Protocol of the Session on November 20, 2019

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ein Grundstein für erfolgreiche Dekarbonisierung der Industrie ist mit Sicherheit noch kein festes Fundament, auf dem man ein Gebäude mit Perspektive bauen kann. Und genau das scheint diese Strategie zu sein: relativ beliebig und mit mangelnder Stringenz.

(Beifall bei der LINKEN)

Erst einmal hat man in Hamburg so ziemlich alles – und das war nicht viel –, was Wasserstoff benutzt hat, vom Hof gejagt. Es ist fast nichts mehr da. Und gerade haben wir in diesem Hause eine LNG-Strategie, einen Pfad zur Karbonisierung unserer Energiewirtschaft diskutieren müssen. Da stellt sich doch die Frage, was Sie aus Ihrem Zettelkasten herausgekramt haben, um diesmal den Wasserstoff zum Thema zu machen. Ist das Aktionismus oder nur ein Tranquilizer fürs Volk, weil Sie wissen, dass die Energiewende von den Menschen da draußen gefordert wird?

(Beifall bei der LINKEN)

(Dominik Lorenzen)

Ja, Wasserstoff kann ein Baustein der Energiewende sein, aber Sie tun so, als hätten wir in diesem Lande genug Ökostrom zur Verfügung, denn für Sie ist der Wasserstoff immer grün. Nein, das haben wir nicht. Dieses Land kann seinen Strombedarf nicht aus Ökostrom bedienen. Bei der Umwandlung von Ökostrom in Wasserstoff haben wir einen Energieverlust von mindestens 20 Prozent. Das müssen wir uns auch noch einmal vor Augen führen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn man sich die Zaubernummer des Wasserstoffs aus allen möglichen Reden vor Augen führt, dann kann ich nur sagen: Der Wasserstoffkuchen in diesem Land ist schon lange, bevor Wasserstoff produziert worden ist, verteilt worden.

(Michael Kruse FDP: Aber einen Kuchen gibt es schon!)

Wir bauen hier schon einmal für Wasserstoffimporte vor, und dann unterhalten wir uns auch noch einmal über die Energiebilanz.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist sicherlich sinnvoll, die Energiewende zu beschleunigen, Ziele messbar und überwachbar zu machen, die Akzeptanz bei den Menschen zu steigern. Wir wollen vor allen Dingen nicht vergessen, dass der wichtigste Baustein für die Energiewende ist, den Energieverbrauch zu senken.

(Beifall bei der LINKEN)

Am Anfang habe ich schon gesagt, dass wir mehr Stringenz in der Energiewende brauchen. Heute kann man in einer Tageszeitung aus Katar lesen,

(André Trepoll CDU: Was lesen Sie denn für Zeitungen? "Neues Katar" oder wie heißt die Zeitung?)

dass in Deutschland das Energiegeschäft vollständig von Privatfirmen kontrolliert wird, die Regierung eine sehr beschränkte Rolle hat und die meisten Investitionsentscheidungen von Privatfirmen getroffen werden. So äußert sich ein Vertreter der deutschen Botschaft in Katar in Vorbereitung des Besuchs einer Delegation mit Ministerpräsident Weil. Das ist das Ergebnis einer mangelnden Stringenz bei der Energiewende.

(Beifall bei der LINKEN – Dirk Kienscherf SPD: DIE LINKE weiß es besser!)

DIE LINKE weiß es besser, ja natürlich, Herr Kienscherf. Besser hätte ich es nicht zusammenfassen können. Danke für den Zwischenruf.

(Beifall bei der LINKEN)

Um die Richtung vorzugeben, brauchen wir mehr als diese lose Blättersammlung, die Sie hier herauskramen. Die rot-grüne Koalition in dieser Stadt ist weit weg von einer Energiewende, von einem

belastbaren Konzept. Deswegen fordern wir auch von Ihnen wirklich messbare und überwachbare Maßnahmen für die Energiewende. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die FDP-Fraktion bekommt jetzt Herr Kruse das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ein bisschen ist das Problem beim Thema Wasserstoff das, was man schon bei den vier letzten Wortbeiträgen hat sehen können: Es ist wenig konkret. Messen lässt sich das immer am besten am Gesichtsausdruck des Umweltsenators Jens Kerstan, der während dieser Debatte fast schon einschläft, weil wir bisher ein bisschen zu abstrakt geblieben sind.

