Protocol of the Session on November 5, 2014

[Antrag der GRÜNEN Fraktion: Schaffung einer unabhängigen Kommission für die öffentliche Unterbringung und die Zentrale Erstaufnahme – Drs 20/13275 –]

[Antrag der FDP-Fraktion: Medizinische Eingangsuntersuchung von Flüchtlingen in der Zentralen Erstaufnahme – Drs 20/13535 –]

[Antrag der FDP-Fraktion: Bessere Information der Flüchtlinge über ihnen zustehende Rechte – Drs 20/13536 –]

[Antrag der CDU-Fraktion: Menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen in den Stadtteilen gewährleisten – Drs 20/13365 –]

Die Drucksache 20/13161 möchte die Fraktion DIE LINKE an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration überweisen.

Zur Drucksache 20/13275 liegen Anträge der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN auf Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration vor.

Vonseiten der SPD-Fraktion liegt ein Überweisungswunsch zur Drucksache 20/13535 an den Innenausschuss und zur Drucksache 20/13536 an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration vor.

Darüber hinaus möchte die CDU-Fraktion die Drucksache 20/13365 an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration überweisen.

Wird nun das Wort gewünscht? – Frau Özdemir von der Fraktion DIE LINKE hat es.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Erst einmal finde ich es ziemlich peinlich, dass die SPD alle Anträge außer unserem Antrag überweisen möchte, vor allem, weil Zusatzanträge überwiesen werden, die sich aber auf unseren Antrag, also den Hauptantrag, beziehen. Ich weiß nicht, wie Sie dann die Zusatzanträge im Ausschuss behandeln möchten.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie kennen die Situation in der Stadt. Wir haben 10 000 Flüchtlinge und wohnungslose Menschen, die in der öffentlichen Unterbringung untergebracht sind. Das Problem ist, dass mangels Folgeunterbringung vor allem die Flüchtlinge länger als die vorgesehene Zeit von drei Monaten in den Erstunterbringungen bleiben müssen. Das bedeutet für sie dann auch, dass sie einen niedrigeren Leistungssatz bekommen. Es bedeutet für sie aber auch aufgrund der überfüllten Situation wie zum Beispiel in der Schnackenburgallee, dass medizinische, psychologische, sozialpädagogische, rechtliche Betreuung problematisch ist, weil es zu wenig Personal gibt, und in Sachen Hygiene gibt es seitens der Flüchtlinge auch viele, viele Beschwerden. Schließlich hat man auch noch das Problem, dass viele Konflikte aus aller Welt aufeinandertreffen, vor allem, weil es auch darum geht, dass hier eine gewisse Sensibilität bei der Unterbringung nicht gewährleistet ist, sprich Männer und Frauen gemischtgeschlechtlich mit 32 Personen pro Zelt untergebracht sind. Das war überhaupt nicht gut für die Stadt, das war für die Flüchtlinge, aber auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Unterkünften eine unzumutbare Situation.

(Beifall bei der LINKEN)

Dass die Stadt in einer Notlage ist, ist uns klar, aber diese Notlage ist auch eine selbstgeschaffene Situation, das muss auch allen klar sein. Deshalb glauben wir, dass es wirklich richtig ist, jetzt an einem Konzept zu arbeiten, das dieses Problem auffängt, weil wir nun auch feststellen können, dass der Zuzug von Flüchtlingen nicht abbrechen wird und dass es immer mehr Wohnungslose aufgrund der katastrophalen Situation auf dem Wohnungsmarkt geben wird. Deshalb brauchen wir jetzt ein nachhaltiges Konzept, das wirklich das menschengerechte Wohnen zum Ziel hat und an die vorderste Stelle stellt.

