Klar ist, wir Christdemokraten unterstützen die Erhebung von Zahlen, von Daten und von Fakten zum Stand der Integration in unserer Stadt. Wir haben dies sowohl in der vorigen als auch in dieser Legislaturperiode mit Nachdruck vorangetrieben. Fakten sind unser bester Schutz gegen den blinden Aktionismus, sie sind unser bester Schutz gegen die unerträgliche Diffamierung unseres Gesellschaftssystems von linken Moralaposteln, und Fakten sind unser bester Schutz gegen die blinde Hetze der Rechtsextremisten in unserem Land, wenn es um das Thema Integration geht. Aber ein Sammelsurium von Fakten allein reicht nicht, wenn man ein systematisches Vorgehen zur Verbesserung der Integration aufbauen möchte.
Sehr geehrte Kollegen! Ich möchte Ihnen gern eine Kennzahl aus der Antwort des Senats vorlesen, und ich lasse Sie dann selbst beurteilen,
wie relevant diese Zahl für den Fortschritt der Integration in unserer Stadt ist. Es ist eine Kennzahl aus Kapitel IV, Teilziel 2.3: Anzahl der im Jahresprogramm angebotenen Veranstaltungen der sozialpädagogischen Fortbildung, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus der OKJA offenstehen – OKJA steht für Offene Kinder- und Jugendarbeit. Zielwert für diese Kennzahl ist für diesen Senat vier pro Jahr, die Zielerreichung per 30. Juni 2014 beträgt zwei. Bewertung: Der Zielwert wird bis zum Jahresende erreicht.
Was sagt uns diese Kennzahl? Ich bin mir sicher, dass der Besuch dieser vier Veranstaltungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Offenen Kinder- und Jugendarbeit interessant und lohnenswert war, aber ein Kennzahlensystem, welches so wichtige Zahlen wie die Anzahl der Schulabbrecher oder die Arbeitslosenquote unter Zuwanderern auf der gleichen Ebene behandelt wie diese vier Veranstaltungen, ist schlicht und ergreifend nicht effektiv. Es verleitet geradezu dazu, sich selbst auf die Schultern zu klopfen, wie Sie es eben gemacht haben, und zu sagen, in den meisten Feldern habe man den Plan übererfüllt; vier Veranstaltungen schaffe man dieses Jahr.
Wir Christdemokraten sagen Ihnen klar, konzentrieren Sie sich lieber auf das Wesentliche, und das sind für uns folgende drei Punkte: Sprache, Bildung, Arbeit. Das muss man zum Glück heute
nicht mehr großartig begründen, und das ist auch in Ihrer Rede, Herr Abaci, in den Mittelpunkt gerückt worden. Beispiel Arbeit: In Kapitel III, Teilziel 2.2, Indikator b) Arbeitslosenquote von Menschen mit Migrationshintergrund – Rechtskreis SGB III, hat der Senat keinen Zielwert, und den Ist-Stand vom März 2014 geben Sie mit 37,4 Prozent an. Für den Rechtskreis SGB II geben Sie 56,3 Prozent an. Ich möchte an dieser Stelle sehr stark bezweifeln, dass wir in dieser Stadt eine Arbeitslosenquote von Menschen mit Migrationshintergrund in Höhe von 56 Prozent haben. Wenn Sie eine Zeile darüber lesen – das können Sie ruhig jetzt machen, Herr Kollege Abaci –, dann sehen Sie doch, dass die Arbeitslosenquote von Ausländern bei 15,2 Prozent liegt, und so unterschiedlich hoch können die beiden Zahlen niemals sein. Sie haben also schlicht und ergreifend in Ihrem enormen Sammelsurium von Fakten an einer zentralen Stelle, vielleicht sogar an der zentralsten Stelle, in dieses Papier eine falsche Zahl hineingeschrieben. Das ist weder Ihnen, Herr Kollege Abaci, aufgefallen noch den zahlreichen Staatsräten, die in der Lenkungsrunde Integration dieses wichtige Thema bearbeiten sollen, und das ist schlicht und ergreifend peinlich.
