Protocol of the Session on January 21, 2016

Werte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, habe ich die Meldung von Herrn Nockemann so verstanden, dass er sich zur Geschäftsordnung äußern möchte. Ist das richtig?

(Dirk Nockemann AfD: Ja!)

Kommen Sie nach vorn, Sie haben das Wort gemäß Paragraf 44 für maximal zwei Minuten.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Dressel, Sie sprachen davon, solche Vorfälle kämen rechten Rattenfängern gelegen. Ich bitte Sie, zu erklären, wen in diesem Hause Sie damit meinen.

(Glocke)

Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Herr Nockemann, ich habe geklingelt, um Sie zu unterbrechen. Wenn Sie eine Zwischenfrage stellen wollen, ist die Regelung in unserem Haus, dass man sich an eines der Mikrofone im Saal stellt. Was Sie jetzt machen, ist keine Meldung zur Geschäftsordnung, sondern eine Zwischenfrage, die von einem der Saalmikrofone aus gestellt werden muss. Wenn Sie eine persönliche Erklärung abgeben wollen, weil Sie persönlich angegriffen worden sind oder Ihre Rede richtigstellen wollen, dann geht das erst nach der Debatte. Insofern bitte ich Sie, wenn Sie keinen Geschäftsordnungsantrag stellen wollen, sich wieder hinzusetzen.

Gut, dann machen wir das so.

Dann fahren wir in der Debatte fort. Ich erteile niemandem mehr das Wort, weil sich keiner mehr gemeldet hat. Die AfD hatte sich schon gemeldet; insofern ist sie nicht mehr in einer Runde außerhalb

(Dr. Andreas Dressel)

der Redezeit der Aktuellen Stunde. Damit stelle ich fest, dass die Aktuelle Stunde beendet ist.

Jetzt rufe ich auf Tagesordnungspunkt 16, Drucksache 21/2519, Senatsantrag: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung kapazitätsrechtlicher Regelungen.

[Senatsantrag: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung kapazitätsrechtlicher Regelungen – Drs 21/2519 –]

Diese Drucksache möchten die Fraktionen der SPD und der GRÜNEN an den Ausschuss für Wissenschaft und Gleichstellung überweisen. Wer wünscht das Wort? – Herr Dr. Schinnenburg von der FDP-Fraktion, Sie erhalten es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist natürlich nicht einfach, nach dieser Debatte jetzt zum Kapazitätsrecht zu reden. Wir haben über schreckliche Dinge geredet, die Frauen angetan wurden, und jetzt kommen wir zu einem scheinbar sehr trockenen Thema. Dennoch halten wir es für richtig, hierüber jetzt zu sprechen, denn es ist nur scheinbar ein trockenes Thema.

(Glocke)

Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt stoppe ich erst einmal die Redezeit. Es war eine sehr aufgeregte Aktuelle Stunde, besonders der erste Teil. Ich bitte nun aber, auch den weiteren Debatten konzentriert zuzuhören, und bitte diejenigen, die den Raum verlassen wollen, das zügig und ohne weitere Störung zu tun. – Herr Dr. Schinnenburg, fahren Sie fort.

Meine Fraktionsspitze sagt, ich müsse mich noch parlamentsangemessen anziehen. Das will ich gern tun. Ich hoffe, es ist jetzt richtig.

Wie gesagt, wir haben ein Thema, das sicher nicht so emotional ist wie das, was wir gerade besprochen haben, aber es ist dennoch ein wichtiges Thema. Es geht um die Zukunft der Stadt, aber auch um menschliche Schicksale, und zwar in zweierlei Hinsicht. Es geht zum einen um diejenigen, die gern einen Studienplatz hätten, aber keinen bekommen haben, und zum anderen um diejenigen, die einen bekommen haben und nun befürchten müssen, dass die Hochschule durch Einkläger völlig überfüllt wird. Auch das ist ein wichtiges Thema. Wie Sie wissen – wir haben es an dieser Stelle schon öfter diskutiert –, behandeln rot

grüne Wissenschaftssenatoren die Hamburger Hochschulen außerordentlich schlecht. Da ist einmal das Stichwort Kaputtsparen, denken Sie an die 0,88 Prozent Steigerung, was zu einer realen Kürzung führt, zum Beispiel bei der Universität Hamburg, die jedes Jahr etwa 30 Millionen Euro aus der Substanz lebt. Sie können sich selbst ausrechnen, wann die Universität Hamburg nicht mehr handlungsfähig ist.

Heute geht es aber um das Kapazitätsrecht, denn beide Senatorinnen, sowohl Frau Stapelfeldt als auch Frau Fegebank, haben schlechte Gesetze gemacht, und die Folgen haben die Hochschulen und auch die Studienbewerber zu tragen gehabt.

(Beifall bei der FDP)

Zunächst einmal wissen diejenigen, die sich damit beschäftigt haben, dass das Hamburgische Oberverwaltungsgericht Frau Senatorin Stapelfeldt eine juristische Ohrfeige verpasst hat. Das Gericht hat festgestellt, dass das Gesetz, das Frau Senatorin Stapelfeldt durch die Bürgerschaft gepeitscht hat, eine grobe Missachtung der rechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und auch des Oberverwaltungsgerichts ist. Das ist eine juristische Ohrfeige, und die war auch verdient.

