Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Frau Özdemir, heute geht es in erster Linie um Flüchtlinge und nicht um Wohnungslosigkeit. Wie Sie wissen, hat die FDP einen Antrag eingebracht zum Thema Obdach- und Wohnungslosigkeit, der morgen debattiert wird. Ihr Antrag gibt doch auch das Thema Flüchtlinge her, insofern war ich etwas verwundert über den Schwerpunkt Ihrer Rede.
Der Senat und die SPD-Fraktion denken sich: Schön, dass jetzt der Karren läuft, hat doch die Bürgerschaft einstimmig den zweiten Haushaltsnachtrag für die öffentliche Unterbringung mit einem Finanzierungsvolumen von knapp 148 Millionen Euro im September beschlossen. Es ist aber mitnichten so. Für die Oppositionsfraktionen reicht es eben nicht nur aus, das in der Tat notwendige Geld in die öffentliche Unterbringung und die Zentrale Erstaufnahme zu pumpen. Der Senat sollte sich auch endlich konzeptionell auf den Weg machen.
Meine Fraktion bringt angesichts des nach wie vor nicht nachlassenden Flüchtlingsstroms laufend Anträge mit wichtigen Forderungen ein. Die SPDFraktion lehnte jedes Mal diese Anträge ab, ob im Plenum oder dann später im Fachausschuss.
Auch heute gibt es wieder ein kleines Licht im Dunkeln, denn die SPD stimmt der Überweisung unserer Anträge an die Fachausschüsse zu. Ich sehe es aber ähnlich wie Frau Möller, es läuft nach dem Motto, schön, dass man einmal darüber geredet hat. Ich denke, ein wirklich fachlicher Austausch wird im Ausschuss nicht stattfinden, zumindest nicht ein Austausch, der seinen Namen verdient. Ich befürchte, die Anträge werden wiederum die Beerdigung zweiter Klasse im Ausschuss erleben und abgelehnt werden.
Das "Hamburg Journal" berichtete am 24. Oktober über die offensichtlich schleppende, auf jeden Fall nicht konsequente Kontrolle der medizinischen Eingangsuntersuchungen in der Zentralen Erstaufnahme, denn nach dem Infektionsschutzgesetz muss diese zügig durchgeführt werden. Ein O-Ton des Arztes Dr. Refmir Tadzic war, dass es Tage gab, an denen er mit drei Ärztinnen und sechs Helferinnen am Tag nur fünf Leute untersucht habe. Er könne nicht durch die Gegend laufen und die Leute selbst suchen; das kann er auch nicht, das kann man nicht von dem Arzt verlangen. Diese Leute, die er meinte, die Flüchtlinge, erhalten Laufzettel und sollen sich dadurch aufgefordert fühlen, den Arzt in der Zentralen Erstaufnahme aufzusuchen. Dass das aber nicht immer erfolgt und schon gar nicht so zügig, liegt auf der Hand. Dieser Zustand ist angesichts der Gefahr einer Ausbreitung von infektiösen Erkrankungen wie zum Beispiel Tuberkulose nicht akzeptabel. Wir fordern insofern den Senat auf, sicherzustellen, dass in den Zentralen Erstaufnahmen die Flüchtlinge nach ihrer Ankunft in den ersten drei Tagen zur ärztlichen Eingangsuntersuchung begleitet werden und dass eine entsprechende Dokumentation und Kontrolle stattfindet.
Nun zum Zusatzantrag der GRÜNEN zur Einrichtung einer unabhängigen Kommission. Nach Meinung meiner Fraktion ist es zielführender, die Flüchtlinge nach ihrer Ankunft mithilfe eines Infoblattes über ihre Rechte und auch Pflichten zu informieren. Die Informationen sollen natürlich sprachlich wie kognitiv verständlich gefasst werden. Auch fordern wir eine regelmäßig stattfindende Veranstaltung zur Einführung in die Rechte und Pflichten, die in der Herkunftssprache der jeweiligen Gruppe stattfinden soll. Bei polizeilichen Vorermittlungen sollen regelhaft Dolmetscher zur Verfügung gestellt werden.
Herr Lohmann, Sie haben ein seltsames Demokratieverständnis, wenn Sie meinen, dass eine Aufklärung über die Rechte und Pflichten gleichzusetzen ist oder bedeutet, dass den Flüchtlingen suggeriert werden solle, dass sie gleich Misstrauen haben sollten gegenüber den Behörden.
Das beweist nur wieder, dass Sie nicht wirklich interessiert sind an einem guten Start der Flüchtlinge in Hamburg.
So ist es, Herr Lohmann, dazu können Sie sich gern noch einmal äußern, das würde mich interessieren.
