muss sie ausputzen, wo es um die Auswirkungen einer verfehlten Sozial-, Wirtschafts-, Stadtentwicklungs- oder Migrations- und Flüchtlingspolitik geht. Nach Fukushima zum Beispiel mussten die härtesten Verfechter der Atompolitik in Deutschland anerkennen, wie gefährlich und verfehlt dieser Weg war. Aber jahrzehntelang ist diese Politik gegen den Widerstand großer Teile der Bevölkerung in unzähligen Einsätzen mit Polizeigewalt durchgesetzt worden.
In diesem Spannungsfeld – Schutz der Bürgerinnen und Bürger auf der einen, Garant der Staatsmacht auf der anderen Seite – findet die Arbeit der Polizei statt. Dabei hat sich in den vergangenen zwei, drei Jahrzehnten einiges geändert. Das zivilgesellschaftliche Bewusstsein der Polizei ist heute ein völlig anderes als vor 200 Jahren und auch ein völlig anderes als vor 50 oder vor 30 Jahren – zum Beispiel durch die Einrichtung der sogenannten bürgernahen Beamten seit 1981 in Hamburg, durch gezielte Einstellung von Frauen in den letzten Jahren, durch die Erhöhung des Migrantenanteils in der Polizei, durch einen größeren Schwerpunkt der Menschenrechte in der Ausbildung. Auch dadurch, dass das Tragen von Namensschildern in der alltäglichen Arbeit der Hamburger Polizei durch eine Dienstvereinbarung geregelt wurde und die Polizeibeamtin, der Polizeibeamte den Bürgerinnen und Bürgern im Alltag nicht anonym, nicht einfach als Repräsentant der Staatsmacht, sondern als ansprechbare Person gegenübertritt.
Das ist in den sogenannten Großlagen, also vor allem bei Demonstrationen, immer noch anders. Für diejenigen unter Ihnen, die gleich wieder reflexhaft in ihre Vorurteilskiste greifen wollen, sei es deutlich gesagt. Es geht nicht darum, das staatliche Gewaltmonopol infrage zu stellen. Es geht auch nicht darum, jede Polizeigewalt als illegal zu bezeichnen. Es geht auch nicht darum zu bestreiten, dass Polizei in solchen Einsätzen oft Beschimpfungen und Aggressivität ausgesetzt ist. Aber gerade weil die Polizei sozusagen die Lizenz zur physischen Gewaltausübung hat, weil sie die legale Kompetenz zur Gewaltausübung hat, weil sie diese Aufgabe in oft schwierigen Situationen wahrnimmt, sind Kontrolle und Transparenz polizeilichen Handelns unverzichtbar.
Meine Damen und Herren! In Baden-Württemberg wurden jüngst 156 Verfahren im Zusammenhang mit dem Polizeieinsatz am 30. September 2010 gegen Gegnerinnen und Gegner von Stuttgart 21 in Stuttgart eingestellt, weil Polizisten nicht identifiziert werden konnten. 156 Anzeigen verliefen im Sande. Das ist ein Desaster. Der Verdacht rechtswidriger Gewalt konnte nicht aufgeklärt werden, weil Tatverdächtige nicht identifizierbar waren. Das Ausmaß des Stuttgarter Skandals ist vielleicht einzigartig, jedenfalls in der jüngeren Geschichte,
aber das Problem ist es nicht. Die Polizei handelt oft in enormen Konfliktsituationen, und in solchen Konfliktsituationen, in Stresssituationen und so weiter kann es auch zu unverhältnismäßiger, zu unkontrollierter, zu sinnloser Gewalt kommen. Es kommt dazu, nicht immer natürlich, aber auch nicht ganz selten. Jeder weiß das, auch wenn die Tatsache von politischer Seite öffentlich bestritten wird. Ich glaube, nur öffentlich, intern ist man sich des Problems natürlich bewusst. Die Anonymität, die Unidentifizierbarkeit begünstigt rechtswidrige Gewalt, sie beeinträchtigt oder verhindert Aufklärung und sie schützt einzelne Täter. Das schadet damit nicht zuletzt der Polizei selbst und ihrer demokratischen, rechtsstaatlichen Legitimation.
