Protocol of the Session on September 13, 2017

Wenn Sie öfter mit Bus und Bahn fahren, wüssten Sie, dass seit alters her, kann ich schon sagen, Bahnhöfe immer auch ein Treffpunkt sind für die Menschen, die abgehängt sind, für die Menschen, die vielleicht kein Dach über dem Kopf haben

(Dennis Thering CDU: Und deshalb sollen sie nicht überwacht werden?)

warten Sie erst einmal ab – und sich dort treffen, um dort auch gemeinsam zu trinken; wir haben genug gehört über Trinkertreffs. Wir wissen auch, dass immer mehr Bürgerinnen und Bürger sich dadurch gestört fühlen und die Polizei rufen, weil ihnen diese Menschen zu laut sind. Diesen Punkt haben Sie in Ihren Anfragen nicht genau differenziert. Sie haben nicht abgefragt, warum es so viele Polizeieinsätze gibt. Sie sind nicht mit einem Wort darauf eingegangen, dass viele Polizeieinsätze auch mit der steigenden Zahl der Schwarzfahrerinnen und -fahrer zu tun haben.

(Dennis Thering CDU: Das wissen Sie so genau?)

Sie wissen es überhaupt nicht. Es interessiert Sie gar nicht. Sie wollen nur über diese 9 694 Polizeieinsätze reden, nicht aber über deren Grund. Hauptsache, Sie können sich hier hinstellen und sagen, Sie wollen mehr Polizei haben. Das ist doch völlig absurd und nichts anderes als eine Wahlkampftour.

(Beifall bei der LINKEN)

Es interessiert Sie auch nicht, wie es den Menschen eigentlich geht, warum so viele immer häufiger ausgegrenzt sind und warum mehr Leute schwarzfahren.

(Dirk Nockemann AfD: Wir wollen die Men- schen vor Verbrechen schützen!)

Dass es Ihre Politik ist, die Politik von CDU/CSU und auch von der SPD, die immer mehr Menschen in die Armut treibt, die auch die Schwarzfahrquote hochtreibt, das interessiert Sie nicht. Aber dann hier Krokodilstränen zu vergießen ist echt armselig.

(Beifall bei der LINKEN)

(Dr. Carola Timm)

Sie haben gar nicht über eine gute Möglichkeit gesprochen, um das Sicherheitsgefühl zu erhöhen. Sie wissen vielleicht nicht, weil Sie noch so jung sind, dass es auf den Bahnsteigen früher Personal gab. Das würde vielleicht die Sicherheit erhöhen. Es würde dafür sorgen, dass die Menschen Ansprechpartnerinnen und -partner haben, aber das passt einfach nicht in Ihr Weltbild. Ich kann Ihnen beiden, CDU/CSU und SPD, garantieren, dass Überwachungs- und Repressionspolitik nie eine Lösung sein wird. Bekämpfen Sie die Armut und nicht die Armen, dann würde diese Welt viel besser aussehen.

(Beifall bei der LINKEN – Dennis Thering CDU: In Ihrer Welt!)

Vielen Dank, Frau Sudmann. – Als Nächster erhält das Wort Dr. Schinnenburg von der FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach der Rede von Frau Sudmann muss ich erst einmal kurz durchatmen, denn es war starker Tobak.

(Beifall bei Joachim Lenders CDU)

Zu der Behauptung, wenn es keine Armen mehr gibt, dann gibt es auch keine Kriminalität mehr: Das habe ich in mittlerweile sehr vergilbten Büchern aus den Siebzigerjahren gelesen. Das ist aber nicht der aktuelle Stand. Frau Sudmann, darüber sollten Sie noch einmal nachdenken. Das stimmt so nicht.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Danke für Ihren Applaus.

