Meine Damen und Herren, liebe Schüler, "dem" ist der Dativ. Gebraucht wird hier der Akkusativ, "den",
Der zweite Fehler liegt darin, unvollständig und verkürzend zu zitieren. Daher kommt der nächste fehlerhafte Eindruck. Wenn Sie vollständig zitiert hätten, dann wäre Ihnen das möglicherweise nicht passiert, wobei ich das allerdings nicht glaube, und ich will Ihnen auch gleich sagen, weshalb. Eine Auslegung kann nämlich nur dann richtig sein, wenn Sie die vollständige Norm haben, den vollständigen Text und den vollständigen Kontext. Deswegen empfehle ich, wenn Sie zitieren, vollständig zu zitieren, auch die Absätze 2 bis 7, die ich Ihnen dringend ans Herz lege. Und dann können Sie sich gleichzeitig noch mit der Entstehungsgeschichte der Norm befassen und stellen fest, welche Richtung diese Norm hat,
"Zumindest in Rechtsprechung und wissenschaftlicher Diskussion ungeklärt ist die Frage, ob auch die in Deutschland lebenden deutschen Staatsangehörigen beziehungsweise das deutsche Volk Angriffsobjekte des Delikts sein können."
Das ist schlicht nicht der Fall. Das ist nicht streitig. Weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung ist es streitig. Aber es ist gedruckt; man liest es
und denkt, so ist es. Und jetzt kommt das Perfide, und es kommt so unauffällig daher, man merkt es kaum: Sie tun so, als seien deutsche Staatsangehörige schlechter gestellt als Ausländer. Das ist falsch, und das hätten Sie auch wissen müssen. Weshalb hätten Sie das wissen müssen?
Das Ganze geht zurück auf einen schnöden Artikel aus der "Berliner Zeitung" von 2008. Es haben auch schon andere Politiker den Fehler gemacht, den Sie jetzt begangen haben, deswegen will ich das gar nicht parteipolitisch verordnen; es gab Kollegen aus unseren Reihen, zuletzt waren es Abgeordnete der GRÜNEN im Bundestag. Aber das hätten Sie finden müssen, denn es ist eingegangen in den Gesetzentwurf nach dem NSU-Untersuchungsausschuss. Es kam zu einer Anhörung, weil die GRÜNEN gesagt haben: Oh Gott, wir haben etwas vergessen, wir müssen noch die Homosexuellen und die Behinderten aufführen. Sie haben also einen Gesetzesvorschlag entworfen, in dem enumerativ lauter weitere Dinge aufgezählt waren. Und wie es dann so ist, wenn man sich vergaloppiert als Parlamentarier: Es gab eine Anhörung von Sachverständigen. Sie können nachlesen, dass der Generalstaatsanwalt, ein Kollege Fachanwalt, der Oberstaatsanwalt und der Richter des Bundesgerichtshofs allesamt übereinstimmend gesagt haben: Das ist unnötig, das brauchen wir nicht, das ist alles schon abgedeckt. Also hätten Sie es wissen müssen.
Und jetzt komme ich zum Kern, zu dem Perfiden an der Arbeit mit falschen Fakten, nämlich einer weiteren Unterstellung. Sie knüpfen an einen aktuellen Fall an, diesen Funktionär, wie Sie ihn nennen, und sagen: Der hat Deutschland als Schlampe bezeichnet, und dann hat er noch Schweinefresser gesagt. Jetzt kommt die Unterstellung – ich zitiere wieder – …
Herr Seelmaecker, wenn es klingelt, dann hat der Sitzungspräsident oder die Sitzungspräsidentin das Wort. Ihnen wird nicht entgangen sein, dass die AfD-Fraktion eine Neufassung dieses Antrags eingereicht hat, weil es in der Erstfassung durchaus Probleme mit dem parlamentarischen Sprachgebrauch gab. Ich würde Sie jetzt einfach bitten, dieses Thema nicht noch weiter zu strapazieren.
Richard Seelmaecker CDU (fortfahrend) : Ich muss mich entschuldigen, ich habe noch die Ursprungsfassung. Aber selbstverständlich habe ich das zu beachten und werde das natürlich auch tun.
"Diese Frage gewinnt in jüngerer Zeit an Aktualität. Oft haben Äußerungen ausländischer oder mit Migrationshintergrund versehener Täter eine aggressive Stoßrichtung, die sich gegen die Deutschen insgesamt als Volk richten."
Das ist so perfide, das muss man sacken lassen, und dann frage ich: Seit wann schlagen Sie Ihre Frau nicht mehr? Sie arbeiten mit falschen Fakten. Sie arbeiten mit Unterstellung und dann mit Angst und Wut, die Sie schüren, weil Sie sagen …
Das will ich Ihnen sagen. Die Kernaussage Ihres Antrags ist nichts anderes als: Immer mehr Ausländer hetzen gegen das deutsche Volk. Das sagen Sie hier, und da fehlen mir, ehrlich gesagt, die Worte.
