Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In dieser Debatte geht es darum zu beurteilen, wie die Haushaltspolitik des neuen Scholz-Senats zu werten ist. Dessen Haushaltsplan-Entwurf hat eine ganze Menge damit zu tun, wie der Vorgängerentwurf aussah. Es ist naheliegend, dass wir diesen zum Vergleich heranziehen, und da kann man erstens einmal feststellen, dass es eine Hauptänderung gibt. Diese besteht darin, dass sich die Einnahmeseite dramatisch verbessert hat. Es gibt 673 Millionen Euro Steuermehreinnahmen dieses Jahr und 689 Millionen Euro Steuermehreinnahmen im Jahr 2012. Das bedeutet, dass wir auf der steuerlichen Seite eine deutliche Entlastung haben. Das ist gut, das ist auch ein bisschen Fortune für den neuen Senat und es gibt durch die Konjunkturerholung zusätzlich den Effekt, dass pro Jahr noch 160 bis 170 Millionen Euro Zinseinsparungen anfallen. Das heißt, in der Summe gibt es eine Haushaltserleichterung seit dem September 2010 von gut 850 Millionen Euro pro Jahr. Ich erwähne das hier, weil das schon eine gravierende Änderung ist, die man nicht einfach übergehen kann, und ich komme darauf auch noch zurück.
Die SPD hat uns in den letzten Wochen häufiger zum Vorwurf gemacht, sie hätte Luftbuchungen im Haushalt vorgefunden. Ich will dazu auch ganz kurz Stellung nehmen. Es ist richtig, dass Anpassungen bei den gesetzlichen Leistungen notwendig sind. Wir sind jetzt auch im Verlauf des Haushaltsjahres 2011 fortgeschritten und erkennen einiges besser. Die Summe dieser auszugleichenden Buchungen beträgt für beide Jahre 400 Millionen Euro und sie können durch die geringeren Zinsausgaben und die üppigen Rückstellungen, die der Vorgängersenat gebildet hat – dieser Ausdruck "üppige Rückstellungen durch den Vorgängersenat" ist die Ausdrucksform der jetzigen Senatsvertreter vor einigen Tagen im Haushaltsausschuss –, aufgefangen werden. Das bedeutet, Sie müssen den Doppelhaushalt um 400 Millionen Euro anpassen und Sie haben 1,7 Milliarden Euro Haushaltserleichterungen dafür zur Verfügung. Das führe ich nur einmal an, um aufzuzeigen, wie die Rahmenbedingungen sich deutlich verbessert haben. Im Interesse der Schuldensituation Hamburgs ist das natürlich erfreulich, aber es zeigt eben auch, dass im Moment die Zeiten da auch Gestaltungsmöglichkeiten lassen.
müssen wir dann schon gucken, was der Senat eigentlich mit den Steuermehreinnahmen macht. Herr Tschentscher, Sie haben die Unterstützung der GAL-Fraktion in dem Punkt, dass Sie die Steuermehreinnahmen nicht für zusätzliche Ausgaben verwenden, und das ist bei deren Höhe auch beachtlich. Sie haben uns mit der Drucksache 20/591 jetzt vorgelegt, wie Sie mit den Steuermehreinnahmen umgehen wollen. Sie machen deutlich, dass Sie im Jahr 2011 ein Wohnungsbaudarlehen von über 200 Millionen Euro beim Bund tilgen wollen und dass Sie sowohl im Jahr 2011 als auch 2012 den Versorgungsfonds rekapitalisieren wollen. Das sind ganz eindeutig Konsolidierungsmaßnahmen und die Steuermehreinnahmen im Jahr 2011/2012 werden da entsprechend verwendet.
Faktisch ist aber diese Verwendung der Steuermehreinnahmen – jetzt wird es interessant – eine Ausweitung des Haushaltsvolumens von 400 Millionen Euro pro Jahr. Das schreiben Sie in Ihrer Drucksache selbst. Sie geben im Vergleich zum schwarz-grünen Senat 400 Millionen Euro mehr aus. Das ist natürlich nicht alternativlos und man muss noch einmal darüber nachdenken, was das denn in Zukunft bedeutet. Wenn Sie das im Jahr 2011/2012 für die Rekapitalisierung eines Versorgungsfonds einsetzen, ist das eine nachhaltige Lösung.
Jetzt entsteht aber folgende Frage: Wenn Sie den Haushalt im Jahr 2011/2012 um 400 Millionen Euro ausweiten, dann möchte ich in der Folge nicht, dass dies dann für den Haushalt 2013/2014 ein 300 Millionen Euro schweres Polster für weitere Zusatzausgaben ist, die die SPD tätigen will. Wenn also die Konsolidierung – Steuermehreinnahmen werden nicht für zusätzliche Ausgaben verwendet – ernst gemeint ist und auch in Zukunft ernst gemeint ist, dann muss der Haushalt 2013/2014 um 300 Millionen Euro geringer ausfallen.
