Protocol of the Session on June 4, 2014

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Kerstan von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die SPD hatte, als sie sich mit 25 Prozent an den Netzgesellschaften beteiligt hatte, einen beklagenswert geringen Ehrgeiz, auf die Energieversorgung Einfluss zu nehmen.

(Vizepräsidentin Antje Möller übernimmt den Vorsitz.)

Wenn ich mir jetzt die Einschätzung von Frau Dr. Schaal anhöre, diese Drucksache beweise, dass die Umsetzung des Volksentscheids auf einem guten Weg sei und zeitnah erfolge, dann muss man feststellen, dass Sie diesen beklagenswert geringen Ehrgeiz leider immer noch nicht aufgegeben haben. Denn wenn man sich heute ein

mal diese Drucksache anschaut, die die SPD mit ihrer Mehrheit im Dezember 2012 in einem bürgerschaftlichen Ersuchen beauftragt hatte und für dessen Beantwortung sie dem Senat bis zum Dezember 2013 Zeit gegeben hatte, dann ist dies nicht zeitnah erfolgt, sondern der Senat hat ein halbes Jahr länger gebraucht, um das zu beantworten, und dann stellt man fest, dass darin nichts Neues steht. Da werden die Gutachten zusammengefasst, die unter Schwarz-Grün von Senatorin Hajduk beauftragt wurden und im Dezember 2012 alle schon vorlagen. Ihre Behörde hat es in anderthalb Jahren harter Arbeit doch tatsächlich geschafft, diese Gutachten, die schon vorlagen, als dieses Ersuchen von Ihnen gestartet wurde, zusammenzufassen mit dem Ergebnis, dass wir jetzt genau das wissen, was wir vor anderthalb Jahren auch schon wussten, und mehr nicht. Deshalb ist das kein wegweisender Schritt zur Umsetzung des Volksentscheids, sondern leider eine Demonstration, dass dieser Senat selbst nach dem gewonnenen Volksentscheid und der Umsetzung noch keinen Schritt weiter ist bei der Frage, was wir mit den Energienetzen eigentlich anfangen sollen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Dr. Roland Heintze und Birgit Stöver, beide CDU)

Wenn man sich die Frage stellt, warum das eigentlich so ist, dann muss man feststellen, dass diese Senatorin sich immer noch nicht für Energiepolitik interessiert. Der Bereich Energie, Umwelt und Klimaschutz ist unter dieser Senatorin kaputtgespart worden, sodass hier die Handlungsfähigkeit der Verwaltung eingeschränkt ist, und ich befürchte, dass im nächsten Doppelhaushalt dieser Aderlass der BSU weiter fortschreiten wird.

Zum anderen muss man feststellen, dass dieser Senat energiepolitisch immer noch hilflos ist, wenn Vattenfall ihm keine Konzepte mehr schreibt, was sie in diesem Fall nicht mehr tun können. Sie selbst müssen etwas entwickeln, und das ist bisher noch nicht erfolgt. Deshalb begrüßen wir allerdings den Antrag, den die SPD-Fraktion hier als Zusatzantrag eingebracht hat.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Jetzt gefällt uns das schon besser!)

Wir begrüßen auch, dass die Behörde uns angeschrieben hat, um unser Fachwissen und unsere Expertise in dem Bereich abzufordern, denn vonseiten der SPD, das haben wir festgestellt, ist da leider auch heute nicht viel zu erwarten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Birgit Stö- ver CDU)

Ich will allerdings noch eines zu dem Beirat sagen, den Sie einrichten wollen. Das ist beileibe nichts Neues. Im Jahr 2008 bin ich in einen Beirat bei der HSH Nordbank eingezogen. Er hatte null Kompetenzen. Man hat dort PowerPoint-Präsentationen

(Birgit Stöver)

vom Vorstand bekommen, die nicht über das hinausgingen, was man in der Presse lesen konnte. Man hat dann nett Kaffee getrunken und ist nach Hause gegangen.

