Protocol of the Session on October 12, 2016

Die neue Forschungsanlage erweitert den Wissenschaftsstandort Hamburg um eine weitere Einrichtung mit internationaler Strahlkraft und der Aussicht auf Spitzenforschung. Mit dem europäischen XFEL wird in Hamburg Wissenschaftsgeschichte geschrieben. Das Projekt mit seinen insgesamt elf europäischen Partnerländern reiht sich nahtlos in die hochkarätigen Wissenschaftsinstitutionen unserer Stadt ein. Damit festigt Hamburg seine Position in der internationalen Wissenschaftslandschaft und nachhaltig auch als Schauplatz europäischer Wissenschaftskooperationen. Und das ist eine gute Nachricht für die Stadt, das ist eine gute Nachricht für Europa, eine gute Nachricht für Deutschland.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Die besondere Bedeutung des XFEL hat Frau Blömeke schon erklärt, darauf müssen wir nicht noch weiter eingehen. Aber trotzdem ist es natürlich faszinierend, wenn man weiß, dass 27 000 Mal in einer Sekunde die Bewegung ist. In Stanford sind es 120. Da sieht man, glaube ich, schon, wie der Unterschied ist, welch ein Quantensprung das ist. Das ist nicht nur ein Quantensprung, das ist eine Potenzierung der Geschichte.

(Glocke)

Und – der letzte Satz – es ist auch der Metropolregion zu danken, dass wir eine sehr gute Zusammenarbeit zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg hatten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Herr Ovens von der CDU-Fraktion bekommt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Dr. Tode, Frau Blömeke, ich möchte mich tatsächlich Ihren Worten anschließen, und zwar so ziemlich allem, was Sie beide gesagt haben. Zu Ihren einleitenden Worten: Auch uns als CDU-Fraktion schmerzt der Verlust der Kultursenatorin, das steht völlig außer Frage, aber auch Ihre lobenden Worte auf dieses Gemeinschaftsprojekt. Sie haben es gerade so schön gesagt, Herr Dr. Tode, wir könnten gemeinsam in der Wissenschaft viel mehr erreichen, wenn wir denn nur häufiger zusammenarbeiten würden. Wir sind in diesen Tagen doch auch im Haushaltsausschuss, im Wissenschaftsausschuss dabei, über Finanzen zu sprechen, und ein so großes Projekt frisst natürlich über viele Jahre erst einmal noch einen signifikan

(Dr. Sven Tode)

ten Anteil am Haushalt. Das ist auch gut so, denn es ist ein Leuchtturmprojekt für die Hamburger Wissenschaft und weit darüber hinaus.

Doch wenn man sich dann den übrigen Haushaltsplan, der bislang vorliegt, anschaut, dann sieht man, dass wir zwar auf der einen Seite Leuchtturmprojekte haben, aber auf der anderen Seite die Wissenschaft eben noch nicht dort ist, wo sie sein könnte. Es ist vielleicht auch gerade an Tagen wie diesen eine Gelegenheit, um gemeinsam zu überlegen, wie wir die Wissenschaft voranbringen können. Denn wenn ich mir anschaue, dass die Universität Hamburg bis 2019 300 Stellen abbaut, die Technische Universität Hamburg-Harburg 180 Stellen, die HafenCity und die HAW ebenfalls künftig einige Mitarbeiter weniger haben werden, dann frage ich mich schon, bei allen Leuchtturmprojekten mit großer Strahlkraft, die unseren Standort international voranbringen sollen und sicherlich auch werden, wie die anderen Hochschulen denn noch mithalten wollen, wenn uns das fachkundige Personal für Forschung und Lehre fehlt?