Was diesen Antrag und diese Debatte angeht, entschuldigen Sie, kommt jetzt eine Kritik. Wir erleben einen typischen Reflex der konservativen Parteien, also der CDU, der CSU und auch der SPD, die sich darin übertreffen wollten, wer hier mehr Bürgerrechtseinschränkungen macht. Immer dann, wenn es einen Terroranschlag gab, wenn die Kriminalität gestiegen ist oder wenn Wahlen vor der Tür stehen, kommen die konservativen Parteien mit der Keule an, um der Sicherheit willen müssten die Bürgerrechte eingeschränkt werden. Das war und ist falsch und wird auch immer falsch bleiben.

(Beifall bei der FDP)

Es gibt ein bestimmtes Repertoire von Stichworten, mit denen die konservativen Parteien ankommen. Das eine ist zum Beispiel die Videoüberwachung. Wie Sie wissen, ist Großbritannien ein Land mit einer nahezu flächendeckenden Videoüberwachung. Und wo gibt es einen Terroranschlag nach dem anderen? Antwort: In Großbritannien. Videoüberwachung hilft bei der Terrorismusbekämpfung also nicht.

Zweiter Punkt, Vorratsdatenspeicherung. Sie wissen, dass es in Frankreich seit Langem eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung gibt, es trotzdem aber zu Terroranschlägen kommt. Also auch Vorratsdatenspeicherung hilft bei der Terrorismusbekämpfung nicht. Die Attentäter von Barmbek und Berlin waren ohne Videoüberwachung, ohne Vorratsdatenspeicherung bekannt. Da haben schlicht und einfach die Behörden versagt. Man hätte den Barmbeker Attentäter einfach abschieben müssen.

(Beifall bei Jens Meyer FDP)

Hätte man nicht so lange geschlafen, hätte man ihn abschieben können, das Problem wäre ohne Videoüberwachung gelöst worden. Deshalb brauchen wir sie nicht.

(Beifall bei der FDP)

Es wundert mich wirklich, dass die CDU diesen Antrag stellt. Sie haben zu dem Thema doch selbst eine Große Anfrage gestellt, Drucksache 21/9281, Frage 28. Sie haben gefragt, ob die Unternehmen des HVV mehr Videoüberwachung an Bahnhöfen wollen. Der Senat hat geantwortet, er habe von den Unternehmen gehört, dass sie das gar nicht wollen. Aber wir Politiker haben oft das Problem, dass viele Bürgerinnen und Bürger mehr Überwachung fordern, und müssen uns überlegen, ob wir dieser Forderung nachkommen wollen. Aber die Betroffenen selbst wollen das nicht. Wenn nicht einmal die Betroffenen mehr Überwachung wollen, warum wollen dann Sie das? Das ist doch Unsinn.

(Beifall bei der FDP – Dirk Nockemann AfD: Wegen des Schutzes der Bürger!)

Was wollen wir stattdessen machen? Die FDP macht natürlich Vorschläge. Es reicht in der Tat nicht, Hartz IV ein bisschen zu erhöhen, um die Kriminalität zu bekämpfen. Man muss schon ein bisschen mehr tun. Unser erster Vorschlag wäre moderne Technik. Die vorhandene Videoüberwachung ist häufig unbrauchbar, weil die Kameras völlig überholt sind. Geben Sie Geld aus für moderne Technik der vorhandenen Videoüberwachung.

(Dennis Thering CDU: Aber Sie wollen doch keine Videoüberwachung!)

Oder sorgen Sie für eine bessere Koordinierung der Länderpolizeien, die sich oft nicht austauschen können. Deshalb passieren solche Dinge wie in Berlin oder in Barmbek. Oder verbessern Sie die Arbeitsabläufe bei der Hamburger Polizei. All das hilft viel mehr als die Keule vor der Wahl mit Bürgerrechtseinschränkungen. Das machen wir nicht mit. Dieser Antrag ist nicht beschlussfähig, aber anders als SPD und andere sind wir gern bereit, über jede Art von Vorschlägen zu diskutieren. Darum stimmen wir einer Überweisung an den Verkehrsausschuss und auch an den Innenausschuss zu. Sollte dies abgelehnt werden, müssen wir den

(Heike Sudmann)

Antrag leider ablehnen, denn so einfach und so primitiv geht es nicht einmal vor der Wahl. Das ist zu billig. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der CDU: Oh!)

