Protocol of the Session on July 12, 2017

Vorschläge, man möge das doch auf dem Land machen, verkennen die schieren logistischen Anforderungen, die ein solcher Gipfel stellt. Da geht es um mehr als 10 000 Gipfelteilnehmer und Journalisten. Diese Vorschläge überzeugen mich im Übrigen auch nicht, weil es weltweit gerade die Städte sind, in denen sich die Herausforderungen der Moderne bündeln und Aufgaben neu stellen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Wollen wir, dass internationale Spitzentreffen nur noch bei Autokraten und Diktatoren möglich sind? Wollen wir, dass solche Treffen nur dort möglich sind, wo es kritische Stimmen und Diskussionen mit der Bevölkerung nicht gibt? Welche aufrechte Demokratin, welcher aufrechte Demokrat kann das wollen?

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Carl-Edgar Jarchow FDP)

Das wäre eine Kapitulation. Wem ernsthaft etwas an der Demokratie und ihrer weltweiten Durchsetzung liegt, der muss solche Treffen auch in Demokratien ermöglichen und durchführen.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Dr. Jörn Kruse AfD)

Wir erleben jetzt eine sehr kritische Diskussion über das Sicherheitskonzept. Das gehört zur Aufarbeitung. Erfahrungsgemäß wird es viele Hinweise und Bewertungen geben. Vielleicht wird es an der einen oder anderen Stelle Dinge geben, die man in Kenntnis aller Umstände anders bewerten wird als zu dem Zeitpunkt, zu dem sie entschieden werden mussten.

Sicherlich werden wir auf Basis gewonnener Erkenntnisse bestimmte Dinge bei vergleichbaren Anlässen in der Zukunft anders machen, als wir es bei diesem Gipfel gemacht haben. Aber zunächst einmal sollte diese Aufarbeitung getragen sein von der gemeinsamen Überzeugung, dass die Polizistinnen und Polizisten sich hochprofessionell und heldenhaft für unsere Stadt eingesetzt haben.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN, der FDP und der AfD)

Die Polizei hat herausragende Arbeit geleistet. Sie hat die Sicherheit von Tausenden Gipfelteilnehmern und Tausenden friedlichen Demonstranten gewährleistet. Die Polizistinnen und Polizisten haben sich entschlossen den Gewalttätern entgegengestellt. Sie haben mit einem außerordentlichen Einsatz bis zur Erschöpfung alles gegeben.

Das Sicherheitskonzept rund um den G20-Anlass ist von den Sicherheitsbehörden sehr umfassend und sorgfältig vorbereitet worden. Eine Vielzahl von Experten aus verschiedenen Bereichen in Bund und Ländern haben dabei, wie mir auch von

(Erster Bürgermeister Olaf Scholz)

seiten des Bundes versichert wurde, exzellent zusammengearbeitet.

Selbstverständlich hatten sich die Sicherheitsbehörden aus ganz Deutschland und auch ihre europäischen Partner darauf vorbereitet, dass Gewalttäter versuchen werden, den Gipfel zu stören. Selbstverständlich war dabei bewusst, dass eine größere Zahl von Gewalttätern auch von außerhalb Deutschlands nach Hamburg anreisen würde. Und natürlich haben sich die Sicherheitsbehörden deshalb auch darauf eingestellt, gegen diese Gewalttätigkeiten konsequent und frühzeitig vorgehen zu können.

Über 20 000 Polizistinnen und Polizisten waren im Einsatz. Das war der größte Polizeieinsatz in der Hamburger Nachkriegsgeschichte. Die Sicherheitskräfte waren mit allem ausgestattet, was aus ihrer Sicht für die erfolgreiche Bewältigung des Einsatzes erforderlich war. Die Polizei hatte eine Allgemeinverfügung erlassen, um Gewalttaten und Spontandemonstrationen im Umfeld des Gipfels zu unterbinden. Sie hat Protestcamps untersagt, weil sie die berechtigte Gefahr gesehen hat, dass diese Camps zu Sammel- und Rückzugsräumen von Straftätern werden.

Das wurde bis unmittelbar vor dem Gipfelbeginn auch gerichtlich bestätigt. Leider ist es am Ende rechtlich nicht gelungen, jede Form eines von der militanten Szene geplanten Camps zu unterbinden. Wir wissen heute, dass etliche Gewalttäter dort Unterschlupf gefunden haben. Die Gefahreneinschätzung – das hat das Wochenende gezeigt – war richtig.

