Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Bürgermeister, ich nehme Sie beim Wort. Sie möchten gerne konkret sein, Sie möchten Ihre Versprechen einlösen und sich an der Umsetzung Ihrer Wahlversprechen messen lassen. Dann sollten Sie vielleicht
Ehrlich gesagt wundere ich mich, warum das Kernthema der SPD, nämlich die Schulpolitik, hier nur gestreift wird; das scheint niemanden weiter zu interessieren. Ich kenne viele Bürger – Eltern, Lehrer und Kinder dieser Stadt –, die auch 100 Tage Schulpolitik gerne resümiert hätten. Ich werde das hier für sie tun.
Ich werde einige Themen herausgreifen, zum Beispiel das Thema Inklusion. Seit vielen Monaten wissen wir, dass förderbedürftige Kinder die allgemeinen Schulen besuchen dürfen. Viele Monate wurde hier nichts getan, bis die alleingelassenen Schulen laut protestiert haben. Sie, Herr Rabe, haben nun vor Wochen zusätzliche Sozialpädagogenstellen für diese Arbeit versprochen. Sind diese Sozialpädagogen in den Schulen? Von den Schulen hören wir das nicht und von Ihnen auch nicht, Herr Senator, ganz zu schweigen von der Antwort auf die Frage, wie die notwendige Unterstützung mittel- und langfristig eigentlich finanziert werden soll. Auch da kommt keine Antwort.
Ein anderes Beispiel, aber die gleiche Problematik: Die von Ihnen angekündigte kostenlose Nachhilfe für alle Schüler aller Jahrgangsstufen ist eine sehr gute Idee. Diese soll zum Teil aus dem Bildungspaket der christlich-liberalen Bundesregierung und zum Teil aus Landesmitteln finanziert werden; so weit, so gut. Aber wer rechnet hier wem gegenüber eigentlich was ab? Was müssen die ohnehin stark strapazierten Schulsekretariate leisten? Sieht die Schulbehörde eine Unterstützung vor oder droht eine völlige Überlastung, wie viele Schulleiter befürchten?
Das dritte Beispiel ist die unzumutbare Raumsituation an Hamburgs Schulen – das zum Thema "die Schulen sollen zu Palästen werden". Mangels vernünftiger Planung unter Schwarz-Grün wollen Sie nun mit über 100 Containern für rund 5 Millionen Euro kurzfristig improvisieren. Allerdings bezweifeln wir Liberale, dass es sich hierbei nur um eine kurzfristige Übergangslösung handelt. Nach Ihrem eigenen Eingeständnis wissen Sie nicht genau, wie viele Fachräume an den Schulen eigentlich fehlen. Wie lange soll das so gehen? Was leistet die überfällige Schulentwicklungsplanung,
Schließlich zum vierten Beispiel, den Ganztagsschulen. Gerade haben Sie die Einrichtung sieben weiterer Ganztagsschulen verkündet, alles Stadtteilschulen. Was ist eigentlich mit den Hamburger Gymnasien, frage ich mich da. Die scheinen Sie ganz aus dem Blickfeld verloren zu haben. Dies gilt übrigens für fast alle aus Ihrem Hause angekündigten bildungspolitischen Pläne. Ist es das Desinteresse der SPD am Gymnasium, das sich schon in den äußerst dürren Aussagen im Wahlprogramm dokumentiert? Oder ist es die Auslegung von Schulfrieden in Ihrer Version? Folgt der völligen Vernachlässigung der Stadtteilschulen unter Schwarz-Grün nun eine SPD-Offensive der Vernachlässigung von Gymnasien? Uns will es so scheinen.
Meine Damen und Herren! All diese offenen Fragen kennzeichnen eine sehr dürftige 100-Tage-Bilanz dieses Senats in Sachen Schule, das muss ich leider feststellen. Sie wird noch gekrönt durch Ihre wachsweichen Einlassungen zum Thema Schulinspektion. Wollen Sie die jetzt zum Teil wirklich schon Besorgnis erregenden Ergebnisse, von denen es offenbar eine ganze Reihe gibt, nur der Schulöffentlichkeit zugute kommen lassen? Oder sollen nicht auch endlich die Eltern, die ihre Kinder in Zukunft an einer Schule anmelden wollen, das Recht haben, über die Qualität in Kenntnis gesetzt zu werden? Auch hier gibt es keine konkreten Antworten, obwohl Sie doch eigentlich nur nach Berlin schauen müssten, denn Ihr SPD-Kollege Zöllner macht das. Er will im Interesse von Qualitätsentwicklung und Elternrechten die unbegrenzte Veröffentlichung der Schulinspektionsergebnisse; das wollen wir auch.
