Protocol of the Session on January 17, 2018

Das Wort bekommt Frau Schneider von der Fraktion DIE LINKE.

Meine Damen und Herren! Ich kann es mir nicht verkneifen, auch noch einige Worte dazu zu sagen, denn es handelt sich hier um ein für die AfD wirklich typisches Vorgehen, das voll an der Realität vorbeigeht. Sie stellen die Realität für Ihre ideologischen Zwecke falsch dar. Schon in der Überschrift wird eine Behauptung aufgestellt, die suggeriert, dass Geflüchtete zu Unrecht in den Genuss von Vorteilen gelangen. Da heißt es nämlich:

"Bevor ein Flüchtling eine unbegrenzte Aufenthaltserlaubnis erhält, muss überprüft werden,

(Dirk Nockemann AfD: Dokumente über- prüft!)

ob der Fluchtgrund noch besteht."

(Dennis Gladiator)

Die Behauptung ist in mehrfacher Hinsicht falsch. Hier wird nämlich suggeriert, dass eine Überprüfung nicht geschieht und dass Geflüchtete also zu Unrecht unbegrenzte Aufenthaltserlaubnisse erhalten. Diese Behauptung ist schlicht falsch. Im Jahr 2015 kam es bei knapp 10 000 Widerrufsprüfungen in nur 3 Prozent aller Fälle zu einer Aberkennung des Schutzstatus. Im Jahr 2016 wurden 3 170 Prüfverfahren eingeleitet und in 395 Fällen der Schutzstatus entzogen, einschließlich 199 Fälle subsidiärer Schutz. Im zweiten Quartal 2017 leitete das BAMF 1 318 Überprüfungen ein und traf 689 Entscheidungen. In 54 Fällen wurde der Schutzstatus aberkannt. Allerdings hatte Innenminister de Maizière nach dem Fall Franco A. im Mai 2017 angekündigt, die Widerrufsprüfungen deutlich zu erhöhen. Das ist auch geschehen. Einer fast Verzwanzigfachung der eingeleiteten Widerrufsprüfungen, 25 000 im dritten Quartal, steht eine sehr geringe Zahl entsprechender Entscheidungen gegenüber, nämlich 216, von denen nur etwa ein Drittel einen Widerruf oder eine Rücknahme nach sich zieht. Die Leute werden also verunsichert und es führt nur zu sehr wenig.

Jetzt möchte ich Ihnen neue Zahlen präsentieren, die die AfD natürlich hätte kennen können. Die Bundesregierung liefert nämlich in einer Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion völlig andere Zahlen als "Die Welt" in dem von der AfD zitierten Artikel. Laut "Welt" handelt es sich nur in wenigen Fällen um eine individuelle Prüfung, in den meisten Fällen greife das BAMF auf den UNHCR oder auf Auswärtige-Amt-Berichte zurück. Allerdings widerspricht dieser Einschätzung, dass nach Angaben der Bundesregierung auf eine Anfrage der linken Abgeordneten Ulla Jelpke diese in 54 000 Verfahren die Identitätsdokumente von Geflüchteten einer erneuten physikalisch-technischen Untersuchung unterzogen hat. Also der "Welt"-Artikel, auf den Sie sich stützen, ist von November, der Antrag der AfD vom Dezember. Selbst wenn im November noch nicht bekannt war, dass das BAMF die Überprüfungen erhöht hat, hätten Sie das spätestens im Januar wissen und Ihren Antrag zurückziehen können.

Zu der Niederlassungserlaubnis sage ich nichts, da ist vieles gesagt worden.

Ich will noch einmal auf Ihre Methode eingehen. In der Begründung wird über das Zitieren von Gesetzen und seriösen Medien, in diesem Fall der "Welt", der Eindruck erweckt, als entspräche die Behauptung der Wahrheit. Das Thema ist außerdem sehr kompliziert, sodass kritischen Leserinnen und Lesern einiges an Recherchearbeit abverlangt würde. Die wenigsten werden sich die Mühe machen, denn es reicht ja völlig, einen überholten "Welt"-Artikel zu lesen, um das verquere AfD-Weltbild bestätigen zu können. Ob sinnvoll oder nicht, das ist Ihnen egal. Es geht Ihnen um Stimmungsmache gegen Geflüchtete.

Das Thema liegt nicht, auch das ist gesagt worden, in der Zuständigkeit der Länder. So bleibt das Petitum des Antrags bei der Aufforderung an den Senat, sich dafür einzusetzen, dass eine individuelle Prüfung erfüllt wird. Das ist für das Brimborium, das Sie darum machen, wirklich mehr als dünn. Damit wird die Mär vom massenhaften Asylmissbrauch und dem Versagen der deutschen Behörden aber wieder einmal in die Welt gebracht. Und ich finde: Sparen Sie sich das.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und bei Christiane Blömeke GRÜNE)

