Da wir heute zum zweiten Mal über unsere Gesetzesnovelle beraten und zwischendurch auch intensive Beratungen und Anhörungen in den zuständigen Ausschüssen stattgefunden haben, will ich nicht erneut unsere Reform im Einzelnen erläutern, sondern abschließend den grundsätzlichen Charakter und den weitreichenden Paradigmenwechsel dieser Reform hervorheben, denn dieses Gesetz ist nicht irgendein Gesetz. Es geht um Verwaltung, das stimmt, aber es geht in erster Linie um den politischen Geist in unserer Stadt und das politische Selbstverständnis dieser Stadt auch als Arbeitgeber ihrer Bürgerinnen und Bürger, ihrer Beschäftigten, ihrer gewählten Abgeordneten und ihrer Parteien. Man soll solche Begriffe nicht inflationär gebrauchen, aber diese Entscheidung heute ist aus meiner Sicht in der Tat für Hamburg eine historische Entscheidung. Wir beschließen heute nicht weniger, als unserer Stadt und unserer Verwaltung wieder jene demokratische Verfasstheit, jenen demokratischen Geist zurückzugeben, der ihr gebührt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir geben den rund 94 000 Beschäftigten im Dienste unserer Stadt wieder die Rechte zurück, in ihren ureigensten Angelegenheiten mitbestimmen zu können, die sie bis vor neun Jahren bereits schon einmal hatten. Und wir gehen noch weiter. Wir bauen die Mitbestimmungsrechte der Personalvertretungen weiter aus, wir schaffen ein zutiefst demokratisches und zugleich hochmodernes Mitbestimmungsrecht für Hamburg.
Wir schaffen heute mehr Demokratie in Hamburg – übrigens ist bei uns, wenn "mehr Demokratie" draufsteht, auch mehr Demokratie drin.
Wenn ich das sage, dann knüpfe ich ganz bewusst an das berühmte Leitmotiv von Willy Brandt an, denn das war damals nicht nur ein Slogan, sondern der pointierte Ausdruck der fundamentalen Veränderung der deutschen Gesellschaft, die damals nicht nur, aber ganz entscheidend auch von Sozialdemokraten und Gewerkschaften durchgesetzt wurde. Es war nämlich der Abschied vom alten, obrigkeitsstaatlichen Denken, vom elitären Dünkel, der Beginn der zweiten tiefgreifenden Demokratisierung der Bundesrepublik Deutschland mit ihrem Kernelement der innerbetrieblichen und innerbehördlichen Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Heute spricht eine deutsche Kanzlerin und CDUVorsitzende wieder von der marktkonformen Demokratie und meint damit Beschleunigung, Deregulierung und Privatisierung, auch bei der Mitbestimmung. Diese Haltung prägt auch den Zusatzantrag der CDU-Fraktion. Das war und ist nicht unsere sozialdemokratische Grundauffassung vom Charakter unserer Gesellschaft einschließlich der Mitbestimmung. Wir wollen keine marktkonforme Demokratie, sondern eine demokratische Regulierung der Marktwirtschaft, auch im Bereich der Mitbestimmung.
Darum wollen wir auch keine Beschneidung demokratischer Mitbestimmungsrechte in Hamburg, wie sie in der letzten Novelle des Personalvertretungsrechts von 2005 ihren Ausdruck fand. Diese beruhte nämlich auf einem fundamentalen Irrtum, dem Irrtum, dass die Entscheidungen weniger Führungskräfte besser oder auch nur effizienter seien als Entscheidungen unter Einbeziehung und Partizipation der Betroffenen selbst. Wir wollen stattdessen mit der Demokratie nicht an der Behördentür haltmachen, denn wir wissen, dass notwendige Modernisierungen und Veränderungen nicht gegen, sondern nur mit den Beschäftigten durchgesetzt werden können. Die Beschäftigten sind die Experten ihrer eigenen Arbeit und Zusammenarbeit, und als solche werden wir sie ab heute auch gesetzlich wieder ernst nehmen.
Weil in den Debatten der letzten Monate in manchen Äußerungen von außen und vonseiten der Opposition, wie auch heute im Zusatzantrag der CDU, immer wieder dieses Misstrauen mitschwang, dass eine starke Mitbestimmung ein Bremsklotz für eine effiziente Verwaltung sei,
will ich noch einmal betonen, was auch die Hamburger DGB-Vorsitzende in ihrer Pressemitteilung schon wunderbar deutlich gemacht hat. Es ist genau anders herum, es gibt keinen größeren Bremsklotz für innovative und nachhaltige Entwicklungsprozesse als kritikresistente Eliten einerseits und demotivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter andererseits. Und es gibt auf der anderen Seite keinen größeren Schatz, kein größeres produktives und innovatives Potenzial als motivierte Mitarbeiter,
Natürlich wird es zwischen Beschäftigten und ihren Personalräten einerseits und den Leitungsebenen andererseits auch immer wieder Konflikte geben, denn natürlich gibt es Interessenunterschiede, die sich aus dem jeweiligen Status und der jeweiligen Situation ergeben. Diese Interessengegensätze und Konflikte werden auch nicht einfach verschwinden, aber sie können im Rahmen einer entwickelten Mitbestimmung und Beteiligungskultur konstruktiv und auf Augenhöhe bearbeitet werden. Das macht den großen Unterschied, und daraus entsteht die Partnerschaft, die wir mit unserem Zusatzantrag
als Gebot in das Gesetz aufnehmen wollen, daraus entstehen gemeinsame Problemlösungen im Interesse aller.