Ich müsste darüber nicht spekulieren, ob das so ist oder nicht, wenn wir eine aktualisierte Finanzplanung hätten. Aber Sie haben zugesagt, dass wir diese im zweiten Halbjahr bekommen. Ich möchte Ihnen nur ganz deutlich sagen, wenn das jemand noch nicht verstanden hat, dass es nämlich auch eine Alternative zu diesem Haushaltsplan und zu der Verwendung der Steuermehreinnahmen gibt. Ich sage hier für die GAL-Fraktion: Im Jahr 2011 finden wir die Ablösung des Wohnungsbaukreditdarlehens richtig. Das ist eine eindeutig gute Zinsersparnis, das haben Sie dargelegt. Wir möchten auch beginnen, den Versorgungsfonds zu rekapitalisieren, deswegen würde ich hinsichtlich der Steuermehreinnahmenverwendung im Jahr 2011 keine Kritik anbringen. Aber wir als GAL glauben, dass es besser wäre, die Rekapitalisierung des
Versorgungsfonds auf die nächsten drei bis vier Jahre zu strecken. Dessen Verpflichtungen zur Auszahlung sind bis 2014 gedeckt, das haben wir schon im letzten Herbst entschieden. Die Absicherung des Versorgungsfonds ist bis 2030 notwendig. Ich erwähne das nur, um zu verdeutlichen, dass die Streckung der Rekapitalisierung bis zum Jahr 2015/2016 gut möglich wäre, und das würde uns dann ermöglichen, im Jahr 2012 die Nettokreditaufnahme fast zu halbieren. Ich sage das zu Herrn Rose, weil das gar kein strengerer Sparkurs ist, sondern die Möglichkeit, die wir haben, wenn wir die Steuermehreinnahmen alternativ verwenden.
Wenn wir die Nettokreditaufnahme um diese 300 Millionen Euro im Jahr 2012 senken, dann sparen wir noch mehr Zinsen ein. Wir glauben, dass diese in Höhe von 12 bis 13 Millionen Euro im Hochschulbereich gut angelegt wären, und wir bedauern die Verhärtung, die der Senat in der Diskussion mit den Hochschulen in dieser Stadt heute wieder unter Beweis gestellt hat.
Man kann mit einer genauso konsequenten Konsolidierung einen zweistelligen Millionenbetrag für die Hochschulen gewinnen und halbiert dabei die Nettoneuverschuldung. Ich erwarte von der SPD-Fraktion, dass sie ernsthaft erwägt, ob dieser Kurs nicht besser ist als ihr eigener.
Vorletzter Punkt: Die Halbierung der Nettoneuverschuldung in der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts auf ungefähr 300 bis 350 Millionen Euro gibt uns auch mehr Sicherheit, bis zum Ende des Jahrzehnts diesen Haushalt wirklich in Bezug auf die Neuverschuldung schuldenfrei zu machen. Wir haben jetzt sehr gute Zeiten. Der Kurs, den der SPDSenat im Moment vorschlägt, suggeriert nur einen geringeren Neuverschuldungsabbau, bei dem man den Eindruck gewinnen muss, dass in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts der Konsolidierungskurs noch einmal verschärft werden muss. Das ist nicht zu rechtfertigen angesichts der guten Situation, die wir jetzt haben.
Ich möchte mit folgender Forderung von grüner Seite aus schließen: Es geht uns nicht um einen strengeren Sparkurs, sondern es geht uns um einen konsequenten Sparkurs, und wir sehen die große Chance, eine stärkere Verringerung der Neuverschuldung mit einer besseren Finanzierung der Wissenschaft zu verbinden. Das war noch nicht das letzte Wort zu diesem Haushalt, aber das ist der richtige Aufschlag und dem sollten Sie sich schon einmal annähern. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein ordentlich regierender Senat hätte die ersten 100 Tage genutzt, um eine Politik der nachhaltigen Konsolidierung und Entschuldung zu formulieren und mit einer ersten aussagekräftigen Finanzplanung ein Konzept dafür vorzulegen. Was Finanzsenator Tschentscher heute einbringt, ist das Gegenteil davon.
Der vorliegende Entwurf ist unvollständig. Es gibt noch keine mittelfristige Finanzrahmenplanung, zahlreiche Ergänzungsdrucksachen sind angekündigt, liegen aber nicht vor und gleichzeitig beantragt der Senat weitere Vorabzustimmungen zu Bepackungen.
Die Einbringungsdrucksache des Senats liest sich wie das Entschuldigungsschreiben eines Schülers, der zwar genau weiß, welche Schularbeiten er zu machen hat, allein es fehlte an Konzentration und Disziplin, um die Aufgaben zu lösen.
Ein Parlament, das Wert darauf legt, ernst genommen zu werden, darf so ein Stückwerk keinesfalls akzeptieren. Gerade am Anfang einer Legislaturperiode ist dies eine Frage des Umgangs zwischen den Verfassungsorganen und geht deshalb alle Fraktionen und den Senat an.