Es sind immer zwei Seiten einer Medaille, Herr Dr. Tode; das eine ist das Feiern von Großprojekten, die Vorgänger-Senate auf den Weg gebracht haben, in diesem Fall der CDU-Senat, und das andere ist aber dann auch, für eine auskömmliche Finanzierung der gesamten Wissenschaft zu sorgen.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Wieland Schinnenburg FDP)

Wenn Wissenschaftssenatorin Fegebank im September 2016 im Wissenschaftsausschuss gesagt hat, dass sie gern einen konstruktiven Dialog haben möchte und sich in einem konstruktiven Dialog befindet, was den sukzessiven Abbau von Stellen an den Hochschulen angeht, dann frage ich mich schon, ob ich sie da einfach missverstanden habe, sie wird es sicherlich gleich sagen, oder aber, ob es tatsächlich eben doch mehr um die Symbolik geht, auch an Tagen wie diesen, und weniger um das große Ganze. Und für das große Ganze sollten wir doch gemeinsam arbeiten. Da bin ich bei Ihnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Dolzer von der Fraktion DIE LINKE bekommt das Wort.

Liebe Hamburgerinnen und Hamburger, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin, vielen Dank für das Wort. Auch unsere Fraktion ist sehr erschüttert und in Trauer um die Kultursenatorin, und auch wir sind mit unseren Herzen und Gedanken bei der Familie und bei all denjenigen, die ihre Arbeit würdigen. Von daher ist es wirklich schwer, jetzt einfach in die De

batte einzusteigen. Das müssen wir aber tun, deshalb tue ich es auch.

Wenn wir uns das XFEL ansehen, habe ich dazu ambivalente Gedanken. Auf der einen Seite freue ich mich sehr darüber, dass in der Forschung Medikamente erforscht werden können und andere Errungenschaften, und auf der anderen Seite muss ich an das Buch "Die Physiker" denken, wenn ich mir das Institut für dieses Forschungsprojekt anschaue.

Ich habe vorgestern zufällig einen Physiker getroffen, der schon seit Jahren bei DESY arbeitet, der vorher bei CERN und in den USA in ähnlichen Forschungsprojekten gearbeitet hat, und das Gespräch war wirklich sehr interessant und auch sehr tief. Ich fragte ihn, was das Ziel der Forschung sei bei DESY und ob er sich auch Gedanken um mögliche positive oder auch negative gesellschaftliche Auswirkungen etwaiger Projekte wie das XFEL machen würde. Und er sagte, für ihn gebe es eigentlich kein konkretes Ziel, er mache sich auch keine Gedanken über die Auswirkungen, es gehe vielmehr darum, ein Puzzle zu lösen, das Puzzle, das ihm als Wissenschaftler in Auftrag gegeben wird. Dann haben wir uns über das Buch "Die Physiker" und die Hintergründe unterhalten. Wenn ich mir XFEL anschaue, kann ich eben nicht einfach nur in das Lob einstimmen, sondern sehe mir auch kritische Stimmen an, zum Beispiel von einem führenden Physiker aus Deutschland, der sagt – Zitat –:

"In den Sechziger-, Siebziger- und Achtzigerjahren schossen an vielen Universitäten und Forschungsinstituten riesige Labore aus dem Boden, in kilometerlangen Vakuumröhren wurden Atomkerne und Elektronen beschleunigt und rasend schnell. Die Forscher ließen die flotten Partikel aufeinanderprallen und schauten sich mit großen Detektoren die Trümmer an, die die Kollisionen hinterließen. Ein nicht gerade elegant erscheinendes Verfahren, vergleichbar mit dem Versuch, den Aufbau einer Armbanduhr zu ergründen, indem man sie mit aller Kraft gegen die Wand wirft. Eine bessere Methode, die Gestalt der Atomkerne und der Teilchen zu studieren, gibt es bis heute leider nicht."

Von daher ist die Art und Weise, wie dort geforscht wird, etwas umstritten. Wir sehen, dass 1,2 Milliarden Euro für ein Forschungsprojekt ausgegeben werden, das international ist. Wie Herr Tode begrüße ich es sehr, dass auch Russland sich daran beteiligt, das ist ein Teil der Entspannung, das ist notwendig, das ist wichtig und das ist auch richtig, davon können wir sicher viel lernen,

(Heiterkeit bei der CDU und der FDP – Karl- Heinz Warnholz CDU: Gleich kommt die Decke runter!)