Wenn ich mir Ihren Antrag ansehe, dann muss ich feststellen, dass dort überhaupt nichts davon steht, welche Kompetenzen dieser Beirat haben soll, welche Mitwirkungsrechte er haben soll oder ob es eine Verpflichtung des Vorstands gibt, mehr zu berichten als das, was sowieso in der Zeitung steht. Auch wenn wir heute diesem Antrag zustimmen, werden wir im Ausschuss noch einmal darüber reden müssen, um das zu konkretisieren und die Kompetenzen festzuschreiben. Diesem durchsichtigen Plan, dass wir alle einmal zusammengesessen haben und dann für alles haften, was diese Behörde nicht auf die Reihe bekommt, werden wir am Ende nicht zustimmen. Deshalb hoffen wir sehr, dass wir morgen im Ausschuss ein bisschen mehr Butter bei die Fische kriegen und konkreter werden können, denn das ist bisher eine leere Hülle, die Sie uns präsentieren, die am Ende nicht ausreichen wird, die Übernahme der Netze im Sinne des Volksentscheids gut umzusetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es bleibt dabei, dass bei der Umsetzung im Fernwärmebereich dieser Senat immer noch ohne Not Hürden aufgebaut hat, die dazu führen, dass wir vor dem Jahr 2019 in dem Bereich nichts machen können. Durch die Fixierung des Mindestpreises ist vollkommen offen, ob im Jahr 2019 die Übernahme gelingen wird. Da werden dann alle Lippenbekenntnisse der SPD-Fraktion und des Senats nicht helfen, wenn am Ende die Haushaltsordnung einen Kauf verbietet. Insofern werden wir diesen Bereich noch sehr genau im Auge behalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was allerdings nicht passieren darf, ist, dass bis zum Jahr 2019 die SPD-Fraktion in Hamburg ohne Not das weiter fortführen will, was die Bundesregierung unter Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel fortführt. Gestern stand in der Zeitung, was in Hamburg unter der SPD-Ägide geplant wird. Die SAGA lehnt nämlich Strom aus Kellerkraftwerken ab. Im ersten Moment fragt man sich, was dahintersteckt, aber es ist ein ganz einfaches Prinzip. Es gibt einen Energiedienstleister in dieser Stadt, der möchte, dass die Mieterinnen und Mieter von der Energiewende profitieren, indem in den Kellern von SAGA-Gebäuden Blockkraftheizwerke errichtet werden und durch Eigenstromproduktion die Mieter erheblich bei den Energiekosten entlastet werden. Der SAGA-Vorstand hat das abgelehnt mit dem Hinweis darauf, damit würde die Politik von Sigmar Gabriel im Bund konterkariert. Die Politik der SPD im Bund sieht nämlich ganz anders aus. Dort werden die Großen entlastet, Politik für die Konzerne gemacht, und wer muss es bezahlen? Das müssen die Kunden und die Kleinen in Wirtschaft, Hand

werk und Gewerbe bezahlen. Das ist mitnichten das, was der Volksentscheid bei der Umsetzung von uns fordert, denn hier soll es sozial verträglich und klimafreundlich vorgehen.

Deshalb werden wir in diesen Beiräten, aber auch in diesem Hause und in den Ausschüssen darauf hinwirken, dass diese unsoziale und klimaunfreundliche Politik der Bundesregierung in Hamburg bei der Rekommunalisierung der Netze keine Fortsetzung erfährt, sondern dass ein radikaler Kurswechsel hin zu dem stattfindet, was der zweite Satz des Volksentscheids will, nämlich das Gegenteil von dem, was Sigmar Gabriel betreibt, die Kleinen entlasten und klimafreundliche Politik mit den Netzen betreiben.

Da gibt es noch viel zu tun. Ob uns das in den Beiräten und Ausschüssen gelingt, ist noch vollkommen offen. Deshalb ist die Umsetzung des Volksentscheids noch keineswegs sichergestellt. Wir begrüßen zumindest, dass wir jetzt die Gelegenheit bekommen, an einigen Stellen mehr einzufordern, was die Bürgerinnen und Bürger uns gemeinsam aufgetragen haben, nämlich eine sozial verträgliche und umweltfreundliche Energieversorgung bei den Netzen in dieser Stadt sicherzustellen. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Herr Dr. Duwe von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Wissenschaftler weiß ich ungefähr, was ein Konzept sein soll. Und wenn ich als Überschrift den Begriff Konzept lese, dann erwarte ich auch ein Konzept, aber das, was hier vorgelegt worden ist, ist eine Ideensammlung, vielleicht auch eine Faktensammlung, ab und zu auch einmal Prognosen auf Basis unsicherer Datenlage, aber es ist kein Konzept. Wenn dies ein Wärmekonzept ist, dann hat die SPD auch ein Verkehrskonzept, und beides bezweifele ich.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Finn-Ole Ritter FDP: Das stimmt!)