(Dirk Kienscherf SPD: Das hat nicht mit dem Thema zu tun!)

Wie wichtig das Thema Wasserstoff für Norddeutschland ist, wie wichtig insbesondere auch eine Strategie für das Wasserstoffthema für den norddeutschen Raum ist, hat der Kollege Kienscherf eben schon gesagt. Aber es reicht nicht aus, zu sagen, es sei für uns alle sehr wichtig, dass alle norddeutschen Länder dabei sind und so weiter. Das alles steht in der Strategie, die, glaube ich, von Vertretern fast aller Parteien in diesem Hause und auch in dem einen oder anderen Bundesland mitgetragen worden ist. Entscheidend ist, was wir tun, damit diese Strategie irgendwann einmal mit Leben gefüllt wird. Wenn man sich die nächsten Schritte in diesem Strategiepapier anschaut, dann stehen darin folgende drei Dinge: Die Strategie soll dem Bund überreicht werden, die Strategie soll auch den Ministerpräsidenten der norddeutschen Bundesländer überreicht werden, und es soll ein Forum aufgesetzt werden, wie in Zukunft das gesamte Thema vorangebracht werden kann. Diese nächsten Schritte werden also nicht dafür sorgen, dass diese Strategie auch mit Leben gefüllt wird.

(Dirk Kienscherf SPD: Wir handeln doch! Wir machen das doch!)

Nur weil Sie dem Bund ein Papier überreichen, heißt das noch nicht, dass in Berlin ein großes Beben ausgelöst wird. Das heißt, dass wir alle hier in der Verantwortung sind, konkrete Schritte zu unternehmen, damit die Wasserstoffstrategie mit Leben gefüllt wird.

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte Ihnen ein paar dazu vorschlagen. Das erste Thema ist das EEG, das Ende der Neunzigerjahre eingeführt worden ist, um erneuerbare Energien voranzubringen – mittlerweile der größte Hemmschuh, um Innovationen im Energiemarkt

(Stephan Jersch)

voranzubringen. Wir schlagen Ihnen vor: Lassen Sie uns das EEG endlich abschaffen.

(Beifall bei der FDP – Dr. Monika Schaal SPD: Immer die Frage, was danach kommt!)

Sorgen Sie auch in Berlin dafür, dass gute Vorschläge im Bereich der Energiepolitik mehrheitsfähig werden. Unsere Bundestagsfraktion hat am 12. November einen umfangreichen Antrag in den Bundestag eingebracht. Da können Sie mit Ihren Hamburger Abgeordneten, mit Ihren Fraktionen zeigen, dass Sie dafür sorgen wollen, dass es nicht nur kurz vor der hamburgischen Bürgerschaftswahl eine Wasserstoffstrategie gibt, sondern dass Sie dieses Thema wirklich voranbringen möchten. Das wäre ein konkreter Schritt, den Hamburger Abgeordnete überall, insbesondere im Bundestag, unternehmen können.

(Beifall bei der FDP – Zuruf von Farid Müller GRÜNE)

Was mich besonders verwundert, skeptisch macht und mich auch nach dem Beitrag von Herrn Lorenzen weiterhin skeptisch sein lässt, ist der Umstand, dass Innovationen im Energiemarkt von den GRÜNEN immer nur dann befürwortet werden, wenn sie von ihnen selbst vorgeschlagen werden. Da kommt der Wirtschaftssenator mit dem Vorschlag um die Ecke, eine 100-Megawatt-Wasserstoffanlage im Hamburger Hafen zu errichten. Ihr Zähneknirschen, liebe GRÜNE, war bis auf die andere Seite des Rathauses zu hören. Sie hätten den Vorschlag lieber selbst gemacht

(Farid Müller GRÜNE: Was haben Sie denn nachts geträumt?)

und haben sich nicht hinter Ihren eigenen Senatsund Koalitionspartner – noch Koalitionspartner – gestellt.

