Dass bei diesem Projekt viele unterschiedliche Behörden und Initiativen ebenso mithelfen wie die Kammern, ist wesentlich für seinen Erfolg. Die Erfahrungen der Vergangenheit, dass es viele Jahre dauerte, bis die Eingliederung in den Arbeitsmarkt erfolgt ist, wollen wir nicht wiederholen. Wir sehen jeden Tag, welche Motivation und auch welche Zuversicht die Flüchtlinge mit nach Deutschland bringen. Wir müssen es ihnen ermöglichen, diese Kraft in ihre neue Heimat einzubringen. Das entlastet nicht nur unsere Sozialsysteme, sondern es liegt auch in unserem eigenen Interesse. Wir können dieses Engagement, diese Leidenschaft gut gebrauchen.
Wir wissen aber auch, dass wir uns dann generell um wirtschaftliches Wachstum kümmern müssen. Das ist die Voraussetzung dafür, die Arbeitsplätze zu schaffen, die die beschriebene Integration ermöglichen. Wir wissen aus der Erfahrung in Hamburg, dass 1 Prozent Wirtschaftswachstum bei uns auch rund 1 Prozent Beschäftigungszuwachs bedeutet. Das sind die Größenordnungen, die wir perspektivisch zusätzlich anstreben müssen, um Perspektive zu schaffen – und zwar in allen Bereichen, von der Hochtechnologie bis zu gering qualifizierten Arbeitsplätzen. Auch das gehört ins Zentrum unserer Politik für Wachstum und Integration und davon haben alle etwas, die in Hamburg leben und arbeiten.
Worüber wir aber nichts seriös wissen können, ist die weitere Entwicklung der weltweiten Fluchtbewegungen und ihre Konsequenzen für unser Land und unsere Stadt. Wir gehen deshalb derzeit davon aus, dass es sich nicht um temporäre Aufwallungen handelt, sondern um grundsätzliche, längerfristige Aufgaben. Daran richten wir unser Han
deln aus, darauf richten wir unsere strukturellen Entscheidungen ein. Deshalb werden wir weiterhin auf Bundesebene darauf achten, dass die Rahmenbedingungen vernünftig gesetzt und weiterentwickelt werden. Wir werden unsere konkreten Erfahrungen einbringen, um erfolgreiche Mechanismen bekannter zu machen und auf sichere Grundlagen zu stellen, denn bei aller Dramatik mancher Situation müssen wir uns davor hüten, in den Gestus des Notstands zu verfallen.
Wir haben viel zu tun, aber wir sind in der Lage, das auch zu leisten, wenn alle die Nerven bewahren und sich sachlich um die Herausforderungen kümmern.
Wir wissen in diesem Zusammenhang, dass noch ganz erhebliche finanzielle Belastungen auf uns zukommen werden, für die wir bereits mit einer Reserve im Haushalt Vorsorge getroffen haben. Zusätzlich hilft, dass die Länder jetzt bis zur BAMFEntscheidung pro Asylbewerber monatlich 670 Euro vom Bund erhalten. Das ist eine wichtige Vereinbarung, um die unmittelbaren Kosten zu schultern.
Wir sind hier gut vorbereitet, und weil das so ist, gehen wir auch weitere große Projekte für die Stadt an. Dazu gehört die Bewerbung um die Olympischen und Paralympischen Sommerspiele 2024.
Wenn wir die Kraft und die Zuversicht unserer Stadt weiter erhalten und ausbauen wollen, dann ist es essenziell,
dass wir uns auch in Zukunft um alle Bereiche des städtischen Lebens und um alle Bürgerinnen und Bürger kümmern.
Mit der Integration der Flüchtlinge ist jetzt eine weitere – allerdings große – Aufgabe hinzugekommen, eine, mit der wir ebenfalls klarkommen werden.
Entscheidend dafür wird aber auch sein, dass wir die Verfahren bis zur Anerkennung oder Rückführung weiter beschleunigen.
Dabei hilft die Vereinbarung zur Ausweitung der sicheren Herkunftsländer insbesondere auf dem Westbalkan. Derzeit stauen sich Erfassung der Flüchtlinge und Entscheidung über die Asylanträge durch das zuständige Bundesamt. Hier werden die Zuständigen intensiv an einer Lösung arbeiten. Es bleibt zu hoffen, dass hier bald zusätzliches Personal eingestellt wird und sich die Verfahren dadurch endlich beschleunigen.