Das Wort bekommt Frau Nicolaysen von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Einiges ist zu diesem Thema bereits gesagt worden und auch zu der verkehrten Welt der AfD. Der Paragraf 26 Absatz 3 Aufenthaltsgesetz regelt, wann ein Ausländer unter Umständen ein Recht auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis hat. So weit ist das richtig; da, denke ich, sind wir uns alle einig. Doch warum die AfD nun den Senat in die Spur schicken will, um dem BAMF zu sagen, wie dort die Prüfungen ablaufen sollen, ist einfach komisch. Der Senat hat nicht einmal geschafft, das BAMF dazu zu bringen, den Abgeordneten Informationen zu liefern, die wir für unsere Arbeit brauchen. Wie hieß es doch in unterschiedlichen Anfragen? Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat mitgeteilt, es sei grundsätzlich nicht verpflichtet, parlamentarische Anfragen aus Hamburg zu beantworten. Aber auf der anderen Seite wird der Senat vermutlich offene Türen einrennen. Das BAMF hat schließlich im "Die Welt"-Artikel, der offensichtlich Grundlage für Ihren Antrag ist, angekündigt, die Schutzbedürftigkeit von Flüchtlingen zukünftig stärker überprüfen zu wollen.

(Dirk Nockemann AfD: Na also, nichts ande- res will ich doch!)

Und dann dürfen wir auch nicht vergessen, dass eine Niederlassungserlaubnis nach drei Jahren auch an einige weitere Kriterien gebunden ist, nämlich die wirtschaftliche und sprachliche Integration. Das ist Ihnen wohl auch nicht entgangen.

(Dirk Nockemann AfD: Das habe ich doch gesagt!)

Weniger gut Integrierte können nämlich nach fünf Jahren, und das haben wir ja auch besprochen, auf die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis hoffen, und das auch nur, wenn sie nicht wegen einer Straftat verurteilt wurden oder überwiegend von Transferleistungen abhängig sind. Fassen wir also zusammen: Die AfD möchte, dass der Senat einer Bundesbehörde erklärt, wie sie ihren Job zu machen hat,

(Christiane Schneider)

(Dirk Nockemann AfD: Wenn sie den Job nicht richtig machen, dann muss ich das!)

obwohl er keinen Einfluss hat. Die AfD möchte, dass das BAMF die Prüfaufgaben erfüllt, bei denen das BAMF bereits erklärt hat, dass es hier zukünftig die Anstrengungen verstärken wird.

(Dirk Nockemann AfD: Ihre Kollegen sagen, dass es keiner weiteren Prüfung bedarf!)

Die AfD sagt natürlich nicht, woher das BAMF das entsprechende Personal bekommt, das es zur Überprüfung einer wachsenden Zahl an positiven Bescheiden braucht.

Und zuletzt: Die AfD hat scheinbar genau etwas gegen jene sprachlich und wirtschaftlich gut Integrierten, die bereits nach drei Jahren ein Recht auf eine Niederlassungserlaubnis ableiten können. Vielleicht hätten Sie den kompletten Zeitungsartikel lesen sollen. Wir lehnen auf jeden Fall diesen Antrag ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen – das ist nicht der Fall –, kommen wir zur Abstimmung.

Wer möchte nun die Drucksache 21/11433 an den Innenausschuss überweisen? Den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das Überweisungsbegehren ist mit Mehrheit abgelehnt.

Und wir stimmen dann über den Antrag der AfDFraktion aus der Drucksache 21/11433 in der Sache ab.

Wer möchte den Antrag annehmen? Den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zum Punkt 13 unserer heutigen Tagesordnung, dem Senatsantrag aus Drucksache 21/11426: Entwurf eines Gesetzes über die Einführung einer pauschalen Beihilfe zur Flexibilisierung der Krankheitsvorsorge.

[Senatsantrag: Entwurf eines Gesetzes über die Einführung einer pauschalen Beihilfe zur Flexibilisierung der Krankheitsvorsorge – Drs 21/11426 –]

Diese Drucksache möchten die Fraktionen der SPD, der CDU, der GRÜNEN und der FDP an den Haushaltsausschuss überweisen. Die Fraktionen der CDU und der FDP beantragen darüber hinaus die Mitberatung im Gesundheitsausschuss.

Wer wünscht das Wort? – Herr Rosenfeldt von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir debattieren heute einen sehr schlanken Gesetzentwurf des Senats, der trotzdem, wie unser Bürgermeister zu Recht festgestellt hat, ein Stück Sozialgeschichte in Deutschland schreibt. Die Beihilfe, die die Krankenversicherung der Beamtinnen und Beamten regelt, soll so gestaltet werden, dass sich künftig neue Beamtinnen und Beamte der Stadt auch in der gesetzlichen Krankenversicherung versichern können, ohne Nachteile in Kauf nehmen zu müssen.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Blö- meke GRÜNE)

Das schafft echte Wahlfreiheit, ist gerecht und stärkt die solidarische gesetzliche Krankenversicherung. Mit der Einführung einer pauschalen Beihilfe und der damit verbundenen Flexibilisierung des Beihilferechts für Beamtinnen und Beamte nimmt Hamburg bundesweit eine Vorreiterrolle ein und leistet einen wesentlichen Beitrag zur Modernisierung des Krankenversicherungssystems – mehr Wettbewerb, mehr Gerechtigkeit, weniger Verwaltungsaufwand.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Blö- meke GRÜNE)

Ab dem 1. August 2018 sollen neue Beamtinnen und Beamte erstmals die Wahl haben zwischen einer individuellen und einer pauschalen Beihilfe. Die Pauschale entspricht entweder der Hälfte des Beitrages zur gesetzlichen Krankenversicherung oder dem Beitrag einer privaten Krankenvollversicherung. Die Beamten erhalten damit praktisch den 50-prozentigen Arbeitgeberanteil, wie dies bei Angestellten üblich ist.