(Carsten Ovens)

aber es gibt auch in Japan und in den USA ein ähnliches Forschungsprojekt, und daran sollten sich ebenfalls alle Nationen beteiligen. Dann stellen sich viele Expertinnen und Experten eben die Frage, ob man an jedem Standort die gleiche Forschung betreiben muss. Oder kann man das an einem Standort gemeinsam betreiben und dadurch an den anderen Standorten das notwendige Geld sparen, um, was Herr Ovens zu Recht eingefordert hat, die Forschung und Wissenschaft in Hamburg besser ausfinanzieren zu können?

(Beifall bei der LINKEN)

So sehen wir das als Links-Fraktion auch.

Eine zweite Frage, die ich mir stelle, ist, wie es sein kann, dass eine grüne Senatorin und die Partei der GRÜNEN diesem Projekt völlig unkritisch gegenüberstehen, wenn doch der wissenschaftliche Leiter dieses Projekts sagt, wie eine Assistentin beim Arzt den Raum verlässt, müssen wir auch beim Betrieb diesen Beschleuniger verlassen, weil hier hohe radioaktive Strahlung herrscht. 27 000 Röntgenblitze, die milliardenfach heller als bei normalen Röntgengeräten sind, werden hier genutzt, um Gegenstände zu zerstören.

Nun können Sie natürlich entgegnen, die Experten sagen, das sei ungefährlich, insbesondere die Leiter des XFEL sagen das. Aber das wurde uns und wird uns auch noch immer gesagt beim Forschungsreaktor Garching und bei unzähligen Atomkraftwerken. Es ist einfach nicht endgültig erforscht, welche Auswirkung dieser Tunnel auf die Gesundheit haben wird. Das finden wir unverantwortlich, das muss man zumindest kritisch hinterfragen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann gibt es noch eine dritte Frage, die wir uns stellen. Starke Laser- und Röntgenstrahlen werden auch in neuen Waffensystemen eingesetzt. In dem Gespräch mit dem Physiker, das ich am Anfang erwähnte, sagte er, das meiste, was bei unserer Forschung am DESY, aber auch an den anderen Teilchenphysikforschungszentren abfällt, sind die Nebenprodukte, das, was wir gar nicht einberechnet haben oder was wir nicht als eigentliches Ziel hatten. Wenn man sich dann die neuesten Werbematerialien der Schmiede Rheinmetall anschaut, dann muss man auch darauf achten, dass diese Forschung auf jeden Fall friedlich bleibt.

Das sind nur einige der Fragen, die ich mir stelle. Es sind noch viele Fragen mehr. Die Zeit ist jetzt leider zu Ende, vielleicht gibt es noch eine zweite Runde. Wir sehen dieses Institut nicht negativ, aber auf alle Fälle kritisch. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Dr. Schinnenburg von der FDP-Fraktion bekommt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Keine Frage, das ist keine Debatte wie jede andere. Der Tod von Frau Professor Kisseler hat mich und unsere Fraktion ebenfalls stark erschüttert. Sie war eine Senatorin von Format, die über ihre Zeit hinaus strahlen wird, wenn man vor allem noch bedenkt, welche Situation sie 2011 übernommen hat und was sie daraus gemacht hat. Wir zollen Frau Professor Kisseler unsere allergrößte Hochachtung.

(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

Es ist aber auch deshalb keine Debatte wie jede andere, weil es hier um ein Projekt geht, das nun wirklich über den Tag hinausgeht. Die meisten unserer Debatten betreffen einige wenige Jahre und Ergebnisse von Entscheidungen, die erst relativ kurz zurückliegen. Hier geht es um ein Projekt über Jahrzehnte, und außer von Herrn Dolzer haben wir auch gehört – na, die AfD wissen wir noch nicht –, dass alle Fraktionen das im Grundsatz sehr weitgehend, bis vielleicht auf Details, unterstützen, und das finde ich auch sehr gut so. Das ist in der Tat ein sehr, sehr gutes Projekt.