Zur Geschichte: Seit 2012 hat die SPD-Fraktion mit relativ geringem Erfolg den Senat aufgefordert, Informationen preiszugeben, wie denn seine Vorstellung zur Energiewende im Wärmebereich sei. Jetzt haben wir sechs Antworten auf neun Fragen, wobei man sagen muss, dass diese sechs Antworten sehr vage sind. Die Datengrundlage, auf der diese Erkenntnisse und Prognosen gewonnen wurden, ist sehr dürftig. Das heißt, man müsste eigentlich jetzt schon aufhören, überhaupt darüber zu diskutieren, auch angesichts dieser ergebnisoffenen Anhörung, die wir morgen im Umweltausschuss haben werden. Es ist ganz interessant, dass wir heute schon unsere Meinungen darlegen,

(Jens Kerstan)

bevor so etwas im Ausschuss diskutiert wird. Aber vielleicht hat die SPD wieder einmal zu wenige Anträge gehabt, um sie zur Beratung anzumelden.

(Beifall bei Birgit Stöver CDU)

Ich unterstelle dies einmal als positiv.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Ganz im Gegen- teil!)

Ich sage noch etwas zum Inhalt der Drucksache. Im Tenor weisen alle Gutachten, die wir aus 2010, 2011 und 2012 vorliegen haben, darauf hin, dass die Datengrundlage gar nicht so ist, dass man darauf basierend vernünftige Aussagen machen kann, vor allem auch darüber, wie der energetische Standard beim Gebäudebestand ist und was man da tun kann beziehungsweise was man einsparen kann. Im Nicht-Wohnbereich ist es noch schlimmer

Dann möchte man gern, was zu begrüßen ist, quartiersbezogene Wärmekonzepte entwickeln. Man ist zumindest ehrlich und sagt, dass man die erst einmal entwickeln wolle und behauptet nicht gleich, dass man sie schon hätte. Das ist sehr schön, aber die Datengrundlage ist gar nicht da, wir haben nämlich nur hamburgweite Informationen. Es ist natürlich sehr toll, auf Grundlage dieser Daten für einzelne Quartiere etwas aussagen zu können. Trotzdem werden natürlich Prognosen gestellt, das kennen wir schon, es werden auch jeden Tag Prognosen für Wahlergebnisse erstellt, und genauso qualitativ hochwertig sind diese Aussagen.

Ich möchte zu den Einsparpotenzialen kommen, die natürlich nicht quantifizierbar sind, vor allen Dingen in dem Bereich, der vom Gewerbe ausgeht. Der Wärmebedarf beim Gewerbe ist natürlich noch nicht bekannt und schwer zu ermitteln. Eigentlich müsste noch mehr als ein Gutachten in Auftrag gegeben werden, damit wir überhaupt wissen, auf welcher Grundlage wir diskutieren können. Dann muss man erst einmal die Frage stellen, wie viel Fernwärme und wie viel dezentrale Wärmeversorgung diese Stadt braucht. Das müsste eigentlich in einem Konzept stehen, es steht aber mitnichten dort. Es kann entweder zu 100 Prozent dezentral sein, es kann auch zu 80 Prozent Fernwärme sein; vor 2020 wird keine Antwort zu erwarten sein. Vielleicht kann man diesen Titel der Drucksache auch so interpretieren, dass 2020 vielleicht ein Wärmekonzept vorliegen wird. Das kann man natürlich so sehen, ich sehe das nicht.

Wir haben noch einen Zusatzantrag der SPD über einen schönen Beirat, also für die Beteiligung von Bürgern; Experten sind wir sowieso immer. Ein kleiner Punkt stößt ein bisschen schräg auf. Wenn ich mir vorstelle, dass bei jeder Volksinitiative drei Vertrauensleute in fast allen Gremien sind, die in irgendeiner Form mit dem Gegenstand dieser Volksinitiative beziehungsweise dem Volksentscheid eingebracht werden, dann kann man sich

fragen, mit welchem Recht Herr Senator Rabe beispielsweise "Wir wollen lernen" bei diversen Gremien im Schulbereich ausschließt.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Herr Scheuerl sitzt ja hier drin! – Dora Heyenn DIE LINKE: Bringen Sie ihn bloß nicht auf Ideen!)

