Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Senator Scheele, Sie haben eben aus einer Drucksache zitiert und Maßnahmen verdeutlicht, die Sie vor zwei Wochen im Senat beschlossen haben. Diese Drucksache hat noch nicht das Licht der politischen Öffentlichkeit erblickt; es gibt dazu lediglich eine Vorlage im Landesjugendhilfeausschuss, in der genau diese Maßnahmen, die Sie eben erwähnt haben, stehen.
Zu den Kooperationen des Jugendamts mit den Familiengerichten und so weiter kann ich nur sagen, dass wir diese Schritte begrüßen, aber wir können sie natürlich erst genauer unter die Lupe nehmen, wenn diese Drucksache auch an das Parlament weitergereicht wird, was zwei Wochen nach Beschluss noch nicht der Fall ist.
Ich möchte darauf hinweisen, dass es durchaus um den Zeitpunkt geht, zu dem Sie alle diese Maßnahmen beschlossen haben, denn sie sind doch das Resultat der Vernehmungen im Untersuchungsausschuss. Genau diese Lücken haben wir durch den tragischen Tod von Yagmur in dieser kurzen Zeit seit Einsetzung des Untersuchungsausschusses aufgedeckt – Lücken in der Zusammenarbeit zwischen Jugendamt, Familiengerichten, Staatsanwaltschaft und Polizei. Insofern begrüße ich das Handeln an dieser Stelle durchaus, auch wenn wir die Drucksache dazu noch nicht gesehen haben.
Noch ein paar Sätze zum Personalbemessungssystem. Es ist völlig richtig, was Sie gesagt haben. Das ist ein hochkomplexer, schwieriger Prozess, der Zeit braucht. Das ist nicht mal eben mit einem Fingerschnipp zu machen. Sie sind aber nicht auf die zentrale Frage eingegangen. Warum haben Sie diesen Prozess nicht schon im Jahre 2012 nach dem Tod von Chantal, als die Schrapper-Studie genau dieselben Lücken aufgedeckt hat, eingeleitet? Warum haben Sie damals nicht schon den Schalter umgedreht und gesagt, hier muss ich mich wirklich hinsetzen und mit dem Personalbemessungssystem anfangen? Stattdessen haben Sie nochmals zwei Jahre gewartet. Darauf sind Sie in Ihrer Rede nicht eingegangen. Es ist unbestrit
ten, dass das ein schwieriger Prozess ist, aber auf die Kritik, dass Sie nach dem Tod von Chantal diesen Zeitpunkt verschlafen haben und erst jetzt, nach dem Tod von Yagmur diesen Prozess eingeleitet haben, hätte ich gern eine Antwort gehabt.
Was den ASD angeht, will ich deutlich machen, dass es in der Tat die letzte richtige Stellenaufstockung im Zeitraum 2006 bis 2011 gab. In dieser Zeit sind 70 neue Stellen geschaffen worden. Das war außerhalb Ihrer Regierungszeit, das war unter Schwarz-Grün. Es geht nicht um den Sozialraum oder zusätzliche Leitungskräfte. Es geht darum, die fallführende Fachkraft zu entlasten. Mich wundert immer wieder, dass Sie auf der Frage, was denn nun ein Fall ist, herumreiten und sagen, es wären pro Mitarbeiter 29 Fälle. Das kann so nicht sein, Herr Senator, sonst kann es nicht angehen, dass die Mitarbeiter des ASD, die wir doch zum Teil zumindest im Untersuchungsausschuss zu Wort haben kommen lassen, und die Jugendamtsleitung andere Zahlen nennen. Ich will nur einmal daran erinnern, dass wir auch Auskünfte darüber haben, dass manche 60 Fälle gleichzeitig bearbeiten müssen. Ich finde es einfach nicht richtig, dass Sie das hier immer wieder klein reden und sagen, nach dem Düsseldorfer System hätten unsere Mitarbeiter 29 Fälle. Das ist nicht korrekt, Herr Senator. Zumindest stimmt es nicht mit der Realität überein.
Ich glaube, man kann das eine tun, ohne das andere zu lassen. Wir brauchen das Personalbemessungssystem, wir brauchen aber auch das Sofortprogramm. Ich traue Ihnen durchaus zu, dass die von uns geforderten 65 Stellen nicht irgendwohin verteilt werden, sondern dass dies mit Kopf und Verstand geschieht. Wenn Sie unseren Antrag annehmen würden, dann würden Sie sich natürlich mit Ihrem Fachwissen hinsetzen und sagen, diese 65 Stellen kommen mir gerade recht, ich schaue, welche ASD-Abteilungen sie benötigen. Das können Sie, Herr Senator, das weiß ich. Dann lassen Sie uns anfangen.
Wer stimmt zunächst einer Überweisung der Drucksache 20/12173 an den Familien-, Kinderund Jugendausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist die Überweisung abgelehnt.
Wer möchte darüber hinaus die Drucksachen 20/12306 und 20/12323 an den Familien-, Kinderund Jugendausschuss überweisen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit sind auch diese Überweisungen abgelehnt.