(Beifall bei der LINKEN)

(Vizepräsidentin Kersten Artus)

Wir haben in unserem Antrag gewisse Prioritäten gesetzt. Das Erste ist die Prävention, also die Verhinderung von Wohnungslosigkeit, um nicht in die Situation zu kommen, dass Menschen wohnungslos werden. Das bedeutet für uns konkret, dass Zwangsräumungen in die Obdachlosigkeit nicht stattfinden dürfen. Eine andere Maßnahme ist aber auch sehr wichtig, nämlich die personelle Aufstockung in den Fachstellen für Wohnungsnotfälle. Dazu hatten wir auch schon einmal einen Antrag eingebracht, Beispiel Duisburg, die dafür sorgen, dass es gar nicht dazu kommt, dass eine Zwangsräumung vorgenommen werden muss. Das heißt, dadurch können auch Hausbesuche gemacht werden, also auch die eigentliche Aufgabe der Wohnungsnotfallstellen wahrgenommen werden.

Der andere Punkt ist – es ist für uns sehr wichtig, das noch einmal festzuhalten –, dass Notunterbringung auch als Notmaßnahme begriffen werden muss, das heißt, sie darf wirklich nur kurzfristig gemacht werden. Trotz allem müssen auch hier gewisse Mindeststandards eingehalten werden. Wir orientieren uns hier an den Mindeststandards der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe. Die schreiben für die Unterbringung von Einzelpersonen mindestens 14 Quadratmeter mit eigenem Sanitärbereich und abschließbaren Räumen vor, das heißt, das muss dann ein Einzelzimmer sein. Bei Familien mit Kindern schreibt diese Bundesarbeitsgemeinschaft 15 Quadratmeter pro Person vor, getrennte Schlafräume für Eltern und Kinder und natürlich abgeschlossene Wohneinheiten. Was für uns auf keinen Fall geht, sind Massenunterkünfte. Wir müssen nun nach Jahren, in denen wir auf Massenunterkünfte gesetzt haben, endlich davon abkommen, weil Massenunterkünfte, wie uns aktuelle Beispiele zeigen, für die Betroffenen nicht zumutbar sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu den Zelten haben wir uns ganz klar geäußert. Zelte sind weder im Sommer noch im Winter für die Menschen, die darin leben müssen, zumutbar. Das Ziel muss sein, menschenwürdiges Wohnen auch hier zustande zu bekommen, und dafür braucht man natürlich Ressourcen. Die Ressourcen gibt es in der Stadt, sie müssen halt nur anders verteilt werden. Hier muss einfach ein Schwerpunkt gesetzt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wie aber auch die Qualität gesichert werden kann, zeigen Beispiele. In Sachsen gibt es einen HeimTÜV. Mit Hilfe dieses Instruments kann anhand nachvollziehbarer Kriterien die Qualität der Unterkünfte regelmäßig gemessen werden. Falls dann Verbesserungsbedarf besteht, kann dort auch wirklich nachgeholfen werden.

Wir haben unseren Antrag in zwei Kategorien geteilt. Das eine sind die kurzfristigen Maßnahmen,

das andere sind die mittelfristigen Maßnahmen. Bei den kurzfristigen Maßnahmen haben wir sehr deutlich gesagt, dass man von Unterbringung auf Wohnschiffen absehen muss, soweit es geht. Und wenn das nicht möglich ist, müssen auch hier gewisse Mindeststandards eingehalten werden, damit eine solche Situation wie bei "Bibi Altona" nicht noch einmal in Hamburg passiert.

(Beifall bei der LINKEN)

Wichtig ist für uns aber auch, dass, wenn Menschen untergebracht werden, sie nicht gesellschaftlich isoliert werden. Der Senat will nun doch in Gewerbegebieten unterbringen. Für uns ist hier wichtig, dass es eine gute Anbindung zum ÖPNV gibt, dass es Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe gibt, sprich, dass eine Integration in den Stadtteil möglich ist.

