Protocol of the Session on July 2, 2014

(Beifall bei der SPD – Finn-Ole Ritter FDP: Ich?)

Die personelle Ausstattung in dem Bereich wollen Sie reflexhaft wieder einmal erhöhen entsprechend der Doppelstrategie, mal zu sparen, aber hier im Kleinen auch wieder zu erhöhen. Das ist unglaubwürdig. Wie Sie wissen, greift diese Neuorganisation des BOD ab 1. Januar. Bestimmte polizeiliche Aufgaben wie etwa die Parkraumbewirtschaftung werden jetzt von der Innenbehörde übernommen. Das Bezirksamt selbst hat, wie ich eben schon deutlich gemacht habe, dort kaum Eingriffsmöglichkeiten nach dem Wegegesetz, sondern es ist eine polizeiliche Arbeit, und die wird auch sehr erfolgreich umgesetzt.

Beim dritten Petitumspunkt fasst man sich an den Kopf: Es solle sichergestellt werden, dass diese mutmaßlichen, gewerbsmäßigen Bettler nicht mehr in das Winternotprogramm transportiert werden. Herr Gott noch mal, was wollen Sie denn? Wollen Sie tatsächlich, dass die Leute dann erfrieren? Wollen Sie sie dort lassen? Stellen Sie sich einmal vor, wir haben Minusgrade oder es ist um null Grad, dann kommen Mitarbeiter des Transportbusses an und sagen, du bist gewerbsmäßig organisiert, dich nehmen wir nicht mit. Das ist doch völlig unmöglich. Ich frage mich wirklich, was dahinter steht. Wenn Sie sich tatsächlich profilieren wollen in Law and Order, dann nehmen Sie doch bitte schön andere Bereiche und nicht immer den Rand der Gesellschaft.

(Finn-Ole Ritter FDP: Das ist ein Angebot!)

Ich finde diese Haltung völlig unmöglich.

(Beifall bei der SPD)

Aber Sie haben auch noch ein Recht zu erfahren, wie meine Fraktion darüber denkt.

(Finn-Ole Ritter FDP: Das wird ja noch schö- ner!)

Es gibt immer diese zwei Möglichkeiten: Repression und soziale Fürsorge. Repression ist nur dann sinnvoll, wenn es wirklich zu erheblichen Übergriffen kommt. Da hat Markus Schreiber sicherlich vor sieben oder acht Jahren richtig gehandelt, das war auch in Ordnung. Aber jetzt ist die Sachlage nicht gegeben, außer, dass wir demnächst Wahlkampf haben.

(Finn-Ole Ritter FDP: Die Verhältnismäßig- keit!)

Ich halte davon nichts. Ich halte sehr viel davon, dass man sich kümmert und versucht, die Bettler zu betreuen, wie "Hinz&Kunzt" es macht. Es gibt im Übrigen auch von der Sozialbehörde bezahlte Menschen, die die Personen in ihren Heimatsprachen ansprechen können.

Insgesamt gesehen ist Ihr Antrag überhaupt nicht zustimmungsfähig. Repression allein kann das Problem nicht lösen. Wenn wir etwas tun wollen, dann müssen wir in beide Richtungen fahren. Wir werden Ihren Antrag deshalb ablehnen. – Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Frau Möller von der GRÜNEN Fraktion hat jetzt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Fock, Sie haben vieles gesagt, was mich gefreut hat zu hören. Der CDUAntrag zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass aus Schriftlichen Kleinen Anfragen und Pressemitteilungen Textbausteine recycelt worden sind und Stereotypen wiederholt werden. In einer unappetitlichen Art und Weise werden hier Menschen und Situationen diffamiert, ohne dass an einem einzigen konkreten Punkt auch nur ein Nachweis oder Beweis oder durch Zahlen eine tatsächliche Beschreibung der Situation erfolgt. Das ist unerträglich.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Ihre Überschrift macht deutlich, wohin Sie eigentlich wollen: "Gewerbsmäßige Bettelei in Hamburgs Innenstadt endlich unterbinden". Sie sagen damit schlicht und einfach, dass Sie diese Menschen nicht mehr sehen wollen. Sie wollen sie nicht mehr in der Innenstadt sehen, und Sie wollen, dass sie verschwinden. Das ist aber ein aus sachlich-fachlichen Gründen völlig

(Christiane Schneider DIE LINKE: Unerfüll- barer Wunsch!)

