Protocol of the Session on July 13, 2016

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir trauern um unseren Ehrenbürger Helmut Greve, der am 4. Juli 2016 im Alter von 94 Jahren verstorben ist. Als Bauunternehmer war er in Hamburg und weit über unsere Landesgrenzen hinaus erfolgreich. Ausgeruht hat er sich auf diesem Erfolg aber nie. Klug und beharrlich, mit Herz und Verstand hat er gemeinsam mit seiner Ehefrau Hannelore die Wissenschaft, die Kultur und viele soziale Projekte gefördert und damit einen Großteil von dem zurückgegeben, was er seiner Heimatstadt zu verdanken hat. Der Universität Hamburg schenkte er zwei Flügelbauten für das Hauptgebäude, die Akademie der Wissenschaften unterstützte er seit ihrer Gründung und dem UKE verhalf er durch Spenden, ihren Status als moderne Klinik auszubauen.

Dass Hamburg heute so stolz sein kann, als Stifter- und Stiftungshauptstadt zu gelten, hat auch mit dem Wirken von Helmut und Hannelore Greve zu tun.

Darüber hinaus lag es ihm sehr am Herzen, die europäische Versöhnung voranzutreiben. Er knüpfte enge Verbindungen nach Bulgarien, Estland und vor allem nach Ungarn, wo er jahrelang als Honorarkonsul wirkte.

Wir, die Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft, werden ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren. Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Ehefrau Hannelore und seinen Angehörigen.

(Die Abgeordneten legen eine Schweigemi- nute ein.)

Ich danke Ihnen.

Meine Damen und Herren, wir treten in unsere Tagesordnung ein und beginnen mit der

Aktuellen Stunde

Dazu sind sechs Themen angemeldet worden, und zwar von der AfD-Fraktion

HWWI stärken! Hamburg braucht ein erstklassiges Wirtschaftsforschungsinstitut

von der SPD-Fraktion

Stärkung von Polizei und Justiz: Hamburgs Sicherheit ist bei uns in guten Händen

von der CDU-Fraktion

Cannabis-Legalisierung, Stiefkind Strafvollzug und Bauernopfer für entlassenen Sicherheitsverwahrten – Till allein zu Haus?

von der GRÜNEN Fraktion

Nein heißt Nein – Großer Erfolg für die sexuelle Selbstbestimmung auf Hamburgs Initiative

von der Fraktion DIE LINKE

Unsozialer Wohnungsbau in Hamburg: Das Märchen vom "Drittelmix"

und von der FDP-Fraktion

Zentralabitur 2017: Wo ist die angekündigte Qualitätsoffensive an Schulen? Rabe verspielt wertvolle Zeit!

Ich rufe zunächst das erste Thema auf, angemeldet von der AfD-Fraktion. – Herr Professor Kruse, Sie wünschen das Wort und bekommen es für fünf Minuten.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Noch zum Anfang des neuen Jahrtausends, ich sage einmal, mindestens bis 2003, war das HWWA – Institut für Wirtschaftsforschung eines der fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in Deutschland. Es wurde über die sogenannte Blaue Liste der Leibnitz-Gemeinschaft von Bund und Ländern kofinanziert. Anfang 2016 ist das Nachfolgeinstitut, also das HWWI, bereits so weit heruntergewirtschaftet worden, dass die Uni Hamburg froh war, für 1 Euro die Verantwortung los zu sein. Über die Gründe für den Niedergang könnten wir lange diskutieren; ich will das aber nicht tun, weil ich nur fünf Minuten habe.

Klar ist auf jeden Fall, dass die Hamburger Politiker, das heißt die letzten zwei bis drei Senate, zum Niedergang entscheidend beigetragen haben. Sie haben die Probleme und die Bedeutung nicht erkannt und nicht erkennen wollen und mit Nichtstun die Probleme verschärft. Das betrifft einerseits die Wissenschaftssenatorin, die wohl nie so genau hingesehen hat, weil ihr das Gebiet fremd war und sie sich lieber mit schwulen Ampelmännchen als mit einem Forschungsinstitut befasst hat.

(Beifall bei der AfD – Martin Dolzer DIE LIN- KE: Was war das denn?)