Vielen Dank, Herr Dr. Schinnenburg. – Als nächstem Redner gebe ich Herrn Nockemann von der AfD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zahl der schweren und gefährlichen Körperverletzungen ist in Deutschland 2015/2016 um 9,9 Prozent gestiegen. Die Zahl der Vergewaltigungen und der sexuellen Nötigungen ist um sage und schreibe 12,8 Prozent gestiegen. Das Sicherheitsgefühl der Deutschen erodiert. Besonders unsicher fühlen sich die Deutschen in den Abendstunden auf den Vorplätzen von Busbahnhöfen und Bahnhöfen. Das belegt die gestiegene Zahl der Einsätze der Polizei an Busbahnhöfen und Bahnhöfen. Weil das so ist und weil die Kriminalitätslage so katastrophal ist, wie sie ist, und weil die Polizei in personeller Hinsicht so überlastet ist, wie sie überlastet ist, und weil die CDU 2005 über 150 Polizeistellen gestrichen hat, muss man im Bereich der inneren Sicherheit zu jedem Strohhalm greifen. Das ist zum einen die personelle Verstärkung im Bereich der Bahnhofsvorplätze und zum anderen die Videoüberwachung. Auch die AfD-Fraktion beobachtet das Geschehen durchaus differenziert, denn jede Videoüberwachung ist in der Tat ein Eingriff in Grundrechte; das darf man dabei nicht verkennen. Aber jede Videoüberwachung ist auch in der Lage, nicht nur das subjektive Sicherheitsgefühl zu stärken, sondern auch objektiv für mehr Sicherheit zu sorgen, insbesondere dann, wenn das Geschehen nicht nur aufgezeichnet wird, sondern wenn auch Personal vor Ort ist, das sofort einschreiten und Sicherheitskräfte benachrichtigen kann.

Das Videoüberwachungsgesetz ist im Frühjahr in Kraft getreten. Es verwundert mich schon sehr, dass die SPD bisher davon keinen Gebrauch gemacht hat, sondern erst dann reagiert, wenn es einen Antrag von der Opposition gibt. Da fragt man sich natürlich, warum die Hamburger SPD bislang keine entsprechenden Maßnahmen ergriffen hat. Wieder so ein Versäumnis, das deutlich macht, dass SPD und innere Sicherheit sich nicht miteinander vertragen.

Herr Tabbert, Sie haben vorhin gesagt, dass auch die SPD diesem Gesetz im Bundestag zugestimmt hat; das ist richtig. Die SPD stimmt Sicherheitsgesetzen im Bund immer mit großem Tamtam zu. Das macht sie auch bei den Ausländergesetzen, wenn es um Abschiebungen geht. Auch dann betreibt sie dieses Schattenboxen nach dem Motto,

SPD und CDU haben wieder einmal für bessere Gesetze gesorgt. Was aber passiert hinsichtlich deren Umsetzung in den Bundesländern? Dort weigert man sich mit dem Hinweis auf das Datenschutzgesetz, das sicherlich sensibel anzuwenden ist, von Gesetzen für mehr Sicherheit Gebrauch zu machen.

Was ich beim Antrag der CDU vermisst habe, ist ein abgestuftes Überwachungskonzept. Auch wir möchten keine Rundumüberwachung, auch wir möchten keine Kameras zu jeder Tages- und Nachtzeit an jedem Bahnhofsvorplatz, sondern wir möchten gern untersucht haben, wo sich eine Videoüberwachung wirklich lohnt, wo wirklich Kriminalitätsschwerpunkte sind. Das ist ein Gebot der Verhältnismäßigkeit der Mittel. Aber wenn das richtig ist, dann sollten wir es auch wirklich durchsetzen. Kameraüberwachung mit Aufzeichnung ist wertvoll, Kameraüberwachung, wenn jemand am anderen Ende sitzt, der das überwacht, ist noch wesentlich besser.