Das Leitbild der Polizei hat sich in den vergangenen 200 Jahren zusammen mit dem gesellschaftlichen Wandel immer wieder erheblich verändert. Ein modernes Leitbild muss dem Wandel der Gesellschaft laufend Rechnung tragen. Die Zeiten, in denen staatliche Autorität als nicht hinterfragbar hingenommen wurde, sind Gott sei Dank unwiderruflich vorbei. Transparenz ist in vielen Bereichen ein selbstverständlicher Anspruch. Das gilt auch und gerade im Verhältnis der Bürgerinnen und Bürger zum Staat und seinen Institutionen. Nicht nur die anderen Behörden, auch die Polizei muss transparent handeln und sich kontrollierbar machen. Sie muss durch individuelle Kennzeichnung zu erkennen geben: Polizistinnen und Polizisten sind Individuen, die für ihr Handeln verantwortlich sind und verantwortlich gemacht werden können. Es ist eben nicht so, dass die Staatsmacht über allem steht, sondern hier stehen der Bürgerin, dem Bürger, der Zivilgesellschaft Bürgerinnen und Bürger in Uniform gegenüber, auf Augenhöhe. Das wäre ein modernes Leitbild.
Auch unser zweites Anliegen, die Einrichtung einer Polizeibeschwerdestelle oder eines Polizeibeauftragten, ist, wenn man so will, alles andere als neu. Rheinland-Pfalz wird vermutlich Ende Juni einen rot-grünen Gesetzentwurf verabschieden, mit dem ein Polizeibeauftragter geschaffen wird. Der Gesetzentwurf ist vielleicht noch nicht sehr weitgehend, aber ein interessanter Anfang, und es würde sich lohnen, wenn wir uns auch hier damit befassen. Auch andernorts nimmt die Diskussion Schwung auf. In diesem Zusammenhang will ich vor allem an das Sondervotum des NSU-Abschlussberichts erinnern, mit dem die SPD-Bundestagsfraktion die Einrichtung unabhängiger Beschwerdestellen für polizeiliches Fehlverhalten auf Bundes- und Länderebene als Gegengewicht zu weitreichenden staatlichen Eingriffsbefugnissen gefordert hat. Ich gebe zu, dass an diesem Punkt unser Antrag noch nicht besonders perfekt ist, zum Beispiel im Hinblick auf die Finanzierung. Das ist durchaus eine Schwäche. Wir wollten aber vor allem die Debatte in diesem Hause anstoßen. Unse
re Forderungen kommen den SPD-Forderungen des Sondervotums sehr nahe. Es zeugt von wenig Mut, wenn die SPD unseren Antrag noch nicht einmal an den Innenausschuss überweisen will.
Ich will zum Schluss ein paar Worte zum Antrag der FDP sagen, der in eine wirklich richtige Richtung geht. Die Richtung unterstützen wir. Er greift nach unserer Sicht aber etwas zu kurz. Wir halten zum Beispiel an der Notwendigkeit einer Polizeibeschwerdestelle mit Untersuchungsbefugnissen fest. Andere Fragen, ob die individuelle Kennzeichnung in geschlossenen Einheiten nach dem Zufallsprinzip bestimmt wird, bleiben in unserem Antrag offen. Auf welche Weise die Kennzeichnung codiert wird, ist in unseren Augen ein Aspekt, der nicht durch die Bürgerschaft en Detail beschlossen werden muss. Es gibt verschiedenste Modelle, und die kann auch die Behörde prüfen. Nicht ganz einsichtig ist aus unserer Sicht die Löschung nach vier Wochen. Diesen Zeitraum halten wir in der Praxis für sehr kurz bemessen. Falls es zu Übergriffen kommt, müssen sich die Betroffenen mit ihren Anwältinnen und Anwälten beraten, Beweismaterial sichten und so weiter.
