Wir fordern eine Schulentwicklung aus einem Guss. Wir fordern, dass Stadtteilschulen und Gymnasien gleichermaßen die Inklusion schultern, dass sie alle Schülerinnen und Schüler, die kommen, fördern und unterstützen und dass wir nicht mehr dieses Abschulen haben. Denn eines hört man aus den Stadtteilschulen: Die schlimmste Aufgabe, die sie haben, ist, die Schülerinnen und Schüler, die nach Klasse 6 zu ihnen zurückkommen, zu integrieren. Sie machen die Erfahrung, dass diese Kinder wirklich gebeutelt sind. – Da musst du gar nicht die Stirn krausziehen.
Es gibt keinen pädagogischen Grund dafür, warum die Gymnasien nicht auch endlich anfangen sollen, die Kinder zu fördern. Wir sagen natürlich auch, dass jedes Gymnasium, das diese Aufgabe übernimmt, dann auch die Unterstützung braucht, die Ressourcen braucht und die Weiterbildung braucht. Ich hoffe, dass wir das in dem Sinne diskutieren können.
Da hat sich ein Gymnasium auf den Weg gemacht, eine inklusive Schule zu werden. Der Schulleiter sagt, als er den Satz gehört habe – Zitat –:
"In erster Linie sind wir eine Schule und dann ein Gymnasium. Das ist unsere Grundhaltung zu Inklusion."
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Im Jahre 2010 hat es in Hamburg eine Schulreform gegeben und diese Schulreform hat die hamburgische Schullandschaft verändert. Das hat dazu geführt, dass wir in Hamburg zwei Säulen haben, Stadtteilschule und Gymnasium. Der Volksentscheid zeigte uns damals, dass eine
deutliche Mehrheit der Hamburgerinnen und Hamburger mit der geplanten Primarschule und der Abschaffung des Elternwahlrechts nicht einverstanden war. Wir als SPD-Fraktion akzeptieren die Ergebnisse von Volksentscheiden und setzen sie konsequent um.
In Hamburg gilt also weiterhin das uneingeschränkte Elternwahlrecht. Eltern melden ihre Kinder an den Gymnasien an, und zwar häufig auch dann, wenn die Kinder keine Gymnasialempfehlung haben. Das hat Folgen. Relativ viele leistungsschwache Schülerinnen und Schüler müssen nach der sechsten Klasse auf die Stadtteilschule wechseln. Die Fraktion DIE LINKE verlangt nun in ihrem Antrag, dass alle Gymnasialschülerinnen und Gymnasialschüler mit Beginn der fünften Klasse die Garantie erhalten sollen, dort bis zum Abschluss der zehnten Klasse bleiben zu dürfen, auch wenn die schulischen Leistungen nicht dafür geeignet sind. Das ist ein wiederholter Anlauf, die Schule für alle durch die Hintertür einzuführen.
Ein Abschulverbot für leistungsschwache Schülerinnen und Schüler hätte zur Folge, dass noch mehr Eltern als bisher ihre Kinder am Gymnasium anmelden. Das würde die noch junge Schulform der Stadtteilschule deutlich schwächen, die ohnehin schon unter den geringeren Anmeldungen im Vergleich zu den Gymnasien leidet. Eine solche Schwächung der Stadtteilschule liefe allen Bestrebungen zuwider, die Stadtteilschule dauerhaft als gleichberechtigte zweite Säule in der Hamburger Schullandschaft zu verankern.
Die Stadtteilschulen führen ihre Schülerschaft nach neun Jahren zum Abitur, dort werden leistungsschwächere genauso wie leistungsstärkere Kinder gezielt gefördert und gefordert.
Um an dieser Stelle eine Zahl zu nennen: Nur jeder 15. Stadtteilschüler in der fünften Klasse hat eine Gymnasialempfehlung. Viele machen aber dennoch später Abitur. Jeder vierte Abiturient hat im Jahr 2014 seinen Abschluss an einer Stadtteilschule gemacht. Man kann sagen, das ist eine erstaunliche pädagogische Leistung der Stadtteilschulen.
