Ich muss noch einen kurzen Schwank aus dem Wissenschaftsausschuss erzählen; das hat mich sehr betroffen.
Nein, sie ist sehr differenziert und weitab von den Diffamierungen, die leider in den letzten Beiträgen gegenüber unseren Redebeiträgen gemacht worden sind.
Es ist so gewesen, dass die BASFI im Wissenschaftsausschuss durchaus keine ausgewogene Abwägung von Abschlüssen gemacht hat, sondern eine Vertreterin hat immer wieder Beispiele von gut qualifizierten Syrerinnen und Syrern gebracht und eine afrikanische Frau aus Eritrea ohne Schulausbildung dagegengestellt. Ich finde, so etwas ist nicht besonders respektvoll und zeigt eine Schieflage in der gesamten Praxis. Das müssen wir ändern, genauso den Umgang – wie zum Beispiel in der Olympia-Debatte – mit differenzierter Kritik an etwas oder mit Lösungsmöglichkeiten, die vielleicht
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kollegen und Kolleginnen! Die Freizügigkeit von Arbeitnehmern, in einem anderen EULand arbeiten zu können, ohne dass hierfür eine Arbeitserlaubnis erforderlich ist, ist eine der großen Errungenschaften des europäischen Einigungsprozesses.
Dies setzt jedoch voraus, dass der Abschluss, der im Heimatland erworben wurde, schnell und umfassend anerkannt wird. Studien belegen, dass der Anteil Hochqualifizierter an der Arbeitsmigration in Europa in den vergangenen Jahren stark angestiegen ist. Im Zeitraum von 2008 bis 2013 erhöhte sich dieser Anteil sogar von 27 auf 41 Prozent, und das ist doch eine gute Nachricht.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll zumindest für die Situation der EU-Bürger hinsichtlich der Anerkennung von Berufsqualifikationen eine weitere Optimierung bewirkt werden. Im Hinblick auf die sich abzeichnenden Fachkräftebedarfe sind die vom Senat beantragten Änderungen jedoch nur ein Tröpfchen auf den heißen Stein. Nach Auskunft des Senats auf meine Schriftliche Kleine Anfrage gab es in den Jahren 2012 und 2013 jeweils zwei Anerkennungsverfahren in Hamburg für Staatsangehörige der EU. Demgegenüber standen in den Jahren 2012 und 2013 über 1 000 Anerkennungsverfahren von Menschen aus dem Rest der Welt. Aktuellere Zahlen lagen dem Senat im Juni dieses Jahres dazu leider noch nicht vor. Es ist aus Sicht der Freien Demokraten unverzichtbar, dass die Feststellung und Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen optimiert wird. Dies gilt aber für alle Abschlüsse, nicht nur für in der EU oder in EWR-Staaten erworbene Abschlüsse.
Die Zuwanderung durch die nach wie vor steigenden Flüchtlingszahlen zeigt, dass uns die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen in den kommenden Jahren weiterhin sehr stark beschäftigen wird. Viele der Menschen, die im Moment zu uns kommen, werden viele Jahre hier bleiben, und es darf nicht sein, dass in Hamburg lebende Facharbeiter oder Akademiker nur deshalb ohne Beschäftigung sind, weil ihre ausländischen Abschlüsse nicht anerkannt werden.
Bei der Anerkennung von Abschlüssen ist noch sehr viel Luft nach oben, wie die geringe Zahl von Anerkennungsverfahren für EU-Bürger zeigt. Vier Anerkennungsverfahren in zwei Jahren sind ein fatales Signal. Mich würde ernsthaft interessieren, welche Erklärung der Senat dafür hat, dass es so wenige EU-Bürger gibt, die sich um die Anerkennung ihres Abschlusses bei uns in der Stadt bemühen.