Getrennte Angebote für Zielgruppen sind auch wichtig. Man kann an aktuellen Beispielen von Unterkünften sehen, dass es wichtig ist, alleinstehende Frauen, suchtkranke Menschen, Familien mit Kindern getrennt unterzubringen und sie dementsprechend nach ihrem Bedarf zu betreuen. Es gibt die Einnahmereste des Jahres 2013/2014 der BASFI, und zwar in den Töpfen für Integration von Zuwanderern, bürgerschaftliches Engagement, Opferschutz und Hilfen für Wohnungslose. Die könnte man gezielt für diese Zwecke einsetzen; das haben wir im Haushaltsausschuss auch deutlich gemacht. Bei den mittelfristigen Maßnahmen ist für uns wichtig, dass die mehr als 900 000 Quadratmeter leerstehenden Büroflächen genutzt werden. Das heißt, der Senat hat hier die Möglichkeit, diese Büroflächen stärker zu überprüfen, zu schauen, welche als Unterkunft geeignet sind, insbesondere bei solchen, die in öffentlicher Hand sind, genauso aber bei den leerstehenden privaten Wohnungen. Es gibt auch die Option der befristeten Zwischennutzung. Auch hier kann der Senat verstärkt überprüfen und versuchen, das durchzusetzen, auch natürlich, indem er Gespräche mit den Eigentümerinnen und Eigentümern führt, um diese Flächen zum Zweck der öffentlichen Unterbringung zu nutzen.

Was mich nach einigen Jahren immer noch wundert, ist, dass die SAGA GWG zwar mit der Stadt und anderen Wohnungsunternehmen einen Kooperationsvertrag hat, in dem festgehalten ist, dass 1200 Wohnungen im Jahr an wohnungslose Menschen vergeben werden, dass das aber leider noch nicht passiert. Hier muss Druck auf die SAGA GWG ausgeübt werden, damit diese 1200 Wohnungen auch wirklich an Wohnungslose vergeben werden. Es kann doch nicht sein, dass wir beim größten Problem in der Stadt, nämlich der Wohnungslosigkeit, in so einer Notlage stecken, aber die SAGA keinen Druck bekommt, diese Wohnungen auch an die Menschen zu vergeben, die es wirklich am dringendsten nötig haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Thema sozialer Wohnungsbau ist auch ein sehr wichtiger Faktor. Man konnte in den vergangenen Jahren der SPD-Regierung sehen, dass zu wenige Sozialwohnungen gebaut wurden. Von den 6000 waren es 600 Sozialwohnungen.

(Ksenija Bekeris SPD: Da sind Sie aber nicht auf dem neuesten Stand!)

Deshalb denken wir, dass der Mindestanteil, Frau Bekeris, von Sozialwohnungsbau in einem ersten Schritt bei allen Bauvorhaben auf 50 Prozent zu erhöhen ist. Und natürlich muss bei den städtischen Flächen zu 100 Prozent Sozialwohnungsbau stattfinden. Wenn das nicht passiert, weiß ich, ehrlich gesagt, nicht, wie lange das Problem in der Stadt noch ungelöst sein wird. Wenn Sie die Wohnungslosigkeit bekämpfen wollen – das hören Sie auch sehr oft von den Expertinnen und Experten in der Stadt –, dann müssen Sie den sozialen Wohnungsbau auch wirklich ankurbeln.

(Beifall bei der LINKEN)

Mindestens diese Elemente, die wir in unserem Antrag aufgeführt haben, finden wir für ein Konzept wichtig. Sie werden gleich sagen, dass Sie ein Konzept haben. Ihr Gesamtkonzept ist eher eine Auflistung von kleineren Maßnahmen, die im Grunde genommen nichts an der Situation ändern werden – das haben wir in den vergangenen Jahren gesehen –, solange es den sozialen Wohnungsbau nicht gibt, solange es keine Mindeststandards bei der Unterbringung von Flüchtlingen und Wohnungslosen gibt. Deshalb haben wir den Vorschlag gemacht, eine Arbeitsgruppe einzurichten, die sich damit befasst. Die Menschen, die in der Behörde arbeiten, bei "fördern und wohnen", bei den Wohlfahrtsverbänden, der Wohnungswirtschaft könnten in einer Arbeitsgruppe Unterbringung auch mit dem Ziel zusammengebracht werden, externe Expertinnen und Experten in diese Gruppe einzubeziehen, um gewisse Zielsetzungen in das Konzept hineinzunehmen, um gewisse Maßnahmen und Standards zu prüfen und das zu einem Gesamtkonzept zu fassen, das Verhinderung und Beendigung von Wohnungslosigkeit zum Ziel hat.

