Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Thering, auch die SPD-Bundestagsfraktion hat dem Gesetz zugestimmt.
Auch bei ihr hätten Sie sich bedanken dürfen. Ich glaube, wir haben über das Gesetz als solches überhaupt keinen Dissens, aber ich hoffe, Sie erlauben mir, dass ich etwas differenzierter an die Sache herangehe, als Sie es gerade gemacht haben.
Das Videoüberwachungsgesetz, auf das Sie Bezug nehmen, wurde, wie Sie sagten, erst im Frühjahr 2017 beschlossen und hat im Wesentlichen das Bundesdatenschutzgesetz dahin gehend geändert, dass auch öffentlich zugängliche Anlagen in den Anwendungsbereich fallen, wobei gar nicht sicher ist, inwieweit Bahnhofsvorplätze und so weiter darunterfallen. Die wesentliche Neuerung des Gesetzes, das sich im Übrigen – auch das haben Sie leider nicht herausgearbeitet – an Private und nicht an die öffentliche Verwaltung oder den Staat richtet, erleichtert in der Tat die Videoüberwachung, aber eben für Private, und wertet Sicherheitsbelange, die den Schutz von Leben, Gesundheit und Freiheit betreffen – das haben Sie immerhin dargestellt –, beim Datenschutz etwas auf. Aber mitnichten wird gesagt, das gehe immer und überall flächendeckend; das geht weiterhin nicht. Da müssen Sie sich vielleicht noch einmal ein bisschen genauer mit der Materie auseinandersetzen. Der von mir geschätzte Kollege Gladiator hat, ich glaube, 2015 dazu einmal eine Schriftliche Kleine Anfrage gestellt – die Sie sicherlich auch gelesen haben –, in der er auch auf die Datenschutzbelange eingegangen ist. Diese können wir natürlich nicht völlig außen vor lassen. Warum? Natürlich muss in jedem Einzelfall auch immer geprüft werden, ob Videoüberwachung erforderlich ist oder nicht. Sie haben eben auch noch nicht so richtig dargestellt, dass es hier um Plätze geht. Ich glaube, das tut nicht not, weil das, was Sie vorhaben, gar nicht den Kern des Problems trifft. Im Kern des Problems sind wir uns, glaube ich, einig. Ich glaube, da sind sich bei uns alle Fraktionen einig, von ganz links bis ganz rechts. Was wir alle wollen, ist doch eine effektive Kriminalitätsbekämpfung an Kriminalitätsschwerpunkten.
Was wir alle nicht wollen, das ist im Übrigen auch nicht die Rechtslage, ist eine flächendeckende deutschlandweite Videoüberwachung. Da müssen wir uns auch gar nicht anbrüllen, denn ich glaube, da sind wir alle einer Meinung, sogar die AfD. Wir alle wollen eine Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten. Diese ermöglicht dieses Gesetz und weitet es auf Private aus. Sie wollen jetzt irgend so einen Prüfauftrag, bei dem mir nicht klar ist, an wen er sich richten und wohin er eigentlich führen soll.
Ja, aber Ihnen ist schon klar, Herr Kollege Thering, dass sich das Gesetz zum Beispiel nicht an die Bahnhofsvorplätze der Deutschen Bahn oder S-Bahn richtet. Das wussten Sie doch, bevor Sie diesen Antrag gestellt haben, oder?
Wissen Sie überhaupt, auf welche Anwendungsbereiche sich dieses Gesetz bezieht? Es bezieht sich auf den Anwendungsbereich ZOB und in der Tat auf die Hochbahn. Und auch da haben wir doch überhaupt keinen Dissens. Es ist Aufgabe der Polizei und der jeweils betroffenen Privaten, zu prüfen, wo eine Videoüberwachung Sinn macht und wo nicht. Wenn sich dort Schwerpunkte ergeben, dann soll dort auch Videoüberwachung stattfinden. Die Hamburger Polizei braucht meiner Meinung nach keinen Nachhilfeunterricht von der CDU.
Und weil wir uns zwar im Kern des Problems einig sind, weil sich auch unsere Bundestagsfraktionen einig waren, weil wir alle wollen, dass dieses Gesetz durchaus Anwendung findet und eine effektive Kriminalitätsbekämpfung stattfindet, aber nicht irgendetwas Flächendeckendes, was wir gar nicht hinbekommen, ist Ihr Antrag schlicht viel zu unkonkret und nimmt die gezielte Bekämpfung von Kriminalitätsbrennpunkten überhaupt nicht in den Blick. Daher und nur aus diesem Grunde, ohne jetzt weiterhin Gegensätze konstruieren zu müssen, können wir den Antrag, glaube ich, getrost ablehnen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist immer dasselbe: Nach Terroranschlägen wird nach schärferen Gesetzen gerufen,
und die CDU schließt sich dem als Erste an und verfällt in Aktionismus. Das ist der Unterschied zu Herrn Tabbert, der differenziert dargestellt hat, inwieweit auch der Datenschutz zu Recht zu berücksichtigen ist.