Wichtig ist: Niemand wird zur Pauschale gezwungen. Im Gegenteil, Hamburg schafft damit erstmals eine echte Wahlmöglichkeit. Beamtinnen und Beamte sind heute faktisch gezwungen, sich ergänzend zur individuellen Beihilfe privat zu versichern, um die Differenz zwischen Beihilfe und den tatsächlichen Kosten zu versichern. Wer dagegen freiwillig Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung ist, muss bisher die Beiträge in vollem Umfang allein tragen. Die Stadt zahlt bisher nämlich nur eine geringe ergänzende Beihilfe, aber keinen darüber hinausgehenden 50-prozentigen Anteil an den monatlichen Versicherungsbeiträgen, wie dies bei Angestellten selbstverständlich ist. Hamburg hat somit bisher auf Kosten seiner freiwillig gesetzlich versicherten Beamtinnen und Beamten gespart. Das wollen wir nicht mehr.

Betroffen davon sind übrigens vor allem kinderreiche, teilzeitbeschäftigte, chronisch kranke und behinderte Beamtinnen und Beamte, für die die ge

(Christel Nicolaysen)

setzliche Krankenkasse die bessere oder zumindest eine attraktivere Alternative war. Aber auch künftige Beamtinnen und Beamte, die aus Überzeugung bei der gesetzlichen Krankenversicherung bleiben wollen, sind hiervon betroffen. Künftig steht ihnen der Weg in die gesetzliche Krankenversicherung und damit in die Familienversicherung offen. Bei Vorerkrankungen müssen sie keine Risikoaufschläge zahlen, denn die gesetzliche Krankenversicherung beruht im Unterschied zu den privaten nicht auf dem individuellen Krankheitsrisiko, sondern auf dem Solidarprinzip und dem individuellen Einkommen.

Der vorliegende Gesetzentwurf schafft mehr Gerechtigkeit für diejenigen Beamtinnen und Beamten, die bisher schon freiwillig in der GKV versichert waren und die Kosten allein stemmen mussten. Er richtet sich vor allem an neue Beamtinnen und Beamte, die sich am Beginn ihrer Laufbahn entscheiden können, ob sie die pauschalierte Beihilfe für die GKV in Anspruch nehmen wollen oder nicht. Diese Entscheidung ist dann allerdings endgültig. Einen Wechsel von bisher Privatversicherten in die GKV wird es mit diesem Gesetz nicht geben. Ist der vorliegende Gesetzentwurf nun ein schleichender Einstieg in die Bürgerversicherung und beschließen wir heute trojanische Pferde für ein bewährtes Krankenversicherungssystem, wie Frau Stöver meinte, dass es das sei? Das ist natürlich überhaupt nicht der Fall. Dies ist eine Reform des Beihilfesystems und keine sozialrechtliche Maßnahme. Unsere Kompetenzen als Landesgesetzgeber sind begrenzt.

(Joachim Lenders CDU: Richtig!)

Das ist richtig. Was wir hier in Hamburg tun können, Herr Lenders, das tun wir auch und legen die Hände nicht in den Schoß.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Blö- meke GRÜNE)

Wir befinden heute über eine Reform, die allerdings zu den Zielen passt, die wir auch mit einer solidarischen Bürgerversicherung verbinden. Die SPD will ein Krankenversicherungssystem mit fairem Wettbewerb, Transparenz und gleich guten Leistungen für alle Versicherten. Wir wollen niemanden ausgrenzen; das ist und das bleibt auch unser Ziel.

Zu den Kosten: Ausgehend von geschätzt 2 400 bisher bekannten freiwillig versicherten Beamtinnen und Beamten in der GKV ist davon auszugehen, dass es zu jährlichen Mehrkosten in einer Höhe von etwa 5,8 Millionen Euro kommen wird. Für die pauschalierte Beihilfe muss man auch Schätzungen zugrunde legen können, sonst kann man keine Gesetze machen. Das ist für die Zukunft immer so, dass man dort hinschaut. Die pauschalierte Beihilfe spart auf der anderen Seite aber Verwaltungsaufwand, sodass langfristig eine Kosten

neutralität zu erwarten ist. Das schlanke Gesetz ist ein durchaus großer Entwurf. Es geht nicht um Status und Stand, wie einige Kritiker meinen.

(Glocke)

Entschuldigung, Sie haben völlig recht, ich beende.