Selbstverständlich, es ist definitiv ein Start. Der ist wichtig und gut, und deswegen haben wir auch jeder Beschleunigung hier zugestimmt, damit wir diese Entlastung hinbekommen. Dagegen ist nichts einzuwenden.
Aber ein paar Dinge sind geradezurücken. Das eine ist, nicht so zu tun, als ob dieses Thema jetzt neu aufgekommen wäre. Meine Damen und Herren, das Thema ist nicht neu. Im Februar 2013 hatten wir die erste eindeutige Textbeschwerde des Personalrats der Staatsanwaltschaft. Im Sommer 2013 haben der Generalstaatsanwalt und der Leitende Oberstaatsanwalt nachgelegt. Was ist passiert? Damals war dieser Senator noch nicht in der Verantwortung, aber nichtsdestotrotz, die SPD war es. Da hat sie gesagt, wer nicht weiterweiß, der bildet einen Arbeitskreis. Dann wurde eine Arbeitsgruppe gebildet, die auch ein Ergebnis produziert hat. Das heißt, eine Analyse hat damals schon stattgefunden. Diese Analyse hat ein Ergebnis erbracht, und das liegt auch schon ein Jahr vor. Also
können wir nicht sagen, dass diese Not bei der Staatsanwaltschaft nicht schon länger bekannt gewesen wäre.
Was tut der Senat im Umgang mit dieser Krise? Das ist wiederum auch erstaunlich: Erst einmal tut er nichts. Als dann das Ganze in der Presse öffentlich wird, sagt er dazu, die Eingangszahlen seien nicht so schlimm, es könne gar nicht so schlimm sein, und verweist bezüglich des Landgerichts darauf, dass das auch eine Frage der Geschäftsverteilung sei, die Justiz dies selbst verwalte und dann eben sehen müsse, wie sie es hinbekomme – äußerst ungünstig, wie ich finde.
Und was tut die Regierungskoalition, meine Damen und Herren, was tun Sie? Das finde ich auch etwas schade, und da wäre mein Selbstverständnis als Abgeordneter etwas anders. Am selben Tag, als der Justizsenator nicht mehr anders kann und diese Poollösung verkündet, kommen Sie mit einem Antrag, der das beinhaltet, was der Senator letztlich schon verkündet hat. Also da weiß ich ja, wie dies entstanden ist.
Das ist in Ordnung, gegen eine gute Abstimmung spricht auch nichts. Ich werde das demnächst noch einmal aufgreifen, denn ich habe festgestellt, dass sehr viele gute Abstimmungen aus Ihrer Sicht stattfinden.
Da sollte das Selbstverständnis – meines wäre es jedenfalls – doch ein etwas anderes sein in Bezug auf das, was ich als Abgeordneter anschieben möchte.
Wie geht es weiter? Das ist das Nächste, der weitere Umgang mit der Krise. Jetzt haben wir ein paar Stellen, und Sie sagen, es sei doch alles gut, das Problem sei gelöst.
Auch das ist nicht richtig. Wir haben jetzt die Berichte der Gerichte bekommen, wo diese schildern, wie die Arbeitslast ist. Wir hatten im Justizausschuss eine Selbstbefassung vereinbart und haben dann zwei Tage vor der Sitzung diese Berichte zugeleitet bekommen. Das heißt, wir durften die 119 Seiten innerhalb von anderthalb Tagen durcharbeiten, konnten diese dann erörtern und haben uns dann, sonst wären wir mit der Selbstbefassung gar nicht weitergekommen, auf diese Notwehrlösung aus Oppositionssicht einigen können, dass wir nachgehend noch Fragen stellen können. Also wollen Sie es weiter schieben in die Haushaltsdebatte, die dann ansteht, und dort im Einzelnen erörtern. Da frage ich mich aber, wie Sie bis dahin diese Qualitätsmerkmale weiter definiert haben wollen. Da sehe ich noch nichts. Das zeigt, dass diese Einsicht im eigentlichen Sinne gar nicht da war, sondern es war nur ein: Oh Gott, das Geschrei ist groß, wir müssen etwas tun. Das ist in
gewisser Weise auch ein Stück Aktionismus und jedenfalls nicht den objektiven Tatsachen geschuldet, die da sind und weiterhin wären, dass bei der Staatsanwaltschaft wöchentlich mit über 50 Stunden gearbeitet wird. Und das darf es auch nicht geben, dass Staatsanwältinnen und Staatsanwälte freiwillig auf ihren Urlaub verzichten und in die Dienststelle kommen, um die Sachen zu bearbeiten, weil sie es einfach mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren können, die Akten da herumliegen zu lassen. Das darf nicht sein.
