Protocol of the Session on July 14, 2016

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Sogar der Senat kann mehr!)

Sie haben es zum Beispiel noch nicht einmal geschafft, sich ein bisschen weiterzuentwickeln, was selbst der ADAC geschafft hat, auf den Sie sich berufen. Sie wollen doch, dass der ADAC teilnimmt. Sie waren doch in der Handelskammer; ich habe am nächsten Tag – ich war nicht dabei – den Bericht in einer großen hamburgischen Tageszeitung gelesen. In diesem sagt der ADAC, der Vorwurf, dass in Hamburg der Radverkehr bevorzugt wird, sei falsch. Das haben Sie mit keinem Wort er

wähnt. Das sind doch eigentlich Ihre Ideologiepartner. Selbst der ADAC ist weiter als Sie. Das sollte Ihnen zu denken geben.

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Sie schaffen es, von einem Wirtschaftsverkehr der Zukunft zu sprechen, ohne dabei ein Mal die Worte "klimafreundlicher ökologischer Verkehr" in den Mund zu nehmen.

(Jörg Hamann CDU: Hat er doch vorhin ge- sagt! – Dennis Thering CDU: Sie hätten bes- ser zuhören sollen!)

Wo haben Sie das in Ihrem Antrag stehen? Vielleicht habe ich Sie vorhin überhört. Wo haben Sie es geschrieben? Entschuldigung, Herr Hamann, wo haben Sie es hineingeschrieben? In Ihrem Antrag taucht es nicht auf.

(Zuruf von Dennis Thering CDU)

Herr Thering, sagen Sie doch einmal, wo es in Ihrem Antrag steht.

Sie haben damit argumentiert, dass es ganz schlimm sei, wenn in Hamburg ein Stau entstehe. Es ist viel schlimmer, wenn der Wirtschaftsverkehr und generell der Verkehr nicht nach der Prämisse betrachtet wird, was wir vermeiden, was wir verlagern können. Wenn man Ihnen zuhört, hat man das Gefühl, dass Sie gar nicht genau wissen, was der Wirtschaftsverkehr ist.

(Dennis Thering CDU: Fahrradkurier!)

Herr Thering, wie groß, glauben Sie, ist der LkwAnteil im Wirtschaftsverkehr? Wagen Sie doch einfach einmal eine Prognose. – Okay, Sie schweigen. Der Lkw-Anteil ist nicht der größte Anteil. Die meisten Fahrten im Wirtschaftsverkehr werden in allen Städten, auch in Hamburg, mit Pkws, kleinen Transportern und kleinen Lkws zurückgelegt. 5 Prozent ist der Anteil im Wirtschaftsverkehr mit Lkws, die größer als 7,5 Tonnen sind. Das haben Sie nicht erwähnt. Jetzt gibt es – ich weiß nicht, ob Sie sich ein bisschen in der Verkehrspolitik umtun – ein Projekt der EU namens Cycle Logistics. Dabei ist untersucht worden, wie Wirtschaftsverkehr und Radverkehr zusammenpassen, also eigentlich das, was in Ihrer Überschrift steht: Wirtschaftsverkehr bei Radverkehrspolitik stärker berücksichtigen. Was, glauben Sie, ist das Ergebnis dieser Studie? Das Ergebnis ist, die Hälfte – also 50 Prozent – aller motorisierten Fahrten im Warentransport sind verlagerbar, und zwar auf Lastenräder und auf Fahrräder. Das passt Ihnen nicht, aber der Umwelt wird das sehr gut zupasskommen. Das wäre gut.

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von Dennis Thering CDU)

(Martin Bill)

Herr Thering, es ist kein Vorschlag der LINKEN, sondern eine Untersuchung, deren zufolge sich EU-weit ergeben hat, was verlagerbar ist.

(Dennis Thering CDU: Wirtschaftsverkehr!)

Ich weiß nicht, ob Ihnen nicht bekannt ist, dass es in Hamburg schon seit 15, 20 Jahren Handwerker gibt, die mit einem Lastenfahrrad ihre Kunden besuchen. Das scheint bei Ihnen im Alstertal nicht angekommen zu sein. Das tut mir leid. Daran kann man arbeiten.

(Beifall bei Sabine Boeddinghaus DIE LIN- KE)

Das, was in Ihrem Antrag steht und was die Handelskammer sagt, können und werden wir ablehnen.

