Protocol of the Session on November 5, 2014

Aber das ist nicht der einzige Grund, warum die Einbürgerungszahlen stagnieren. Sie haben in diese Kampagne des Bürgermeisters eine halbe Million Euro investiert und 140 000 Menschen angeschrieben. Das waren nicht nur Menschen, die wirklich die Voraussetzungen erfüllen können, sondern es wurden alle Menschen angeschrieben.

(Gerhard Lein SPD: Aber die Möglichkeiten ausschöpfen, das ist es!)

Nun stagnieren die Zahlen, weil Sie nicht alle einbürgern können und sich von diesen 140 000 Menschen – wenn man sich die Beratungsgespräche in der ganzen Zeit anschaut – nur etwa 10 Prozent zurückgemeldet haben. Auch hier müssen Sie nachbessern. Mit Ihrer Briefkampagne werden Sie nicht mehr Menschen für die Einbürgerung gewinnen können. Es gibt andere Gründe, warum sich die Menschen nicht gern einbürgern lassen. Daran müssen Sie auch einmal arbeiten.

Meine Damen und Herren! Im Bereich Antidiskriminierung muss viel mehr als das, was Sie in den vergangenen drei Jahren Regierungszeit gemacht und für die Zeit danach als Konzept auf den Tisch gelegt haben, getan werden. Wir brauchen ein Gesamtkonzept für eine unabhängige und bedarfsgerechte Antidiskriminierungsarbeit, die einen Überblick darüber hat, was in den Ämtern, Schulen und anderen Einrichtungen geschieht, die verbindliche Verbesserungsvorschläge macht und nicht nur eine reine Beratungsstelle ist, die eine Antidiskriminierungsarbeit beratend begleitet. Beim Teilziel diskriminierungsfreie Beratung bei den Behörden und Ämtern mit Kundenkontakt legen Sie nach zwei Jahren vor, dass die Durchführung einer Kundenbefragung in den Bezirksämtern derzeit erörtert werde. Wie lange sollen wir noch warten?

Die Zahl der Arbeitslosen mit Migrationshintergrund ist in Hamburg sehr hoch und die Armutsquote bei den Migrantinnen und Migranten auch.

(Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

In diesem Bereich muss auch viel mehr getan werden, als Wahlkampfgetöse loszuwerden. Es ist so einfach, sich vorne hinzustellen und zu erzählen, dass Sie die Kitagebühren und die Studiengebühren abgeschafft haben. Dadurch wird Hamburg auch nicht sehr viel besser. Sie müssten eigentlich nicht auf Masse, sondern auf Klasse setzen und in diesem Bereich viel mehr arbeiten.

(Beifall bei den GRÜNEN – Gerhard Lein SPD: Lieber Klasse und keine Masse, oder wie?)

Das gehört zusammen, das wissen Sie auch ganz genau.

(Beifall bei den GRÜNEN – Gerhard Lein SPD: Aber Sie haben es eben trennen wol- len!)

Das Wort bekommt Frau Kaesbach von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Herr Haufler, ich habe zwar auch einiges zu kritisieren, aber dass Bürger mit Migrationshintergrund im Integrationskonzept ausschließlich als Opfer und bedürftig behandelt werden, kann ich nicht erkennen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Nun sind Sie dran, lieber Herr Abaci. Angesichts der dürftigen Senatsantwort – hier muss ich Frau Demirel recht geben – zu Ihrer Großen Anfrage empfehle ich Ihnen, sich das nächste Mal vorher bei Ihrem Senator zu informieren, wie aussagekräftig überhaupt die Senatsantwort beziehungsweise die seiner Behörde ist. Dann wäre Ihnen und Ihrer Partei die Peinlichkeit, die mit der Beantwortung

(Phyliss Demirel)

dieser Großen Anfrage verbunden ist, erspart geblieben.

(Beifall bei der FDP – Finn-Ole Ritter FDP: Sehr gut!)

