Protocol of the Session on December 15, 2016

damit die Lebens- und Gesundheitschancen nicht länger so extrem auseinanderklaffen, wie sie es jetzt tun. Die gesundheitliche Chancengleichheit zu überwinden oder sie zumindest deutlich zu mindern ist doch ein Ziel von größter Bedeutung, wenn die Lebensqualität für alle in dieser Stadt steigen soll.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe)

Wenn Sie etwas zu sagen haben, dann können Sie ans Mikro gehen und eine Frage stellen oder Ihre Bemerkung loswerden.

Was brauchen wir dafür? Erstens müssen wir die soziale Ungleichheit in unserer Stadt verringern. Alle Menschen in dieser Stadt brauchen die Möglichkeit zur sozialen Teilhabe.

Zweitens brauchen wir gesunde Lebensverhältnisse in allen Bereichen.

Und drittens braucht es ausreichende Ressourcen für diese Ziele. Im Haushalt geht es natürlich um finanzielle Ressourcen. Jedoch fehlen diesem Senat das Problembewusstsein und die politische Orientierung hierbei.

(Beifall bei der LINKEN)

Das spiegelt sich leider auch im HaushaltsplanEntwurf wider, wo kein Wille zur Gestaltung zu erkennen ist. Stattdessen wird gekürzt und es werden Stellen gestrichen, immer im Zeichen der Schuldenbremse.

Von den 38 Millionen Euro, die Sie zusätzlich für die nächsten beiden Jahre für den Gesundheitsetat veranschlagen, ist der überwiegende Teil gesetzliche Leistung oder ist für Kofinanzierung der Bundesmittel vorgesehen. Das zeigt im Grunde, dass Sie lieber Mangel verwalten wollen als politisch gestalten. Da haben die Menschen in unserer Stadt wirklich etwas Besseres verdient.

(Beifall bei der LINKEN)

Damit die Chancenungleichheit überwunden werden kann, müssen wir neben anderen Dingen den öffentlichen Gesundheitsdienst ausbauen und weiterentwickeln, damit alle Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind, sei es aus sozialen oder gesundheitlichen oder schlicht aus finanziel

(Christiane Blömeke)

len Gründen, die gesundheitliche Hilfe bekommen, die sie benötigen.

Die aktuellen Bedarfe für einen öffentlichen Gesundheitsdienst sind gestiegen. Die Hamburger Bevölkerung wächst, wir haben immer größeres Bevölkerungswachstum, es kommen viele Menschen, die hierher fliehen, und es werden immer mehr Kinder geboren. Gleichzeitig haben wir eine Zunahme von psychischen Erkrankungen. Hamburg muss dieser Situation gerecht werden, und dafür ist der Ausbau des öffentlichen Gesundheitsdienstes wichtig und notwendig.

(Beifall bei der LINKEN)

Ziel der Politik muss es natürlich auch sein, für gleiche Chancen für gesundes Leben von Anfang an zu sorgen. Das heißt, Kindergesundheit fördern und Gesundheitsrisiken für Kinder eindämmen, denn Kinder können für ihre Gesundheit nicht selbst Sorge tragen. Sie sind besonders schutzwürdig, und daher ist es gerade hier besonders wichtig, ein lückenloses Präventionsnetz zu etablieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber der Senat bewirkt in seinem Sparwahn genau das Gegenteil.

(Sylvia Wowretzko SPD: So ein Blödsinn!)

Mütterberatungszentren müssen schließen oder die Öffnungszeiten werden eingeschränkt, Babybegrüßungsbesuche gibt es nicht mehr für alle Familien, sondern nur noch für Problemfamilien. Die Zuwendungen für die Familienhebammen stagnieren seit Jahren,

(Sylvia Wowretzko SPD: Das stimmt über- haupt nicht!)

und auch in diesem Bereich werden die Tarif- und Sachkostensteigerungen nicht ausfinanziert. Das bedeutet im Grunde Kürzungen, denn man kann doch nicht mit weniger Geld mehr Leistung erbringen. Die Folgen davon sind fatal. Immer mehr Familien, die Unterstützungsbedarf haben, können nicht erreicht werden oder denen, die man erreicht, kann keine Beratung angeboten werden, weil die Kapazitäten einfach nicht ausreichen. Es ist nicht hinnehmbar, dass die Präventionskette mit dem Ansatz der frühen Hilfen reißt, weil das Fachpersonal für andere Aufgaben abgezogen wird. Dieser Kurs führt in eine Sackgasse und darf nicht weiter fortgesetzt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die sozialräumlichen Angebote müssen ausgeweitet werden, die Unterstützungsbedarfe müssen erfüllt werden.

Auch bei der Suchthilfe, wie Frau Stöver gesagt hat, stagnieren die Zuwendungen seit etlichen Jahren.

(Sylvia Wowretzko SPD: Haben Sie denn nicht zugehört?)