Zum anderen betrifft das aber auch Wirtschaftssenator Horch, dessen Behörde die Bedeutung des HWWI für die Wirtschaft, die Unternehmen, die Politik und die Verwaltung hätte erkennen und entsprechend handeln müssen. Umso mehr sollten wir alle, sollten Hamburg und sein Senat froh und dankbar sein, dass die Handelskammer die Relevanz gesehen und entsprechend gehandelt hat, in diesem Fall durch die Übernahme der restlichen 50 Prozent der Anteile. Ich will das ausdrücklich lobend erwähnen. Der Hauptgeschäftsführer der Handelskammer, Professor Schmidt-Trenz, ist selbst habilitierter Volkswirt und weiß, was er tut,

(Vereinzeltes Lachen bei der SPD – Gerhard Lein SPD: Besonders finanziell!)

in diesem Fall im Gegensatz zu seinen Kritikern im eigenen Hause, deren Argumente ich nicht nachvollziehen kann, da sie von falschen Voraussetzungen ausgehen, nämlich von einer Input-Betrachtung, während es tatsächlich auf den Forschungs- und Beratungsoutput ankommt.

Warum brauchen wir überhaupt ein solches erstklassiges Wirtschaftsforschungsinstitut in Hamburg? Antwort: im Wesentlichen aus denselben Gründen wie 1908 bei der Gründung des HWWA, damals als Teil des sogenannten Kolonialinstituts, nämlich zur analytischen Unterstützung und Beratung Hamburger Kaufleute, Unternehmen, Behörden und Politiker. Auch die Vermutung, es handele sich beim HWWI um ein teures Spielzeug mit Millionenverlusten für die Träger, halte ich perspektivisch für verfehlt. Und damit meine ich nicht nur die von mir schon angesprochenen positiven externen Effekte. Ich weiß, dass man mit wirtschaftlicher Expertise und Beratung auch Geld verdienen kann, wenn die Qualität der Analysen und der Beratung erstklassig ist.

(Dr. Monika Schaal SPD: Wenn man Kun- den hat!)

Wie macht man das, wenn ein existierendes Institut in der Krise ist? Man braucht zwei Dinge. Erstens braucht man eine Institutsleitung, die wissenschaftlich sehr gut ausgewiesen ist und Renommee in der Ökonomenzunft hat. Dass man seinerzeit, 2014, Professor Thomas Straubhaar, der ein solches Renommee hatte, ziehen ließ, ohne für einen vergleichbar ausgewiesenen Nachfolger zu sorgen, macht mich heute noch sprachlos. Eine Institutsleitung sollte aus mehreren ausgewiesenen Ökonomieprofessoren verschiedener Fachrichtungen bestehen. Es müssen nicht notwendigerweise alle fulltime am Institut sein, aber alle müssen das Institut fachöffentlich mit ihrem Namen verknüpfen und an der wissenschaftlichen Qualität des Outputs ein eigenes Interesse bezüglich Ruf und Karriere haben. Insofern sind also die jetzt aktuellen Bemühungen um Universitäts-Connections – insbesondere zur Helmut-Schmidt-Universität, dabei muss es aber nicht bleiben – nicht nur ein Schritt in die richtige Richtung, sondern unabdingbar für den Erfolg. Lehrstuhlinhaber sind unabhängig und wichtig für die Qualitätssicherung, die Rekrutierung und die Motivation der Mitarbeiter und als Bindeglied für deren eventuelle Karriere in der Wissenschaft oder auch in der Praxis.

Zweitens braucht man vor allem am Anfang eine Grundfinanzierung, die das Institut davor bewahrt, von kurzfristigen Auftragsschwankungen abhängig zu sein. Wäre das anders, würden bei dünner Auftragslage, die immer einmal vorkommt, zuerst die Besten und die Mobilsten gehen, was für das Institut und seinen Ruf katastrophale Folgen hätte. Hier

ist vor allem der Hamburger Senat gefragt, der ein bestimmtes Auftragsvolumen an Wirtschaftsberatung für einige Jahre vertraglich garantierten sollte, sodass das HWWI die guten jungen Ökonomen attrahieren kann und ihnen eine Perspektive für Hamburg bietet. Hier sind aber auch die Hamburger Unternehmen gefragt, die den Neustart des HWWI durch Kooperationen, Daten und Aufträge befördern sollten. Hierfür ist die Handelskammer grundsätzlich ein guter Mittler, und ich denke dabei gerade auch an die Kompetenz von Herrn Schmidt-Trenz, aber es wäre gut, wenn der Gesellschafterkreis auf eine breitere Basis gestellt würde als nur durch die Handelskammer. Aber was wir hier zu verhandeln haben, ist die politische Verantwortung. Herr Senator Horch ist nicht da, aber ich sage es trotzdem: Es wäre die Aufgabe des Senators, sich dieses Thema zu seinem zu machen, um das HWWI wieder hochzubringen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD und bei Karl-Heinz Warn- holz CDU)