(Beifall bei der SPD)

Diese Maßnahmen dienten gleichermaßen dem Schutz des Gipfels wie der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in Hamburg. In vielen Teilen der Stadt ist es zu keinen Straftaten im Gipfelzusammenhang gekommen. Die vielfach angekündigten Blockaden und Störungen im Hamburger Hafen sind nicht eingetreten. Und außer dem bundesweiten Angriff auf die Netzleitung der Bahn ist es nicht zu den propagierten Angriffen auf die Infrastruktur unserer Stadt gekommen. Auch der Versuch, den Gipfel mit allen Mitteln zu verhindern, ist gescheitert. Der Gipfel konnte wie geplant stattfinden. Die gefürchteten gezielten Terroranschläge, auf die sich die Polizei vorbereitet hatte, fanden nicht statt.

Aber es ist nicht alles so geschehen, wie wir es uns erhofft haben. Schmerzhaft ist vor allem, dass wir am Freitag in einigen Bereichen der Stadt schwere Straftaten nicht sofort und nachhaltig stoppen konnten. Und wir haben den Hamburgerinnen und Hamburgern leider auch bei den Verkehrsstörungen mehr zumuten müssen, als es geplant war, weil die Auswirkungen der Schleusung und Lotsung am Donnerstag deutlich umfangreicher waren als erwartet. Ich kann den Ärger der

Betroffenen, die teilweise stundenlang festsaßen, sehr gut verstehen.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Dr. Jörn Kruse AfD)

Im Vorfeld wurde vielfach kritisiert, unsere Sicherheitseinschätzungen seien viel zu pessimistisch. Im Nachhinein gab es Kritik, man habe zu blauäugig geplant. Beides trifft nicht zu, und wer darüber diskutiert, der lenkt vom Wesentlichen ab. Das Wesentliche ist: Die Verantwortung für diese Gewalttätigkeiten liegt weder bei dem Gipfel noch bei der Polizei. Sie liegt bei denjenigen, die diese Gewalt ausgeübt haben. Sie liegt bei dem kriminellen Mob, dem die Menschen in unserer Stadt völlig egal waren, dem es nur um Gewalt und Zerstörung ging.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Dr. Jörn Kruse AfD und Karl-Heinz Warnholz CDU)

Eine derart exzessive, nur dem Zweck der Zerstörung dienende Gewalt, die auch das Leben von Einsatzkräften oder Unbeteiligten riskiert, hat es in diesem Ausmaß in Hamburg und anderen deutschen Städten noch nicht gegeben. Das, was da geschehen ist, hätte wohl auch mit vielen zusätzlichen Polizeibeamten leider nicht verhindert werden können.

Es ist leider so: Sobald eine Minderheit den zivilgesellschaftlichen Konsens der Gewaltfreiheit verlässt, ist sie in ihrer Entschlossenheit und ihren Absichten zunächst einmal nur schwer auszurechnen. Und genau das haben wir erlebt. Das kriminelle Potenzial der Gewalttäter und ihre blanke Zerstörungswut waren erschreckend. Ihre strategische Militanz hat die Sicherheitsbehörden extrem gefordert. Dass da Banden in Guerillataktik frühmorgens marodierend und brandschatzend durch Stadtteile ziehen, die Scheiben von Autos mit Äxten aufhacken, zwei Brandsätze hineinwerfen und dann weiterziehen, hat es in der Form in Hamburg lange nicht mehr gegeben. Dass vollbesetzte Busse auf der Elbchaussee bedroht oder Polizisten von Hausdächern aus massiv mit Eisenstangen, Pflastersteinen, Molotowcocktails und Stahlgeschossen aus Präzisionszwillen angegriffen werden, ist in diesem Ausmaß nicht vorstellbar gewesen.

Dass man bei entsprechenden Hinterhalten schwere Verletzungen und sogar Tote nicht nur in Kauf genommen, sondern offenbar gewollt hat, ist in Deutschland eine kaum gekannte Dimension. Ich bin froh, dass kein Mensch ums Leben gekommen ist.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN, der FDP, vereinzelt bei der AfD und bei Cansu Özdemir DIE LINKE)

Die skrupellose und generalstabsmäßige Planung, die hohe kriminelle Energie und die Loslösung von jeglicher Berechenbarkeit des Handelns haben ei

(Erster Bürgermeister Olaf Scholz)

ne neue Dimension der Auseinandersetzung mit sich gebracht. Die Absurdität dieser Gewalt wird vielleicht etwas fühlbar in dem Tweet einer Bürgerin. Sie stellt darin die Frage, welche kapitalismuskritische Begründung es denn wohl für die Zerstörung eines alten Golf II einer alleinstehenden Mutter geben mag, der es wahrscheinlich sehr schwerfallen wird, den Wagen zu ersetzen.