Die Senatsdrucksache setzt eine EU-Richtlinie um, und insofern will ich auch nur ein paar grundlegende Dinge zu Anerkennungsverfahren bei Nicht-EUStaatsangehörigen sagen, die in dieser Richtlinie gar nicht berücksichtigt werden. Auch hier gibt es Optimierungserfordernisse, etwa wenn es um die Dauer der Anerkennungsverfahren geht oder um die teilweise enormen Kosten. Bezogen auf Hamburg muss aber vor allen Dingen auch die Gesamtdatenlage erfasst werden. So war der Senat in meiner Anfrage nur bedingt auskunftsfähig im Hinblick darauf, welche Abschlüsse aus welchen Staaten anerkannt werden – oder eben auch nicht. Übrigens erhält im Moment im Schnitt nur etwa ein Zehntel aller Zuwanderer aus Drittstaaten einen Aufenthaltstitel für Erwerbszwecke. Ein Grund hierfür dürfte in den Herausforderungen im Zusammenhang mit der Anerkennung des Abschlusses liegen.
Eine kritische Bemerkung erlaube ich mir jedoch auch in Bezug auf die Senatsdrucksache. Es ist doch tatsächlich bemerkenswert, dass der Senat nicht in der Lage ist, die entstehenden Kosten dafür auch nur ansatzweise zu beziffern. Vielleicht kann der Senat hierzu im Ausschuss etwas mehr Aufschluss geben, wenn wir uns über das Gesetz unterhalten. Wir stimmen daher der Ausschussüberweisung zu.
Einen Satz möchte ich noch zu Frau Demirel sagen, weil Sie das W.I.R-Projekt angesprochen haben: Wir begrüßen dieses Projekt, es ist ein wichtiges Projekt. Aber es beginnt nicht, wie ursprünglich angekündigt, in den Erstaufnahmen, sondern erst in der Folgeunterbringung. Das heißt, in den Erstaufnahmen werden keine Qualifikationen erfasst. Wir verlieren hier sechs Monate. Ich möchte an den Senat appellieren, noch einmal in sich zu gehen und dies zu optimieren, damit wir die Leute, so früh es geht, erfassen und integrieren können. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben vieles zum Thema gehört. Ein paar Aspekte sind ausgeblendet geblieben, auf die ich mein Augenmerk richten möchte.
Wir stehen, wir wissen es alle, vor riesigen Wanderungsströmen. Die EU wächst wirtschaftlich zusammen. Wir haben die Globalisierung. So ein Gesetz ist erforderlich, es hätte vielleicht schon eher begonnen werden müssen. Es gibt einige Defizite; das haben wir alles schon gehört. Jetzt kommt es darauf an, Dinge in den Blick zu nehmen, die auch eine Rolle spielen, die hier aber überhaupt noch nicht zu Gehör gebracht worden sind.
Das Gesetz über die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen regelte ursprünglich nur die Vergleichbarkeit von Berufen innerhalb der EU mit ganz ähnlichen politischen Verhaltenskulturen. Jetzt kommen über die Drittstaaten plötzlich ganz andere Probleme auf uns zu, die wir auch in den Blick nehmen müssen. Die Wochenzeitschrift "Die Zeit" hat jüngst in einem längeren Artikel ausgeführt – ich zitiere –:
"Dokumente aus Syrien – Pässe, Führerscheine, Zeugnisse – werden längst auf einem florierenden Markt gehandelt."
Lassen Sie uns das nicht ganz ausblenden. Im Gesetz ist davon überhaupt nicht die Rede. Wir müssen uns auch dieser Sache in gewisser Weise stellen.