Es ist jetzt so, dass drei Vertrauensleute die Deutungshoheit darüber haben, was das Volk gemeint hat, als es Ja zur Übernahme der Energienetze sagte, ebenso wie darüber, was denn wirklich sozial gerecht ist, was umwelt- und klimafreundlich ist und so weiter. Das ist eine Einschränkung unseres parlamentarischen Selbstverständnisses. Es tut mir leid, aber dann müsste man das bei allen machen und nicht nur bei dieser einen Volksinitiative. Man fragt sich, ob die vielleicht mehr Druckpotenzial haben. Aber so etwas ist für mich nicht hinnehmbar. Wenn das so weitergeht, dann können wir uns hier gleich abschaffen – das sage ich ganz eindeutig. Wir sollten keine große Angst haben, auch nicht vor Leuten, die meinen, sie wüssten, was das Volk einmal gemeint habe, als es darüber abstimmte. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl fraktionslos)

Das Wort bekommt nun Frau Heyenn von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Duwe, ich entnehme Ihren letzten Worten, dass Sie vor Herrn Scheuerl keine Angst haben. Das ist doch sehr beruhigend.

Wir haben es bei diesem Tagesordnungspunkt mit zwei Dingen zu tun. Einmal haben wir einen Antrag der SPD-Fraktion, der in ein Bürgerschaftliches Ersuchen gemündet ist, und zwar aus dem Dezember 2012; das war vor dem Volksentscheid. Und dann haben wir noch einen Antrag, der nach dem Volksentscheid gestellt wurde. Ich möchte zuerst etwas zu diesem Bürgerschaftlichen Ersuchen sagen.

Wir haben insgesamt elf umfangreiche Fragen, und auf zwölf Seiten inklusive Grafiken gibt es Antworten beziehungsweise Teilantworten oder gar keine Antworten. Man muss feststellen, dass die Antworten doch sehr, sehr vage sind. Zum Beispiel gibt es sehr vage Erkenntnisse über den energetischen Gebäudezustand. Es ist auch nicht deutlich, welche Schlussfolgerungen der Senat zu der langfristigen Wärmeversorgung in Hamburg zieht, wie es jetzt aussieht mit dem aktuellen Wärmemarkt, wie die Strukturen für Anbieter sind. Und es gibt auch keine klaren Angaben über den Bedarf an Wärme bis 2050 bei Wohngebäuden. Das Hamburger Wärmekonzept hat bisher wirklich keine konkreten Formen angenommen.

(Dr. Kurt Duwe)

Völlig offen sind wichtige ökologische und technische Fragen, die die zukünftige energiepolitische Ausrichtung Hamburgs betreffen. Ich erinnere, weil Frau Stöver das gesagt hat, noch einmal an den zweiten Satz des Volksentscheids, in dem explizit gesagt wird – ich zitiere –:

"Verbindliches Ziel ist eine sozial gerechte, klimaverträgliche und demokratisch kontrollierte Energieversorgung aus erneuerbaren Energien."

Das steht da nicht nur einfach so, sondern das ist abgestimmt worden, und die Mehrheit hat dafür gestimmt. Deswegen ist es eine Aufforderung an uns im Parlament, das auch umzusetzen. Es ist das Gegenteil dessen, was Sie sagen, Frau Stöver. Wenn man eine demokratische Kontrolle ernst nimmt, dann ist das keine Entmachtung des Parlaments, sondern der Vollzug des Volksentscheids, und das ist mehr als nötig.

(Beifall bei der LINKEN)

Es bleiben deswegen noch einige Fragen offen, zum Beispiel, welche Wärmebedarfsplanung der Senat für die nächsten 20 bis 30 Jahre hat, welche klimaverträgliche Wärmeerzeugung wir in Zukunft wollen, welche CO2-Reduktionsziele wir ansetzen, ob wir ein Fernwärmegesetz für Hamburg brauchen und welche Perspektiven Umbau und Öffnung der Fernwärmenetze bieten.