Und ich wünsche mir von uns als Bürgerinnen und Bürgern, dass wir einen souveränen Umgang mit Großvorhaben und ihren komplexen rechtsstaatlichen Prozeduren entwickeln.
Der Hamburger Hafen, zu dessen konkreter Entwicklung Senator Horch im Anschluss noch sprechen wird, ist viel mehr als die Schiffe, Kräne und Kais, die das Stadtbild so beeindruckend machen. In Hamburg sammeln sich nicht nur die Waren, in Hamburg versammelt sich auch die Kompetenz im Außenhandel. Die Firmen in unserer Stadt haben die Erfahrung, wie man weltweit einkauft und verkauft. Sie wissen, wie der Weltmarkt funktioniert – nämlich so, dass die meisten Fernseher, die man in München oder Bratislava kaufen kann, schon einmal in Hamburg waren. Die Schiffsromantik, die man selbst bei den modernen Containerriesen entwickelt, lässt einen leicht übersehen, dass der Hamburger Hafen an der Spitze innovativer Entwicklungen steht und ein hochgradiger Innovationstreiber ist.
Seit Jahrzehnten werden dort Logistikprozesse durch Software und IT-Dienstleistungen unterstützt. Mit smartPORT hat die Hamburg Port Authority den Hafen in die digitale Zukunft geführt. Im Hafen werden nicht nur intelligente Nutzung der vorhandenen Infrastruktur erprobt, sondern auch die Mobilität und die Energiequellen der Zukunft.
Wir machen Hamburg zu einem herausragenden europäischen Standort für Forschung und Innovation. Wenn in diesem Sommer mit dem European XFEL der beste Röntgenlaser der Welt seinen Betrieb aufnimmt,
wenn wir neue Max-Planck-Institute einweihen, wenn wir nun Mitglied in der Fraunhofer-Gesellschaft geworden sind und im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt werden,
wenn wir auf den Flugzeugbau und die Windkraft setzen, wenn wir die IT-Wirtschaft stärken und eine Informatikplattform aufbauen, wenn wir Forschungs- und Technologieparks einrichten, wenn wir den Medienstandort ausbauen
und bei den sozialen Medien weit vorn in Deutschland mitspielen, wenn wir Innovationen und Startups fördern …
dann geschieht das alles im Rahmen einer Wirtschaftsstruktur, die ohne den Hafen undenkbar wäre. Der über Jahrhunderte gewachsene Hafen ist unverändert ein Teil von Hamburgs Aufbruch in die Zukunft.
Über alle Jahrhunderte hinweg hat jeder Senat, unabhängig davon, dafür gesorgt, dass der Hafen auf der Höhe der Zeit und der Fluss schiffbar bleiben. Das war immer aufwendig und immer auch konfliktreich. Aber an diesen beiden Zielen haben alle Senate zu allen Zeiten festgehalten. Und so ist es auch heute.
Ohne einen wettbewerbsfähigen Hafen würde es ungleich schwerer fallen, unsere Vorstellung einer für alle Bürgerinnen und Bürger lebenswerten Stadt voranzubringen, einer Stadt, in der es bezahlbaren Wohnraum, nachhaltige Mobilität, gebührenfreie, gute Bildung und vieles mehr gibt. Der Hafen wird auch nach der digitalen Revolution ein Herzstück unserer Wirtschaft bleiben. Er hat eine Hinterlandanbindung, wie sie nur sehr wenige Häfen auf der Welt vorweisen können. Der Hamburger Hafen ist als Drehkreuz zukünftiger Warenströme und als Motor von Innovationen unverzichtbar.
Wir werden jetzt prüfen, mit welchen Vorbereitungen für den Fahrrinnenausbau wir schon ohne Planfeststellungsbeschluss beginnen können
und ob Ausschreibungen für 2018 und 2019 bereits möglich sind. Sie können also sicher sein: Hamburg wird auch in Zukunft eine Welthafenstadt sein.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bürgermeister, lassen Sie mich mit etwas Positivem anfangen. Ich fand es richtig, dass Sie dieses Mal für Ihren Vortrag zum Instrument der Regierungserklärung gegriffen und nicht wie beim letzten Mal die Aktuelle Stunde gesprengt haben. Da deutet sich zumindest ein gewisser Lerneffekt an; das hätten wir Ihnen gar nicht zugetraut.
Deshalb ist es auch gut – und ich glaube, nach Ihrem Vortrag hier auch notwendig –, dass wir die entsprechende Zeit investieren, um uns mit Ihren Ausführungen auseinanderzusetzen. Denn dann sind Sie leider wieder in altbekannte Verhaltensmuster zurückgefallen. Sie haben von Anfang an konsequent an Ihrer politischen Verantwortung für die Fakten, über die wir heute sprechen müssen, vorbeigeredet, Herr Bürgermeister.
Wir haben einmal von Ihnen gehört, Sie wollten die Lufthoheit über die Kinderbetten erringen, mittlerweile, muss man in Hamburg sagen, haben Sie die Lufthoheit über die Durchhalteparolen, denn nichts anderes war das, Herr Scholz.
Wir haben also keine Regierungserklärung gehört, in der Sie auch die Fehler, die Sie gemacht haben, erklären; das war heute eine Regierungsverklärung, die Sie uns vorgetragen haben.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Elbvertiefung ist eine bittere Enttäuschung für die maritime Wirtschaft in Hamburg und für unsere Stadt insgesamt. Die negativen Auswirkungen sind in ih
rer Dimension heute noch nicht absehbar. Sie haben dazu kein einziges Wort gesagt, aber klar ist, dass der von Ihnen zu verantwortende Stopp der Elbvertiefung eines bedeuten kann: weniger Schiffsanläufe in den nächsten Jahren, weniger Umschlag und weniger Arbeitsplätze. Jeden, dem das Wohl unserer Stadt am Herzen liegt, muss diese Entwicklung deshalb ernsthaft auch mit Sorge erfüllen. Das, finde ich, ist das Mindeste, was Sie hätten sagen müssen, Herr Bürgermeister.
Wir haben in den letzten Jahren viel Schönfärberei und Optimismus von Ihnen und Herrn Horch gehört. Aber das reicht natürlich nicht aus. Den Gipfel haben Sie dem dann in der letzten Woche aufgesetzt, als Sie das Urteil bewertet haben, nämlich als Meilenstein für die Wirtschaftsnation Deutschland.
Und da frage ich mich, Herr Scholz: Sprechen Sie eigentlich noch mit den Verantwortlichen, mit den Mitarbeitern im Hafen? Schauen Sie, wenn man wie ich aus Harburg kommt, wo fast jeder Zweite direkt oder indirekt im Hafen oder bei Unternehmen im Hafen arbeitet, weiß man, dass sich die Betroffenen große Sorgen über diese Entwicklung machen und bei Ihren Worten nur noch mit dem Kopf schütteln. Das entnehme ich auch den Reaktionen Ihrer eigenen Kollegen.
Verbände, Vorstände, Gewerkschaften – die Mitarbeiter auch, Herr Münster –, alle wissen, welche negativen Folgen dieses Urteil und der von Ihnen zu verantwortende Stopp haben kann. Deshalb frage ich mich ernsthaft, Herr Scholz: Meilenstein für Deutschland, haben Sie das wirklich ernst gemeint?