Es gibt die bekannten Korruptionsindizes nach Transparency International, und leider liegen Länder wie Syrien – das ist kein Vorwurf an die Menschen dort, die können gar nichts dafür –, Afghanistan und Eritrea weit hinten, ab Platz 160 von insgesamt 174 Staaten. Das hat Folgen für unser Thema, die wir nicht ausblenden können. Das Bundesinnenministerium und die Botschaften warnen in den jüngsten Tagen in Rundbriefen eindringlich vor gefälschten syrischen Bildungs- und Berufsabschlüssen. Auch das ist Teil der Realität, die dieses Gesetz bewältigen muss, ohne dem einzelnen Menschen, der nichts dafür kann, zu nahe zu treten. "FOCUS" hat getitelt:
Das Problem ist – ich komme auf das Bundesinnenministerium zurück –, dass mittlerweile ganze Pakete existieren, die in den entsprechenden Ländern erworben werden können, beispielsweise wenn einer studierwillig hierherkommt – was gut ist und uns befördern kann; das hat positive Aspekte und Potenziale, die wir nutzen müssen. Aber wir müssen einfach sehen, dass man diese Pakte kaufen kann. Für Studierwillige beispielsweise ist das gefälschte Abiturzeugnis gleich mit dabei. Das kommt vom Bundesinnenministerium, aber davon habe ich hier in der gesamten Diskussion noch
nichts gehört. Wir müssen uns diesem Thema stellen. Leider geht die Gesetzvorlage darauf gar nicht ein.
Kennen Sie die Geschichte von dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte? Ein niederländischer Journalist hat sich den Witz erlaubt, mit dem Bild des Ministerpräsidenten einen Originalpass aus Syrien zu bestellen. Nach 40 Stunden kam der Pass zurück, ausgestellt auf Malek Ramadan, der damit einreisefähig war. Gekostet hat das Ganze 750 Euro. Wir müssen uns auch diesem Problem stellen, auch das in den Blick nehmen, wenn wir das Gesamtproblem bewältigen wollen. Wir dürfen dabei nicht irgendwelche Menschen unter Generalverdacht stellen, aber die Standards beruflicher Qualifikation in Deutschland müssen auf jeden Fall erhalten bleiben, schon aus dem wichtigen Grund des Verbraucherschutzes.
Eine einfache Lösung gibt es nicht. Das Problem ist nur, dass das Gesetz das Thema überhaupt nicht in den Blick nimmt.
Das zweite Problem ist, dass die in Deutschland gültigen Berufsqualifikationen nicht noch weiter abgesenkt werden sollten, wo es nicht nötig ist. Das Gesetz soll ausdrücklich dazu dienen, die Integration vieler Menschen in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen, und ist Teil der Willkommenskultur. Das ist ja auch gut, das soll so sein und das wollen wir auch befördern. Aber auch dort sind Tendenzen im Gesetz, die wir in den Blick nehmen müssen, die vielleicht auf Dauer nicht der richtige Weg sind. Beim Hamburgischen Architektengesetz zum Beispiel soll für die Eintragung in die Architektenliste die zuvor notwendige Berufserfahrung, die Berufsausübung im Herkunftsland, von zwei Jahren auf ein Jahr gesenkt werden. Hier sehen wir Prozesse einer Niveauabsenkung, die vielleicht gar nicht nötig ist. Das Gleiche gilt für das Ingenieursgesetz und viele andere auch.
Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Herr Dr. Baumann, darf ich einmal kurz unterbrechen? – Es ist ziemlich unruhig im Saal. Ich bitte darum, dem Redner zuzuhören.
Meine Damen und Herren, es geht um ein wichtiges Thema. Gehen Sie doch einfach davon aus, dass wir das alle lösen wollen. Und um das zu lösen, müssen wir die Realität in Gänze in den Blick nehmen. Es gibt schöne Seiten anzuschauen, und es gibt die widrigen, aber beide müssen wir irgendwie regeln, beide müssen wir politisch in den Griff bekommen. Das wollen wir doch gemeinsam tun.
Im Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz braucht ein Antragsteller bislang ausländische Ausbildungsnachweise oder sonstige Befähigungsnachweise. In der Neufassung langen plötzlich sonstige nachgewiesene Qualifikationen.
Haben Sie eine Frage? Können Sie bitte zum Mikrofon gehen? Machen Sie das doch, das ist kein Problem. Dann beantworte ich sie auch.