Und auch in diesem Haushalt werden die steigenden Kosten durch Tarifabschlüsse und Preissteigerungen überhaupt nicht kompensiert. Das bedeutet auch hier weniger Geld für mehr Leistung. Der Senat lässt die Suchtberatungseinrichtungen am ausgestreckten Arm verhungern.

(Sylvia Wowretzko SPD: Haben Sie nicht die Anträge gelesen?)

Bereits seit 2011 wurden 13,5 Vollzeitstellen abgebaut, weitere 14 Vollzeitstellen drohen wegzufallen. Das hat Auswirkungen auf die Sprech- und Öffnungszeiten, die Beratungskennzahlen werden heruntergesetzt, die Arbeit wird verdichtet, Arbeitsverträge werden befristet oder Honorarkräfte werden zunehmend eingesetzt.

(Glocke)

Vizepräsidentin Christiane Schneider (unterbre- chend): Herr Celik, bitte einen Moment. Ich bitte, dass die kleinen Gruppen sich auflösen oder nach draußen gehen. Schönen Dank.

Das ist das krasse Gegenteil der guten Arbeit, von der unser Bürgermeister vor zwei Tagen gesprochen hat. Diese Politik ist katastrophal und hat auch solche Folgen. Es werden weniger Suchtkranke erreicht, Suchtkarrieren werden seltener unterbrochen, und das trifft nicht nur die Suchtkranken, sondern ihre Angehörigen und die gesamte Gesellschaft.

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe SPD-Fraktion, wenn Sie die Zuwendungsempfänger in die Tarifflucht treiben und prekäre Beschäftigungsverhältnisse fördern, aber hier immer wieder große Reden über gute Arbeit schwingen, dann weiß ich nicht, wie man das nennen soll. Mir fällt dazu wirklich nur Heuchelei ein.

(Arno Münster SPD: Du musst dich aber ge- wählter ausdrücken!)

Ja, ist doch so.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie sprechen von guter Arbeit, drängen Menschen aber in prekäre Beschäftigung.

Die GRÜNEN hatten damals, als sie in der Opposition waren, kritisiert, dass mit Strukturfonds und mit solchen Dauerprovisorien Gelder in Fonds bereitgestellt werden, jetzt praktizieren sie in der Regierung genau das Gegenteil. Was die Träger brauchen, ist eine auskömmliche Grundfinanzierung statt eines Fonds, dessen Vergabekriterien vollkommen intransparent sind und wo die Träger um die Notgroschen gegeneinander konkurrieren müssen. Deshalb fordern wir 850 000 Euro jährlich an

zusätzlichen Mitteln für die Suchtberatungseinrichtungen.

(Beifall bei Sabine Boeddinghaus DIE LIN- KE – Sylvia Wowretzko SPD: Wie viel?)

Jährlich 850 000 Euro.

Zum Schluss möchte ich nur noch sagen, eine Gesundheitspolitik, die allen Menschen gleiche Gesundheitschancen sowie bestmögliche Versorgung ermöglicht und somit auch Folgekosten für die Gesellschaft vermeidet, kann ohne Investitionen der öffentlichen Hand nicht gelingen.

(Beifall bei Martin Dolzer und Heike Sud- mann, beide DIE LINKE)

Deshalb: Wenden Sie sich ab von Ihrer kurzsichtigen Fixierung auf die Schuldenbremse und investieren Sie stattdessen in die Zukunft unserer Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Celik. Ich möchte an den parlamentarischen Sprachgebrauch erinnern, und der gilt auch für Zwischenrufe. – Herr Dr. Schinnenburg von der FDP-Fraktion, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Blömeke, ich wollte mich jetzt eigentlich direkt mit dem Haushalt beschäftigen, aber nach Ihren Ausführungen eben sind einige Vorbemerkungen nötig. Diese Rede war ein schlichter Skandal, den Sie abgelassen haben.

(Dr. Monika Schaal SPD: Das ist ja wohl ein dickes Ei! – Präsidentin Carola Veit über- nimmt den Vorsitz.)

Er war gekennzeichnet von Unkenntnis und Frechheit. Sie haben hier ernsthaft behauptet, wir hätten nicht unseren üblichen Antrag gestellt, dass die Gesundheitsbehörde wieder mit der Sozialbehörde fusioniert werden soll. Das zeigt nur, dass Sie nicht einmal andeutungsweise die entsprechenden Unterlagen gelesen haben. Lesen Sie es nach, Drucksache 21/7069 IV.3, das ist der Hauptantrag der FDP, den Sie offenbar nicht gelesen haben, vielleicht Ihre gesamte Fraktion nicht. Darin steht das. Sie haben nicht einmal gelesen, worum es geht. Das ist peinlich, Frau Blömeke.

(Beifall bei der FDP – Katja Suding FDP: Skandal!)