Protocol of the Session on November 20, 2019

Für die GRÜNE Fraktion bekommt nun Frau Blömeke das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Also, Herr Celik und verehrte Links-Fraktion, ich finde Ihren ersten Antragspunkt sehr gut.

(André Trepoll CDU: Sie sind ja zum ersten Mal nett heute!)

Er führt ja am Ende zu den lokalen Gesundheitszentren. Man muss feststellen: Sie haben sich viele Gedanken gemacht und daraus die richtigen Schlussfolgerungen gezogen.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Wow! – Dennis Thering CDU: Gönnerhaft!)

Aber in der Tat ist Ihr Problem, dass der Senat schneller war und von sich aus … Sie mussten ja selbst schmunzeln, als Sie sagten, Sie hätten den Senat sozusagen angeregt oder dorthin getragen. Das ist natürlich Unfug. Der Senat hat sich hier schon länger auf den Weg gemacht

(Zurufe)

und jetzt das Ergebnis vorgelegt: ein Konzept, das den Zusammenhang zwischen Krankheit und Ar

mut insbesondere in Quartieren mit hohem Unterstützungsbedarf forciert und deswegen eigentlich mit derselben Lösung beantwortet wie die LinksFraktion. Darum ist Ihr Antrag in diesem Punkt überflüssig.

Aber ich finde es trotzdem positiv; es ist gut, wenn sich viele Fraktionen in der Bürgerschaft auf den Weg machen, gleiche Gesundheitschancen für alle Menschen in Hamburg zu erreichen. Deswegen finde ich es nicht verkehrt, dass DIE LINKE das Thema aufgegriffen hat.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Wow! – André Trepoll CDU: Großzügig!)

Ja, großzügig.

SPD und GRÜNE setzen aber nunmehr unter der Regie von Senatorin Prüfer-Storcks ein Konzept um, das medizinische Versorgung und soziale Unterstützung Hand in Hand bietet. Und – ich glaube, diese Erkenntnis teilen wir alle – es ist klar, dass gerade Menschen in einkommensschwachen Quartieren mehr Unterstützung im Umgang mit Krankheiten brauchen, weil die soziale Lage die Chancen auf Genesung und vor allen Dingen auch auf Gesunderhaltung schmälert. Das eine bedingt oft das andere. Auch das beschreibt die LinksFraktion richtig in dem Antrag.

(Zuruf von Heike Sudmann DIE LINKE)

Kern des jetzt vorliegenden Konzepts ist sowohl die ärztliche Versorgung durch Haus- oder Kinder- ärztinnen und -ärzte, aber eben auch die soziale Unterstützung durch Sozialpädagoginnen und -pädagogen und eine verbindliche Kooperation – das wurde heute noch nicht genannt, ich finde es aber sehr wichtig – mit Pflegediensten, Suchtberatung und anderen sozialen Angeboten.

Zur Frage der Finanzierung hat sich DIE LINKE ausgeschwiegen. Die zuständige Behörde macht hier konkrete Angaben: 100 000 Euro für den Träger, der das Zentrum in der Leitung übernimmt beziehungsweise koordiniert und SozialpädagogenStellen für die Arbeit in diesen Zentren. Und ja, möglicherweise kann sich das als zu wenig erweisen. Wenn das der Fall ist, sollte hier dringend später nachgesteuert werden. Denn eines ist klar: Diese Gesundheitszentren sparen spätere Folgekosten in vielen Bereichen und sind für die Chancengleichheit in der Stadt ein wichtiger Fortschritt.

Ich bin deswegen gespannt, wie sich die Gesundheitszentren in Hamburg etablieren werden. Wir haben bereits kleine Vorläufer dieser Zentren in der Stadt in Form der Poliklinik Veddel oder des Gesundheitskiosks in Billstedt. Andere Länder setzen diese lokalen Gesundheitszentren ebenfalls mit sehr guten Erfahrungen um. Darum bin ich sehr zuversichtlich, dass es hier auch gelingt. Wir sind als GRÜNE sehr froh, dass so ein wichtiger Beitrag für die ganzheitliche Versorgung ärmerer

Menschen noch in dieser Legislatur umgesetzt wird, und das mit grüner Regierungsbeteiligung.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Sylvia Wo- wretzko SPD)