Lassen Sie mich zum Abschluss bitte noch eines sagen: Es ist traurig, dass wir in Deutschland es infolge der groben Versäumnisse von SPD und CDU mit einer so überbordenden Kriminalität zu tun haben, dass wir mittlerweile gezwungen sind, dauerhaft in Grundrechte von Bürgern einzugreifen. In dieser Hinsicht wäre ich fast auf FDP-Linie. Aber, Entschuldigung, Herr Dr. Schinnenburg, Sie haben gesagt, die CDU sei im Wahlkampf mit ihren Sicherheitsgesetzen sofort vor Ort. Wissen Sie, Ihr Herr Lindner kann das mindestens genauso gut.

(Vereinzelter Beifall bei der AfD)

Aber wenn der sich nach vorn traut, kommt sofort Frau Leutheusser-Schnarrenberger und sagt, nach den Wahlen werde das alles keine Bedeutung mehr haben. Auch hinsichtlich des Bereichs der Sicherheit und des Bereichs des Bleiberechts für Flüchtlinge hat Frau Leutheusser-Schnarrenberger gesagt, was der Lindner wolle, sei alles dummes Zeug, das gebe es nach den Wahlen sowieso nicht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Nockemann. – Dann erhält als Nächster Herr Senator Grote das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Die Sicherheit im öffentlichen Personennahverkehr und rund um die Bereiche der Bahnhöfe und Haltestellen hat eine enorm hohe Bedeutung für viele Hamburgerinnen und Hamburger, die täglich den ÖPNV nutzen und darauf angewiesen sind, dass sie das mit einem guten, sicheren Gefühl tun können.

(Jörg Hamann CDU: Aber nicht für den Se- nat!)

(Dr. Wieland Schinnenburg)

Tatsächliche Sicherheit und Sicherheitsgefühl sind sensible Güter, mit denen man sorgsam und verantwortlich umgehen muss. Das erfordert ein gewisses Maß an Sorgfalt bei der Erarbeitung politischer Vorschläge. Wenn vorgeschlagen wird, das neue Videoüberwachungsgesetz zu nutzen, um den öffentlichen Raum rund um die Bahnhöfe und Haltestellen intensiver mit Videotechnik überwachen zu können, dann wäre es hilfreich, wenn dieses Gesetz für diese Flächen Anwendung finden könnte. Das kann es allerdings nicht. Das Gesetz richtet sich, wie zum Teil schon ausgeführt wurde, ausdrücklich an private Betreiber öffentlich zugänglicher Verkehrseinrichtungen und anderer Einrichtungen und bezieht sich damit auf die diesen Einrichtungen unmittelbar zugeordneten, in die Zuständigkeit dieser Betreiber fallenden Flächen und Bereiche. In diesen Bereichen, das sind in erster Linie die Bahnhöfe und Bushaltestellen, haben wir in Hamburg ein hohes Maß an Ausrüstung mit Videotechnik. Es ist Ihnen sicherlich bekannt, dass wir in diesen Einrichtungen ungefähr 1 500 Kameras haben.

(Dennis Thering CDU: Alles bekannt! Hab ich ja gesagt!)

In den Zügen und Bussen haben wir noch einmal ungefähr 8 500 Kameras; auch das ist Ihnen sicherlich bekannt. Da es, wie richtig gesagt wurde, nicht nur um Technik, sondern auch um Personal in den Bahnhöfen und an den Bushaltestellen geht, wurde dort seit 2011 das Sicherheitspersonal um über hundert Personen aufgestockt. Das ist ein enormer Sicherheitsgewinn von 2011 bis 2017,