Ich komme zum Schluss. Wir haben uns jetzt einmal die Gerichte angeschaut, aber nicht nur die Gerichte, auch die Gerichtsvollzieher und der allgemeine Vollzugsdienst sind stark überlastet. Wenn es dann heißt, wir kümmern uns doch um den allgemeinen Vollzugsdienst, und ich im Personalbericht des Senats lese, dass dies jährlich einer Kontrolle unterzogen wird, dann frage ich mich, wie es zu dem Defizit, das wir unstreitig in dem Bereich haben, kommen konnte. So gut kann die Personalplanung da nicht gewesen sein.
Meine Damen und Herren und gerade meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die nicht aus dem Justizbereich kommen, bitte nehmen Sie diese aktuellen Anlässe zur Kenntnis, die wir im Sommer hatten und die nur deshalb ein besonderes Schlaglicht auf die Justiz geworfen haben, weil es sich um entlassene Straftäter handelte, die verurteilt worden waren, und erkennen Sie, dass der Justizbereich, auch wenn er im Kernbereich des Haushalts der Hansestadt Hamburg nur 1,7 Prozent ausmacht, wichtig ist. Wir reden immer über Polizei oder Schule. Natürlich sind das die großen Personalkörperschaften in der Hansestadt und natürlich sind die auch wichtig. Die Justiz ist es auch, meine Damen und Herren, deswegen wäre mir daran gelegen, dass Sie das auch in großer Runde so erörtern und im Haushalt berücksichtigen werden und insofern auch wertschätzen, was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hamburger Justiz hier für uns leisten. – Vielen Dank.
Liebe Hamburgerinnen und Hamburger, liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Präsidentin! Die Einstellung von drei Richterinnen beziehungsweise Richtern, drei Servicekräften und fünf verschiebbaren Richterinnen beziehungsweise Richtern oder Staatsanwältinnen
und, das sagte ich auch gerade – heißen wir erst einmal willkommen, weil es grundsätzlich in die richtige Richtung geht. Es ist jedoch in Anbetracht der Lage der Justiz nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Drei Richterinnen beziehungsweise Richter und drei Servicekräfte für das Sozialgericht sind schon einmal gut, aber diese Poollösung kann unseres Erachtens wirklich nur eine Übergangslösung sein, da stimme ich mit Herrn Seelmaecker überein. Da müssen langfristig ganz andere Schritte gegangen werden.
In einem ganzheitlichen Gesamtkonzept zur Justizpolitik sollte unserer Ansicht nach unter anderem auch wesentlich mehr auf verständliche Gerichtsverfahren, soziale Sicherung und die Verbesserung der Resozialisierungsmaßnahmen geachtet werden. Es mangelt nicht nur an mehr Richterinnen und Richtern, es mangelt auch an der Qualität der Ausbildung. Eine Ausbildung sollte mehr auf die Persönlichkeitsentwicklung der Richterinnen und Richter und auch des nichtrichterlichen Personals gerichtet sein. Es ist nämlich so, dass Gerichtsverfahren komplexer werden; Herr Tabbert hat es angesprochen. Komplexere Gerichtsverfahren – das klingt erst einmal sehr interessant oder auch imposant. Wenn wir aber näher beleuchten, was das denn genau bedeutet, und wenn man mit Strafverteidigerinnen und Strafverteidigern oder anderen Verteidigern spricht, dann sagen sie, diese Komplexität der Gerichtsverfahren entstehe oft daraus, dass Verfahren geschoben werden, und es müsste auch die Struktur der Gerichte angegangen werden, und zwar mit einer Modernisierung dahingehend, dass Gerichtsverfahren besser verständlich für alle Verfahrensbeteiligten organisiert werden. Dafür stehen wir als LINKE, weil Gerichtsverfahren oft den Konflikt enteignen, und das, finden wir, muss auch einmal angegangen werden.
(Beifall bei der LINKEN – Hendrikje Blan- dow-Schlegel SPD: Nein, das hat mit der Komplexität der Materie zu tun!)
Grundsätzlich ist es so, dass Resozialisierungsmaßnahmen weitgehend abgebaut wurden und man fast schon von einem Verwahrvollzug sprechen kann im Bereich der Justiz, dass Kosteneinsparungen, Personalabbau und hohe Krankenstände des Vollzugspersonals die reale Resozialisierung mehr und mehr zu einer vollzugsrechtfertigenden Theorie verkommen lassen. Auch da sind wir der Meinung, dass wir dieses Problem angehen müssen, und es sind viele Probleme, die wir angehen müssen in dem gesamten Bereich.
Ich möchte noch etwas ansprechen, was unserer Meinung nach überhaupt nicht zielführend ist. Das ist die Planung, den Jugendvollzug von Hahnöfersand nach Schleswig-Holstein auszulagern.