Zum Antrag der CDU. Wir stimmen den Petiten zur Überprüfung des Königsteiner Schlüssels zu sowie der Unterbringung von Flüchtlingskontingenten in anderen Bundesländern. Hier hatten Sie, Herr Senator Scheele, im Sommer bereits entsprechende Vorstöße unternommen, allerdings gab es auf den Gegenwind einiger Bundesländer hin dann wieder eine große Rolle rückwärts.
Ihren Ansatz, der Ihrer Kritik entsprang, dass einerseits Flächenländer Wohnungsabbau betreiben und über leerstehende Kasernen verfügen, die Stadtstaaten andererseits sich aber über jeden freien Quadratmeter freuen, unterstützen wir auf jeden Fall. Meines Erachtens könnte man zumindest diese Petita hier gleich beschließen. Die Petita zu den Bedingungen der Unterkünfte in Hamburg wie Schaffung von festen Ansprechpartnern bei der Polizei, ähnlich wie die "Bünabes", die Unterstützung des ehrenamtlichen Engagements von Flüchtlingen, insbesondere bei der Aufnahme von Flüchtlingen durch Privatpersonen, hat meine Fraktion bereits mehrfach selbst eingefordert, genauso wie die immer wieder vorgebrachte Forderung nach einer gleichmäßigen Verteilung der öffentlichen Unterbringung über ganz Hamburg. Dieses Lied wird hier immer wieder und zu Recht von den Oppositionsfraktionen gesungen, weil das nach wie vor nicht stattfindet.
Da reicht auch eine symbolische Belegung an den Sophienterrassen in Harvestehude, die zudem unerhört teuer ist, nicht aus. Die Einführung eines flexiblen Beschulungssystems für die minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge, das sich mehr nach den individuellen Kompetenzen der Jugendlichen richtet, statt hier alle starr für ein oder zwei Jahre in separaten Klassen zu führen, halten wir auch für richtig. Was wir nicht unterstützen können, ist die nicht näher konkretisierte Forderung nach einer Erhöhung des Betreuerschlüssels in der öffentlichen Unterbringung. Für eine Erhöhung gerade in den Massenunterkünften wie in Sieversstücken oder Farmsen, wo es voraussichtlich leider auch zu einer Massenunterkunft kommt – womit die Anwohner überhaupt nicht einverstanden sind, das hier nur einmal am Rande –, wird es von uns keinen Blankoscheck geben. Aber Ihr Antrag wird noch
Zum Antrag der LINKEN: Die FDP-Fraktion wird einigen Forderungen, die dem Antrag der LINKEN zugrunde liegen, zustimmen. Das sind unter anderem die Punkte, die wir Liberalen bereits seit Langem gefordert haben und die von der LINKEN nun erfreulicherweise übernommen wurden wie die Forderung nach einer zielgruppenorientierten Unterbringung und die Forderung nach einer kleinteiligen, dezentralen Unterbringung. Beide identischen FDP-Forderungen – hören Sie bitte genau zu – sind im Übrigen erst vor zwei Monaten, am 10. September, hier im Plenum von Ihnen abgelehnt worden. Ich kann Ihnen auch gern die Drucksachennummer des FDP-Antrags nennen. Umso mehr freue ich mich, dass Sie jetzt unseren Vorschlägen nachkommen. Dem Ersuchen nach Stärkung und Förderung des ehrenamtlichen Engagements wird von uns genauso wie beim CDU-Antrag zugestimmt; wir haben es selbst eingefordert. Auch dass SAGA GWG verstärkt auf dem sozialen Wohnungsmarkt tätig sein sollte, fordern wir. Schön und gut, wenn SAGA GWG ihrer Zielzahl in diesem Jahr zum ersten Mal nachgekommen ist, Herr Lohmann, aber das geschah natürlich erst auf großen Druck der Opposition hin. Damit es die nächsten Jahre so weiterläuft, muss die Opposition da auch am Ball bleiben.
Die Erhöhung der Quote für den sozialen Wohnungsbau auf 50 Prozent ist allerdings nicht zielführend, da muss ich Herrn Lohmann recht geben. Die Bevölkerungsmischung in den Stadtteilen ist natürlich wichtig. Des Weiteren sind wir der Ansicht, dass von der Schaffung von Unterkünften fernab von ÖPNV-Anbindung oder Einkaufsmöglichkeiten sowie – zur Konfliktvermeidung – von beengten Wohngelegenheiten auf Wohnschiffen möglichst abzusehen ist. Dies wird jedem integrationspolitischen Ansatz zuwiderlaufen. Der Forderung unter Punkt A.1 und A.2 zur Einführung von Mindeststandards für Notunterkünfte, die von der BAG Wohnungslosenhilfe entwickelt wurden, sowie der Forderung nach Einführung dieser Standards in den Hotels würden wir zustimmen, wenn dies als Prüfauftrag formuliert worden wäre. Aber Mindeststandards in dem geforderten Maße jetzt sofort einzuführen, ist aus Sicht meiner Fraktion abwegig.