Selbst wenn Sie eine richtige Zahl hineingeschrieben hätten und es niemandem von Ihnen auffällt, dass nicht jeder zweite Immigrant arbeitslos ist, dann widmen Sie dieser wichtigen Zahl in Ihrem Konzept viel zu wenig Aufmerksamkeit. Eine so zentrale Zahl muss ich doch von allen Seiten betrachten. Wie viele langzeitarbeitslose Zuwanderer haben wir in Hamburg? Welche Ausbildung haben diese Menschen? Welche Sprachkenntnisse haben diese Menschen? Aus welchen Ländern kommen sie? Wie alt sind sie? Das alles ist doch wichtiger, als die Zahl der Fortbildungsveranstaltungen, nämlich vier, in dieses Konzept hineinzuschreiben. Das alles tun Sie einfach nicht, denn es ist auch viel einfacher, rein inputorientiert zu sagen, ich mache hinter vier Veranstaltungen im Jahr einen Haken, als outputorientiert zu denken und echte Resultate bei einem so wichtigen Thema wie Arbeitslosigkeit zu bringen.
Auch im zentralen Bereich der Sprache und der Bildung ist dies ähnlich. Eine wesentliche Kennzahl ist für uns beispielsweise der Abiturientenanteil. Ich habe den Senat deshalb schon im Juni 2011 gefragt, wie hoch der Abiturientenanteil von jungen Menschen ist, die selbst oder deren Eltern als Zuwanderer nach Hamburg gekommen sind, denn es hatte mich damals die Nachricht erreicht, dass nicht etwa die Kinder deutscher Eltern den höchsten Abiturientenanteil in unserem Land hätten, sondern die Kinder vietnamesischer Eltern mit einem Anteil von 66 Prozent. Bei den Kindern der russlanddeutschen Aussiedler liegt er bei 46 Prozent gleichauf mit den hiesigen deutschen Kindern.
Nun ist die wichtige Frage, was uns diese Zahl sagt. Diese Zahl zeigt uns doch, welche enorme Rolle das Elternhaus beim Bildungserfolg der Kinder spielt. Daraus muss man wesentliche Schlüsse auf die Politik in einer solchen Stadt wie Hamburg ziehen. Also wollte ich vom Senat wissen, wie hoch der Abiturentenanteil in unserer Stadt nach Herkunftsland oder nach Herkunftssprache der Kinder ist.
Der Senat hat mir die Antwort aber mit einer fadenscheinigen Begründung verweigert, denn es passt nicht in das Weltbild dieses Senats festzustellen, dass die Abiturientenquoten je nach Herkunftsland enorm variieren, auch bei gleicher sozialer Ausgangslage der Elternhäuser, und dass demnach auch die Einstellung der Eltern zum Thema Bildung einen wesentlichen Einfluss auf den Bildungserfolg der Kinder haben muss. In Ihrem Integrationskonzept erheben Sie zum wesentlichen Erfolgsfaktor der Integration – Zitat – "den Abbau struktureller Diskriminierung". Daten, die zu diesem Weltbild nicht passen, wollen Sie schlicht nicht sehen.
Wir wollen hier einen anderen Weg gehen. Wir haben keine Angst vor Daten und Fakten. Wir legen unsere Antworten nicht anhand einer Ideologie fest, sondern anhand der Realität, und wir erhalten enormen Zuspruch seitens der Zuwanderer in diesem Land. Erst vor zwei Wochen hat sich die Bundeskanzlerin zu einer großen Integrationskonferenz mit vielen Zuwanderern getroffen, die uns Christdemokraten auf diesem Weg unterstützen. Die "Welt" schreibt dazu – ich zitiere –:
"Bei den später stattfindenden Diskussionsrunden stellen gleich mehrere Teilnehmer unter großem Applaus fest, ein Engagement bei der SPD sei für sie nie infrage gekommen, weil man dort 'wie ein Opfer' behandelt werde."