Das Gesetz enthält nämlich im Gegensatz zu der Rechtsprechung kein Gebot, die Ausbildungskapazität erschöpfend auszunutzen. Es enthält keine nachvollziehbaren Kriterien zu Zahlen zuzulassender Studienbewerber, und – jetzt kommt die schlimmste Ohrfeige – das Gericht zitiert auf einer halben Seite aus der Gesetzesbegründung und kommentiert das wie folgt:

"Auch aus der Gesetzbegründung […] lässt sich wenig Konkretes und Nachvollziehbares herausarbeiten."

Eine mehrfache berechtigte Ohrfeige für Senatorin Stapelfeldt und ihr Gesetz.

(Beifall bei der FDP)

Diese Ohrfeige kam auch nicht unerwartet. Ich selbst hatte in der Beratung dieses Gesetzes in der 20. Wahlperiode den Senat im Ausschuss gewarnt. Ich habe Sie auf die rechtlichen Probleme hingewiesen; das können Sie im Wortprotokoll 20-21 vom 30. Januar 2014, Seite 14 nachlesen. Der Senat, die SPD-Alleinregierung und die Senatorin Stapelfeldt sind damals einfach darüber hinweggegangen und haben zu Recht die Quittung des Gerichts bekommen. So viel zu Senatorin Stapelfeldt.

Nun komme ich zu Frau Senatorin Fegebank. Sie hat gesagt, da bestehe ein Problem, und hat dann in der Tat mit der Brechstange versucht, eine Reparatur vorzunehmen. Sie hat das alte Recht wieder eingeführt, das Stapelfeldt-Gesetz quasi sus

(Erster Vizepräsident Dietrich Wersich)

pendiert, und hat im Eilverfahren ein neues Gesetz durch die Bürgerschaft gepeitscht. Die Opposition hat sich sehr kooperativ verhalten. Wir haben eine Sondersitzung des Wissenschaftsausschusses gemacht und auf einen Widerspruch gegen die zweite Lesung verzichtet. Die Opposition hat also mitgemacht und wurde auch bedroht, zum Beispiel von Herrn Tode, der sagte, wir wollten wohl den armen Hochschulen nicht helfen. Das haben wir alles nicht gemacht, wir haben ihr die Chance gegeben, aber das war eine Reparatur im Eilverfahren.

Zum Dank, Herr Tode, hat Rot-Grün sich dann wie folgt verhalten: Wir haben danach insgesamt fünf Große Anfragen zur Wissenschaftspolitik gestellt, drei die FDP, zwei die CDU. Keine dieser Großen Anfragen wurde von Ihnen an den Wissenschaftsausschuss überwiesen. Sie haben schlicht und einfach die inhaltliche Debatte über den Hamburger Hochschulbetrieb verweigert. Das allein ist schlimm genug. Bezeichnenderweise ist Frau Fegebank heute nicht da, es passt dazu, Sie wollen sich offenbar mit Wissenschaftspolitik in Hamburg nicht beschäftigen, und das finde ich sehr schlimm. Wissenschaft steht für die Zukunft der Stadt, und wenn wir darüber nicht diskutieren, ist das eine schlimme Aussage.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Über das Ganze könnte man ja noch hinwegsehen, wenn der Aktionismus von Frau Stapelfeldt und Frau Fegebank einen Erfolg gehabt hätte. Aber sehen wir uns doch einmal die Zahlen an, die ich vom Senat erfragt habe. Zur Zeit des alten Rechts, also bevor Frau Stapelfeldt kam, gab es Wintersemester 2013/2014 750 außerplanmäßige Zulassungen. Dann kam Frau Stapelfeldt und hat gesagt, sie mache ein neues Gesetz, das seien viel zu viele, das wolle sie verhindern – wie vorhin beschrieben. Dann gab es ein Jahr später ein neues Stapelfeldt-Gesetz. Raten Sie einmal, wie viele Einklagen es im Wintersemester 2014/2015 gab. Immerhin drei weniger, nämlich 747. Ein völliger Fehlschlag, die Gesetzesänderung hat nichts für den eigentlichen Gesetzeszweck gebracht, nämlich die Zahl der Einklagungen zu verringern.

Dann kommt Frau Fegebank und macht im Eilverfahren ein neues Gesetz. Auch da habe ich mir erlaubt nachzufragen, wie viele Einklagen es unter dem neuen fegebankschen Gesetz gegeben habe. Sie ahnen es schon, wenn ich das hier so sage. In der Tat, es ist fast wieder die gleiche Zahl, 734. Zwei Gesetzesänderungen im Eilverfahren gegen guten Rat durchgepeitscht und jedes Mal mit dem schlechten Ergebnis. Das ist eine erneute, in diesem Fall nicht juristische, sondern zahlenmäßige Ohrfeige für Fegebank und für Stapelfeldt. So kann man das nicht machen.