Den Ruf nach mehr Personal in der öffentlichen Unterbringung lehnen wir aus den gleichen Gründen wie beim CDU-Antrag ab. Es ist zu unkonkret formuliert, und es gibt auch keine Gegenfinanzierung. Insofern sehen wir hier keinen Bedarf für eine personelle Aufstockung. Zum Thema Zwangsräumung in die Obdachlosigkeit möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass die Fachstellen im Vorfeld den Bürgern Darlehen und Beihilfen anbie
ten, die von Wohnungsverlust bedroht sind. Die Rechte von Vermietern auf Zwangsräumung dürfen hier nicht ausgehebelt werden. Den Prüfaufträgen unter Punkt B.1.a und 1.b wie der Leerstandsüberprüfung von öffentlichen Gebäuden, Büroflächen und seit Längerem leerstehendem privatem Eigentum werden wir zustimmen. Wiederum möchte ich hier ausdrücklich erwähnen, dass es zu keiner Zwangsunterbringung in das private Eigentum kommen darf. Vielmehr sollte der Senat endlich der FDP-Forderung aus der letzten Bürgerschaftssitzung nach einem öffentlichen Portal für private Wohnraumvermittlung nachkommen.
Nach Ermittlungen des Leerstandes bei privatem Eigentum und Büroflächen sollte dann auf ein solches Portal hingewiesen werden beziehungsweise mit den Eigentümern Kontakt hinsichtlich einer möglichen Unterbringung von Flüchtlingen über einen Träger aufgenommen werden. Noch einmal: Zwangsunterbringung in privates Eigentum darf niemals das Ziel sein. Deshalb lehnen wir auch die Forderung der LINKEN nach der Anwendung des Polizeirechts auf leerstehende Immobilien ab. – Es ist ein bisschen laut.
Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Meine Damen und Herren! Frau Kaesbach hat das Wort und sonst niemand.
Die Forderung nach einer Arbeitsgruppe Unterbringung ist grundsätzlich zu befürworten, schließlich fordert die FDP seit Längerem einen Flüchtlingsgipfel, an dem alle relevanten Akteure der Flüchtlingshilfe in Hamburg teilnehmen können, ähnlich dem, der aktuell auf Bundesebene durchgeführt wurde. Wir stehen jedoch dem Zusatz der LINKEN-Forderung nach einer Weisungsbefugnis einer Arbeitsgruppe kritisch gegenüber, sodass wir der Ziffer C. nicht zustimmen werden. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kaesbach, die Forderung hatte meine Fraktion schon, da saßen Sie noch nicht in der Bürgerschaft.
Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Meine Damen und Herren! Frau Özdemir hat das Wort und sonst niemand. – Bitte, Frau Özdemir.
Sie machen sich unglaubwürdig, weil Sie uns in der letzten Zeit vorgeworfen haben, dass wir uns nicht eingebracht und keine Forderungen geltend gemacht hätten, obwohl wir und natürlich auch andere Oppositionsfraktionen in den letzten Jahren, in denen Ihr Senat regiert hat, viele Vorschläge gemacht und diese im Ausschuss auch diskutiert haben. Sie sprechen von einer konstruktiven Zusammenarbeit oder Debatte, aber ich weiß nicht, wovon Sie da sprechen, denn das hat leider nicht stattgefunden. Vielleicht haben Sie sich kurz mit unseren Forderungen befasst, haben sie aber im Endeffekt abgelehnt oder haben sie, wie ich schon einmal gesagt habe, abgeschrieben, das Label SPD draufgesetzt und dann als Ihren Antrag durchgehen lassen. Und das machen Sie jetzt schon wieder. Ich habe Ihnen eben gesagt, dass sich die Situation hier verschärfen wird. Auch Herr Scheele hat gesagt, es werden mehr Flüchtlinge in die Stadt kommen. Daher machen wir jetzt wieder Vorschläge, und Sie greifen wieder zum selben Prozedere, nämlich diese Forderung einfach abzulehnen und sich nicht einmal mit ihr zu befassen. Ich finde das einfach nur peinlich.
Dann verfahren Sie wieder so – und das meine ich mit selbst geschaffener Situation –, dass Sie sich nicht einmal anschauen, ob diese Forderungen richtig und vielleicht umsetzbar wären, und uns dann in der Notsituation die Wahl lassen zwischen Pest und Cholera – entweder werden die Flüchtlinge in Zelten untergebracht oder sie werden obdachlos. Das geht so gar nicht.
Sie versuchen, uns Ihre Politik aufzureden, und wir sollen dann Ihre Politik mittragen. Das zeigt sich wieder bei Ihrer Reaktion, wenn Sie dies hier darstellen, als gebe es kein Problem. Ich möchte Sie nur darauf hinweisen, dass die Flüchtlinge aus der Schnackenburgallee vor einigen Tagen demonstriert haben, weil sie die Zustände einfach unzumutbar finden.