Protocol of the Session on July 12, 2017

Ich darf den Innensenator zitieren, der der "Hamburger Morgenpost" und dem "Hamburger Abendblatt" berichtete, wo immer er in der Bundesrepublik das Sicherheitskonzept vorstelle, bekomme er eine Antwort: Das Sicherheitskonzept bewege sich am unteren Rand dessen, was nötig sei. Das hat der Innensenator berichtet, wenn er sein Konzept überall im Land vorgestellt hat. Ja, dann war es wahrscheinlich ein Fehler, dass man, vermutlich aus Rücksicht auf die GRÜNEN,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist doch Un- sinn!)

weil man nicht noch mehr Sicherheitsmaßnahmen fahren wollte, am unteren Rand dessen, was nötig ist, geblieben ist.

(Sören Schumacher SPD: Das ist doch Le- gendenbildung!)

Wahrscheinlich hätte es da mehr gebraucht, und vor allem hätte es nicht diese politische Einmischung gebraucht.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben heute so getan – ich wiederhole mich –, als sei das alles überraschend gekommen. Das ist vor dem Hintergrund besonders schlimm, dass Sie den Hamburgern eine Sicherheitsgarantie gegeben haben. Was heißt das? Sie haben den Hamburgern als Bürgermeister Ihr Wort gegeben, und in Hamburg zählt das Wort des Ersten Bürgermeisters, egal von welcher Partei er kommt, sehr viel. Sie haben den Hamburgern versprochen, sie müssten sich keine Sorgen machen, die Sicherheit sei gewährleistet. Viele Hamburgerinnen und Hamburger haben sich auf Ihr Wort verlassen, Herr Bürgermeister. Sie haben geglaubt, sie seien in Sicherheit. Unter denen, die das geglaubt haben, sind auch diejenigen, deren Autos mittlerweile abgebrannt sind, deren Häuser beschädigt worden sind, deren Läden geplündert wurden, deren Eigentum verwüstet wurde, und auch diejenigen – von denen es nicht wenige gibt –, die in Angst und Panik in ihren Wohnungen gesessen haben, die sich zum Teil verbarrikadiert haben, weil sie schlichtweg Angst um ihr Leben hatten. Diese Menschen haben Ihnen vertraut, Herr Bürgermeister, und Sie haben sie im Stich gelassen. Deshalb muss man deutlich feststellen: Sie haben das Vertrauen vieler Hamburger verloren. Sie haben die Glaubwürdigkeit verloren, die ein Bürgermeister dringend braucht. Auch darum geht es heute in dieser Debatte. Ein Bürgermeister, dem die Hamburger nicht mehr vertrauen, ein Bürgermeister,

der keine Glaubwürdigkeit mehr hat, kann nicht länger im Amt bleiben.

Es ist keine Majestätsbeleidigung, wenn die Opposition das ausspricht, was viele Hamburger fühlen. Die SPD-Fraktion mag vielleicht anders fühlen, weil der Bürgermeister über der Stadt thronen will, aber das ist schlechtweg das, was die Hamburger empfinden. Dieser Bürgermeister kann nicht länger im Amt bleiben. Er muss Anstand beweisen. Er muss retten, was zu retten ist. Er muss zurücktreten,

(Wolfgang Rose SPD: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

damit das Vertrauen in unsere Stadt, in unsere Behörden und auch in die Politik wieder hergestellt werden kann. Deshalb, Herr Bürgermeister: Machen Sie den Weg frei. Treten Sie zurück.

(Beifall bei der CDU)

Herr Dr. Petersen von der SPD-Fraktion bekommt das Wort.

Frau Präsidentin! Zunächst einmal, Herr Gladiator: Ich glaube, für die Hamburgerinnen und Hamburger sprechen Sie hier nicht.

(Beifall bei der SPD – Dennis Gladiator CDU: Für den größten Teil!)

Vielleicht für eine kleine Anzahl, aber für die Hamburgerinnen und Hamburger bestimmt nicht.

Sie wissen, ich bin Hausarzt in Altona, meine Praxis ist nicht weit weg vom Schulterblatt und von der Schanze. Ich habe alle Tage in der Praxis verbracht, Tag und Nacht. Ich war vor der Tür und habe geschaut, was passiert, und mich um meine Patienten gekümmert. Was ich erlebt habe: Ich habe eine Senioreneinrichtung in der Nähe, in der ich 45 Patienten betreue. Vor dieser Einrichtung ist ein Van abgefackelt worden, der Hubschrauber kreiste immer über ihr, und viele Patientinnen und Patienten, die sehr alt sind, haben sich erinnert an eine Zeit, in der es Krieg gab, und fanden es beängstigend. Sie finden es heute noch beängstigend, was dort vonstattengegangen ist.