Das Problem an Ihrem Antrag und Ihrem Vorschlag ist, dass Videoüberwachung auf Verkehrsknotenpunkte, auf Bahnhofsvorplätze und auf andere Plätze ausgeweitet werden soll und somit mehr oder weniger unbegrenzt möglich ist. Das ist deshalb so problematisch, weil dann auch Unbescholtene aufgezeichnet werden. Es werden sehr viele Daten gesammelt von sehr vielen Personen, die keiner Straftat verdächtig sind, und das greift in Grundrechte ein. Es greift ein in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und in Persönlichkeitsrechte. Und das schränkt den Alltag ein, denn man verhält sich naturgemäß anders, wenn man ständig unter Beobachtung steht oder sich beobachtet fühlt oder mit einer Beobachtung rechnen muss.
Auf der anderen Seite muss natürlich möglichst alles zur Vermeidung von Straftaten getan werden. Es stellt sich die Frage – das ist nämlich der entscheidende Punkt, der in Ihrem Antrag gar nicht berücksichtigt wird –, inwieweit Videoüberwachung dafür überhaupt ein geeignetes Mittel ist. Denn es entsteht eine große Datenmenge, darunter auch Daten von unverdächtigen Personen. Da kommt es sehr stark auf die Umsetzung an, nämlich dass es gelingt, die Daten der tatsächlich Verdächtigen herauszufiltern, denn eine anlasslose Datenspeicherung ist ein großes Problem, weil auch mit diesen Datenmengen umgegangen werden muss. Was dabei passieren kann, haben wir gerade bei G20 gesehen, wo zu Unrecht verdächtigten Journalistinnen und Journalisten die Akkreditierung entzogen wurde.
Solche falschen Verdächtigungen nützen niemandem etwas, im Gegenteil, sie schaden nicht nur den Betroffenen, sondern auch der Verbrechensbekämpfung. Die Verbrechensbekämpfung ist doch Ihr Anliegen, und dafür sind unstrukturierte Datenmengen schädlich, weil Unbescholtene in Verdacht geraten. Die Aufmerksamkeit der Ermitt
lungsbehörden sollte sich einmal auf die richten, die tatsächlich echte Straftäter sind und verfolgt werden müssen. Wenn Sie immer darüber klagen, dass die Polizei zu wenig Personal hat, dann müssen Sie die Polizisten wenigstens sinnvoll einsetzen.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei Urs Tab- bert SPD – Dennis Thering CDU: Da klatscht noch nicht mal die SPD!)
Zum anderen sind Videoaufzeichnungen, wenn überhaupt – das ist eine weitere fehlende Differenzierung –, hilfreich bei der Strafverfolgung, wenn es also darum geht, Täter zu fassen. Aber verhindert werden Straftaten damit nicht unbedingt.
Dann unterbrechen wir kurz. Der Umgang mit Zwischenrufen ist leider in der Geschäftsordnung zu wenig geregelt. Aber im Moment nehmen sie zu sehr überhand, insbesondere aus dieser Richtung. Daher bitte ich darum, Frau Dr. Timm, die das Wort hat, zuzuhören.
Vielen Dank. – Noch einmal ein letzter Gedanke. Strafverfolgung wird mit Videoaufzeichnungen, wenn überhaupt, ermöglicht, jedoch nicht unbedingt die Abschreckung.
Insgesamt zeigt sich, dass das Thema komplex ist und genau zu differenzieren ist, in welchem Fall eine Einzelfallprüfung angebracht ist. Pauschale und undifferenzierte Ausweitungen, mit denen alles verschärft werden soll, ohne zuerst einmal geprüft zu haben, was mit den vorhandenen Regelungen erreicht werden kann, machen keinen Sinn. – Vielen Dank.
Ich weiß nicht, ob Ihnen eben aufgefallen ist, dass es hier zwei Fraktionen gibt, die sich begeistert auf die Schulter klopfen, weil sie beide im Bundestag das Videoüberwachungsverbesserungsgesetz verabschiedet haben. Herr Tabbert, ich weiß nicht, ob Sie darauf
wirklich stolz sein sollten. Denn beide Fraktionen und auch die CSU – Ruhe bitte – versuchen, Sicherheit zu suggerieren, versuchen, die Illusion zu schaffen, dass mehr Videoüberwachung mehr Sicherheit garantiert. Sie wissen genau, da bin ich mir sicher, dass das nicht stimmt. Videoüberwachungen verhindern Straftaten nicht; dazu gibt es genug Untersuchungen. Aber Sie tun so, als ob das helfen würde.
Herr Thering, ich weiß nicht, wie oft Sie sich an Busbahnhöfen, U-Bahnhöfen, S-Bahnhöfen oder Fernbahnhöfen aufhalten.
Wenn Sie öfter mit Bus und Bahn fahren, wüssten Sie, dass seit alters her, kann ich schon sagen, Bahnhöfe immer auch ein Treffpunkt sind für die Menschen, die abgehängt sind, für die Menschen, die vielleicht kein Dach über dem Kopf haben