Sehr geehrte Damen und Herren! Hören Sie auf, die Zuwanderer wie Opfer zu behandeln und verzichten Sie auf den diffamierenden Begriff der strukturellen Diskriminierung. Stellen Sie die Fakten in den Vordergrund, setzen Sie ergebnisorientierte Prioritäten und hören Sie auf, sich selbst zu bejubeln. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Weil Herr Abaci gesagt hat, dass es ein großer Erfolg sei,
dass viele Jugendliche mit Migrationshintergrund gute Schulabschlüsse haben oder Abitur machen, möchte ich vorab sagen, dass dies nicht zu den SPD-Erfolgen gehört, sondern dass das neue Schulsystem dies vielen Jugendlichen ermöglicht. Auch die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen beruht auf der Initiative von SchwarzGrün und auch auf unserem GRÜNEN-Antrag hier in der Bürgerschaft.
Ich weiß nicht, welche Antworten Sie auf die Große Anfrage bekommen haben, denn ich habe gedacht, es müssen zwei Drucksachen gewesen sein. Was wir bekommen haben, stimmt nicht mit Ihren Erläuterungen überein.
Wie bei jeder Drucksache der SPD fängt auch diese mit einem Eigenlob an – der Wahlkampf hat begonnen –, und so hören wir, wie toll die SPD in Hamburg alles macht.
Dieses Eigenlob hilft Ihnen aber auch bei dieser Drucksache nicht weiter. Sie behaupten, das wäre das erste Konzept mit konkreten und überprüfbaren Indikatoren und Zielwerten et cetera. Das mag sein, aber das Papier und die Umsetzung sind zwei Paar Schuhe; Papier ist geduldig. Ich finde es heute überhaupt etwas schwierig, zu einzelnen Bereichen dieses Konzepts Stellung zu nehmen, weil bei vielen Indikatoren die Zielangaben fehlen oder Daten zurzeit nicht verfügbar sind. An einigen Stellen haben Sie die Indikatoren auch geändert, das heißt, was nicht passt, wird passend gemacht. Daher werde ich nur einige Stellen herauspicken und dazu reden.
Sehr amüsant war auch die Fragestellung, wie der Senat die Fortschritte hier und da bewertet. Wie soll der Senat die eigene Arbeit bitte schön bewerten? Schlecht oder gut? Sie bezeichnen es als Erfolg, dass die bleibeberechtigten Flüchtlinge erst einmal in das Integrationskonzept des Senats aufgenommen wurden, und Sie sagen, dass der Senat konsequent an der Verbesserung der Teilhabechancen von Flüchtlingen arbeitet. Wenn ich mir aber Ihre Tagespolitik anschaue, dann ist das alles andere als das, was Sie in diesem Konzept beschreiben. Sie reden von Teilhabechancen von Flüchtlingen, kürzen aber die Mittel für Sprachkurse im Haushalt, obwohl die Flüchtlingszahlen steigen. Die ESF-BAMF-Kurse werden auch nicht mehr im bisherigen Rahmen gefördert, sodass der Zielwert in Ihrem Konzept für 2015 nicht mehr erreicht werden kann. Das steht auch in der Großen Anfrage. Was tun Sie dagegen, meine Damen und Herren? Im Bereich Sprachförderung von geduldeten Asylbewerbern wurde das Ziel für 2015 zum
Beispiel schon 2013 erreicht. Die Flüchtlingszahlen steigen, aber Ihr Zielwert stagniert weiter. Was werden Sie hier tun? Insbesondere bei den Sprachkursen und berufsbezogenen Sprachkursen ist die Nachfrage auf allen Niveaustufen sehr hoch. Hier müssen auch andere Finanzierungswege gefunden werden, beispielsweise über die Agentur oder über die Jobcenter.