Es war ein bisschen schwierig für uns, das abzuwägen, denn die Richtung des FDP-Antrags unterstützen wir voll. Wir werden uns daher im Endergebnis bei der Abstimmung zu Ihrem Antrag enthalten. – Vielen Dank.
Wir hatten es wirklich schon mehrfach, und wenn ich es richtig sehe, ist der Antrag wortwörtlich der von vor zwei Jahren.
Er wird dadurch allerdings nicht aktueller, und er wird auch nicht notwendiger. Sie haben als einzigen Grund angeführt, dass es andere Bundesländer gibt, die diese Kennzeichnungspflicht eingeführt haben beziehungsweise sich mit dem Gedanken tragen oder in Koalitionsverträgen vereinbart haben, dass sie eingeführt werden soll. In Brandenburg zum Beispiel gibt es zwei Verfahren, angestrengt von Polizeibeamten vor dem Verwaltungsgericht und vor dem dortigen Verfassungsgericht. Nordrhein-Westfalen, das Sie als ein Land angeführt haben, das die Kennzeichnungspflicht
einführen will, wartet diese Verfahren ab. Ich halte es auch für klug abzuwarten, was sich dort diesbezüglich tut. In Schleswig-Holstein hat man gewisse Erfahrungen damit. Nach 333 Einsätzen im vergangenen Jahr gab es nicht eine einzige Meldung im Zusammenhang mit Polizisten, die gekennzeichnet waren.
zumal bei Ihrem Antrag – ich will überhaupt nicht abstreiten, dass er sehr moderat und auch sehr ernsthaft formuliert ist – eine Sache wieder sehr schwierig ist. Das ist die Überschrift "Rechtsstaat sichern – Kennzeichnungspflicht und Polizeibeschwerdestelle für Hamburg". Die Polizei sichert diesen Rechtsstaat.
Er muss nicht dadurch gesichert werden, dass man die Polizei gesondert kontrolliert. Das ist nicht nur nicht notwendig, dieser Zusammenhang ist völlig falsch. Er bringt einen Zungenschlag in diese Sache, den wir überhaupt nicht bereit sind mitzumachen.
Sie haben selbst angeführt, dass es bei der Polizei große Veränderungen gibt, insbesondere was die interne Kultur anbelangt. Die hat es während all der letzten Jahre und letzten Jahrzehnte gegeben, und das ist richtig so. Das hat mit der immer besser gewordenen Ausbildung der Polizei zu tun, das hat mit dem Bild der Polizei zu tun, das sie von sich selbst hat, was sich im Übrigen auch darin ausdrückt, dass selbstverständlich Begegnungen mit Bürgern auf Augenhöhe stattfinden und dass jeder Bürger auf das Namensschild schauen kann, das der Polizist an seiner Uniform trägt. Es gibt nur eine einzige Stelle, wo es dieses Namensschild zwar auch gibt, es aber nicht erkannt werden kann. Das sind die Einsätze in geschlossener Einheit. Sie haben Stuttgart und die Demonstrationen gegen Stuttgart 21 angeführt, Sie haben aber keinen Fall aus Hamburg angeführt. Den scheint es nicht zu geben, und von daher sehen wir keine Notwendigkeit, an dieser Stelle irgendetwas zu ändern.
Gleichwohl kommt er in diesem Zusammenhang zum falschen Zeitpunkt. Wir machen es so nicht mit, tut mir leid für Sie.