(Beifall bei der FDP)

Dann sehen wir uns jetzt einmal die Drucksache an, die uns heute zur Debatte vorliegt. Übrigens werden wir einer Überweisung an den Wissenschaftsausschuss zustimmen. Wir haben auch schon vereinbart, dass es dazu eine entsprechende Anhörung geben wird.

(Dr. Mathias Petersen SPD: Donnerwetter!)

Aber diese Drucksache enthält nun wieder einige bemerkenswerte Dinge, die mich sehr daran zweifeln lassen, ob Senatorin Fegebank oder ihr Stab sich das gut überlegt haben. Der entscheidende Punkt, ein ganz wesentlicher Inhalt des neuen Gesetzes, ist die Trennung von Binnen- und Außenverhältnis. Im Gesetz trennt man jetzt, wie man die Kapazität im Binnenverhältnis und im Außenverhältnis gegenüber den Studienbewerbern bestimmt. Zitat:

"[Dann] würde zukünftig keine grundrechtsbegrenzende Funktion mehr [darin bestehen]."

Wir werden es in der Anhörung und spätestens vor dem Oberverwaltungsgericht sehen. Ich habe meine allergrößten Zweifel daran, ob das funktionieren wird. Was ist denn das für ein Grundrechtsverständnis? Ich verknappe erst einmal im Verhältnis zwischen Staat und Hochschule das Angebot, und dann können sich Studienbewerber nicht mehr bewerben. Sie verkennen da, glaube ich, grundsätzlich die Argumentation, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Ich glaube, Sie werden damit nicht durchkommen, und es ist zumindest hoch riskant, was Sie tun.

Dann noch einige fragwürdige Regelungen zu Einzelfragen. Hochschulen können durch Nichthandeln Stellen beseitigen. Hochschulen können durch Funktionsbeschreibung von Stellen die Stellen aus dieser Berechnung herausnehmen. Das ist Paragraf 3 Absatz 3, Nummer 1, Nummer 3 und Nummer 8, Hochschulen können durch Strukturentwicklungsplan besonders betreuungsaffine Studiengänge definieren und damit quasi die Kapazitätsberechnung suspendieren. Kurz, es gibt noch mehr Beispiele, ich habe nur drei gebracht. Ergebnis: Sie geben den Hochschulen sehr viele Möglichkeiten, sagen wir einmal, Definitionsmacht. Das mag für die Hochschulen ganz gut sein, ich befürchte nur, Sie kommen vor Gericht damit nicht durch. Anders ausgedrückt, dieser Gesetzentwurf enthält sehr viele Punkte, die es fragwürdig machen, ob Sie sich nicht erneut eine juristische Ohrfeige vor Gericht einfangen werden.

Nun fragen Sie natürlich, ob es in dieser Drucksache nicht irgendetwas Positives und Gutes gebe. Doch, gibt es. Man muss schon genau hinsehen. Es gibt etwas Gutes in der Drucksache, und zwar kann man der Drucksache an zwei Stellen entnehmen, dass Senatorin Fegebank doch sehr gut einschätzen kann, wie ihre Möglichkeiten sind und wie

gering sie sind. Das Positive ist, dass Senatorin Fegebank ein erhebliches Maß an Selbsterkenntnis in der Drucksache offenbart hat; sagen würde sie es nicht. Schauen Sie einmal auf die erste Seite der Drucksache unten links. Da steht, dieser Gesetzentwurf sei – wörtlich – ein Vorschlag. Ich habe es ehrlich gesagt noch nie erlebt, dass irgendeine Regierung ein Gesetz einbringt und sagt, das sei nur ein Vorschlag. Auf der nächsten Seite finden Sie die Bemerkung, wenn es denn Probleme geben sollte, dann – Sie ahnen es – mache man neue Vorschläge. Mit anderen Worten: Dies ist ein Gesetzentwurf, der nach den eigenen Mitteilungen des Senats, genauer gesagt von Senatorin Fegebank, ein Vorschlag, ein Versuch ist. Leider ist die Senatorin jetzt nicht da, richten Sie es ihr also aus: Frau Fegebank, Sie sind nicht mehr in einer GRÜNEN-Selbsterfahrungsgruppe, Sie sind in staatlicher Verantwortung. Sie müssen, bitte schön, Gesetzentwürfe vorlegen, die aller Voraussicht nach Bestand haben. Sie machen keine Vorschläge oder Versuche mit dem Gesetzgeber, sondern Sie sollen vernünftige Gesetze machen. Solche Art von Selbstentlarvung habe ich auch schon lange nicht mehr erlebt.

(Beifall bei der FDP)

Wenn wir schon bei Vorschlägen sind, mache ich jetzt einmal zwei, drei Vorschläge.

(Dr. Sven Tode SPD: Uiii!)

Rot-Grün und Senatorin Fegebank, hören Sie auf, durch das Kapazitätsrecht zu stümpern. Geben Sie mehr Geld für die Hamburger Hochschulen aus, und seien es nur die 30 BAföG-Millionen. Beziehen Sie die Opposition mit ein, und denken Sie vor allem erst einmal nach, bevor Sie handeln. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Als Nächster erhält das Wort Herr Tode von der SPDFraktion.