Der Staat muss und kann sich auf solche veränderten Lagen schnell einstellen. Und das ist auch in Hamburg passiert. Die Polizei hat ihre taktischen Konzepte angepasst und beispielsweise in der Sternschanze die notwendige Ordnung dann wiederhergestellt, nachdem die Spezialkräfte hinzugezogen wurden, die andernorts zur Terrorbekämpfung eingesetzt waren. Aber keine Frage: Nicht nur für die Anwohner waren dies quälende Stunden. Nachdem gesichert war, dass sich Polizisten nicht mehr in Lebensgefahr begeben, wurde das Schulterblatt zügig geräumt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Trotzdem wird wohl keiner von uns diese Zeit und die Bilder vergessen. Ich habe das im Polizeipräsidium mitverfolgen können und auch Luft- und Wärmebilder gesehen. Das war eine sehr bittere Situation und man möchte in niemandes Haut gesteckt haben, weder der Anwohner, der Ladenbesitzer noch der Polizistinnen und Polizisten, die in diesem Einsatz waren. Es ist der Professionalität der Polizei zu verdanken, dass es an diesen Gipfeltagen nicht zu schwereren Verletzungen gekommen ist. Die Beamtinnen und Beamten haben in dieser Ausnahmesituation bewiesen, wie gut sie geschult sind und wie sehr sie ihre Nerven im Griff haben.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN, der FDP und der AfD)

Wir wissen, dass man in unserem freiheitlichen Rechtsstaat kein Sicherheitskonzept aufstellen kann, mit dem sich jede Straftat verhindern lässt. Wir dürfen und wir werden uns aber von Gewalttätern nicht erpressen lassen.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN und vereinzelt bei der FDP und der AfD)

Was wäre, wenn Salafisten den nächsten Kirchentag bedrohen? Was wäre, wenn Neonazis gegen den Christopher Street Day angehen und Randale ankündigen? Sollen wir dann immer klein beigeben und uns der Gewalt beugen? Ich mache das nicht und ich bin sicher, dass die große Mehrheit der Hamburgerinnen und Hamburger das auch nicht macht.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN, vereinzelt bei der FDP, der AfD und bei Stephan Jersch DIE LINKE)

Eine offene Gesellschaft muss tapfer und aufrichtig alle friedlichen Formen der öffentlichen und politi

schen Auseinandersetzung verteidigen und der Staat muss das auch durchsetzen und so die freiheitliche Gesellschaft sichern.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Verantwortlich für die Gewalttaten sind einzig und allein jene Straftäter, die mit einer unglaublichen Rücksichtslosigkeit und massiver krimineller Energie diese schweren Straftaten begangen haben. Es ist daher gut, dass die Zusammenarbeit von Polizei und Justiz in der zentralen Gefangenensammelstelle gut funktioniert hat. Bereits 50 Täter sitzen in Untersuchungshaft. Das zeigt, dass auch aus Sicht der Richter schwere Straftaten geplant waren und Fluchtgefahr bestand.

Aber zur Wahrheit gehört auch: Eine Mitverantwortung trifft ebenso jene, die aus welchen Gründen auch immer solche Taten verharmlosen, Verständnis für zerstörerisches Tun aufbringen oder es sogar als politisches Handeln rechtfertigen.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN, der FDP, der AfD und bei Stephan Jersch DIE LINKE)

Einen nicht unerheblichen Teil der Verantwortung tragen auch jene, denen die politische Einsicht oder die moralische Kraft gefehlt hat und bis heute fehlt, sich von diesen Straftätern zu distanzieren.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN, der FDP, der AfD und bei Stephan Jersch DIE LINKE)

Wer zu Demonstrationen aufruft und dabei eindeutig auf eine Beteiligung des Schwarzen Blocks zählt, trägt Mitverantwortung für das Handeln eben jener Kriminellen.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN, der FDP und bei Stephan Jersch DIE LINKE und Dr. Jörn Kruse AfD)

Ich jedenfalls finde es unerträglich, dass sich sogar Mitglieder der Bürgerschaft bei Demonstrationen mit denen unterhaken, die am Abend vorher ganze Straßenzüge verwüstet haben.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN, der FDP und der AfD – Zuruf von Sa- bine Boeddinghaus DIE LINKE)

Das Demonstrationsrecht ist ein hohes Gut unserer Republik, aber was hier unter seinem Deckmantel passiert ist, hat mit dem Geist des Grundgesetzes und einer friedlichen Protestkultur nichts, aber auch gar nichts zu tun. Da müssen auch die Anmelder solcher Demonstrationszüge voll in die Verantwortung genommen werden.