In der Bernstorffstraße, nicht weit weg – Sie haben es vielleicht bei "Spiegel Online" gelesen –, wohnt Frau Mazkouri. Frau Mazkouri ist 72 Jahre alt, gehbehindert, wohnt in dieser Senioreneinrichtung. Ihr Sohn hat ihr in monatelanger Arbeit ein Auto repariert und in Ordnung gebracht, und dieses Auto ist abgefackelt worden. Sie hat mit diesem Auto Patientinnen und Patienten zum Arzt gefahren, sie hat selbst ihre Besuche beim Arzt damit gemacht. Dieses Auto ist abgefackelt worden, und da frage ich: Was für eine politische Aussage ist es, dieser Frau das Auto abzufackeln? Ist das links? Was ist das? Ich glaube einfach nur, es ist in höchstem Maße

(Dennis Gladiator)

brutal und unfair dieser Frau gegenüber, das Auto abzufackeln.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN)

Ich war am Donnerstag unten an der Hafenstraße, habe mir das von oben angesehen, die Brutalität, die dort vonstattengegangen ist. Das war alles der Schwarze Block. Ich habe in Altona morgens gesehen, wie Autos brannten, wie unser Parteibüro beschädigt worden ist – das ist noch das Wenigste –; alles war der Schwarze Block. Wenn man sich das anschaut,

(Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Es gibt auch Neonazis!)

dann, finde ich, muss man in irgendeiner Form in Zukunft mit dieser Form von Gewalt umgehen, und zwar müssen wir alle damit umgehen. Es kann nicht sein, Frau Özdemir, dass Sie, wenn ein Schwarzer Block in einer Demonstration ist, der großen Demonstration von Herrn van Aken – deren Inhalt ich übrigens zum großen Teil teile –, sagen, denjenigen, die dort im Schwarzen Block sind, könne man nicht nachweisen, dass sie eine Straftat begangen haben, und deswegen dürften sie mitgehen. Nein, das geht so nicht, Frau Özdemir.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN, der FDP und der AfD)

Das ist übrigens auch keine linke Politik und unterstützt gar nichts, sondern das ist reine Brutalität gegenüber Menschen, nichts anderes. Kein anderes Interesse haben diese Menschen, die dort in Schwarz gekleidet mitmarschieren. Sie nutzen vielleicht ein oder zwei andere Parolen, um für sich selbst sagen zu können: Jetzt können wir aber hier auf den Putz hauen. Ihr reines Interesse an Politik ist null. Sie haben nur Interesse, Menschen zu schädigen, seien es Polizisten, seien es andere Menschen. Das ist deren einziges Interesse. Und unser Interesse, und zwar unser aller Interesse, muss sein, dass wir diese Menschen ächten.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN und der AfD)

Wenn man bedenkt: Von dieser Demonstration – 75 000 Menschen waren dort – redet keiner mehr und von den Inhalten, die dort rübergekommen sind, redet auch keiner mehr, sondern nur von diesen schwarzen Chaoten.

(Zuruf von Heike Sudmann DIE LINKE)

Deswegen muss es in Zukunft so sein, dass in Hamburg keine einzige Demonstration mehr laufen darf, in der ein Schwarzer Block ist. Das darf es nicht geben.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Dr. Jörn Kruse AfD)

Wir alle – auch wir, sagen wir einmal, linken fortschrittlichen Politikerinnen und Politiker – müssen uns davon distanzieren. Wenn es so eine Demonstration gibt, dann darf sie nicht vorangehen, und diejenigen, die die Demonstration leiten, und auch diejenigen, die mitmachen, müssen sagen: Ihr müsst hier raus, wir gehen ohne euch. Das muss doch die Lehre sein, die wir aus diesen Tagen ziehen. Wenn wir das nicht hinbekommen, brauchen wir gar nicht weitermachen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN, verein- zelt bei der CDU und bei Dr. Jörn Kruse AfD)