Ihre vielen positiven Fortschritte kann ich nicht erkennen. Im Integrationskonzept des Senats gibt es doch die Top 13. Insofern, Herr Haufler, gibt es eine gewisse Priorisierung. Die Top 13 sind die wichtigsten Ziele in den Bereichen frühkindliche Bildung, Schulbildung, Integrationskurse, Teilnahme am Erwerbsleben. Zu acht TOPs dieser TOP 13 und damit zu mehr als 50 Prozent gibt es entweder keine Datenlage oder es sind keine nennenswerten Fortschritte festzustellen, und das knapp eineinhalb Jahre nach der Vorlage des Konzepts. Das ist nicht nur ziemlich unbefriedigend, das ist einfach traurig.

(Beifall bei der FDP)

Am 23. Mai 2012 hat die Bürgerschaft den Senat ersucht, das Handlungskonzept zur Integration von Zuwanderern aus dem Jahr 2006 zu überarbeiten und neu auszurichten. Am 26. Februar 2013, also knapp ein Jahr später, legte der Senat sein Konzept vor. Meine Fraktion hat das Integrationskonzept im Großen und Ganzen begrüßt. Es enthält klar definierte Ziele, die zum großen Teil mit Kennzahlen und Indikatoren versehen wurden, mithilfe derer der Fortschritt der Umsetzung sichtbar werden soll.

Was bringen aber die konkretesten Ziele, die passendsten Kennzahlen, wenn die hierfür benötigten Daten nicht oder nur stark zeitverzögert erhoben werden können? Welchen Zweck haben Indikatoren, die einen erst Jahre nach dem Anstoß neuer Maßnahmen erkennen lassen, ob die Ziele und Maßnahmen überhaupt geeignet sind? Schauen wir doch einmal konkret in die TOP 13 hinein. Verbesserung der Studienerfolgsquote von Bildungsinländerinnen und –inländern: Daten liegen erst 2016 vor. Verbesserung der Ausbildungsbeteiligung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund: Daten liegen erst 2015 vor. Steigerung der Erfolgsquote bei dualen Ausbildungen: Neuere Daten liegen nicht vor. Steigerung der Teilnahme am Erwerbsleben, Herr Abaci, ich habe da etwas anderes gelesen: Daten stehen erst 2015 zur Verfügung. Ich könnte noch einige Beispiele aufzählen. Die Daten werden zum Teil vielleicht in den nächsten Jahren vorliegen, aber es ist deutlich, dass eine jetzige Erhebung nicht großartig aussagekräftig ist und der SPD keinen Anlass gibt, sich hier auf die Schulter zu klopfen.

(Beifall bei der FDP und bei Cansu Özdemir DIE LINKE)

Die Indikatoren im Bereich Ausbildung und Arbeitsmarkt müssen sogar grundsätzlich hinterfragt werden, wie zum Beispiel Punkt 1.1, Verbesserung der Ausbildungsbeteiligung von Jugendlichen mit Mi

grationshintergrund, und Punkt 1.4, Gleichberechtigung und Teilhabe von geduldeten Jugendlichen in der dualen Ausbildung: ebenfalls keine Daten vorhanden. Die Gründe liegen darin, dass die Bundesagentur für Arbeit entweder nach anderen Kriterien zählt – ausländisch ist etwas anderes als Menschen mit Migrationshintergrund – oder gar keine Kriterien hat.

Der Senat sollte insofern in all den Punkten umsteuern und Ziele sowie Indikatoren nutzen, die den Aufgaben auch gerecht werden. Allerdings liegt die traurige Bilanz nicht nur bei den Indikatoren, die Armseligkeit in einigen Punkten der bisherigen Ergebnisse liegt zum Teil auch am schwachen Vorgehen des Senats. Frau Demirel brachte vorhin das Beispiel, ich wiederhole es gern noch einmal, der Begegnungen in der Nachbarschaft. Eineinhalb Jahre nach Vorlegen seines Konzepts berichtet der Senat jetzt in seiner Beantwortung – wohlgemerkt, das ist TOP 13, er heißt Förderung der Begegnung von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund –, es werde ein neues Konzept für Veranstaltungen und andere Formate unter dem Dach "Nachbarschaft verbindet, Zusammenhalt stärken" entwickelt. Das war schon der Sachstand in der letzten Legislaturperiode, da war ich Mitglied im Integrationsbeirat. Insofern ist der Senat nicht einen Millimeter weitergekommen.