Jetzt möchte ich gern noch einen Punkt zu Ihrem Antrag sagen, Herr Celik. Ihre Forderungen zur Bedarfsplanung sind nicht neu, aber immer noch nicht zielführend. Wesentlich sinnvoller sind hier die Maßnahmen, die die Gesundheitssenatorin ergriffen hat, indem sie sich im Bund für eine Überarbeitung der Bedarfsplanung gemeinsam mit der eigentlich zuständigen KV eingesetzt hat. Nach derzeitigen Prognosen wird es zusätzlich 16 Sitze für Kinderheilkunde, 11 für Gynäkologie und 62 Sitze für psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Hamburg geben. Ich glaube, das ist schon ein großer Fortschritt.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Und ja, es wird eine politische Aufgabe sein, dass die sich auch dort ansiedeln, wo der Bedarf am größten ist. Diese Lenkung kann positiv auch über Anreize stattfinden, die es den Medizinerinnen und Medizinern künftig leichter macht, sich in Quartieren mit einem hohen Bedarf niederzulassen. Die Standorte müssen gezielt beworben werden, und es muss gewährleistet sein, dass alle notwendigen Verfahren reibungslos laufen. Wer sich heute in Hamburg niederlässt, sollte die besten Bedingungen dort finden, wo die Praxen auch wirklich gebraucht werden. Dafür können aus meiner Sicht nur die Gesundheitsbehörde und die Kassenärztliche Vereinigung gemeinsam sorgen, und die politischen Fraktionen können Ideen für Anreize entwickeln. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Für die FDP-Fraktion bekommt nun Frau Dutschke das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Jeder Mensch in diesem Land hat die Möglichkeit, eine adäquate medizinische Betreuung zu erhalten.

(Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Echt?)

Wenn Sie, Herr Celik, in Ihrem Antrag kritisieren, dass es in einigen Stadtteilen keine hausärztliche Versorgung gibt, suggerieren Sie, man müsse sich in Hamburg auf eine stundenlange Expedition begeben, um zum nächsten Arzt zu kommen.

(Mehmet Yildiz DIE LINKE: Stimmt doch!)

Das ist meilenweit von der Wahrheit entfernt,

(Zuruf von Mehmet Yildiz DIE LINKE)

(Christiane Blömeke)

denn Stadtteilgrenzen spielen bei der Suche nach einem Hausarzt wirklich eine untergeordnete Rolle.

(Zurufe)

Eine Studie hat festgestellt, dass ein Hamburger im Durchschnitt 430 Meter laufen muss, um einen Hausarzt zu erreichen.

(André Trepoll CDU: Was ist, wenn er nicht laufen kann?)

Das liegt bei 220 Metern in Ottensen und bei 1 900 Metern in Bergedorf und Harburg. Das ist kein Vergleich zu den Strecken, die die Menschen auf dem Land zurücklegen müssen, um zum nächsten Hausarzt zu kommen.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Da haben Sie ja wieder Äpfel und Birnen gefunden!)

Dieselbe Studie hat auch festgestellt, dass die meisten Menschen zu einem anderen, sogar weiter entfernten Arzt gehen, weil die Wohnortnähe eben nicht der wichtigste Faktor bei der Arztwahl ist, sondern die Frage, ob man dem Arzt, zu dem man geht, vertraut. Das sind Fakten, die auch DIE LINKE einmal zur Kenntnis nehmen muss.

(Beifall bei der FDP)

Es gibt keine Region in Deutschland, die dichter und besser versorgt ist als Hamburg und in der die Wege zum Arzt kürzer sind. Wir sind doch damit in Hamburg realistischerweise in einer für den Rest der Bundesrepublik beneidenswerten Situation.

Wir Freie Demokraten sind nicht einmal generell gegen regionale Gesundheitszentren, aber doch bitte dort, wo sie sinnvoll sind, im ländlichen Raum zum Beispiel, und nicht an denjenigen vorbei, die für den Sicherstellungsauftrag verantwortlich sind.

(Sylvia Wowretzko SPD: Ja, aber sie kom- men dem ja nicht nach!)

Was DIE LINKE mit diesem Antrag eigentlich bezweckt, ist der nächste Schritt hin zu einer kompletten Verstaatlichung des Gesundheitssystems

(Zurufe von der LINKEN: Ah!)

und eine systematische Entmachtung der Selbstverwaltung. Wir gehen diesen Weg nicht mit. Wir lehnen diesen Antrag daher ab, und auch eine Befassung im Ausschuss halten wir nicht für notwendig.

(Zuruf von Heike Sudmann DIE LINKE)

Das angekündigte Förderprogramm des Senats, eine Kooperation von Ärzten und gemeinnützigen Organisationen in Stadtteilen mit besonders schlechter sozialer Lage fördern zu wollen, erscheint uns auf den ersten Blick ein diskussionswürdiger Ansatz. Auch wenn wir hier die Information bisher nur aus der Presse haben, sind wir gespannt auf die entsprechende Vorlage des Senats.

Final können wir den Vorschlag aber erst bewerten, wenn wir Näheres dazu wissen.

Dass Frau Wowretzko diese Debatte jetzt genutzt hat, um wieder einmal sozialdemokratische Bürgerversicherungsfantasien ins Gespräch zu bringen,

(Beifall bei Martin Bill GRÜNE)

finden ich darüber hinaus wirklich geschmacklos. Sie bedienen Vorurteile und Sie zündeln – gegen Ärzte, gegen Privatpatienten. Das ist einfach ein schlechter Stil, und es ist wirklich armselig, dass eine Regierungsabgeordnete hier so auftritt.