Zudem verlangen Sie nun in Ihrem Antrag, dass die Gymnasien mehr Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf aufnehmen und dafür vergleichbare Ressourcen wie die Stadtteilschulen erhalten. Damit geben Sie schon zu, es ist auch richtig, dass die Stadtteilschulen einen großen Teil der inklusiven Beschulung in Hamburg erfolgreich leisten. Dafür erhalten die Schulen ein Vielfaches an Ressourcen. Bei gleicher Schüler
zahl hat eine Stadtteilschule fast 40 Prozent mehr Pädagogen als ein gleich großes Gymnasium. Das ist richtig so und es ist auch Absicht. Zwischen beiden Schulformen sollen aber auch Unterschiede bestehen bleiben. Das Zwei-Säulen-System bringt es zwangsläufig mit sich, dass das Gymnasium als Schulform hohe Leistungsansprüche stellt und in der verkürzten Zeit von acht Jahren zum Abitur führt. Der Unterschied zwischen Gymnasien und Stadtteilschulen besteht aber nicht nur in der unterschiedlich langen Zeit bis zum Erwerb des Abiturs, der Unterschied liegt vor allem in der Frage der zieldifferenzierten Inklusion, die aufgrund der unterschiedlich verteilten Ressourcen in dieser Weise fast ausschließlich in den Stadtteilschulen stattfindet. Das heißt jedoch nicht, dass die Gymnasien keine Inklusion haben, dass sie keine Kinder mit Behinderung aufnehmen. Sie tun es wohl, es kommt aber auf die Art der Behinderung an. Die Gymnasien nehmen die Schüler auf, die mit dem hohen Lerntempo grundsätzlich mithalten können. Daher finden Sie an dem Gymnasium mehr Schülerinnen und Schüler mit Körperbehinderung und mit einer Autismus-Spektrum-Störung. Auch Schülerinnen und Schüler mit schwerwiegenden chronischen Erkrankungen, mit dem Förderschwerpunkt Sprache oder mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung besuchen Hamburger Gymnasien. Dagegen sind Schülerinnen und Schüler, die sehr individuell gefördert werden müssen, weil sie zum Beispiel ein verlangsamtes Lerntempo haben, an den Stadtteilschulen besser untergebracht.
Sie profitieren deutlich von den zusätzlichen Lehrerstellen, der verkleinerten Klassenstärke, der verstärkten Lehrerfortbildung und dem Ausbau des Ganztags.
Noch einmal, um es deutlich zu sagen: Mit Ihrem Antrag untergraben Sie die noch junge Schulreform und die bereits erzielten Erfolge. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Links-Fraktion, Sie betonen bei jeder Gelegenheit, wie wichtig Ihnen die direkte Demokratie ist, wollen aber die Ergebnisse des Volksentscheids von 2010 ignorieren. Wie erklären Sie das eigentlich den Hamburgerinnen und Hamburgern, die so entschieden haben, wie sie entschieden haben? Werden die Schulen, von denen die Zukunft unseres Landes abhängt, wieder zum Ort der Meinungskriege oder setzt sich die Vernunft durch? Lassen Sie uns am Schulfrieden und an dem Ergebnis des Volksentscheids festhalten.
An dieser Stelle möchte ich unserem Schulsenator Rabe in der Aussage unterstützen: Ernsthaftigkeit, Gelassenheit und Vernunft, nicht Alarmgeschrei und Krisenstimmung. Wir werden Ihren Antrag ablehnen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abaci. – Frau Prien von der CDU-Fraktion, Sie haben jetzt das Wort, und zwar für maximal 10 Minuten und 40 Sekunden.
Ich verspreche an dieser Stelle, dass ich die nicht ausschöpfen werde. Schon deshalb nicht, weil Sie, Herr Abaci, das toll gemacht haben heute. Das hat mir richtig gut gefallen, was Sie erzählt haben. Sie sollten öfter in Sachen Schulpolitik sprechen, das war richtig gut. Deshalb brauche ich gar nicht mehr so schrecklich viel sagen.