Liebe Kollegen der SPD! Die 100-Tage-Bilanz in Sachen Bildung lässt leider zu wünschen übrig und sie lässt nur einen Schluss zu: Es gibt dringenden Anlass zu handeln, tun Sie das, bevor die Unzufriedenheit der Schüler, Eltern und Lehrer weiter wächst. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Bürgermeister, ich begrüße ausdrücklich, dass Sie in den Mittelpunkt Ihres Beitrags das enorme Misstrauen gegenüber der Politik gerückt haben. Es ist in der Tat so – das gilt für unser Land, aber wir sehen das heute auch in den europäischen Nachbarstaaten –, dass Politik aufgrund ihres eigenen Versa
gens vielfach den Kredit bei der Wahlbevölkerung verloren hat. Dieses Misstrauen selbst ist ein wesentliches Hindernis für die Lösung gravierender gesellschaftlicher Probleme. Wir können das heute bei der Versammlung vieler jüngerer Bürgerinnen und Bürger auf Plätzen sehen, weil sich der Protest eben nicht mehr in der Programmatik und in den Willensbildungsprozessen der Parteien unterbringen lässt.
Insofern ist es richtig und ausdrücklich anzuerkennen, dass Sie nach Ihren ersten 100 Tagen feststellen, dass dies ein Punkt ist, der in Hamburg anders gehandhabt werden muss. Aber dass Wahlversprechen einzuhalten sind, ist aus unserer Sicht wirklich nur der erste Schritt in diese Richtung. Selbstverständlich – ich würde das auch konzedieren und will es gar nicht schlechtmachen –, sind die wenigen Punkte, um die es geht, in Ihrem Arbeitsprozess und in dem der Regierungsfraktion erkennbar; Sie sind gewillt, das abzuarbeiten. Aber – Herr Wersich hat schon darauf hingewiesen und ich sehe das ähnlich – diese Punkte sind nur ein Bestandteil gesellschaftlicher Problemlösungen. Es geht auch darum, ob das, worüber wir in den Wahlauseinandersetzungen gestritten und debattiert haben, zur Lösung von gravierenden gesellschaftlichen Problemen ausreichend ist.
Sie haben zu Recht auch in Ihrer Antrittsrede darauf hingewiesen, dass Hamburg eine Metropole ist, die als Stadt auch eine Perspektive für ihr Umland entwickeln soll. Aber es geht gerade auch darum, sich klarzumachen, dass wir andere Probleme haben als viele andere Metropolregionen. Wir sind eine wachsende Stadt mit einer schwindenden Solidarität und einer zunehmenden sozialen Spaltung. Und es ist verdammt schwer, mit den eingeschränkten Mitteln dagegen vorzugehen.
Sie haben jetzt einen Punkt hervorgehoben, der uns auch am Herzen liegt und ganz wichtig ist und der ebenfalls zur Erosion des sozialen Zusammenhalts beiträgt, die Frage des preiswerten Wohnens. An diesem Punkt – ich habe das mit Herrn Grote häufig diskutiert – ist für mich erkennbar, dass konkrete Schritte eingeleitet worden sind. Aber es ist für mich nicht erkennbar, dass Sie bei diesem Vertrag für Hamburg, den ich persönlich übrigens als einen richtigen Schritt ansehe und der auch noch durch andere ergänzt werden soll, die Opposition einbezogen oder auch nur informiert hätten.
Das andere Problem, Herr Wersich, ist, dass wir richtig große Probleme auf dem Arbeitsmarkt haben aufgrund der Kürzungen, die Ihre Regierung hinterlassen hat. Auch da kann ich noch nicht erkennen, dass der Dank, den Sie uns für die Kooperation und Auseinandersetzungen ausgesprochen haben, irgendwo eingelöst worden ist. Insofern kann man an dem Punkt noch etwas tun.