Es ist gut, dass Flüchtlinge nun nach drei Monaten arbeiten dürfen, aber welche Jobs werden sie ausüben müssen, wenn sie keine Möglichkeit bekommen, Deutsch zu lernen und sich weiterzubilden, abgesehen davon, dass die Vorrangregelung auf dem Arbeitsmarkt ein weiteres Problem für diese Gruppe darstellt. Nach außen ist alles schön, aber Sie müssen einmal hinter die Fassade schauen und sich die Realität ansehen.
Sie kümmern sich nur um einen Teil der Flüchtlinge, nämlich um die, die als Fachkraft tauglich sein könnten oder um gut integrierte Jugendliche; die dürfen auch bleiben. Teil Ihrer Flüchtlingspolitik in Hamburg ist auch, die Lampedusa-Flüchtlinge seit zwei Jahren auf der Straße stehen zu lassen.
(Dr. Andreas Dressel SPD: Aber wir haben es doch gemacht! Das ist von vorgestern, was Sie da vertreten!)
Im Bereich Erhöhung des Anteils qualifizierten pädagogischen Personals mit Migrationshintergrund, wo sie den Anteil von Neueinstellungen nicht erhöhen wollten, ändern Sie den Indikator und nehmen den allgemeinen Anteil der Lehrkräfte mit Migrationshintergrund an den staatlichen Schulen als Messwert. Darüber hinaus reduzieren Sie den Zielwert von 20 Prozent auf 11 Prozent. Hamburg hat das Ziel, die interkulturelle Öffnung der öffentlichen Verwaltung auf 20 Prozent zu erhöhen. Die staatlichen Schulen gehören nach meinem Verständnis auch dazu, und das passt nicht zusammen.
Wir haben auch noch nicht vergessen, liebe SPD, dass Sie den Fachbereich Turkologie auf Lehramt abgeschafft haben. So werden Sie die muttersprachlichen Kompetenzen der Kinder nicht weiter stärken können.
(Beifall bei den GRÜNEN – Kazim Abaci SPD: Wir nicht! – Dirk Kienscherf SPD: Die gibt es, das begreifen Sie einfach nicht!)
Seit 2006 und der Kampagne "Wir sind Hamburg! Bist du dabei?" haben sich die Werte verdreifacht, wie Sie hier auch selbst beschreiben. Aber wenn ich mir Ihre Regierungszeit anschaue, dann haben
Sie in diesem Bereich kaum Fortschritte gemacht. Das Ziel der schwarz-grünen Regierung von 16 Prozent war schon 2011 mit 16,5 Prozent erreicht. Was haben Sie seit 2011 in dieser Richtung getan?
Nach den Statistiken des Personalamts haben 20,3 Prozent der Lehrkräfte an den Hochschulen einen Migrationshintergrund. Das ist gut, aber diese Quote ist nur glänzende Fassade, meine Damen und Herren. Wenn Sie noch einmal einen Blick darauf werfen, dann werden Sie jede Menge befristete Beschäftigungsverhältnisse und Honorarkräfte feststellen. Hier müssen Sie also auch dringend etwas unternehmen.
Das gilt auch für Ihre Einbürgerungskampagne. Sie haben im Jahr 2012 eine Steigerung von 1,7 Prozent erreicht; 2013 waren die Zahlen viel besser, das muss man anerkennen. Nun stagnieren die Zahlen.
Das begründen Sie mit der Diskussion um die doppelte Staatsbürgerschaft vor der Bundestagswahl. Das ist für Sie der Grund für die Zurückhaltung, und damit können Sie recht haben. Sie waren doch auch diejenigen, die im Bundestagswahlkampf hoch und heilig versprochen haben, dass Sie die doppelte Staatsbürgerschaft einführen werden, wenn Sie im Bund an die Regierung kommen. Was ist dann passiert? Pustekuchen, da war nichts.
Aber das ist nicht der einzige Grund, warum die Einbürgerungszahlen stagnieren. Sie haben in diese Kampagne des Bürgermeisters eine halbe Million Euro investiert und 140 000 Menschen angeschrieben. Das waren nicht nur Menschen, die wirklich die Voraussetzungen erfüllen können, sondern es wurden alle Menschen angeschrieben.