Dazu soll jetzt auch lebenslanges Lernen zählen. Also keine Abschlüsse, keine Befähigungsnachweise, sondern lebenslanges Lernen. Wir müssen hier irgendwelche Böden einziehen, um insgesamt den klassischen Ansprüchen der Ausbildung hierzulande, den vielseitigen Anforderungen und schwierigen Prüfungen, die unsere Absolventen durchführen, auf Dauer gerecht zu werden. Nicht nur, um die hochgesteckten, weltmarktführenden Qualitätsprodukte "Made in Germany" aufrechtzuerhalten – mit den richtig integrierten Migranten, mit richtigen Gesetzen, die wir dafür machen –, sondern auch zum Schutz der Allgemeinheit und der einfachen Leute und zum Verbraucherschutz. Das dürfen wir nicht vergessen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eigentlich hatte ich gedacht, dass alles in dieser Debatte gesagt sei, aber jetzt haben Sie mich leider wieder so weit provoziert, Herr Baumann, dass ich doch ein paar Sachen geradestellen muss. Zum einen wundert es mich, dass Sie es immer wieder schaffen, Debatten und Themen so in eine Richtung zu ziehen, wie es Ihnen gerade politisch in den Kram passt.
Es ging um Anerkennung, es ging um Vergleichbarkeit von mitgebrachten Qualifikationen. Sie landen wieder bei Fälschungen, Tricksereien und dergleichen. In der Schule hätte es geheißen: Am Thema vorbei, Sechs.
Aber kommen wir einmal zurück zu den anderen Redebeiträgen. Es ist richtig, dass wir seit einigen Jahren auf Bundes- und auf Landesebene sogenannte Anerkennungsgesetze haben. Wenn wir ganz ehrlich sind, sind es eigentlich keine wirklichen Anerkennungsgesetze, sondern es sind Kompetenzfeststellungsgesetze. Das heißt, es geht erst einmal darum zu prüfen, was die Menschen, die eingewandert sind, an beruflichen Kom
petenzen, Schulabschlüssen und akademischen Graden mitbringen. Das ist erst einmal eine reine Feststellung. Es ist richtig und auch gut, dass die Menschen beraten werden, dass sie einen Anspruch auf eine Einzelberatung haben, dass Hamburg 2010 die Initiative übernommen hat – ich weiß nicht, ob einige von Ihnen es nachgelesen haben, es war ursprünglich auch mein Antrag –, damit die Zentrale Anlaufstelle Anerkennung in Hamburg ihre Arbeit aufnehmen konnte.
Diesen Antrag habe ich nicht aus Eitelkeit gestellt. Wenn wir Menschen fragen, die seit Jahrzehnten in diesem Bereich arbeiten, dann ist evident feststellbar, dass wir eine große Zahl von Zuwanderern in Hamburg haben – jenseits der ganzen Flüchtlingsdebatte, das wird das Problem natürlich noch einmal potenzieren und verschärfen –, die in ihren Herkunftsländern Berufe ausgeübt haben, auch nicht geregelte Berufe, die akademische Grade erworben haben und, und, und. Wir wissen, es ist eine Schwierigkeit, diese Abschlüsse oder diese Kompetenzen zu vergleichen. Es war der Versuch, eine Herangehensweise zu prüfen, mit der dies gelingt, indem wir eine Referenzgröße bestimmen und so Vergleichbarkeit anstreben. Sie werden nicht verwundert sein, dass dabei, wie Herr Dolzer sehr richtig sagte, europäische Maßstäbe, deutsche Maßstäbe angesetzt wurden, die durchaus hinterfragt werden können. Denn wer sagt denn, dass es tatsächlich – ich überspitze es einmal – einer dreijährigen Ausbildung bedarf, um Fensterputzerin oder Fensterputzer zu werden? Vielleicht kann man das tatsächlich einmal überprüfen und ein Stück weit verändern. Ich bin mir sehr sicher, dass es an der einen oder anderen Stelle durchaus Bewegungsspielraum gibt, und ich bin auch sicher, dass wir spätestens im Zuge der Fachkräftedebatte an vielen Stellen die Stellschrauben verändern müssen.