Abschließend möchte ich aber als zentralen Punkt den anderen Umgang mit den öffentlichen Geldern nennen. Und dazu – Herr Wersich, das richtet sich auch an Ihre Fraktion – möchte ich noch einmal sagen: Auch wenn meine Partei dagegen ist, respektiere ich selbstverständlich diese Veränderung des Grundgesetzes. Aber es geht nicht, dass damit automatisch nur eine Anpassung an diesen Prozess der Ausgaben programmiert ist. Wir müssen auch über die Einnahmen diskutieren können. Es geht darum, in welcher Weise ein gutes Gemeinwesen eingerichtet wird und wie wir die Unterfinanzierung in vielen Bereichen beenden können, sonst werden wir das Misstrauen nicht überwinden können.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich gestatte mir zuerst ein paar Vorbemerkungen. Herr Wersich, 48 Prozent der Bürgerinnen und Bürger haben uns ihre Stimme gegeben. Das ist noch gar nicht so lange her.
Welche Halbwertzeit billigen Sie denn so einem Votum zu, wenn Sie jetzt schon sagen, das habe überhaupt keine praktische Bedeutung mehr? Wir haben für das Programm, das wir vorgestellt haben, diese Stimmen bekommen und wir werden es jetzt umsetzten, da können Sie sicher sein.
Und ganz kurz zu Ihrem Beitrag, Herr Kerstan: Es ist einfach so, dass die Hochschulen mehr Geld haben werden als sie vorher hatten.
Und ich sage es noch einmal, denn darauf sind wir wirklich stolz: Wir werden die Studiengebühren abschaffen. Das entspricht unserer Auffassung, wie man sozialen Ungerechtigkeiten begegnen muss. Darauf sind wir stolz und ich glaube, das wird die Stadt auch verstehen.
Vielleicht verstehen Sie von sozialer Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit noch nicht genug, aber das kann sich noch ändern.
(Dora Heyenn DIE LINKE: Wenn Sie das so sehen, müssen Sie die sofort abschaffen und nicht erst in einem Jahr!)
Meine Damen und Herren! 100 Tage SPD-Regierung – es wird Sie nicht völlig überraschen, dass ich natürlich finde, dass dieser Senat das bisher sehr gut gemacht hat. Wir sind dabei, unsere Wahlversprechen Stück für Stück in Regierungshandeln umzusetzen, genauso wie wir es angekündigt haben. Ein Bereich, der noch gar nicht erwähnt wurde, der aber nicht wenig dazu beigetragen hat, dass wir dieses tolle Ergebnis bekommen haben und dieses Votum, ist der Bereich Kultur. Und wir haben seit März wieder eine Kultursenatorin, und zwar eine, die diesen Namen auch verdient,
die sich in der Sache und in der Szene auskennt und es – im Gegensatz zu manchen Vorgängern – sehr schnell geschafft hat, die Vorschusslorbeeren, die sie bekommen hatte, auch tatsächlich zu rechtfertigen und den Erwartungen, die mit ihrem Amtsantritt verbunden waren, mit ihren ersten Auftritten und ihren ersten Amtshandlungen gerecht zu werden. Hamburg hatte den Ruf einer Kulturmetropole unter der alten Regierung bereits abgegeben, zum Schluss sogar mit fliegenden Fahnen. Aber uns ist es bereits innerhalb von 100 Tagen gelungen, einen Teil dieses guten Rufs wieder zurückzuerobern. Und wir haben vor, in dieser Richtung weiterzumachen.
Barbara Kisseler hat bereits erste Weichen zur Verbesserung der Situation der freien Künstlerinnen und Künstler gestellt. Und die erste Sitzung des Kulturausschusses hat auch gezeigt, dass es in einigen Dingen – mittlerweile auch über alle Fraktionen hinweg – eine große Einigkeit mit dem Senat gibt und dass Kultur wieder den Stellenwert zurückbekommen kann, der ihr in einer Metropole wie Hamburg tatsächlich zusteht. Das Altonaer Museum bleibt auch erhalten, gestatten Sie mir diese persönliche Bemerkung.