das ist doch für die GRÜNEN gerade immer ein rotes Tuch gewesen – Landschaftsschutzgebiete am Eidelstedter Duvenacker zugebaut, sonst ein rotes Tuch für die Grünen, jetzt, das müssen Sie sich auch anhören, waren Sie plötzlich nirgendwo mehr.

(Christiane Blömeke GRÜNE: Wollen Sie keinen Wohnungsbau?)

Das Gesamtergebnis schmerzt auch hier. Sie haben eine riesige Flüchtlingsunterkunft mit 2 500 Plätzen am Mittleren Landweg und in Eidelstedt eine Siedlung geschaffen, die in sozial schwieriger Lage ist zwischen Autobahn und Bahnstrecke, umrahmt von Sozialwohnungen. Von einer ausgeglichenen Integration in den Stadtteil kann dort überhaupt keine Rede sein. So kann man Integration schwerer machen, und das haben Sie getan. Leider ist genau das, Sie haben es gehört, Wasser auf die Mühlen der Leute ganz rechts von uns. Denn ich war ausgerechnet, der Zufall wollte es so, Wahlhelfer in einem Wahllokal, das in Eidelstedt um diese Flüchtlingsunterkunft herum lag, und die AfD hatte mehr als doppelt so viele Stimmen, wie sie sie sonst im Schnitt in Hamburg hatte. Das ist leider auch das Ergebnis.

Auch die Reduzierung der Unterkünfte für Flüchtlinge, die Sie jetzt vorgenommen haben, war ein Etikettenschwindel in Sozialwohnungen, das sage nicht ich, sondern das sagt der SPD-Bezirksamtsleiter aus Bergedorf, weil letztlich die gleichen Leu

te dort wohnen bleiben. Sie behaupten immer, es gehe nicht anders.

(Zurufe von der SPD)

Aber schauen Sie einmal nach München. Dort – ich habe die Karte eben extra einmal ausgedruckt – ist es wunderschön verteilt. Sie sehen im ganzen Stadtgebiet Flüchtlingsunterkünfte, von denen keine einzige, die auf Dauer angelegt ist …

(Zurufe von den GRÜNEN – Glocke)

Das Wort hat nur der Abgeordnete Heißner.

(Beifall bei der CDU)

… keine einzige hat mehr als 350 Plätze. Das müssen Sie sich einmal anhören, Es geht nämlich sehr wohl anders.

(Glocke)

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kienscherf?

Ja, wenn Sie meine Zeit anhalten.

Sie deuten jetzt gerade an, als gebe es in dieser Stadt nur sehr wenige Flüchtlingsunterkünfte. Es würde mich doch einfach mal interessieren, ob Ihnen bekannt ist, dass es sehr, sehr viele Flüchtlingsunterkünfte über die gesamte Stadt verteilt gibt, oder ob Ihnen das irgendwie entgangen ist.

(Dennis Gladiator CDU: Wollen Sie Lob da- für?)

Herr Kienscherf, vielen Dank für diese Zwischenfrage. Sie ermöglicht mir noch einmal zu erläutern, dass natürlich nicht die Zahl das Problem ist. Das Problem ist, wie Sie es gemacht haben. Das Problem ist, wie Sie die Zahl der Flüchtlinge in einer Unterkunft konzentriert haben, wie am Mittleren Landweg mit 2 500 Plätzen an einem Standort auf der grünen Wiese.

(Dirk Kienscherf SPD: Eine ist das!)

Das ist eine. Ist Ihnen eine Flüchtlingsunterkunft egal? Okay. Herr Kienscherf sagt, ein großer sozialer Brennpunkt in Hamburg sei in Ordnung. Das ist also die Politik des SPD-Fraktionsvorsitzenden. Vielen Dank, das sagt auch alles.

(Beifall bei der CDU)

Es geht aber auch konkret anders. Ich habe es abgefragt zu einem Standort, der bei FindingPlaces herausgekommen ist, in Eimsbüttel in der Nähe der Christuskirche. Da war Ihre Antwort, nein, dort

werde nicht mehr geplant, weil kein Bedarf mehr bestünde. Also ich schließe daraus, dass dieser Senat kein Problem damit hat, ein Landschaftsschutzgebiet im sozial schwächeren Eidelstedt zuzubauen. Aber im Eimsbütteler Kerngebiet wollen Sie den Menschen keine Flüchtlingsunterkunft mehr zumuten.

(Dr. Monika Schaal SPD: Das ist unglaub- lich!)

Ich sage Ihnen, diese Politik des Senats ist weder sozial noch ist sie demokratisch und schon gar nicht grün. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat die Abgeordnete Engels von der GRÜNEN Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sollten unsere Energien darauf verwenden, die Unterbringungs- und Wohnungssituation von Geflüchteten und von allen anderen Menschen dieser Stadt besser und sozial gerechter zu gestalten, anstatt verschiedene Gruppen gegeneinander auszuspielen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Aber genau dies tut die AfD mit dieser Debatte und das ist unerträglich.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Dass die CDU nun auch noch diese Debatte nutzt, um ihr eigenes Süppchen zu kochen, halte ich auch für mehr als fragwürdig.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Bevor ich näher auf die AfD-Fragen eingehe, möchte ich noch einmal daran erinnern, wo wir eigentlich herkommen.

(Dennis Thering CDU: Ich würde gern wis- sen, wo Sie hinwollen!)

Denn wenn ich auf die letzten drei Jahre zurückblicke, dann muss ich wirklich sagen, dass ich glücklich bin über die Fortschritte, die wir in Sachen Unterbringung von Geflüchteten in dieser Stadt erreichen konnten. Ich erinnere mich noch zurück an die Zeit, in der wir Baumärkte und teils sogar Zelte nutzen mussten, weil schlicht nicht genügend feste Unterkünfte verfügbar waren. Diese Situation haben wir in Hamburg, auch im Bundesvergleich, ziemlich schnell und ziemlich gut in den Griff bekommen. Neben der ständigen Suche nach nutzbaren Flächen und Gebäuden für angemessene Folgeunterbringung sind wir direkt in die langfristige Planung eingestiegen. Das Ergebnis sind die Flüchtlingsunterkünfte mit Perspektive

Wohnen und ich muss echt sagen, dass ich mit diesem Ergebnis zufrieden bin.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ich habe bereits einige Unterkünfte dieser Art besichtigt und ich muss sagen, dass das, was hier entstanden ist, keine Gettos, keine notdürftigen Behausungen, sondern wirklich gute Neubauquartiere sind. Übrigens stehen uns hier jetzt auch mit einem Schlag deutlich mehr barrierearme Plätze in der öffentlichen Unterbringung zur Verfügung und diese werden dringend benötigt.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)