Dann lasse ich über die Anträge in der Sache abstimmen. Wir beginnen mit dem Antrag der GRÜNEN Fraktion aus Drucksache 20/12306. Diesen möchten die Fraktionen der CDU und FDP ziffernweise abstimmen lassen.
Wer möchte sodann Ziffer 1 des GRÜNEN Antrags annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist dies mehrheitlich nicht erfolgt.
Wer schließt sich den Ziffern 3 bis 7 an? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit sind auch diese Ziffern und somit der ganze Antrag abgelehnt.
Wir kommen nun zum Antrag der Fraktion DIE LINKE aus Drucksache 20/12173. Auch hierzu wird es eine ziffernweise Abstimmung geben, diesmal auf Antrag der FDP-Fraktion.
Wer stimmt also den Buchstaben a) und b) zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist dies mehrheitlich abgelehnt.
Wer schließt sich den Buchstaben c) und e) bis h) an? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist auch dies mehrheitlich nicht gegeben.
Wer möchte sodann den Buchstaben d) und i) seine Zustimmung geben? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit sind auch diese Buchsstaben nicht angenommen und somit der ganze Antrag abgelehnt.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 65 auf, Drucksache 20/12186, Antrag der SPD-Fraktion: Klares Signal gegen Spekulanten: Schutz vor gewachsenen Nachbarschaften durch Ergänzungen sozialer Erhaltungsverordnungen.
[Antrag der SPD-Fraktion: Klares Signal gegen Spekulanten: Schutz von gewachsenen Nachbarschaften durch Ergänzungen sozialer Erhaltensverordnungen – Drs 20/12186 –]
Diese Drucksache möchten die Fraktionen der CDU und Linken an den Stadtentwicklungsausschuss überweisen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was nützt die Soziale Erhaltungsverordnung, die Umwandlungsver
ordnung? Das fragen sich derzeit die Mieterinnen und Mieter in der Erichstraße auf St. Pauli. Dort will nämlich ein Investor Mietwohnungen in Eigentum umwandeln, und er darf das. Das lässt die Umwandlungsverordnung zu, die im Jahre 2012 gemeinsam mit der Sozialen Erhaltungsverordnung beschlossen wurde. Mit der Umwandlungsverordnung wird die Umwandlung nicht verboten, sie wird genehmigungspflichtig. Eine Genehmigung ist jedoch nach Paragraf 172 Baugesetzbuch zu erteilen, wenn sich der Eigentümer verpflichtet, innerhalb von sieben Jahren nur an die eigenen Mieterinnen und Mieter zu veräußern. Nach dieser Frist entfällt die Genehmigungspflicht, und er kann dann verkaufen, an wen auch immer er möchte. Und wenn jetzt diejenigen mit prallem Geldbeutel vor Augen meinen, dort ein Hintertürchen zu wittern, so sagen wir denen mit unserem Antrag: Wir werden auch dieser Spekulationsmöglichkeit einen dicken Riegel vorschieben.
Unabhängig davon sind und bleiben die beiden städtebaulichen Erhaltungsverordnungen ein wirksamer Schutzschirm gegen Verdrängung und auch gegen Aufwertung sogenannter Szeneviertel. Sie schützen vor Luxusmodernisierung und Nutzungsänderung. Es sind taugliche Instrumente, um alte eingesessene Nachbarschaften, intakte Milieus zu schützen und den Mieterinnen und Mietern Sicherheit in ihren eigenen gemieteten vier Wänden zu bieten. In den 1990er Jahren sind erstmals Soziale Erhaltungsgebiete von der SPD in Hamburg ausgewiesen worden, in der südlichen Neustadt, in Barmbek-Süd, Uhlenhorst, Eimsbüttel-Nord, Hoheluft-West. Im Jahr 1998 folgte die Umwandlungsverordnung. In den genannten Gebieten wurden bis 2003 damit tatsächlich spekulative Verwertungsinteressen wirksam bekämpft. Dann ließ der CDU-Schill-Senat die Verordnung wieder mit einer Ausnahme, das war die Neustadt, außer Kraft setzen, und in den citynahen Stadtteilen setzten sofort wieder Verdrängungsprozesse ein. Erst der SPD-Senat hat sich dieser Problematik erfolgreich angenommen. Seit 2012 wird das bewährte Steuerinstrumentarium der Sozialen Erhaltungsverordnung wieder angewandt.
Seither profitieren Stadtteile und Quartiere von Altona-Altstadt über die Sternschanze, St. Pauli, St. Georg bis Eimsbüttel-Süd von diesem strukturellen Bestands- und Milieuschutz. Für Bahrenfeld und Ottensen wir das derzeit geprüft. Ein Allheilmittel ist die Soziale Erhaltungsverordnung indes nicht, auch wenn das mancher Jurist einmal behauptet hat. Den einzelnen Mieter schützen sie nicht, Mietenbegrenzungen sind mit ihnen nicht verbunden. Das ist aber auch nicht ihr Ziel. Langfristig hilft in diesen Fällen nur eine erfolgreiche soziale Wohnungsbaupolitik, wie eben die des Ham
burger SPD-Senats und die von ihm auf den Weg gebrachten und von uns beschlossenen Maßnahmen für einen verantwortlichen Mieterschutz, zu dem etwa die Mietpreisbremse, Kappungsgrenzen oder der verschärfte Wohnraumschutz gehören.