Das Wort bekommt Herr Schmidt von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben einmal wieder die alte AfD erlebt, bei der es noch nicht um die Verbreitung von Angst vor Überfremdung und Ähnliches ging, sondern es ist die ursprüngliche AfD gewesen, bei der es noch um die Verbreitung von neoliberalistischem Gedankengut ging, ausgedacht von Professoren wie Herrn Kruse, die ihre Wirtschaftstheorien in die Welt gesetzt haben, bei denen die Schicksale der Menschen vollkommen gleichgültig sind, und sie noch nicht nach Grenzkosten und funktionalem Wert betrachtet haben. Aber da schließt sich der Kreis zur aktuellen AfD.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Nun zum HWWI. Das HWWI ist aus dem Hamburger Weltwirtschaftsarchiv hervorgegangen, das Ende 2006 aufgrund der Empfehlung des Leibnitz-Instituts wegen schlechter Evaluationsergebnisse von der öffentlichen Förderung ausgeschlossen wurde. Also das Bild, das Herr Kruse eben gemalt hat, entspricht nicht ganz der Realität. Ich habe mir noch einmal die Protokolle der damaligen Entscheidung in der Bürgerschaft durchgelesen. Die derzeitige Konstruktion des HWWI mit Handelskammer und Universität Hamburg als Gesellschafter eines privatwirtschaftlichen Instituts hat sich der damalige Senat ausgedacht und die Bürgerschaft ist ihm dabei gefolgt. Seitdem ist das HWWI ein dienstleistungsorientiertes Unternehmen für anwendungsorientierte Forschungsaufträge und kein Teil des steuergeldfinanzierten Forschungswesens. Allen war schon damals klar, dass sich das

(Dr. Jörn Kruse)

HWWI selbst tragen muss, und das tat es auch. Bis 2013 konnte das Institut Überschüsse generieren, doch die Aufträge blieben nun schon länger aus. In den letzten beiden Jahren hat man über eine Million Euro Verlust angehäuft und steht nun finanziell am Abgrund. Ökonomen würden sagen, dass das HWWI sich am Markt nicht behaupten konnte. Die Universität als Mitgesellschafter musste die Reißleine ziehen und so wurden nun ihre Anteile an die Handelskammer übertragen. Die Handelskammer hat diese Übernahme im Plenum im Juni 2016 beschlossen, auch wenn dort dieser Schritt nicht unumstritten ist. Zusätzlich engagiert sich die Helmut-Schmidt-Universität beim HWWI. Lassen Sie mich in Richtung der Beteiligten sagen, dass wir dieser Konstruktion viel Erfolg wünschen und hoffen, dass sich durch die Übernahme der Handelskammer das Engagement insbesondere der Hamburger Wirtschaft beim HWWI wieder verstärkt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Da wir alle ahnen, was jetzt gleich an Schwarzmalerei von dieser Seite des Hauses kommt, ein paar Worte dazu: Hamburgs Wirtschaftswissenschaften sind gut aufgestellt. Die universitäre Volkswirtschaft in Hamburg operiert auf höchsten Rankingplätzen. Spitzenforschung im Bereich der Wirtschafswissenschaften findet in Hamburg jeden Tag statt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Behalten Sie also einmal Ihre üblichen oppositionellen Sprechblasen für sich und reden Sie nicht gleich wieder alles schlecht. Damit würden Sie dem Neustart des HWWI einen Bärendienst erweisen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Da wir beim Thema Wirtschaftswissenschaften sind, lassen Sie mich noch ein paar persönliche Bemerkungen in Richtung CDU und FDP machen. Sie müssen sich ja jetzt die Bänke mit der AfD teilen.

(André Trepoll CDU: Und Sie sich auch!)

Jahrelang haben auch Sie das Loblied auf den Neoliberalismus und die Deregulierung gesungen. Das Ergebnis dieser Politik ist eine Aushöhlung der Mittelschicht. Die Wirtschaft ist gewachsen, aber die Haushalte der Mittel- und Arbeiterschicht kamen nicht in den Genuss der Vorteile dieses Wirtschaftswachstums.

(André Trepoll CDU: Jetzt machen Sie ge- nau dasselbe mit der Links-Partei! Das sa- gen die sonst immer!)

Sie sahen, wie Milliarden in die Rettung der Banken flossen, dass aber nur triviale Beiträge zur Rettung ihrer Häuser und Arbeitsplätze aufgewendet wurden. Hinzu kommen sinkende Reallöh

ne. Angesichts dieser Tatsache sollte eine zornige Wählerschaft also keine Überraschung sein.

(Zurufe von der FDP und der AfD)