Das Wort bekommt Frau Möller von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch die Rede von Herrn Dr. Petersen zeigt noch einmal deutlich, welche Wege wir heute seit über vier Stunden in der Diskussion gehen. Sie zeigt, dass wir alle – ich sage das jetzt einfach einmal so, denn mir geht es ähnlich – immer wieder schwanken zwischen dem, was wir gehört haben, was wir an Bildern gesehen haben, und vor allem – und das, denke ich, ist immer noch das Eindrücklichste –, was wir selbst auf den Straßen dieser Stadt erlebt haben. Die Kunst, die wir als Abgeordnete und als Senat vollbringen müssen, ist es doch, aus der emotionalen in die faktische Betrachtung, in die sachliche Betrachtung überzugehen. Das müsste uns als Parlament eigentlich gelingen; ich halte das jedenfalls für die Aufgabe des Parlaments. Deshalb ist es einerseits wichtig zu sagen – und das sage ich hier nicht zum ersten Mal, das ist ein Teil der grünen Politik –, dass Gewalt kein Mittel der Politik ist, sie zersetzt nämlich auch jedes Argument. Aber wir dürfen uns andererseits nicht von dem Streit um die Frage, inwieweit man sich nicht distanziert, inwieweit man beteiligt ist oder etwas unterstützt, so gefangen nehmen lassen, dass wir auf unsere ureigenen parlamentarischen Rechte verzichten, und diese Rechte liegen darin, alles, was sich im Umfeld der G20-Veranstaltung in dieser Stadt ereignet hat, zu untersuchen und aufzuklären. Ich sage es einmal sehr deutlich in einem Satz: Linksextremistische Gewalt und Gewalttaten eines Mobs zu verurteilen, ist aus unserer Sicht selbstverständlich, bedeutet aber genau nicht, dass man nicht auch das Sicherheitskonzept und die Einsatztaktik der Polizei hinterfragt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Damit würden wir uns doch selbst unglaubwürdig machen. Deshalb muss beides möglich sein, so schwer das auch ist und so schwer es uns fällt. Ich glaube tatsächlich, dass die Entscheidung, einen Sonderausschuss zu gründen, die einzige Chance ist,

(Dr. Mathias Petersen)

(Zurufe von der CDU: Nein!)

um das überhaupt in einem Rahmen, der klein, aber auch groß genug ist,

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Gehört in den Innenausschuss!)

zu diskutieren, in einem Rahmen, der sich aus den Leuten zusammensetzt, die sich mit dem Thema lange beschäftigen, und wo fachliche Expertise dazugeholt werden kann. Dort können Menschen angehört werden aus dem Umfeld der Medien, zum Beispiel Journalisten, der Humanistischen Union, des Grundrechtekomitees, der Polizei, der Feuerwehr, die alle ihre Erlebnisse beitragen können, dann aber in verarbeiteter Form. Wir müssen aufklären, wie es zu dieser Situation kommen konnte und was wir tun können, damit so etwas möglichst nicht wieder vorkommt in unserer Stadt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Und dann man muss über Dinge reden, die verletzen, auch Akteure, die verantwortlich sind. Der Senator hat offen und klar gesagt, man müsse konstatieren, dass das Sicherheitskonzept, das wir mit bundesweiter Unterstützung aufgestellt hatten, nicht das erreicht hat, was es erreichen sollte. Ich finde es gut und richtig, das zu sagen.

Ich finde es überhaupt nicht gut, Herr Gladiator, wenn Sie immer in diesem Mantra bleiben, Sie hätten das vorhergesehen.

(Dennis Gladiator CDU: Können Sie doch nachlesen!)

Wir haben scharfe Debatten darüber gehabt, ja. Aber einem Sicherheitskonzept, das bundesweit entwickelt wird, das für diese Veranstaltung konzipiert wird, mit Ihrem Mantra "Da kommen viel mehr und das ist nicht zu schaffen" zu begegnen, ist nicht unbedingt ein sachliches Dagegenhalten.

(Dennis Gladiator CDU: Sie haben das nicht einmal ernst genommen! Sie haben das weggewischt!)

Ja, ich habe tatsächlich gedacht, dieses Sicherheitskonzept sei hilfreich. Das war der Denkfehler. Das muss man auch bedauern; es ist ein fataler Denkfehler gewesen. Aber besser gewusst haben Sie es auch nicht. Sie haben nur Szenarien entwickelt, die im Übrigen natürlich auch …

(Zurufe von der CDU)

Nein, nein, nein, nein, nein. Sie haben Szenarien entwickelt, die aus Ihrer Sicht immer noch im Sicherheitskonzept nicht berücksichtigt worden sind. Wir werden darüber sicherlich im Detail noch einmal reden, ob Sie dann … Ich warte auf das Präsidium.