Eine Polizeibeschwerdestelle vulgo Polizeikommission hatten wir schon einmal. Ich kann mich noch sehr gut an den ersten Bericht erinnern, den diese Polizeikommission damals abgeliefert hat. Es gab daraufhin einen Unterausschuss des Innenausschusses, und ich hatte das Vergnügen, für meine Fraktion daran teilzunehmen. Bei diesem ersten Bericht der Polizeikommission damals gab es für das erste Jahr circa – die Zahlen stimmen nicht präzise, aber der Größenordnung nach – 150 bis 170 Beschwerden, von denen die Polizeikommission selbst circa 50 als nicht adäquat qualifiziert hat. Es gab circa 50 Beschwerden über interne Abläufe bei der Polizei. Insbesondere eine Sache, das will ich nicht verhehlen, war etwas, worüber man nachdenken kann und immer noch muss. Wenn irgendjemandem von uns in Zusammenhang mit einem Einsatz der Polizei etwas zustößt, zum Beispiel, wenn ein Polizist mich umrennt und ich mir einen Arm breche, dann habe ich keinerlei Anrecht auf eine Schadenersatzleistung seitens der Stadt. Da fehlt irgendetwas, aber dafür braucht man keine Polizeikommission. Man braucht keine Polizeikommission, um bei mehreren Millionen Zusammentreffen von Polizisten mit Bürgern 100 Beschwerden zu erkennen. Das war für mich damals das Zeichen, dass die Polizei schon gut und richtig gearbeitet hat und die Einführung einer solchen Kommission überflüssig ist.
Zweitens gibt es das Dezernat Interne Ermittlungen, im Übrigen ungefähr seit dieser Zeit. Dieses Dezernat Interne Ermittlungen gilt bundesweit und europaweit als Best Practice. Andere schauen darauf, wie Hamburg das macht. Es gibt nach meinem Kenntnisstand keinen Grund, an dieser Praxis etwas zu ändern. Dieses Dezernat hat bisher sehr gut, wenn nicht noch besser gearbeitet. Das wird es auch weiterhin machen, und wir werden es in seiner Arbeit nicht weiter stören.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schön, wenn man nach vorne kommt und zumindest Herr Ritter schon weiß, was man sagen möchte.
Ich will es deutlich machen: Wir werden diese beiden Anträge ablehnen. Ich werde mich bei vielen Dingen auf das beziehen, was der Kollege Schäfer eben gesagt hat, aber ich will zwei Aspekte herausheben, die mir sehr wichtig sind. Erstens finde ich es sehr interessant zu sagen, die Sachargumente stimmten nicht mehr, weil einige andere Bundesländer es jetzt machten. Wer sich das einmal anschaut, der wird feststellen, dass dort, wo es jetzt zu einer Art von Umsetzung kommt, wir in der Regel Koalitionsregierungen haben und es einen kleinen Koalitionspartner gibt, der mit Vehemenz genau das fordert. Das ist eines der Themen, wo man als größerer Koalitionspartner gern einmal sagt: Na gut, geben wir denen eine Spielwiese. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass man der Auffassung ist, dies sei nun sachlich gefordert oder notwendig. Deshalb sage ich deutlich, dass wir in Hamburg, egal, was die Kollegen in Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg oder sonst wo tun, an unserer ganz persönlichen Auffassung als CDU-Fraktion nicht rütteln, und diese besagt eindeutig, dass die Argumente weiterhin gültig sind. Daher werden wir uns diesem Verfahren nicht nähern.
Zweitens: Bei den Darstellungen von Frau Schneider, die versucht hat, einen kleinen pseudohistorischen Abriss zu geben über all das, was hier passiert ist,
habe ich das Gefühl gehabt, dass sie einen Teil unserer Staatslehre nicht begriffen hat. Wir leben hier nicht in einem Staat, der aus zwei Säulen besteht, also Staat und vielleicht noch Gesetzgebung und im Übrigen macht die Obrigkeit, was sie will. Wir haben noch eine dritte Säule in diesem Staatswesen, das ist unsere Rechtssäule. Wir leben in einem Rechtsstaat, und ich habe nicht den Hauch eines Zweifels, dass dieser Rechtsstaat funktioniert. Ich käme niemals auf die Idee, irgendeine Art von Pseudokommission einzusetzen und zu sagen, Staatsanwaltschaften und unabhängige Gerichte, das sei alles falsch, aber so eine Kommission hier einzusetzen, das sei der richtige Weg. Es ist nicht der richtige Weg. Wir haben Vertrauen in diesen Rechtsstaat, und dieser Rechtsstaat funktioniert. Er funktioniert natürlich auch dann, wenn Polizeibeamte Straftaten begehen. Das ist richtig und gut so, genau das brauchen wir und nichts anderes.