Ich will jetzt keine weiteren Zitate bezüglich dieser Einzelbeleidigungen anführen. Wir haben eben schon festgestellt, dass sie unter den Tatbestand zu subsumieren wären, wenn denn obendrein verschärfend das Aufstacheln zu Hass hinzukäme. Dann fiele es auch jetzt schon unter diesen Paragrafen. Das ist richtig und das ist gut und auch notwendig. Sie wollen aber offenbar etwas anderes. Das habe ich erst der Begründung entnommen, deswegen finde ich es so perfide und meine, dass es für Schulklassen wunderbar geeignet ist. Sie wollen in Wirklichkeit, dass ohne das Hassaufstacheln dieses als privilegierte Sonderbeleidigung gilt mit einem erhöhten Strafrahmen: dass man nämlich Deutsche nicht beleidigen darf. Das kann es nicht sein.
"Dass die Realität anders ist, zeigen jedoch zahlreiche Vorkommnisse, die das friedliche Zusammenleben innerhalb Deutschlands gefährden."
Ich sage es einmal vornehm und freundlich ausgedrückt: Zivilprozessual ist so unsubstanziiert, was ein Vorkommnis ist, dass das noch nicht einmal einlassungsfähig ist. Aber auch das ist wieder etwas Unterschwelliges, etwas, das Angst machen soll, das die Richtung vorgeben soll. Ich finde das schlimm. Sie haben sich vergaloppiert, aber neben dem Vergaloppieren sind hier so viele Punkte, die
mir, ehrlich gesagt, Angst machen und die man im Grunde genommen sauber aufarbeiten müsste, und das nicht nur hier im Hause, sondern vor allem in den Schulen.
Mein Appell: Wenn Sie sich beleidigt fühlen, stellen Sie Strafanzeige. Wir haben eine gute Strafverfolgungsbehörde, die sich darum kümmern wird. Befassen Sie sich mit der Entstehungsgeschichte dieses Paragrafen, aber schüren Sie keine Ängste. – Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Seelmaecker, vielen Dank. Ich stimme Ihnen zu, außer in dem Punkt, dass Sie diesen Antrag an den Schulen behandeln wollen. Ich finde, das wertet ihn unnötig auf; das würde ich nicht machen. Allerdings stellt sich die Frage, was dahintersteht, denn das Problem an diesem Antrag ist: Er verkennt die Historie des Paragrafen 130. Es geht um Minderheitenschutz, und das wird verharmlost. Das halte ich für gefährlich. Es gab jetzt eine spitzfindige juristische Diskussion. Das ist natürlich relevant, aber nicht Thema, denn politisch ist die Historie des Paragrafen 130 – das kann man überall nachlesen – Holocaust, Massenmord an Juden, und das verharmlosen Sie mit diesem Antrag. Das gerät hier in ein falsches Licht.
Außerdem sind, wie bereits dargestellt, die Deutschen ausreichend geschützt durch die herkömmlichen Tatbestände der Beleidigung. Sie haben das in einen Zusammenhang gebracht und Sie verdrehen das, indem Sie die Deutschen als Minderheit darstellen. Diese Bedrohung durch Ausländerinnen und Ausländer ist Ihr Thema, das Sie immer haben, und das versuchen Sie, hier hereinzubringen. Ich lehne das deshalb ab. – Vielen Dank.
Liebe Hamburgerinnen und Hamburger, liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Präsidentin! Vielen Dank, Herr Seelmaecker, für Ihre Ausführungen. In eine sehr ähnliche Richtung – an dem einen oder anderen Punkt werde ich das noch vertiefen – habe ich auch gedacht.
Ein Diskurs wird in Blättern wie der "Jungen Freiheit" und unzähligen rechtsextremen Internetseiten und Blogs begonnen, die AfD nimmt diesen Diskurs auf und macht dann einen Antrag in der Bürgerschaft daraus. Das haben wir schon öfter erlebt. Der Diskurs, den Sie mit diesem Antrag bedienen, wurde das erste Mal 2006 in der "Jungen Freiheit" genau in der Art und Weise, wie Sie ihn hier aufziehen, veröffentlicht. Das finden wir ziemlich bedenklich und besorgniserregend.
Dass Sie den Paragrafen 130 Volksverhetzung umdeuten wollen, ist natürlich besonders absurd und bösartig, weil Sie gerade mit einer Argumentation, die sich per se gegen Minderheiten richtet – das hat Herr Seelmaecker sehr gut beschrieben –, darauf abheben wollen, dass die Gesetzesauslegung einer Regelung geändert wird, die gerade davor schützen soll, dass Menschen stigmatisiert werden. Das ist wirklich bösartig. Das, finde ich, geht gar nicht.
Sie reichen einen solchen Antrag offenbar ein, weil zum einen Teile der Abgeordneten von Ihnen das genau so denken, und zum anderen, um rechtsradikale Wählerinnen und Wähler zu bedienen. Das ist völlig unredlich.