(Zurufe von der CDU)

Aber auch in einem anderen Punkt muss ich Ihnen widersprechen.

(Glocke)

Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Das Wort hat Frau Sudmann.

Ich brülle gern gegen die an. Leider hilft es nicht.

Sie versuchen immer darzustellen, Rot-Grün tue fürchterlich viel für den Radverkehr und Rot-Grün sei schrecklich. Ich finde, Rot-Grün ist gar nicht mutig. Sie haben Tempo 30 angesprochen. Wir hätten schon lange in Hamburg flächendeckend Tempo 30 einführen können. Dann hätten wir mehr Sicherheit, einen fließenderen Verkehr, was auch Rot-Grün selbst sagt, und wären schon wesentlich weiter. Ich weiß, dass es für Sie sehr, sehr schwierig ist. Aber es ist so. Rot-Grün ist auch nicht mutig, wenn es darum geht, wie der Straßenraum aufgeteilt werden kann. Herr Thering, Sie haben recht: Viele Radfahrstreifen sind zu schmal und viel zu dicht am Autoverkehr. Sehen Sie sich das in Dänemark an, dann werden Sie feststellen, dass es dort wesentlich mehr Abstand gibt. Da, Herr Thering, sind Sie ja schon fast fortschrittlich. Wenn Sie jetzt sagen würden, dass Sie Radfahrstreifen wollen, die breit genug sind … Aber nein, man liest Ihren Antrag und stellt fest: Sie wollen auf keinen Fall Radfahrer und Radfahrerinnen auf Hauptverkehrsstraßen haben. Die sollen auf dem Bürgersteig fahren.

(Jörg Hamann CDU: Natürlich!)

Da sind Sie wieder völlig in der alten Ideologie. Herr Thering, ich muss feststellen, dass Sie etwas Unmögliches geschafft haben: Sie haben es geschafft, mit Ihrer Politik im Verkehrsbereich auf einem Stand stehen zu bleiben, der lange vor Ihrer Geburt war. Das ist eine Leistung, die nicht alle erbringen können, und dazu mein herzliches Beileid.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD und den GRÜNEN)

Jetzt erhält das Wort Herr Dr. Wieland Schinnenburg von der FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir wissen alle, dass die GRÜNEN in einer simplen Welt voller Feindbilder leben. Das sind zum Beispiel die Fleischesser, das sind die Leute, die zu Fußballspielen mit deutschen Fahnen gehen, und eben auch die Autofahrer.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD)

Damit das ein bisschen positiver klingt, sagt man nicht, die Anti-Autofahrer-Politik, sondern man nennt es Fahrradstadt. Der Begriff Fahrradstadt als solcher ist schon sehr gefährlich, denn er suggeriert doch, dass ein Verkehrsmittel Vorrang vor allen anderen Verkehrsmitteln haben soll. Sie machen doch den umgekehrten Fehler der Siebzigerjahre, Frau Sudmann. In den Siebzigern sagte man, es sei alles dem Auto unterzuordnen. Das ist überholt. Das ist genauso überholt, wie jetzt alles dem Fahrrad unterzuordnen. Genau das machen Sie und das ist ein Fehler.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Fahrradfahrer haben auf viel befahrenen Straßen mit Lkw-Verkehr nichts zu tun. Ich weiß nicht, ob Sie es einmal ausprobiert haben; ich mache es regelmäßig, ich schaue mir das an. Ein Fahrradfahrer neben einem Dreißigtonner ist in unmittelbarer Gefahr und nebenbei blockiert er auch den Wirtschaftsverkehr. Da können Sie mir nichts erzählen. Das ist so, und das, was Sie machen, ist falsch.

(Beifall bei der FDP, der CDU und bei Dr. Jörn Kruse AfD)

Was wir brauchen, ist eine fahrradfreundliche Stadt. Wir wollen konkrete Fortschritte für Fahrräder. Genau dafür tun Sie praktisch nichts. Ihr schönes sogenanntes Bündnis für den Radverkehr ist viel zu wenig und geht zum Teil auch in die falsche Richtung. Wir haben bereits mehrfach gesagt, bei dem Tempo, das Sie derzeit anlegen wollen – nicht tun, sondern wollen –, werden Sie 20 Jahre brauchen, um die vorhandenen Radwege zu sanieren. Eine Fahrradstadt, in der kaputte Radwege die Regel sind, ist keine Fahrradstadt. Was Sie da machen, ist einfach nur peinlich.

