Ich werde nicht müde zu sagen – ich tue das in fast jeder Schuldebatte –, dass das aufhören muss. Der Senator muss versuchen, wirklich einmal Politik in dem Sinne zu machen, dass die Schulformempfehlung weg muss. Vielleicht wäre das eine kleine Entlastung und man hätte nicht diesen Makel, dass Gymnasien besser sind als Stadtteilschulen.
Was meinen Sie denn, was die Schüler sagen, wenn sie vom Gymnasium zur Stadtteilschule kommen? Sagen sie dann, wir sind der große Sieger, wir haben einen richtig tollen Erfolg, und deswegen sind wir jetzt hier? Das hat doch Frau von Berg deutlich gemacht. Ich habe auch Klassen gehabt, in denen acht Schüler vorher auf dem Gymnasium waren. Die sind nicht gekommen, weil an der Stadtteilschule alles so toll ist. Sie sind zurückgekommen, weil sie es dort nicht geschafft haben.
Es stimmt nicht, Frau von Treuenfels, wenn Sie sagen, die Lehrer schulen die Schülerinnen und Schüler vorsorglich ab, weil sie es ab Klasse 7 nicht mehr dürfen. Das ist völlig falsch. Es läuft folgendermaßen ab: Wir haben Zeugniskonferenzen, und in Zeugniskonferenzen gibt es Kriterien, und wenn der Notenschnitt nicht reicht, dann müssen sie abgeschult werden. Lehrer können nicht sagen, ach, den behalten wir und den nicht. Hier sind Sie überhaupt nicht im Bilde.
Das Allerstärkste ist, dass Sie von mehr Durchlässigkeit sprechen, Ihr Vorschlag aber bedeutet, dass immer mehr Kinder vom Gymnasium zur Stadtteilschule wechseln. Das ist ein Abschulen, ob wir das Wort nun gebrauchen oder nicht gebrauchen. Die Schülerinnen und Schüler empfinden es einfach so. Wenn Sie dann davon sprechen, dass diese erhöhte Durchlässigkeit ein Stück mehr Freiheit sei, dann ist das genau dieser Freiheitsbegriff der FDP, den ich kenne. Das ist blanker Zynismus, und wir werden diesen Antrag nicht unterstützen, weder die Überweisung an den Ausschuss noch den Antrag in der Sache. Das geht überhaupt nicht.
(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Finn-Ole Ritter FDP: Dann kennen Sie den falschen Begriff!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Debatte eben hat man ein wenig das Gefühl bekommen, dass außer der FDP niemand das Schulgesetz richtig gelesen hat und manche Fraktionen auch nicht den Antrag der FDP, um den es hier geht. Gegenstand des Antrags der FDP sind nicht die von der Zeugniskonferenz befundenen Umschulungen, wie sie zum Beispiel nach Klasse 6 stattfinden und zulässig sind, sondern Gegenstand des Antrags ist allein das Elternwahlrecht. Im Petitum wird dem Senat aufgegeben, eine Umschulung von einer Schulform in die andere unbürokratisch zu ermöglichen, wenn die Eltern das wünschen. Weil ich nach den Reden den Eindruck habe, dass nicht jeder das Schulgesetz dazu gelesen hat, möchte ich Ihnen einmal die gesetzliche Regelung, die wir übrigens schon vor dem Primarschulgesetz hatten und die im Primarschulgesetz von 2009 und auch 2010 bei der Umsetzung des Volksentscheids fortgeschrieben worden ist, nämlich den Paragrafen 42 Absatz 3, vorlesen. Dort steht ausdrücklich:
"Die Sorgeberechtigten […] entscheiden im Rahmen der der Schülerin oder dem Schüler nach ihren oder seinen Leistungen eröffneten Möglichkeiten und im Rahmen der schulorganisatorischen Gegebenheiten über den Übergang von einer Schulform in eine andere."
Noch einmal: Die Sorgeberechtigten entscheiden über den Übergang von einer Schulform in eine andere. In Paragraf 42 Absatz 5 steht dann klarstellend, dass es für den Übergang von einer Schulform in eine andere erforderlich ist, dass die Schülerin oder der Schüler die Voraussetzung für die erforderliche Mitarbeit in der gewählten Schulform erfüllt, und das muss die Zeugniskonferenz feststellen. Das heißt, die gesetzliche Regelung ist klar. Wenn die Eltern in Klasse 7 feststellen, dass der Junge oder das Mädchen überfordert ist – drei Fünfen, vier Fünfen, kommt nicht mehr mit, "Fördern statt Wiederholen" greift auch nicht –, dann entscheiden die, dass der Schüler vom Gymnasium auf eine Stadtteilschule wechseln kann. Das entscheiden nach dem Schulgesetz die Sorgeberechtigten und niemand sonst.