danke schön – unerfüllbarer Wunsch. Und es ist ein nicht umsetzbarer Antrag, das wissen Sie genau. Deswegen bleiben das Entwickeln von Stereotypen und der populistische, wahlkampftaugliche Ansatz an dieser Stelle völlig unangemessen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Die Situation – immerhin kam in Ihrer Rede einmal das Wort sozial und einmal arm vor, in der Lyrik findet man das nicht – stellt sich doch schlicht und einfach dar. Wer auf Hamburgs Straßen wie auch auf anderen Straßen bettelt, ist arm. Und wer dann noch durch Schlepper oder durch so etwas wie Zuhälter dazu angehalten und abkassiert wird, ist im Prinzip noch ärmer. Das ist nicht jemand, der sich bereichert, der verfolgt werden muss, der uns aus den Augen, aus dem Sinn kommen muss, sondern es ist jemand, bei dem man klären muss, wie man diese Situation für diese Person beenden kann, sprich, wie kann man helfen. Wie kann man zugehen auf die Betroffenen, wie kann man mit Hilfe von sozialer Arbeit oder Initiativen, von denen Herr

(Jan-Hinrich Fock)

Fock einige beschrieben hat, hier auf die einzelnen Personen, die nicht nur arm sind, sondern auch ausgebeutet werden, zugehen und ihnen aus ihrer Situation heraushelfen. Das ist doch die entscheidende Fragestellung bei diesem Thema.

Die Strukturen der Schlepperei und Schleuserei, die möglicherweise OK-ähnliche Strukturen sind, zu bekämpfen, zu durchschauen und aufzulösen, ist polizeiliche Aufgabe, wenn sie denn wirklich so dramatisch sind, wie Sie hier und auch in Ihren Schriftlichen Kleinen Anfragen immer wieder suggerieren. Das weiß die Polizei sicherlich besser als wir alle. Man kann aber auch aus den immer wieder erfolgenden Antworten durch die Polizei, nämlich dass es keine Erkenntnisse über gewerbsmäßiges oder organisiertes Betteln gibt – das kann man auch aus Ihren Schriftlichen Kleinen Anfragen herauslesen –, ganz deutlich erkennen, dass die innenpolitische Dimension dieses Themas mitnichten so ist, wie Sie uns hier suggerieren wollen.

Ich komme zur Frage, was denn die Allgemeinverfügung von Herrn Schreiber damals bewirkt hat. Es gab Platzverweise, die Zahl der Menschen, die in der Innenstadt, wo Sie hingeschaut haben, gebettelt haben, ist zurückgegangen. Aber deswegen sind die Menschen doch nicht verschwunden, sondern sie werden wie immer, wenn es Platzverweise gibt, von dem konkreten Ort entfernt. Aber es ändert sich doch nichts an der Situation für die Menschen.

Ich sage es noch einmal in aller Deutlichkeit: Uns muss die Situation der Menschen interessieren. Wir werden durch viele Dinge im Leben, im Alltag, in der Öffentlichkeit und in unserem eigenen Leben gestört, vielleicht belästigt, vielleicht fühlt man sich belästigt, das ist immer eine subjektive Entscheidung. Es ist im Übrigen auch eine sehr subjektive Entscheidung, ob man jemandem, den Sie in einer Anfrage als Demutsbettler bezeichnen, etwas geben möchte, ob man jemandem aus ganz anderen Gründen und mit völlig eigener Motivation etwas gibt, oder ob man sagt, nein, ich gebe nichts. Das wird in den meisten Fällen so erfolgen, und das steht einem frei, auch wenn jemand sehr nah an einen herankommt.

Im Übrigen – das wissen Sie auch – ist aggressives Betteln schlicht nicht erlaubt und wird auch verfolgt. Genauso wird auch ein Auge auf das Kindeswohl bei den Kindern, die sich teilweise stundenlang mit auf der Straße aufhalten, geworfen. Darüber bin ich sehr froh.

Es gab schon einmal einen ähnlichen CDU-Antrag, die musizierenden Bettler in U-Bahnen schlicht zu verbieten, also das Musikmachen in der Bahn mit dem Ziel, dann vielleicht mit einem Beutel herumzugehen. Wir werden nicht an der Fragestellung vorbeikommen, was wir den Menschen als Hilfe anbieten können, und da ist das Unterbringen im Winter das Mindeste und Wenigste.

Herr Fock ist eben schon darauf eingegangen, dass die Shuttle-Busse sogar mit Zustimmung der Mehrheit des Parlaments eingerichtet wurden, weil Teile des Winternotprogramms nur sehr weit außerhalb des Zentrums realisiert werden konnten. Weil es in der Innenstadt aus vielerlei Gründen immer einen Sammelpunkt für Menschen gibt, die obdachlos sind, haben wir alle diesen Shuttle-Bussen zugestimmt. Dass Sie jetzt sagen, wer eine Krücke dabei hat oder wer irgendwie gewerbsmäßig aussehe, dürfe nicht mitfahren, ist nicht nur eine naive Vorstellung von dem, was um das Winternotprogramm und um die Not der Menschen herum eigentlich passiert, sondern es ist auch – ich wiederhole es noch einmal – eine unappetitliche Formulierung. Sie bedienen Stereotype, und Sie machen nicht einen einzigen inhaltlichen, fachlich-sachlichen Vorschlag, um den Menschen zu helfen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Herr Jarchow von der FDP-Fraktion bekommt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Antrag der CDU weist sicherlich auf ein Problem hin, das es gibt; das ist unstrittig. Allerdings sind wir der Meinung, dass dieses Problem eigentlich eher auf der Bezirksebene zu lösen sein würde.