Ich fasse zusammen: Unsere Hamburger Beschäftigten in Behörden, Ämtern, Schulen, Landesbetrieben, Körperschaften und Stiftungen leisten Tag für Tag eine hervorragende Arbeit für uns alle unter manchmal schwierigen Bedingungen und oft neuen Herausforderungen. Sie haben es verdient, dass wir sie ernst nehmen, dass wir ihrer Kompetenz, ihrer Verantwortlichkeit und ihrer konstruktiven Bereitschaft zur Mitgestaltung vertrauen. Sie haben es verdient, mitreden und mitentscheiden zu können. Deshalb bitte ich Sie alle, liebe Kolleginnen und Kollegen, stimmen Sie diesem Gesetz zu. – Danke schön.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Rose, das war heute schon ein Fortschritt, nämlich etwas weniger Klassenkampf in Ihrer Rede.
(Dr. Martin Schäfer SPD: Haben Sie nicht zugehört, oder was? – Robert Bläsing FDP: Was? Haben Sie nicht zugehört?)
Etwas weniger Klassenkampf, habe ich gesagt. Man muss auf die semantischen Feinheiten achten. Für die CDU-Fraktion kann ich schon einmal feststellen, dass Sie auf einem guten Weg sind – damit meine ich Herrn Rose, wir wollen nichts verwechseln.
Ich kann heute nahtlos an das anknüpfen, was ich bereits in meiner Rede am 26. März zu diesem Gesetzentwurf feststellte. Wir diskutieren hier nicht über die Frage, wie viel Mitbestimmung wir in der öffentlichen Verwaltung wollen, denn es ist unstrittig, dass es die geben muss, sondern vielmehr über die Frage, wie gut ein Mitbestimmungsgesetz sein muss. Oder anders herum, in diesem Fall eher, wie schlecht ein Mitbestimmungsgesetz sein darf.
Nach der Einbringungsdebatte in der Bürgerschaft haben wir am 26. Mai eine Expertenanhörung zu dem hier vorliegenden Gesetzentwurf durchgeführt. Die Anhörung war übrigens sehr spannend und sehr konstruktiv, sie dauerte über fünfeinhalb Stunden. Das zeigt, dass sich alle Parlamentarier, die Interesse an diesen Lebenssachverhalten haben, intensiv mit der Thematik beschäftigt haben. Dabei wurde von einigen anwesenden Experten auch deutliche Kritik an der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs geübt. Es spricht Bände über das Selbstverständnis des Senats,
dass die SPD trotz dieser zutage getretenen Unzulänglichkeiten bisher jegliche Nachbesserung an ihrem Entwurf ablehnt.
Und auch die SPD tut das, denn alles, was die SPD bis zum heutigen Tag geboren hat, ist ein Antrag mit extrem viel Buchstaben, aber völliger Inhaltsleere. Das ist sehr schade. Nach wie vor sind deshalb die faktischen Auswirkungen der Neuregelung nicht klar zu entnehmen. Der Entwurf beinhaltet aus Sicht der CDU-Fraktion weiterhin handwerkliche Fehler, Ungenauigkeiten und irreführende Begrifflichkeiten, von denen ich einige einmal beispielhaft anführen möchte.
(Dr. Andreas Dressel SPD: Wir haben übri- gens zwei Anträge! Einen im Ausschuss und einen zweiten heute hier!)
Erstens: Der zentrale Maßnahmenbegriff als Anknüpfungspunkt der Allzuständigkeit ist leider immer noch unscharf konturiert.
Zweitens: Die Definitionen der Erheblichkeit der Maßnahme, die der Mitbestimmung unterliegen soll, widersprechen sich.
Viertens: Die Dauer der Schlichtungs- und Einigungsverfahren ist weiterhin unbestimmt. Verfahren können beliebig in die Länge gezogen werden.
Fünftens: Die Letztentscheidung des Senats im Einigungsstellenverfahren führt in einigen Fällen zu verfassungsund europarechtlichen Konflikten. Ohne Nachbesserungen sind mit diesem Entwurf Rechtsstreitigkeiten gleichsam vorprogrammiert.
Dieser Umstand ist auch dem Senat bekannt. In der Antwort auf eine meiner Schriftlichen Kleinen Anfragen zu dem Gesetzentwurf heißt es dann auch:
[…] werden erforderlichenfalls im Vollzug nach Inkrafttreten der Neuregelungen zu klären sein. Die verbindliche Auslegung des dann geltenden Rechts obliegt im Übrigen der Judikative."
Na toll, viel klarer kann der Senat nicht mehr schreiben, dass auch er mit Rechtsstreitigkeiten über die Auslegung dieses Gesetzes, wenn es denn heute so beschlossen wird, nach seinem Inkrafttreten rechnet.