(Beifall bei der FDP und bei Dennis Thering CDU)

Da Sie das im Grunde genommen auch selber wissen, machen Sie Placebo-Aktionen, irgendetwas für den schönen Schein, indem Sie in jedem Bezirk einen Fahrradzähler aufstellen wollen. Das ist doch

(Heike Sudmann)

völliger Unsinn. Es ist völlig uninteressant, ob an einer konkreten Stelle viele oder wenige Fahrradfahrer vorbeifahren. Was wir für eine Fahrradverkehrsbelegplanung brauchen, ist eine Vernetzung. An vielen Stellen müssen wir vor allem den Verkehrsstream messen. Das versuchen Sie gar nicht erst. Denselben Fehler, den Sie bei den Autofahrern machen, machen Sie auch bei den Fahrradfahrern. Ihre Symbolpolitik ist kontraproduktiv für die Fahrradfahrer.

(Beifall bei der FDP)

Ich kann immer wieder nur erwähnen, dass Sie nicht gegen Rambo-Radler vorgehen. Die Statistik haben wir Ihnen mehrfach vorgetragen. Es geht aber nicht nur um die Gefährdung von Fußgängern. Auch Radfahrer fürchten sich vor anderen Radfahrern, weil ein geringer Teil der Radfahrer rücksichtslos fährt. Dagegen müssen Sie vorgehen, wenn Sie etwas für die Fahrradfahrer in Hamburg tun wollen. Aber das tun Sie gerade nicht.

(Beifall bei der FDP – Jörg Hamann CDU: Ja!)

Die Handelskammer hatte am 8. Juni 2016 mit ihrer Pressemitteilung recht: Der Wirtschaftsverkehr wird mit Ihrer Politik massiv gefährdet. Dann erzählt Herr Bill – ein GRÜNER, ein GRÜNER – etwas über Wirtschaft, was eigentlich schon an sich ein Witz ist.

(Farid Müller GRÜNE: Ohne Ihre Vorurteile können Sie auch nicht leben!)

Herr Bill, Sie haben gesagt, es sei deshalb wirtschaftsfreundlich, weil dann mehr Leute zu den Geschäften fahren würden; sie kauften zwar weniger, seien aber öfter da. Ja, klar, das ist die Folge: Fahrradfahrer können nicht so viel mitnehmen, insofern müssen sie öfter kommen. So einfach, wie Sie es sich vorstellen, Herr Bill, ist das nicht.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD)

Nun noch zum Antrag der CDU. Er ist in der Tat abgeschrieben, was nicht alle von Ihnen gemerkt haben. An einer Stelle, nämlich ganz am Ende, ist er nicht abgeschrieben. Die Handelskammer wollte zu Punkt 5 eine Umfrage machen und die CDU will ohne Umfrage schon vorher wissen, was dabei herauskommt. Deshalb würden wir, wenn es zur Abstimmung kommt, Punkt 5 nicht zustimmen und uns enthalten. Auch bei Punkt 2 würden wir uns enthalten, und zwar aus folgendem Grund: Da gibt es bereits eine fertige und gültige Strategie für alle Punkte. Wir aber glauben, dass eine moderne Verkehrspolitik nicht so geht, wie Rot-Grün es sagt. Immer die Radfahrer mit auf die Straße zu nehmen, wo sie nichts zu suchen haben, ist falsch. Aber ebenso falsch ist es, sie nie irgendwie auf die Straße zu nehmen. Man muss Punkt für Punkt, Straße für Straße schauen. An manchen Stellen ist es richtig, den Radverkehr auf die Straße zu brin

gen, an anderen ist es grundsätzlich falsch. Darum ist Punkt 2 für uns in der vorliegenden Fassung zu einfach strukturiert. Deshalb haben wir beantragt, diesen Antrag an den Verkehrsausschuss zu überweisen, um die letzten Feinheiten des CDU-Antrags, der weitestgehend völlig richtig ist, noch zu verbessern. Sollten Sie das ablehnen, wovon ich abraten würde, werden wir uns bei den Punkten 2 und 5 enthalten. Dem Rest stimmen wir natürlich zu. Die Grundtendenz, dies zu beantragen, ist selbstverständlich richtig. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Danke, Herr Schinnenburg. – Als Nächster hat Herr Ehlebracht von der AfD-Fraktion das Wort: