Protocol of the Session on June 18, 2014

Ihr Antrag ist geprägt von einem tiefsitzenden Misstrauen gegenüber der Polizei.

(Dr. Andreas Dressel SPD: So ist sie, die Frau Schneider!)

(Dr. Martin Schäfer)

Das atmet dieser ganze Antrag. Das überrascht uns auch überhaupt nicht, weil das Ihre Grundauffassung ist. Diese Grundauffassung teilen wir nicht. Wir wissen, dass wir eine engagierte und gute Polizei haben. Wir wissen, dass es natürlich immer passieren kann, dass auch da etwas schiefgeht, und wenn das so ist, dann haben die Bürger dieser Stadt ein tolles Rechtssystem, mit dem sie genau in dem Moment vorgehen können. Daran brauchen wir nicht herumzuwerkeln und das müssen wir nicht verändern. Das funktioniert, und deshalb sind diese beiden Anträge leider nicht nur zum falschen Zeitpunkt gestellt, sondern gehen in der Sache auch vollkommen in die falsche Richtung. Wir werden diesen Anträgen nicht zustimmen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Nun bekommt das Wort Frau Möller von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr van Vormizeele hat eben schon gesagt, dass das Thema, das wir heute anlässlich des Antrags der LINKEN diskutieren – die individuelle Erkennbarkeit der Polizei in allen Einsatzsituationen – in den Ländern, in denen das Projekt umgesetzt ist, durch den kleinen Koalitionspartner vorangetrieben wird. Da ist was dran, aber es ist nicht immer schlecht, wenn der kleine Koalitionspartner etwas vorantreibt.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Warum gab es das nicht bei Schwarz-Grün?)

Auch bei Schwarz-Grün gab es die Versuche.

Sie mögen sich erinnern, Herr Dr. Dressel, dass wir die Variante hatten, dass dieses Projekt im Einvernehmen mit den Polizeigewerkschaften umgesetzt werden soll. Ich glaube – und deswegen ist Ihr Hinweis auch richtig –, dass die Zeit sehr viel weiter ist als wir hier in der politischen Debatte, und nicht nur sehr viel weiter, seitdem dieses Thema das erste Mal angesprochen wurde, sondern dass die Debatte auch innerhalb der Polizei und der Polizeigewerkschaften sehr vorangeschritten ist. Die ersten Erfahrungen, vor allem aus Berlin, sind, dass all die Befürchtungen, die die Polizei bezüglich der persönlichen Angreifbarkeit durch die Erkennbarkeit hatte, und andere Sorgen sich nicht bestätigt haben. Wenn man den Sprechern der Berliner Polizei lauscht – und die berichten an vielen Stellen, zum Beispiel beim Deutschen Institut für Menschenrechte, immer wieder von ihren Erfahrungen –, dann hat sich auch innerhalb des Selbstverständnisses der Polizei etwas an dieser Situation verändert, und zwar zum Positiven. Man geht eher in die Richtung, dass man sehr selbstbewusst mit dieser individuellen Erkennbarkeit umgeht, sehr wohl in dem Bewusstsein, dass der

Großteil und vielleicht sogar alle Polizistinnen und Polizisten erst einmal schlicht den Ansatz haben, dass sie ihre Arbeit, die sie zu tun haben, richtig und gut machen wollen. Das ist das, was sie immer sagen, und das ist auch das, woran ich überhaupt keinen Zweifel habe. Die Debatte innerhalb der Polizei und auch bei den Gewerkschaften ist also in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich schnell, aber doch deutlich im Wandel. Vielleicht sind wir für Hamburg heute immer noch zu früh mit diesem Gesetzentwurf, den DIE LINKE vorlegt, aber es ist trotzdem gut und richtig, dass wir hier darüber diskutieren.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Anders geht es mir allerdings bei Punkt 2 des Antrags der LINKEN, der in dieser Form tatsächlich überhaupt kein grüner Antrag wäre, weil auch die Diskussionen und vor allem die Entwicklung in den Bundesländern, die sich mit dem Thema Einrichtung einer Beauftragtenstelle für die Landespolizei oder eben sogar für die Bundespolizei beschäftigten – Frau Schneider hat die Länder aufgezählt –, hinsichtlich der Einschätzung solch einer Stelle sehr viel weiter sind, als es jetzt im Antrag der LINKEN beschrieben wird. Es geht um eine Beauftragtenstelle, und das zu reduzieren auf sich beschweren und kontrollieren können, ist schlicht und einfach nicht mehr aktuell.

Ich muss das natürlich im Rückblick auf die Polizeikommission ganz deutlich sagen; Herr Schäfer ist darauf eingegangen. Heute würde man sagen – wie bei vielen anderen Dingen auch –, dass dies ein gescheitertes Experiment gewesen ist, weil schlicht und einfach die Art und Weise der Zuordnung, aber auch des Auftrags, der Besetzung und des ganzen Misstrauens drum herum eine erfolgreiche Arbeit dieser Kommission unmöglich gemacht hat, obwohl ich weiterhin finde, dass die Mitglieder dieser Kommission sehr gute Arbeit geleistet haben. Deswegen finde ich es wichtig, sich anzuschauen, was zum Beispiel bei der Gesetzesentwicklung in Rheinland-Pfalz passiert oder auch bei den Kolleginnen und Kollegen – zugegebenermaßen grünen Kolleginnen und Kollegen, Herr van Vormizeele – in Schleswig-Holstein. Sehr deutlich wird in diesen Gesetzesvorlagen formuliert, was in dem Antrag der LINKEN schlicht und einfach fehlt, nämlich die unabhängige Anbindung solch einer Beauftragtenstelle an den Landtag. In SchleswigHolstein heißt das so sperrig: Hilfsorgan des Landtags. Hilfsorgan der Bürgerschaft klingt ein bisschen schräg, macht aber deutlich, dass wir nichts damit erreichen, wenn wir den Senat auffordern, eine Polizeibeschwerdestelle einzurichten, und das innerhalb von sechs Monaten, sondern wir brauchen eine unabhängige Beauftragtenstelle, die uns in der Bürgerschaft zuarbeitet.

Das ist die grüne Position. Sie ist Ihnen bekannt, und wir werden sie auch weiter ausarbeiten, denn

(Kai Voet van Vormizeele)

um das einzurichten, braucht man natürlich einen vernünftigen Gesetzentwurf, der mit den Polizeigewerkschaften diskutiert wurde. Diesen Kriterien entspricht der Antrag der LINKEN hier nicht. Wir werden uns enthalten, weil wir viele Ansätze richtig finden, aber die Art und Weise, wie Sie hier den Senat auffordern, etwas umzusetzen, finden wir tatsächlich völlig unzureichend.

Wichtig ist dabei das Mitnehmen der Polizeigewerkschaften. Auch dafür kann Rheinland-Pfalz ein gutes Beispiel sein. Die GdP Rheinland-Pfalz hat einen eigenen Entwurf für die Expertenanhörung vorgelegt, die es dort im Landtag gegeben hat. Dieser Entwurf geht tatsächlich weiter als der grüne Entwurf. Man mag sich darüber wundern, aber ich finde es wichtig, dass wir diesen Entwurf der GdP für ein Gesetz tatsächlich ernst nehmen. Sie formulieren nämlich einen Ansatz, der – ich habe es zu Anfang gesagt – meiner Meinung nach ein sich veränderndes Selbstverständnis deutlich macht, was uns bei der politischen Arbeit auch hilft. Die GdP sagt, dass es bei solch einer Beauftragtenstelle nicht um die Kontrolle individuellen Handelns gehen kann. Es kann bei so einer Stelle nicht um den Konflikt zwischen einem Polizisten und einem Betroffenen gehen, sondern man muss an die Strukturen herangehen und auch zu Lösungsvorschlägen kommen, die dann solche individuellen Probleme zumindest weniger werden lassen. Deswegen formuliert die GdP ganz deutlich, so eine Beauftragtenstelle habe einen Kontrollauftrag, solle aber auch Anwältin für die Polizei sein.

Damit erreichen wir eine neue Art der Diskussion. Ich würde diese Diskussion in Hamburg gern mit der Politik, also mit meinen Kolleginnen und Kollegen in diesem Plenarsaal, aber natürlich auch mit den Polizeigewerkschaften aufnehmen, weil ich glaube, dass wir nur auf diese Art und Weise weiterkommen. Jetzt gebrauche ich einmal diese großen Worte dazu, die aber natürlich die wichtigen sind: Es muss uns endlich gelingen, diesen ständigen Vorwurf des Misstrauens aus dem Weg zu schaffen und zu einer Vertrauensbasis zu kommen,

(Arno Münster SPD: Genau dieses Misstrau- en schüren Sie doch hier gerade!)

denn nur diese kann natürlich die Arbeit solch einer Beauftragtenstelle überhaupt möglich machen. Herr Münster, es gibt Bürgerbeauftragte, es gibt Wehrbeauftragte, es gibt Behindertenbeauftragte.

(Arno Münster SPD: Frauenbeauftragte gibt es auch!)

Ich sehe, Sie kennen sich aus, wunderbar. Aber vielleicht ist das genau das Beispiel, weswegen Sie hier immer noch von Misstrauen sprechen wollen.

Ich glaube, ich habe deutlich genug gesagt, um welche entscheidende Weiterentwicklung wir uns

hier bemühen müssen, um tatsächlich gute Chancen zu haben, auch innerhalb der Polizei auf Akzeptanz zu stoßen. Der Aufgabenbereich dieses Beauftragten, das möchte ich gerne noch ergänzen, muss natürlich auch beinhalten, dass er oder sie von sich aus Themen aufgreifen können, und das nicht nur bei tödlichen Vorfällen, wie es im Antrag der LINKEN formuliert ist. Das halte ich für völlig unzureichend, denn nur aus einer Stimmungslage, aus Diskussionen innerhalb der Polizei, bestimmter Einheiten der Polizei oder der Polizeigewerkschaften, aber auch aus Diskussionen im Nachklapp zu Demonstrationen oder anderem heraus kann dieser Beauftragte für sich sagen: Hierum muss und will ich mich kümmern. Ich glaube, dass wir nur auf diese Art und Weise vom Misstrauen wegkommen.

Fazit aus meiner Sicht: Ein Gesetz zur Einrichtung einer Beauftragtenstelle für die Polizei ist notwendig. Es muss nicht innerhalb dieses halben Jahres erfolgen, aber wir brauchen eine weitere Diskussion dazu, und dabei werden uns die Gesetzentwürfe unterstützen, die in vielen Landtagen inzwischen in Arbeit sind, zum Beispiel in Rheinland-Pfalz durch die GdP. Sie werden uns sehr viel weiter helfen als der Antrag der LINKEN, der heute hier vorgelegt wurde. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Jarchow von der FDP-Fraktion bekommt jetzt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege van Vormizeele, es wird Sie sicherlich nicht überraschen, dass wir als Vertreter einer kleinen Partei uns auch auf dieser Spielwiese tummeln und der Kennzeichnungspflicht durchaus positiv gegenüberstehen.

Das Ideal aller Bürger ist vermutlich der Polizist, den man mit Namen kennt. Dieses Ideal ist sicher in einer Stadt wie Hamburg nicht umsetzbar, darüber sind wir uns im Klaren. Dennoch sind Hamburger Polizisten in ihrem alltäglichen Dienst identifizierbar und mit einem Namensschild ausgerüstet. Das Tragen dieser Namensschilder ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, und daher ist es umso begrüßenswerter, dass die Polizisten sich mittels einer Dienstvereinbarung dazu entschieden haben. Allerdings ist es auch nachvollziehbar, dass Polizisten, die an einem geschlossenen Einsatz teilnehmen, ungern ihren Namen preisgeben möchten. Die Vorfälle der letzten Monate haben gezeigt, dass Einzelne nicht zwischen dem Beruflichen und dem Privaten unterscheiden. Angriffe auf die Häuser von Politikern haben deutlich gemacht, dass die Täter bereit sind, Familien zu attackieren, anstatt einen konstruktiven Dialog zu führen. Was hätten dann Polizisten zu erwarten, die bei Aus

(Antje Möller)

schreitungen eingreifen und sich durch ein Namensschild nicht nur im beruflichen, sondern auch im privaten Leben angreifbar machen?

(Christiane Schneider DIE LINKE: Kann ja auch ein Nummernschild sein!)

Ich komme gleich dazu, Frau Schneider.

Diese Ängste sind verständlich. Uns ist aber bewusst, dass es bei Polizeieinsätzen durchaus auch zu Beschwerden kommen kann. Ob diese nun berechtigt sind oder nicht, sei zunächst dahingestellt. Es geht daher darum, einen Interessensausgleich zu finden, und das gelingt unserer Ansicht nach am besten mit einer variablen Kennzeichnung. Vor dem Einsatz erhält jeder am Einsatz teilnehmende Polizist eine chiffrierte Kennzeichnung. Die Datensätze, aus denen ersichtlich wird, welchem Polizeibeamten die Kennzeichnung zuzuordnen ist, werden vier Wochen aufbewahrt – es wurde schon kritisiert, dass das zu kurz ist, da sind wir sicherlich gesprächsbereit – und danach gelöscht, wenn es bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei Beschwerden gab. Der von Polizeigewalt Betroffene oder auch derjenige Bürger, der sich von einem Polizisten im Einsatz falsch behandelt fühlt, kann so seine berechtigten Einwände geltend machen. Auf der anderen Seite aber bleibt die Privatsphäre des Polizisten gewahrt, der trotz Teilnahme am Einsatz nicht um sein Privatleben fürchten muss. Dieses soll unser Zusatzantrag regeln.

Was die Beschwerdestelle angeht, teilen wir die grundsätzliche Intention Ihres Antrags. Dieser sollte unserer Meinung nach aber weniger auf mögliche oder angebliche Verfehlungen einzelner Polizisten abzielen, sondern vielmehr die Leitung und Durchführung von Einsätzen auf verschiedenen Ebenen überprüfen können. Diese grundsätzliche Zustimmungsfähigkeit wird leider durch den Tenor des Antrags etwas behindert, kommt doch darin eine Grundhaltung gegenüber der Polizei zum Ausdruck, die wir nicht teilen.

Das Überweisungsbegehren ist begrüßenswert. Es würde eine notwendige Diskussion im Innenausschuss ermöglichen. Wir hoffen, dass auch die SPD eine vertiefende Auseinandersetzung in diesen Fragen nicht scheut. Da das Petitum aus unserer Sicht gegenwärtig aber vom Tenor her nicht zustimmungsfähig ist, werden wir uns bei dem Antrag der LINKEN enthalten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Liegen weitere Wortmeldungen vor? – Wenn das nicht der Fall ist, können wir zur Abstimmung kommen.

Ich frage zunächst, wer beide Drucksachen an den Innenausschuss überweisen möchte. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist das Überweisungsbegehren abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung in der Sache und beginnen mit dem FDP-Antrag.

Wer möchte diesen annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen zum Antrag der LINKEN. Die GRÜNEN möchten diesen gern ziffernweise abstimmen.

Wir beginnen mit Ziffer 1 des Antrags der LINKEN, und ich frage, wer sich dieser anschließen möchte. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist Ziffer 1 mehrheitlich abgelehnt.

Wer stimmt Ziffer 2 zu? – Auch hier die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist auch Ziffer 2 abgelehnt.

Wir kommen zu Punkt 27 unserer Tagesordnung, Drucksache 20/12014, Antrag der SPD-Fraktion: Datengrundlage der Hebammenhilfe in Hamburg verbessern.

[Antrag der SPD-Fraktion: Datengrundlage der Hebammenhilfe in Hamburg verbessern – Drs 20/12014 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 20/12128 ein Antrag der Fraktion DIE LINKE vor.

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Hebammentätigkeiten umfassend schützen, Unterstützung für werdende und junge Mütter sowie Neugeborene konkret verbessern und ausbauen – Drs 20/12128 –]

Diesen möchte die FDP-Fraktion an den Gesundheitsausschuss überweisen.

Wird das Wort gewünscht? – Frau Wowretzko von der SPD-Fraktion.