Das Zweite – und da wird es dann schlecht für Hamburg – waren die Strategie und die gemeinsame Ausarbeitung eines Bündnisses mit der Industrie in Hamburg. Grüne Senatoren am Montag im Gästehaus des Senats? Fehlanzeige. Unterstützung für die Strategie des Senats? Fehlanzeige. Positive Worte dazu, dass auch die Industrie in dieser Stadt bereit ist, ihren Anteil für den Klimaschutz zu tragen? Fehlanzeige. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, – insbesondere richte ich diese Worte an Herrn Kerstan –, wenn Sie im Bereich des Umweltschutzes glaubwürdig sein wollen, dann sollten Sie nicht die beleidigte Leberwurst spielen, wenn andere in dieser Stadt innovative Lösungen vorantreiben.

(Beifall bei der FDP)

Die gute Nachricht für die Hamburgerinnen und Hamburger, für die Hamburger Industrie und für die Beschäftigten, die genau dort arbeiten wollen, wo die Arbeitsplätze der Zukunft entstehen, lautet: Die Wasserstoffstrategie wird in den nächsten Jah

ren weiterentwickelt, insbesondere auch dann, wenn der Senat ab März 2020 von anderen Fraktionen getragen wird, dann vielleicht sogar noch schneller. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Jörn Kruse fraktionslos und André Trepoll CDU)

Frau Oelschläger bekommt das Wort für die AfD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wasserstoff ist bezogen auf die Atomanzahl das häufigste Element der Erdkruste. Es gibt mit Wasserstoff keine Ressourcenprobleme, und als transportabler Speicher ist er unschlagbar. Verglichen mit Batterien ist er vielseitiger, flexibler und billiger als stationärer Speicher. Ein Wundermittel also? Leider nein, denn er hat Konkurrenz durch billige Energieträger und wird meistens aus fossilen Rohstoffen teuer hergestellt. Das soll sich nun mit der norddeutschen Wasserstoffstrategie ändern. Ich gebe zu, mit Ihrem Papier vom 7. November machen Sie mir ein bisschen Angst. Norddeutschland will dabei sehr groß denken. Unter der Voraussetzung, dass der Bund den geeigneten Rechtsrahmen für grünen Wasserstoff schafft, soll bis 2030 ein Drittel der Elektrolysekapazität für Deutschland angestrebt werden. 5 Gigawatt, das ist so viel Leistung wie von allen Windkraftanlagen in Nord- und Ostsee zusammen, das sind etwa 1 300 Windkraftanlagen, also an jeder Ecke welche ohne Mindestabstand zu Gebäuden, oder ein massiver Ausbau offshore. An den Umweltschutz haben die Herren Wirtschafts- und Verkehrsminister in den norddeutschen Küstenländern dabei nicht gedacht, auch nicht an den Schutz von Greifvögeln oder Fledermäusen und auch nicht an die Menschen vor Ort, obwohl

(Zuruf)

das ist in Ihrem Konzept falsch – wenn ich in dem Konzept lese, dass umfangreiche Schulungsmaßnahmen für die Bevölkerung beginnend im Grundschulalter vorgesehen sind, da – ich zitiere –:

"Eventuellen Vorbehalten gegen die Wasserstofftechnologie […] mit fachlicher Aufklärung aktiv entgegengewirkt werden [soll]."

"Das Wissen zum Thema Wasserstoff ist in der Bevölkerung heterogen verteilt."

Eine nettere Umschreibung dafür, dass Sie Menschen für blöd halten, kann man eigentlich gar nicht geben. Und es darf in dem Konzept auch nicht fehlen, dass