Ebenfalls sind für uns die Zuwanderer und Zuwanderinnen aus Osteuropa und Südeuropa zu berücksichtigen. Zwar haben sie keinen Anspruch, aber es besteht hier ein hoher Bedarf. Wenn Sie durch die Straßen der Innenstadt laufen, dann können Sie schon sehen, wie hoch der Bedarf eigentlich ist. Für diese Prozesse der Arbeitsgemeinschaft ist es dann auch wichtig, dass Personalkapazitäten seitens der Behörde zur Verfügung gestellt werden. Andernfalls wäre das schwierig zu machen. Ich bitte Sie noch einmal darum, unseren Antrag zu überweisen, weil es wirklich Quatsch ist, Zusatzanträge, die sich auf unseren Antrag bezie

hen, zu überweisen und unseren einfach zu ignorieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Lohmann von der SPD-Fraktion hat nun das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema öffentliche Unterbringung ist nicht zum ersten Mal von Ihnen zur Debatte angemeldet worden, und im Sozialausschuss wurde das Thema diverse Male ausführlich und konstruktiv bearbeitet. Aber die Situation in der öffentlichen Unterbringung hat sich in der Zwischenzeit leider nicht entspannt, sondern weiter zugespitzt. Allein in diesem Jahr hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seine Prognose bis jetzt viermal nach oben korrigiert. Im Moment kommen deutlich mehr als 500 Flüchtlinge im Monat in Hamburg an, und angesichts der furchtbaren Krisenherde auf dieser Welt wird die Zahl der Menschen, die bei uns Zuflucht suchen, noch zunehmen.

Nun ein paar Bemerkungen zum Antrag der LINKEN. Sie sagen unter Punkt 3, dass von einer Unterbringung von Flüchtlingen auf Wohnschiffen abzusehen ist. Damit suggerieren Sie, dass eine Unterbringung auf Wohnschiffen grundsätzlich schlecht ist. Bevor aber Menschen in diesem Winter in Zelten wohnen müssen, ist mir persönlich die Unterbringung auf einem Wohnschiff lieber. Und wir wollen auf gar keinen Fall in die Situation kommen, dass Menschen wie in Berlin oder München unter freiem Himmel übernachten müssen.

(Beifall bei der SPD)

Sie fordern den Senat auf, verstärkt nach leerstehenden Wohnungen und Häusern für die Unterbringung zu suchen. Das ist bereits gängige Praxis in allen Hamburger Bezirken, also erledigt.

(Beifall bei der SPD)

Sie fordern in Ihrem Antrag, die SAGA GWG müsse den zur Verfügung gestellten Anteil von Wohnraum für wohnungslose Menschen dem Bedarf entsprechend erhöhen. Die SAGA GWG hat sich im Kooperationsvertrag verpflichtet, Frau Özdemir, jährlich 1700 und nicht 1200 Wohnungen vordringlich für wohnungssuchende Haushalte mit Wohnraum zu versorgen. Davon werden 850 Wohnungen für wohnungslose Haushalte, zu denen auch aufenthaltsberechtigte Flüchtlinge aus öffentlicher Unterbringung gehören, zur Verfügung gestellt. Und das ist in diesem Jahr auch so umgesetzt worden.

(Beifall bei der SPD)

Im Übrigen sind in der Zwischenzeit weitere drei Genossenschaften dem Kooperationsvertrag bei

(Cansu Özdemir)

getreten. Das wird die Anzahl der zur Verfügung gestellten Wohnungen weiter erhöhen.

Sie als LINKE fordern in Ihrem Antrag, dass auf städtischen Flächen zu 100 Prozent sozialer Wohnungsbau entstehen solle. Da sage ich ganz klar nein. Wir wiederholen nicht die aus heutiger Sicht entstandenen Fehler der Vergangenheit, wo auf wenigen Quadratkilometern zum Teil Tausende von öffentlich geförderten Wohnungen entstanden sind.

(Beifall bei der SPD und bei Carl-Edgar Jar- chow FDP)

Wir als SPD-Fraktion wollen den gesunden Mix aus einem Drittel öffentlich gefördertem Wohnraum, einem Drittel Mietwohnungen und einem Drittel Eigentumswohnungen, und das in alle Stadtteile integriert. Das führt in Zukunft zur Ausgewogenheit in den wachsenden Stadtteilen.