Herr Dolzer, ich weiß wirklich nicht, warum sie hier die UNESCO und "Die Physiker" zitiert haben, da geht es um absurdes Theater. Hier geht es weder um Theater noch um Absurdität, hier geht es um die Zukunft dieser Stadt und dieses Landes. Das sollten Sie unterstützen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und bei Dirk Kienscherf SPD und Dr. Anjes Tjarks GRÜ- NE)

Im Übrigen verstehe ich gerade bei der Links-Fraktion nicht, warum sie sagt, wir müssten das Geld vielleicht gar nicht ausgeben, denn in den USA haben die auch schon so etwas. Gerade wenn wir sagen wollen, wir wollen ein bisschen unabhängiger von den USA sein, müssen wir natürlich hier in Europa ein eigenes Projekt haben. Herr Dolzer, ich habe Ihre Argumentation, ehrlich gesagt, überhaupt nicht verstanden.

Dieses Projekt XFEL ist ein herausragendes Projekt, extrem kleine Strukturen, Moleküle und chemische Reaktionen können untersucht werden, sehr faszinierende Möglichkeiten. Es werden auch modernste Technologien eingesetzt. Und der Punkt, den andere Redner schon erwähnten, hat auch mich sehr berührt, nämlich die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene, maßgeblich mit Russland. 27 Prozent Beteiligung von Russland, und in der Zeit, die wir jetzt haben, das wusste man noch gar nicht, als XFEL begann, und mit der heutigen Situation sollten wir jede, aber auch wirklich jede Gelegenheit nutzen, in irgendeiner Weise mit Russland zusammenzuarbeiten. Ich freue mich sehr über die Blitze, aber ich freue mich auch sehr darüber, dass viele russische Forscher jetzt in

(Martin Dolzer)

Hamburg forschen werden, gemeinsam mit zahlreichen anderen Ländern. Das allein ist das Projekt, finde ich, wert in dieser schwierigen Zeit, in der wir momentan sind.

(Beifall bei der FDP, vereinzelt bei der SPD, der CDU, den GRÜNEN und bei Dr. Ludwig Flocken fraktionslos)

Ich persönlich habe noch ein ganz eigenes Interesse. Ich habe immer meinen Chemielehrern und Physiklehrern misstraut, ob die Moleküle wirklich so aussehen, wie sie uns das erzählt haben. Demnächst können wir es uns vielleicht einmal anschauen. Darauf freue ich mich. Die ersten Bilder eines schönen Wassermoleküls, ich würde sie gern als einer der Ersten sehen, würden mich sehr interessieren.

Dennoch, einige Äußerungen müssen noch sein, denn es besteht die Gefahr einer Legendenbildung, und einer gewissen Legendenbildung müssen wir ein bisschen vorbeugen. Die erste Legende könnte sein, Senatorin Fegebank habe das jetzt alles herbeigeführt. Nichts könnte falscher sein. Sie ist rein zufällig gerade in dem Amt. Dieses Projekt läuft seit 2003. 2003 ist es beschlossen worden und, unter uns gesagt, 2003 regierte in Hamburg die FDP. Mit anderen Worten, Sie können sicher sein, die FDP ist auch nicht unbeteiligt daran, dass wir heute XFEL hier haben.

(Heiterkeit bei der FDP – André Trepoll CDU: Das war aber Zufall!)

Zudem ist es nicht etwa so, dass es ein Hamburger Projekt ist, sondern Hamburg trägt gerade einmal 5 Prozent der Kosten bei. Also fangen Sie bloß nicht an zu sagen, jetzt hätten wir über 1 Milliarde Euro für die Hochschulen und für die Wissenschaft ausgegeben, gerade einmal 70 Millionen Euro davon sind aus Hamburg.

Ein weiterer Punkt: der Begriff Leuchtturmprojekt. Ich weiß nicht, ob Sie sich mit dem Leuchtturm schon einmal beschäftigt haben. Ich komme doch auch von der Küste. Beim Leuchtturm ist es oben hell und unten dunkel.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Das leuchtet aber sehr hell!)

Und unten ist es dunkel bei den Hamburger Hochschulen.