Die Mieterinnen und Mieter in der Erichstraße sind mit ihren Sorgen an die Öffentlichkeit gegangen. Sie vergleichen die beiden städtebaulichen Instrumente mit einem Deich, der nun ein Loch hat. Dieses Loch ist der eingangs erwähnte Paragraf 172. Dieses Loch müssen wir stopfen, damit es nicht zu einem Deichbruch kommt und Spekulanten die eigentlich schützenswerten Wohngebiete Hamburgs überschwemmen. Mit unserem Antrag wollen wir daher ein deutliches Signal senden. Diejenigen, die in reiner Profitgier den schnellen Gewinn machen wollen, mit altem Bestand spekulieren, gewachsene soziale Strukturen, funktionierende Nachbarschaften gefährden, mögen sich ein Beispiel nehmen an Investoren, die bei allem legitimen Wirtschaftsinteresse sich auch für eine nachhaltige Stadtteilentwicklung engagieren und in Wohnungsneubau investieren.
Meine Fraktion ersucht daher den Senat, sich für einen verbesserten Mieterschutz vor spekulativen Umwandlungsbestrebungen einzusetzen, insbesondere im Geltungsbereich der Sozialen Erhaltungsverordnung. Da die Verordnung auf einem Bundesgesetz beruht, sind Ergänzungen oder Änderungen nur auf Bundesebene möglich. Angedacht war, das haben Sie auch gestern gehört, ein zehnjähriger Kündigungsschutz nach Verkauf von Wohnungen. Unser Antrag schließt daher als Möglichkeit auch ausdrücklich eine Initiative auf Bundesebene ein. Ich bitte Sie, diesem Antrag zuzustimmen und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die SPD-Kollegin hat es eben am Rande angesprochen: In diesem Haus herrscht zweifellos Einigkeit darüber, dass es trotz der jüngsten Wohnungsbauzahl einer weiteren Forcierung des Wohnungsbaus bedarf, um die Lage auf dem Wohnungsmarkt nachhaltig und vor allen Dingen bedarfsgerecht zu entspannen. Meine Fraktion bringt hierzu kontinuierlich konstruktive Anträge ein, jüngst den zur Modifizierung und Erweiterung der Fördermaßnahmen.
Dies ist zu Recht – das haben Sie auch bei der Veranstaltung des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen mitbekommen – eine Forderung gerade auch von Investoren, auf die wir im Neubau dringlich angewiesen sind. Mit ihnen sollten wir kooperativ umgehen
und sie nicht diffamieren und im schlimmsten Fall verprellen. Hierzu ist nun wirklich eine sachliche, differenzierte und realistische Lagebewertung dringend geboten. Die Anträge der SPD und der GRÜNEN versuchen nun aber, eine dramatische Situation zu beschreiben, die es so in Wirklichkeit nicht gibt. Es werden Szenarien aufgebaut, die Eigentümer und Investoren von Mietwohnungen insgesamt unter Generalverdacht stellen, sich zulasten von Mietern die Taschen vollzumachen. Das wurde eben in Ihrem Beitrag sehr deutlich. Außerdem soll der Eindruck erweckt werden, dass die halbe Stadt von einer Verdrängung der Mieter betroffen sei. Das ist eine opportunistische Politik, die gefährlich ist und Wasser auf die Mühlen einer gewissen Klientel gießt.
Beide Parteien überbieten sich auf der einen Seite in der Frage, wer die bessere Mieterschutzpartei ist, und auf der anderen Seite wird den anderen Parteien unterstellt, nichts für den Mieterschutz zu tun – ein durchschaubares Manöver. So ist im SPD-Antrag zu lesen – ich zitiere –:
"Nachdem CDU-geführte Senate einen solchen Schutz in allen Gebieten (mit Ausnah- me der südlichen Neustadt) aufgehoben hatten, hat der SPD-Senat dieses Instrument wieder eingeführt."
Das ist eine bewusst falsche und verzerrte Darstellung, um sich zulasten anderer ins rechte Licht zu rücken.
(Beifall bei der CDU – Jan Quast SPD: Herr Roock, Sie haben es doch gestrichen, da war ich doch dabei!)
Dabei vergisst die SPD bewusst zu sagen, lieber Herr Quast, dass in den von ihr genannten Stadtteilen unabhängige Gutachten – keine Senatsgutachten, keine Gefälligkeitsgutachten – feststellten, dass gerade dort die Soziale Erhaltungsverordnung keinen Sinn gemacht hat. Andererseits aber wurden von den CDU-Senaten andere Gebiete geprüft. Sie haben letztlich welche eingeführt oder wollen welche einführen, denn so weit sind wir noch gar nicht. Pech für Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass ich schon etwas länger dabei bin und Ihren Unsinn richtigstellen kann; also bleiben Sie hier bei der Wahrheit.