Frau Boeddinghaus, ich habe – und das können Sie mir wirklich abnehmen – großen Respekt davor, dass Sie immer wieder die gleichen Themen auf die Tagesordnung bringen. Wer dicke Bretter bohren will, der muss eben lange und intensiv bohren.
Deshalb finde ich es absolut legitim, dass wir nun die gleiche Debatte in der dritten Sitzung in Folge führen. Das kann man so machen, das finde ich in Ordnung. Bitte nehmen Sie es uns dann aber nicht übel, wenn wir Ihnen auch mit den gleichen Argumenten entgegnen, denn die ändern sich leider auch nicht.
Eines will ich sagen im Hinblick auf die Frage, wie ernsthaft wir uns mit dem Problem befassen: Ja, es gibt eine Akzeptanzkrise der Stadtteilschulen. Das ist unbestritten. Aber was Sie bisher nicht gemacht haben, ist, einmal an die Frage heranzugehen, was eigentlich die Ursachen für diese Akzeptanzkrise sind. Wenn wir das einmal miteinander machen könnten im Schulausschuss, dann würden wir vielleicht konstruktiv in der Debatte weiterkommen. Aber was Sie machen – obwohl Sie es anders verbrämen –: Sie führen Ihren ideologischen Kampf,
den Sie seit Jahrzehnten führen, genau an dieser Stelle weiter, Sie verpacken es nur anders. Und darauf habe ich, ehrlich gesagt, keine Lust. Das ist nämlich nicht ernsthaft.
Es ist deshalb ein ideologischer Kampf, weil für Sie der Einstieg ins Zwei-Säulen-Modell der Einstieg in die Einheitsschule gewesen ist. Für uns ist es das nicht, und das werden auch wir mit Klauen und Zähnen verteidigen. Sie tun dies an dieser Stelle und wir werden uns genauso dagegen wehren.
Ich habe dieser Tage den Bericht der EnqueteKommission im Hinblick auf die Frage gelesen, was denn die wahren Gründe für diese Akzeptanzkrise sind. Das ist eine Leistung, die Sie leider noch nicht erbracht haben. Wenn Sie sich zum Beispiel anschauen, dass die Stadtteilschule das Ziel hatte, die Quote der Schulabbrecher von 11,2 Prozent auf unter 10 Prozent zu drücken, und wir heute sehen, dass wir bei einer Schulabbrecherquote von 5,4 Prozent angelangt sind, dann kann man nicht einfach nur sagen, diese Schulform sei gescheitert. Das stimmt so nicht.
Diese Schulform hat viele Ziele, die sie sich vorgenommen hat, erreicht. An anderen Stellen gibt es nach wie vor viel zu tun, das bestreitet keiner, auch der Senator nicht. Wir sind uns, glaube ich, einig darin, dass die gleichzeitige Einführung von Inklusion und Stadtteilschule dieses Experiment und die Neueinführung dieser Schulform massiv herausfordert, wenn nicht sogar gefährdet. Damit müssen wir jetzt umgehen. Nur, darauf die Antwort zu geben, es dann am Gymnasium genauso zu machen und das Gymnasium als Schulform auch noch kaputt zu machen, kann nicht die richtige Lösung sein und das werden wir auch nicht mitmachen.
Das ist doch Ihre Philosophie, die dahintersteckt: Wenn es allen gleich schlecht geht, dann haben Sie Gleichheit hergestellt. Aber das kann doch nicht richtig sein.
Natürlich, Herr Schwieger: Inklusion, so wie sie angesetzt wurde in Hamburg, kann Schule kaputt machen. Das ist die Erfahrung, die Lehrkräfte an den Schulen im Moment in Hamburg machen, und das muss man auch deutlich so benennen. Und wenn wir nicht aufpassen, dann kommt zur Inklusion noch die Aufgabe der Integration, die nicht vernünftig verteilt wird, und dann haben wir tatsächlich ein Problem. Daran müssen wir jetzt arbeiten, und ich würde mir wünschen, dass wir das gemeinsam tun.