Was bildet sich nun aber die Schulbehörde ein? In einem Rundschreiben vom April 2013 – ich habe Ihnen das mitgebracht, Herr Rabe grinst schon freundlich – schreibt die Behörde an die Schulleitungen, dass Eltern, deren Kind freiwillig wechseln will, über die aktuelle Gesetzeslage informiert sein müssen. Es gelte Paragraf 45 des Schulgesetzes, und danach sei es nur in Ausnahmefällen möglich zu wechseln. Falsch, meine Damen und Herren. Paragraf 45 des Schulgesetzes, lesen Sie es einmal nach, regelt ausschließlich, aber ausschließlich das vertikale Aufrücken zwischen den Jahrgangsstufen 1 bis 10 von unten nach oben inner
halb der Schulformen. Paragraf 45 regelt mitnichten die Umschulung zwischen Schulformen. Dafür ist Paragraf 42 da, und Paragraf 42 besagt, dass die Sorgeberechtigten entscheiden. Das heißt, dieser Antrag, den die FDP heute stellt, tut nicht mehr und nicht weniger als den Schulsenator Rabe, der gerade wieder nicht zuhört und feixt, daran zu erinnern, dass wir eine Gewaltenteilung haben und der Schulsenator und die Schulbehörde im Rahmen der Gewaltenteilung verpflichtet sind, das Schulgesetz umzusetzen, das ein Parlament gegeben hat und das zwei Parlamente in der 19. und 20. Legislaturperiode bestätigt haben, und somit den Sorgeberechtigten ermöglicht wird zu entscheiden und nicht irgendwo in der Hamburger Straße gottgleich über Annahme oder Ablehnung von solchen Anträgen entschieden wird.
Die Sorgeberechtigten entscheiden und niemand sonst. Deswegen ist es geradezu unsere Verpflichtung, diesen Antrag zu unterstützen, denn er sagt nicht mehr und nicht weniger, als dass der Senat das Schulgesetz anwenden muss.
Deswegen lautet mein Petitum: Unterstützen Sie den Antrag. Anderenfalls kann der Senat es so auslegen, dass Sie als SPD, GRÜNE und LINKE dem Senat nicht aufgeben würden, das Schulgesetz einzuhalten.
Ein Schlusswort möchte ich noch anbringen, weil ich glaube, dass manchmal absichtlich etwas missverstanden wird. Ich will es gern noch einmal für alle wiederholen, ich habe es auch in meiner Rede gesagt. Es geht mir, auch wenn Frau Heyenn das alles als scheinheilig empfindet, mehr als Sie denken genau darum, dass Kinder aus der Stadtteilschule auch einmal auf das Gymnasium wechseln können.
Es gibt auch sehr viele Lehrer und Direktoren in den Stadtteilschulen, die das auch finden. Die können doch nicht so weit weg vom Stoff sein wie ich als Juristin, was Sie vielleicht denken mögen. Warum melden denn die Schulkonferenzen so etwas zurück? Sehr viele Schulkonferenzen fordern
mehr Durchlässigkeit. Haben die alle keine Ahnung, oder sind die alle so böse und feindlich wie die FDP? Das glauben Sie doch selbst nicht.
Herr Holster, noch einmal ganz kurz zu Ihnen. Wir sprechen hier immer und gern über Qualität, und manchmal decken sich unsere Qualitätsvorstellungen in Sachen Schule auch, aber in diesem Fall sprechen wir über Flexibilität. Das ist ein bisschen was anderes; sie kann Qualität erzeugen, soll aber die Entwicklung von Kindern ermöglichen. Wir reden nicht darüber, wie Durchlässigkeit mehr Schulqualität erzeugt. Sie haben gesagt – und das ist Ihr entscheidender Punkt –, es sei schwer zu organisieren. Das kann man noch verstehen. Das wollten wir doch gerade zusammen beraten. Einen Antrag aber als überflüssig abzuwerten und danach zu fragen, was das für die Schulqualität ergebe oder warum wir denn Klassenwiederholung wollten, hat mit dem Thema nichts zu tun. Wäre ich Lehrerin, was ich nicht bin, dann würde ich sagen, Thema verfehlt.
Und Frau Prien möchte ich daran erinnern, dass wir den Antrag Durchlässigkeit schon vor zwei Jahren für die Mittelstufe gestellt haben. Wir haben noch nie einen Antrag abgeschrieben, schon gar nicht von der CDU. Damals hat sich die CDU enthalten oder ihn sogar abgelehnt, das erinnere ich nicht mehr. Ich habe es gar nicht nötig zu sagen, dass wir den ersten Antrag gestellt haben, aber wir haben ihn schon einmal gestellt. Sie haben ihn konsequent abgelehnt. Für die Mittelstufe damals haben Sie ihn aus den gleichen Gründen abgelehnt. Ich weiß nicht, wie sich die CDU in der Schulpolitik verhalten wird, das weiß man nie so genau. Jedenfalls haben wir den Antrag schon vor zwei Jahren gestellt. Ich finde es wirklich schade, dass Sie das missverstehen wollen. Ich plädiere noch einmal dafür, und wie Sie sehen, tut die Praxis es auch: Schaffen Sie mehr Durchlässigkeit zwischen den Schulformen. Lehrer, Schüler und Schulen werden es Ihnen danken. – Vielen Dank.