(Beifall bei der FDP – Dirk Kienscherf SPD: Sehr gut! – Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Was Sie fordern, entspricht auch unserer Meinung nach nicht dem geltenden Recht. Das Betteln an sich ist keine Sondernutzung, sondern Gemeingebrauch, das ist unsere Meinung. Die Gewerbsmäßigkeit, die von Ihnen genannt wird und die es sicherlich auch gibt – nicht nur, aber es gibt sie teilweise –, ist schwer nachweisbar, zumal angesichts der Personalsituation bei dem von Ihnen erwähnten Ordnungswidrigkeitenmanagement in den Bezirken.

Ihr Petitum 2 lässt jegliche Art der Finanzierung vermissen. Sollen denn die Bezirksmitarbeiter jeden Bettler fragen, ob er sein Geld an einen Hintermann abliefert? Oder sagen Sie, jeder, der eine Krücke hat – Frau Möller hat es schon erwähnt –, bettele gewerbsmäßig? Oder jeder, der einen Hund dabei hat? Oder jeder, der nicht ausreichend deutsch spricht? Da landen Sie ganz schnell in einer Ecke, in der Sie sicherlich nicht sein möchten.

(Beifall bei der FDP)

Die Gewerbsmäßigkeit des Bettelns führt auch nicht zu einer Sondernutzung, denn gewerbliches Handeln für die Erfüllung des Sondernutzungstatbestands ist vor allem solches, das als Beruf angesehen werden kann. Und dies wird durch die Ge

(Antje Möller)

werbeordnung geregelt. Betteln ist jedoch kein Beruf und auch kein Gewerbe, da sind wir uns wohl einig.

Im Betteln äußert sich ganz überwiegend die Not der Menschen, die gerade keiner Arbeit nachgehen können, sicherlich vereinzelt auch nicht wollen. Selbstverständlich sollte in einem Land wie Deutschland, das im weltweiten Vergleich gesehen im Überfluss lebt, niemand aus der Not heraus betteln müssen. Wir müssen uns aber auch bewusst werden, dass Deutschland nicht isoliert außerhalb dieser Welt liegt. Wir sind von direkten wie auch weiter entfernten europäischen Nachbarn, besonders im Osten, umgeben, in denen das soziale Sicherungssystem nicht wie bei uns vorhanden ist. Und für diese Menschen gibt es nur die Möglichkeit des Bettelns. Dass sie dies auf Hamburgs Straßen tun, ist aus deren Sicht sicher nachvollziehbar. Ein Euro hier ist den Nehmenden ein Vielfaches mehr wert als für die Gebenden. Die Not treibt diese Menschen aus ihren Heimatländern auf unsere Straßen.

Und das, was Sie im Petitum 3 äußern, ist auch aus unserer Sicht keine Lösung dieses Problems, denn zu unterscheiden zwischen Gewerbsmäßigen oder nicht, die man mitnimmt, kann nicht die Lösung sein. Sie mögen von Passanten unerwünscht sein, aber nicht jedes auch nur ansatzweise missliebige Verhalten darf durch das Wegerecht unterbunden werden. Wir werden perspektivisch dieses Problem nur dann verändern, wenn sich auch die Zustände im Heimatland dieser Menschen, die hier zum Betteln sind, verbessern. Bevor dies nicht geschehen ist, werden wir dieses Problem nicht endgültig in den Griff bekommen.

Erst wenn die Menschen keinen Grund mehr haben, mit ihren Schleppern zu kommen, werden diesen die Handlanger ausgehen. Das kann lange Zeit dauern, daran müssen wir arbeiten. Sicherlich müssen wir in der Zwischenzeit auch Dinge wie die von Herrn Fock erwähnten Maßnahmen treffen. Das findet unsere Unterstützung. Der Antrag der CDU findet diese Unterstützung nicht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Das Wort bekommt Frau Özdemir von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr de Vries, Sie müssen es endlich unterlassen, weiter Ihren Populismus auf dem Rücken der Ärmsten zu betreiben.

(Beifall bei der LINKEN)

In Ihrem Antrag stellen Sie die Menschen als böse, aggressive Bettler dar, die nicht in Ihr Stadtbild passen, das ist uns schon klar. Aber ich finde es

wirklich sehr kritisch, dass Sie die Situation dieser Menschen nicht beleuchten, sprich, sich nicht die Frage stellen, warum die Menschen überhaupt nach Hamburg kommen.

(Olaf Ohlsen CDU: Ja, genau! Warum?)

Was treibt sie dazu, ihre Heimatländer zu verlassen, eine lange Reise auf sich zu nehmen und auf Hamburgs Straßen größtenteils auch obdachlos zu sein?