Der Inhalt Ihres unvollständigen Entwurfs, Herr Tschentscher, ist dürftig. Ihr Haushaltsplan-Entwurf besteht im Wesentlichen aus dem abgestandenen schwarz-grünen Wein in einem rundum erneuerten roten Schlauch.
Eine durchgreifende Umsteuerung ist nicht erkennbar, die vorgestellten Maßnahmen sind Kosmetik und Ihre Wähler werden mit ein paar Wahlgeschenken beruhigt, ohne dass die dauerhafte Finanzierung geklärt ist. Das ist nicht "pay as you go". Im Übrigen besteht Ihre Politik aus Ankündigungen, die den Verdacht nähren, dass wesentliche Sparmaßnahmen auf die lange Bank geschoben werden sollen. Ein Beispiel: Ihr leidenschaftsloses Bekenntnis zum Verschuldungsverbot ab 2020 lässt jeden Ehrgeiz vermissen, dass das Hamburger Gemeinwesen in Deutschland eine Vorbildfunktion beim Schuldenabbau übernehmen könnte. Sie unternehmen keine ambitionierten Schritte zur Entschuldung der Stadt. Dazu fehlt Ihnen innerparteilich die Durchsetzungskraft. Sie
Ein weiteres Beispiel ist die angekündigte Rückführung der Verschuldung aus dem Konjunkturprogramm in den Haushalt und die damit verbundene verzögerte Tilgung. Sie wollen sich Luft in der noch vorliegenden Finanzplanung schaffen, um in dieser Wahlperiode einige Ihrer Wahlversprechen zu finanzieren. So glauben Sie, Ihre Wahlchancen bei der nächsten Bürgerschaftswahl zu verbessern. Das ist Parteitaktik, finanzpolitisch ist es aber eine Sünde.
Die Aufnahme zusätzlicher Schulden für ein Konjunkturprogramm war mit der Auflage verbunden, bei anlaufender Konjunktur diese Schulden schnellstmöglich – also jetzt – zurückzuzahlen. Sie betonen in Ihrem Entwurf, das Ausgabenwachstum auf jährlich 1 Prozent begrenzen zu wollen. Diese Ansage ist finanzpolitisch geboten und wird von der FDP geteilt. Aber Ihr Entwurf verrät der Bürgerschaft mangels einer mittelfristigen Finanzplanung nicht, wie der Senat diese Begrenzung durchhalten will. Mit dem vorgelegten Stückwerk werden Sie das Ziel nicht schaffen. Schon jetzt ist nämlich erkennbar, dass dieses Ziel durch Tarifrisiken und Preissteigerungen zum Beispiel auf den Kapitalmärkten und im Energiesektor stark gefährdet ist. Rechnerisch erreichen Sie Ihre 1-Prozent-Marke, indem Sie zentral veranschlagte Vorsorgepositionen in der allgemeinen Finanzverwaltung kürzen, aber gleichzeitig die globalen Minderausgaben fortschreiben. Dieser Weg ist risikoreich und wird sicherlich in der Generaldebatte im Haushaltsausschuss zu erörtern sein.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich die Finanzbehörde auffordern, der Bürgerschaft zu diesem Thema nachvollziehbare Übersichten vorzulegen. Ihre Ausführungen in der Einbringungsdrucksache sind inhaltlich unklar und nicht vom Willen zur Transparenz geprägt.
Ein Kardinalfehler der SPD-Politik ist die weitgehende Akzeptanz der schwarz-grünen Stellenwirtschaft. Jährlich sollen kümmerliche 250 Stellen eingespart werden, aber es gibt nicht einmal dafür eine Umsetzungsstrategie außer einer verschärften Minderausgabe.
Die Finanzbehörde hat durch das Scheitern der Senatoren Freytag und Frigge ihre Rolle als Sparmeister unter Schwarz-Grün verloren. Wir können nicht erkennen, dass Herr Tschentscher sie zu
rückgewinnen will. Die SPD setzt außerdem die falschen Signale. Sie schaffen eine zusätzliche Behörde, anstatt die Verwaltung zu verschlanken.
Jetzt wollen Sie sich noch einen zusätzlichen Staatsrat bewilligen und machen noch nicht einmal dafür einen kostendeckenden Finanzierungsvorschlag.
(Dr. Andreas Dressel SPD: Das stimmt doch gar nicht! – Dirk Kienscherf SPD: Das steht doch alles im Haushalt drin!)
Bei zwei Ihrer wichtigsten politischen Einzelmaßnahmen verstoßen Sie gegen Ihr eigenes Prinzip des "pay as you go".
Erstens: Sie wollen die schwarz-grünen Beitragserhöhungen im Kita-Bereich zurücknehmen. Das finden wir richtig, doch dafür benennen Sie keine dauerhafte Gegenfinanzierung. Der Verzicht auf einmalige Vorhaben wie etwa der Verzicht auf Kreisverkehre oder Shared Space kann eine langfristige Finanzierung nicht tragen.