Mit Auslagerungen haben wir sehr negative Erfahrungen gemacht im Bereich der Kinder- und Jugendbetreuung. Es darf nicht sein, dass gegen Geld Verantwortung abgegeben wird.
Mit Sorge betrachten wir eine ohnehin repressive Strafgesetzgebung in der BRD und die seit Jahren anhaltende Tendenz, die Diskussion auf Strafverschärfung, -verfolgung und Ausbau der Verfolgungsbehörden zu konzentrieren.
Wir finden es sehr schön, dass der jetzige Senator in eine andere Richtung geht, und wir hoffen, dass das so bleibt und auch konsequent so bleibt. Herr Steffen hat schon angekündigt,
dass er evaluieren möchte und auch auf Bundesebene durchsetzen möchte, dass diejenigen, die schwarzgefahren sind, Strafgelder nicht bezahlen konnten oder aus Hunger Lebensmittel geklaut haben – im Justizbereich wird das als Bagatelldelikte betrachtet –, von der Strafe ausgenommen werden können. Das ginge zum Beispiel in die richtige Richtung.
Eine meiner Schriftlichen Kleinen Anfragen hat ergeben, dass momentan in Hamburg 518 Menschen aufgrund solcher Bagatelldelikte inhaftiert sind. Diese Menschen gehören aber nicht ins Gefängnis.
Für ihre Haft werden in jedem Jahr 31,845 Millionen Euro aufgebracht. Dieses Geld könnten wir weit sinnvoller nutzen, nämlich um genug Richterinnen- und Richterstellen und genug Servicepersonal in allen Gerichten zu schaffen. Und wenn man die Staatsanwaltschaft ausbauen möchte, dann bitte im Bereich der Wirtschaftskriminalität, um diejenigen verfolgen zu können, die den Steuerzahler wirklich Geld kosten, denn da ist sie völlig unterbesetzt. – Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau von Treuenfels kann heute nicht, deshalb müssen Sie mit mir als der Zweitbesetzung der FDP im Justizbereich vorliebnehmen. Aber es gibt nichts Schöneres für einen Rechtsanwalt, als vor einem Hamburger Par
Herr Dolzer, ich glaube, es erübrigt sich, sich mit Ihrem Vortrag auseinanderzusetzen. Erstens stimmt es nicht, dass wir 518 solche Gefangene haben,
und selbst wenn wir sie hätten, kosten die nicht 31 Millionen Euro. Wie Sie vielleicht wissen – das weiß selbst ich –, ungefähr 7 000 Euro pro Person mal 500 sind noch lange nicht 31 Millionen Euro. Wäre es so, hätte Senator Steffen es sehr einfach.
Meine Damen und Herren! Alles Lamentieren der Regierungsfraktionen und auch des Senats hat keinen Sinn, die Hamburger Justiz steht vor dem Kollaps. Es gibt genügend Leute, die sagen, sie stehe nicht vor dem Kollaps, sondern der Kollaps sei bereits eingetreten. Sie kennen alle die Brandbriefe des ehemaligen Generalstaatsanwalts und von vielen anderen, und Sie kennen die Berichte über entlassene Straftäter. Das macht zumindest sehr unruhig und ist ein Zeichen dafür, dass es um Hamburgs Justiz nicht gut steht. Wenn ich von Herrn Müller höre, es gebe eine Wahrnehmungslücke, oder wenn Herr Tabbert fragt, wo denn das Problem liege, dann glaube ich, dass Sie wohl eine Wahrnehmungslücke haben.
Nehmen Sie einfach mal einen normalen Praktiker wie mich, der regelmäßig vor Hamburger Gerichten auftritt, und lassen Sie mich Ihnen nur einmal drei Beispiele vortragen. Ich habe im März 2014 vor dem Sozialgericht Hamburg eine Klage eingereicht, und bisher gibt es nicht einmal die Andeutung eines möglichen Verhandlungstermins. Anderthalb Jahre wartet mein Mandant darauf, dass ihm hier Recht geschieht. Die von Ihnen verwalteten Gerichte sind nicht in der Lage, das zu ermöglichen. Da ist es mir wirklich sehr unangenehm, dass ich meinem Mandanten nicht eher helfen kann. Ein anderes Beispiel: Vor dem Landgericht Hamburg verhandeln wir eine Klage seit Sommer 2011, und da ist das Ende der ersten Instanz noch nicht einmal absehbar. In dem Punkt ärgert es mich nicht, ich vertrete einen Beklagten, und da sagen wir natürlich, lasst euch Zeit. Aber für die Gegenseite ist es schon sehr bitter, da geht es um ein menschliches Schicksal.