Trotz dieser kleinen Sottisen vonseiten der FDP möchte ich doch eine Lanze dafür brechen, dass wir den Antrag tatsächlich im Schulausschuss beraten, und zwar ist der Vortrag von Herrn Dr. Scheuerl der beste Grund dafür, das tun zu müssen. Ich teile die sehr gewagte Interpretation des Schulgesetzes von Herrn Scheuerl zwar nicht, und wenn er sich die Mühe gemacht hätte, in die Gesetzesbegründung zur Änderung des Schulgesetzes vom September 2010 zu schauen, dann hätte er dort nachlesen können – ich zitiere –:
"Aus dem Zusammenspiel dieser Vorschrift [Paragraf 42] und der Regelung in § 45 Absatz 1 ergibt sich, dass eine Abschulung in anderen Jahrgangsstufen als der Jahrgangsstufe 6 des Gymnasiums nicht zulässig ist."
Das ist seinerzeit die Auffassung des Schulgesetzgebers gewesen. Das ändert übrigens nichts daran, dass die Formulierung tatsächlich nicht sehr klar ist, Herr Holster. Das werden Sie nach dieser zugegebenermaßen gewagten Interpretation durch Herrn Dr. Scheuerl nicht mehr leugnen können. Deshalb macht es Sinn, dass wir über die Formulierung im Schulgesetz noch einmal sprechen, damit Eltern, Lehrer und Schüler über unser Schulgesetz mehr Klarheit bekommen. Das ist die erste Anmerkung.
Zweitens: Frau von Treuenfels, sehen Sie sich die aktuellen Zahlen an. Im Schuljahr 2013/2014 hat es 1214 Umschulungen vom Gymnasium auf die Stadtteilschule in den Klassen 7 bis 10 gegeben. 1214, das ist mehr, als wir im Vergleichszeitraum seit 2006 je gehabt haben. Es kann also wirklich keine Rede von zu geringer Durchlässigkeit sein. Das Problem ist nur, dass diese Durchlässigkeit nur heimlich und mit großen Schwierigkeiten praktiziert wird und die Kriterien nicht klar sind. Ich bin ganz bei Ihnen, dass das kein guter Zustand ist. Das Problem ist aber nicht, dass wir zu wenig Durchlässigkeit haben. – Vielen Dank.
Wer möchte die Drucksache 20/12035 an den Schulausschuss überweisen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Bei einer Reihe von Enthaltungen ist das Überweisungsbegehren abgelehnt.
Wer möchte dem Antrag der FDP-Fraktion seine Zustimmung geben? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann hat der Antrag keine Mehrheit gefunden.
Wir kommen zu Punkt 29, Drucksache 20/12024, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Rechtsstaat sichern – Kennzeichnungspflicht und Polizeibeschwerdestelle für Hamburg.
[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Rechtsstaat sichern – Kennzeichnungspflicht und Polizeibeschwerdestelle für Hamburg – Drs 20/12024 –]
Meine Damen und Herren! Berlin hat sie, Brandenburg hat sie, Schleswig-Holstein hat sie, Rheinland-Pfalz hat sie, Bremen hat sie gerade eingeführt, Hessen will sie, Niedersachsen will sie, Nordrhein-Westfalen will sie. Baden-Württemberg und andere Länder diskutieren sie. Das ist der Grund, warum das Thema in diesem Hause zum x-ten Mal seit 2008 auf der Tagesordnung steht und weiter auf der Tagesordnung bleibt, bis endlich beschlossen wird, dass auch Hamburg sie einführt: Die individuelle Kennzeichnung für Polizeibeamte, auch bei geschlossenen Einsätzen.
Schauen Sie in die Länder, die sie praktizieren. Alle Einwände, die gegen die individuelle Kennzeichnung ins Feld geführt werden, sind dort durch die Praxis widerlegt. Im Übrigen gibt es im europäischen Ausland die individuelle Kennzeichnung auch, teilweise schon lange. Hamburg sollte nicht das Schlusslicht in Europa bleiben wollen. In einigen Jahren wird es die individuelle Kennzeichnung sowieso geben, überall, auch in Hamburg. Vielleicht kommen wir heute in der Diskussion wenigstens einen Schritt weiter. Ich bin gespannt auf neue Einwände, wenn die alten alle aus der Hand geschlagen sind.
Lassen Sie mich den Antrag begründen. Im vergangenen Monat beging die Polizei in Hamburg ihr 200-jähriges Jubiläum. In diesen 200 Jahren hat die Polizei Hamburg große Veränderungen erfahren. Aus einer strikt obrigkeitsstaatlichen Polizei wurde in einem langen, schwierigen, immer hart umkämpften und gefährdeten Prozess eine Polizei, die dem demokratischen Rechtsstaat und der Achtung der Menschenrechte verpflichtet ist. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Arbeit der Polizei in einem enormen Spannungsfeld stattfindet. Einerseits ist es ihre Aufgabe, die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger, ihren Schutz vor krimineller Gewalt, bestmöglich zu gewährleisten. In dieser Funktion ist sie direkte Ansprechpartnerin der Bürgerinnen und Bürger. Auf der anderen Seite wird sie bei großen gesellschaftlichen Konflikten auf den Plan gerufen, zum Beispiel, wenn Politik versagt oder um politische Entscheidungen durchzusetzen. Oft