(Beifall bei der FDP)

Zur diskriminierungsfreien Beratung in Ämtern und Behörden wird gesagt, "die Möglichkeit einer Kundenbefragung werde derzeit erörtert". Vorsichtiger und zögerlicher kann man sich nicht ausdrücken.

Insofern ist das Ergebnis ernüchternd. Die FDPFraktion wünscht sich, dass die Planungs- und einzelnen Konzeptphasen abgeschlossen und konkrete Handlungen ergriffen werden. Es sind auch einige Ergebnisse dabei, bei denen die Zahlen erfreulicherweise stimmten oder bei denen sie nach oben gehen. Die Zahl der Einbürgerungen konnte stark erhöht werden. Wir freuen uns über die vielen "frischgebackenen" Hamburgerinnen und Hamburger.

Ein weiteres positives Beispiel sind die angestiegenen Zahlen der Integrations- und Sprachkurse. Aber auch hier würden wir uns freuen, wenn nicht nur gezählt wird, wie viele Kurse es gibt – die Steigerung liegt doch auch an der Steigerung der Flüchtlingszahlen –, sondern wie viele Kurse überhaupt erfolgreich absolviert wurden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! 30 Prozent der Hamburger haben einen Migrationshintergrund, und unter den jüngeren sind es schon fast 50 Prozent. Sie sind Schüler, Auszubildende, Angestellte und Unternehmer, Nachbarn, Kollegen oder Freunde. Eigentlich sollte es gar keine Rolle mehr spielen, woher sie oder ihre Eltern einmal gekommen sind. Viel wichtiger ist die Frage, wo sie mit uns ge

meinsam hinwollen, man kann es auch so formulieren, wo wir gemeinsam hinwollen und wie wir uns gegenseitig auf diesem Weg unterstützen können.

Das Integrationskonzept soll den gesellschaftlichen Integrationsprozess nach vorn bringen. Die FDPFraktion wünscht sich daher für die Zukunft des Konzepts die Anpassung einiger Indikatoren in Richtung tatsächlicher Messbarkeit und Sinnhaftigkeit. Wir wünschen uns mehr Elan seitens des Senats und des nächsten Senats, und wir wünschen uns, dass gewisse Optimierungen da vorgenommen werden, wo es schon gut läuft. Natürlich ist das Gelingen der Integration der Zuwanderer primär eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft. Hier werden in den nächsten Jahren auf uns sicher noch große Aufgaben zukommen. Der Staat sollte aber da, wo er durch bestimmte Maßnahmen positive Prozesse fördern kann, diese auch beherzt und klug angehen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Frau Özdemir von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich kann mich den Vorrednerinnen anschließen. Ich wüsste, ehrlich gesagt, nicht, welche Zahlen ich mir jetzt genauer anschauen soll, weil ich sie einfach nicht aussagekräftig finde. Hier wurden Menschen mit Migrationshintergrund, die nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, erfasst, aber Menschen mit einem Migrationshintergrund, die die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, wurden nicht erfasst. Deshalb sind die Zahlen für mich einfach nicht aussagekräftig. Auch die Entwicklung der Integrationsindikatoren ist für mich nicht messbar.

Wenn wir uns die Indikatoren anschauen – ich möchte das am Beispiel des Wohnungsmarkts machen, denn der Wohnungsmarkt ist momentan in Hamburg der Bereich, der wirklich ziemlich brennt –, dann sind die Indikatoren in diesem Bereich wirklich lasch. Ich finde sie auch lächerlich, denn nicht einmal die SAGA erfasst einen Migrationshintergrund. Sie leitet vom Nachnamen ab, dass es sich um einen Migrationshintergrund handelt, wenn dieser nicht deutsch klingt; das finde ich einfach nur unsinnig.

(Beifall bei der LINKEN)

In der Anfrage wurde angegeben, dass es bei der SAGA 22 Beschwerden gab. Ich finde diese Zahl sehr vage, sie ist auch sehr niedrig vor dem Hintergrund, dass ich mehr als 22 Personen kenne, die Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt erfahren haben. Von daher kann ich dieser Zahl nicht glau

ben. Und die Maßnahmen, die hier ergriffen werden sollen, sind Handlungsempfehlungen, das heißt, entweder macht man sie oder man macht sie nicht, aber es hat keine Folgen. So kann man das Problem auch nicht bekämpfen.