Mit der Einrichtung einer dritten zusätzlichen Kammer am Verwaltungsgericht bereiten wir uns in Hamburg bereits darauf vor, dass wir dann auch den sich anschließenden Verfahrensschritt ordentlich abarbeiten werden.
Wenn uns die Beschleunigung der Verfahren insgesamt gelingt, dann erleichtert das die Integration, für die die Klärung des Status eine wichtige Voraussetzung ist. Außerdem beseitigen wir so wesentliche Fehlanreize und senden denjenigen eindeutige Signale, die keine Perspektive auf einen Verbleib nach dem Asylrecht haben. Wer nämlich keinen Anspruch auf Asyl hat, der muss unser Land wieder verlassen. Auch das gehört klar ausgesprochen.
Dazu gehören letzten Endes auch Abschiebungen, wenn eine freiwillige Ausreise verweigert wird. Das durchzusetzen ist auch eine Voraussetzung dafür, dass es uns gelingt, das Recht auf Asyl zu sichern.
Wir werden deshalb hier sehr strikt sein. Die Bürgerschaft hat bereits beschlossen, dass wir das dafür zuständige Personal verdreifachen werden.
Auch hier hilft Klarheit dabei, dass wir uns besser um die kümmern können, die unsere Hilfe jetzt brauchen. Und vielleicht ermöglicht uns diese Deutlichkeit auch, dass wir uns endlich im Bund wieder der Aufgabe zuwenden, ein ordentliches Einwanderungsgesetz für Deutschland zu schreiben, das deutlich macht, wer unter welchen Voraussetzungen die Möglichkeit hat, auch außerhalb des Asylverfahrens in unser Land zu kommen.
Wir dürfen aber in der aktuellen Lage mit Blick auf die Möglichkeiten der freiwilligen Rückkehr und der Abschiebung kein falsches Bild zeichnen. Die weit überwiegende Zahl der jetzt und in den nächsten Monaten zu uns Kommenden stammt aus Ländern, bei denen es sich nicht um jetzt oder künftig
sichere Herkunftsländer handelt. Flüchtlinge vom Westbalkan machen aktuell nur noch eine Minderheit aus. Die Mehrheit derjenigen, die uns aktuell erreichen, hat Verfolgung und Krieg hinter sich gelassen und wird wohl bleiben.
Meine Damen und Herren! Von uns wird jetzt verlangt, dass wir uns in aller Ernsthaftigkeit um das kümmern, was getan werden muss. In Hamburg können wir sagen: Wir stehen vor einer wichtigen Aufgabe, wir nehmen sie an, und wir erfüllen sie.
Dabei hilft es niemandem, sich in Spekulationen über das Kommende zu verlieren. Entscheidend ist vielmehr die Haltung, mit der wir der Aufgabe begegnen. Entscheidend sind die Maximen unseres Handelns. Gerade wenn wir auf Sicht fahren, wie im Moment, müssen wir uns unserer Werte und Entscheidungsparameter sehr sicher sein. Wir können uns in dieser Haltung wiederum Max Brauer zum Vorbild nehmen.
Als er 1968 die Ehrenbürgerwürde verliehen bekam, lobte der damalige Erste Bürgermeister Herbert Weichmann, übrigens auch ein Flüchtling und Rückkehrer wie Brauer, dessen Einsatz für eine würdige Gestaltung der Welt und für ein lebenswertes Leben der Menschen in Freiheit, Recht und Sitte, wie man damals so sagte. Und Weichmann fügte an, dass Max Brauer sich nicht vorstellen konnte, anders zu handeln, und ich meine, wir sind ihm Dank dafür schuldig, dass er es nicht anders konnte. Wenn wir heute Können und Wollen zusammenbringen, dann ist das die Quelle der Zuversicht, die wir brauchen, um auch den aktuellen Wandel Hamburgs gemeinsam mit seinen Bürgerinnen und Bürgern täglich neu zu meistern.
Unsere freie und offene Stadt kann sich in diesem Wandel nicht nur der Werte versichern, auf denen sie gegründet ist, sondern sie wird auch gestärkt aus diesem Wandel hervorgehen.
Ich bin froh, dass sich die breite Mehrheit in unserer Stadt nicht vorstellen kann und will, dass es anders sein könnte. Auf dieser Grundlage werden wir weiter handeln.