Das Problem von struktureller Diskriminierung gibt es in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft. Herr Haufler, ich werde diesen Begriff benutzen, weil das für viele Menschen mit Migrationshintergrund Realität ist. Das bedeutet nicht gleich, dass man sie in eine Opferrolle drängt, sondern man möchte, dass sie die gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft haben, und dafür muss man das Thema auch ansprechen und bekämpfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt verschiedene Studien, die belegen, dass Menschen mit einem Migrationshintergrund auf dem Arbeitsmarkt oder dem Wohnungsmarkt diskriminiert werden; sie haben es also dort schwerer. Wenn wir uns die Situation auf dem Wohnungsmarkt in Hamburg anschauen, dann können wir sehr deutlich sehen, dass diese Menschen kaum Zugang haben zum Wohnungsmarkt. Man kann auch deutlich sehen, dass sie schlechtere Wohnverhältnisse haben, dass sie höhere Mieten in Kauf nehmen müssen oder aufgrund des Mangels an bezahlbarem Wohnraum Schwierigkeiten haben, ihn überhaupt zu bekommen.

Durch die jetzt von Ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen kommt man leider nicht weiter. Von daher sehe ich erst einmal keinen Fortschritt. Ich habe mich dann auch am Bericht von Frau Özoguz orientiert, der Integrationsministerin. Ihr Bericht zur Lage der Ausländerinnen und Ausländer hat noch einmal deutlich gezeigt, dass man sich wirklich nicht zurücklehnen und es sich bequem machen sollte, weil es hier noch viele Probleme gibt. Das ist auch so in Hamburg, und diese Zahlen, die wir vorliegen haben, verschleiern das Problem meiner Auffassung nach. Auf diese Entwicklung, die man in den letzten vier Jahren gesehen hat, kann man wirklich nicht stolz sein. Ich möchte auch die Flüchtlinge erwähnen, denn ich finde, dass hier keine so schöne Willkommenskultur stattfindet.

(Beifall bei der LINKEN)

Es handelt sich hier auch nicht um ein Schicksal, es handelt sich auch nicht um ein Problem, das bei den Migrantinnen und Migranten beginnt. Herr Haufler würde jetzt unterscheiden zwischen den Tüchtigen und den Nicht-Tüchtigen. Das würde ich nicht so sagen, und ich würde auch nicht die Schuld auf die Eltern schieben. Ich denke einfach, dass die Politik dazu beigetragen hat, dass wir überhaupt in einer solchen Situation sind. Es ist das Ergebnis von Diskriminierung und auch von einer unsozialen Politik. Die soziale Herkunft bestimmt nämlich immer noch den Lebensweg vieler Kinder. Frau Bekeris, auch in Hamburg ist die Si

(Martina Kaesbach)

tuation noch so. Ich glaube, das ist kein Geheimnis, es gibt einen Kreislauf, der aus Armut, Diskriminierung und Bildungsferne besteht. Und diesen müssen wir gemeinsam versuchen aufzubrechen. Wir sollten vielleicht auch anfangen, Beratungsstellen und Integrationszentren zu fördern, damit sie im nächsten Jahr noch ein Teil dieser Gesellschaft bleiben, denn sie sind sehr wichtig für die Menschen mit Migrationshintergrund.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Senator Scheele.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund ist dem Senat ein großes Anliegen. Ich glaube, das kann man sehen, wenn man die Politik der letzten fast vier Jahre verfolgt. Das ist auch nur folgerichtig, denn in dieser Stadt haben 50 Prozent aller Kinder unter 18 Jahren und ein Drittel der Gesamtbevölkerung einen Migrationshintergrund. Um diese Menschen muss man sich kümmern, aber nicht als etwas Besonderes, sondern als Hamburgerinnen und Hamburger, denn sie gehören zu dieser Stadt wie alle, die auch hier geboren sind.

(Beifall bei der SPD)